Kalköfen | Lücken

Insgesamt 3 Meter Leporelli des Pergamonaltarfrieses hat mir Barbara aus Berlin mitgebracht. Seine Lücken, die das Hirn füllen will, verweisen auf die Kalköfen der Landbevölkerung, in denen die wunderbaren Stücke zermalmt worden sind.

Mit Vinzenz dachte ich mal darüber nach, mit den Bauwerken, die aus diesem Kalk entstanden sind, ein Projekt zu machen. Man könnte beispielsweise ihre Grundrisse in die Leerstellen des Frieses einsetzen.

Weil wir im Atelier gerade auf die Skulptur im Allgemeinen zusteuern, würde ich ganz gerne ein Ensemble aus verschiedenen Fragmenten herstellen. Jedes Einzelteil könnte auf die anderen Teile hinweisen und vielleicht sogar Anschluss an sie finden, ähnlich wie die Motive der Dreiecke.

Passend dazu besuchte ich gestern die Ausstellung „Zurück zur Klassik“ im Liebighaus. Eine kunsthistorische Fehleinschätzung bot uns die vielen weißen Projektionsflächen zumeist lückenhafter Figuren, die es vermochten, das Denken in zusätzliche Richtungen zu lenken.

Krishnababy zeigt auf dem Leporello des Ostfrieses auf Udaios, der am Boden liegt. Sein linker Arm stützt den Oberkörper etwas auf, während das linke Auge von einem Pfeil des Apollon getroffen wurde. Der Lichtgott verdunkelt dem Angehörigen des Erdmutterclans den Blick. Schon auf Vasenmalereien im Liebighaus begegneten mir streitgeladene Szenen, bei denen Gaia eine Hauptrolle spielt.

Lichtbalance

Als ich begann, in dieses Buch zu schreiben, auf dessen vorletzter Seite ich nun angekommen bin, war alles voller Schneetreiben und stetigem Ostwind, der den Winter so weit verlängerte. Auch dieser Morgen ist kühl, aber um die zehn Grad mit einem stetigen Regen.

In der vergangenen Nacht schaute ich in den Sternenhimmel über klarer Luft und sah dabei einen Vogelschwarm in lockerer Formation nach Südosten ziehen. Die hellen Unterseiten der Flügel reflektierten das Stadtlicht. Dieser nächtliche Zug unter einem strahlenden Sternenhimmel erzeugte eine eigenartige Lichtbalance.

Im Städelmuseum konnte ich zwei Stunden mit klassizistischen Kunstwerken verbringen, die in eine eigenartig heroische Romantik mündeten, die für mich etwas Abstoßendes hatte. So konzentrierte ich mein Augenmerk auf Abgusstechniken, auf die Nähte der Formenteile und ihre ästhetische Bedeutung für mich. Das geht einher mit der Beschäftigung mit Skulptur im Atelier, vielleicht kommen wir in der nächsten Zeit zu größeren Vollplastiken, die wir abformen werden.

Ein Tag ohne Atelierarbeit gestern. Ich sah nur nach meinem Reliefabdruck. Der aber noch nicht trocken war.

Am Abend sah ich einen Film über Unterwasserarchäologie im verdreckten Nildelta. Dort ist eine versunkene Hafenstadt mit Schiffen Mauern; Skulpturen, Inschriftenmonolithen, Keramik und Schmuck entdeckt worden.

Pusteblumen | Collagen

Während ein Mann mit einer orangefarbenen Tasche unter den Bäumen der gegenüberliegenden Alleeseite, unter denen es noch trocken ist, entlang schlendert, suche ich nach einem Gedanken, dem ich heute früh folgen kann. Vielleicht reicht es ja auch einfach darauf zu warten, welches Bild erscheint.

Eine sehr schöne halbe Stunde hatte ich gestern mit Mathilda, meiner zweijährigen Freundin. Wir gingen gemeinsam spazieren und sahen uns die Kleidermuster der pakistanischen Textilhändler an. Auf dem Grünstreifen entdeckten wir die Pusteblumen – ein großer Spaß. Als sie irgendwann wieder auf dem Arm ihrer Mutter saß, zeigte sie mit ausgestrecktem Finger auf mich und sagte: Das ist Frank.“

In einem aufwendiger werdenden Prozess collagiere ich derzeit meine Tagebuchzeichnungen, beziehungsweise deren Scans. Neben dem Ausschneidewerkzeug, das meist den sich diagonal kreuzenden Linien folgt, nutze aber auch noch weitere Veränderungsmöglichkeiten. So bekommen die Abbildungen innerhalb der Tagebuchdatei immer mehr einen eigenen künstlerischen Ausdruck und treten dadurch vom reinen Dokumentatioscharakter stark zurück.

Im Atelier formte ich noch ein Zweifigurenrelief, das in Wirklichkeit ein Zwölffigurenrelief ist, aus. Gleichzeitig versuchte ich immer wieder die Tauben vom Gebälk unseres Vordaches zu verscheuchen.

Kreuzstabträgerwand

Geblümte Hemden, gestreifte Röcke und Kleider in sommerlichen Farben hängen auf den Metallstangen der fahrbaren Gestelle der pakistanischen Textilhändler vor meinem Fenster.

Im Atelier kümmerte ich mich etwas um meine Pflanzen. Manche bekamen neue Erde, die mit etwas Dünger versetzt ist, manche habe ich schon vor ein paar Wochen zurück geschnitten.

Und natürlich arbeitete ich an der Kreuzstabträgerwand weiter. Es sind nun siebzehn Exemplare des Reliefs entstanden. Mit dieser Menge kann ich nun schon beginnen, das zu probieren, das den ganzen Aufwand benötigte. Öfter denke ich über das Massenspritzverfahren nach, das wir im Theater für den Auftrag von groben Strukturen anwandten. Ich muss probieren, ob das auch mit Pappmache geht, und was das kostet.

Am Abend waren Maj und Monika da. Wir schauten uns eines der Skizzenbücher an, die Monika führt. Manchmal sind kleine tagebuchartige Sätze über ganz weiche Aquarelle gezeichnet.

Maj entfernte unter Einsatz von Geduld und Mühe ihren ersten vollständigen Reliefabdruck und hatte danach noch einige Zeit mit Reparaturarbeiten zutun. Je länger der Abend dauerte, um so mehr ging es um Skulptur. Inspiriert durch Rodin wurden Figuren aus Pappmache geformt, indem das Material fast wie Ton benutzt wurde.

Vorfreude auf Wandbildexperimente

Christi Himmelfahrt – Feste in Kirchen behaust – Sehnsucht nach Religiosität wird im katholisch-mystischem oder im schlichten protestantischen Gewand aufgefangen. Predigten, Kerzen und die murmelnden Gemeinden.

Andere ziehen heute mit Bollerwagen voll Bier in Männergruppen in die so genannte Natur. Sie wandern sich betrinkend.

Auseinandersetzungen auf Teves gelten den überhand nehmenden Partys im Günestheater. Wir sollten diese Spannungen unter uns lösen. Leidtragender ist derzeit mein Ateliernachbar, der von verschiedenen Seiten bedroht wird und deswegen seiner Arbeit nicht konzentriert nachgehen kann.

Langsam wächst die Masse der Reliefs in einen Bereich, der es ermöglicht, zu sehen, wie sich das Kreuzstabträgerornament auf größeren Flächen verhält. Ich freue mich sehr darauf, im Balken die Wandbilder zu probieren, die verschiedenen Varianten zu gestalten und zu fotografieren, freue mich auf das Experiment.

Wie ich mir heute den Feiertag gestalte, weiß ich noch nicht so recht. Sicher aber werde ich einfach das Tägliche tun und an meinen Sachen weiterarbeiten.

Splitternder Text von Ivana Sajko

Am Abend in der Box des Schauspiels: „Das sind nicht wir, das ist nur Glas“ von Ivana Sajko. Den splitternden Text hat Alida Bremer übersetzt. Ivana hat das Lebensgefühl derer gezeigt, die in der permanenten Krise aufgewachsen sind. Das junge Ensemble hat das Stück sehr schnell vorgetragen, permanent auf dem Wasser laufend, was durch einen sichtbaren Bühnenbildtrick ermöglicht wurde. Ein dichter Text, der mich manchmal etwas an Elfriede Jelinek erinnerte.

Am Nachmittag beschäftigten mich die Schichten meiner Reliefdreiecke. Auf den abgeformten Modellierstrukturen liegen die der Pinselstriche der weißen Grundierung. Mit Graphitschraffuren versuche ich möglichst viel davon sichtbar zu machen, so dass es sich lohnt nahe an die Wandbilder heran zu gehen. Die ineinander fließende Sichtbarkeit der Materialoberflächenschichten wird durch die nächste Schicht aus Schelllack, trägt man sie vorsichtig und zugleich schnell auf, noch deutlicher sichtbar. Die Graphitlinien in den Tiefen der Reliefs vermale und verstärke ich noch mal mit diesem Lackauftrag. Mit dieser Palette von reizvollen Möglichkeiten der Oberflächenbearbeitung wird das Ganze etwas lustvoller. Es macht Spaß, sorgfältig zu arbeiten.

Eigentlich dachte ich in dieser Woche, mit den Schweißarbeiten beginnen zu können. Aber es gibt keine Information über den Stand der Dinge hinsichtlich des Ausstellungsvorhabens „Eco Art“ im Sommer.

Noch ist nicht klar, was ich am Nachmittag tun werde. Entweder gehe ich auf meinen Pfad, oder ins Atelier.

Linien | Haut

Bis zum Mittag hatte ich mit den Aktualisierungen der Tagebuchdatei und dem Blog „Aktuelle Arbeit“ auf der Trixel – Planet – Website zutun.

Die Fenster, die ich aus den gestapelten Scans schneide, orientieren ihre Schnittkanten nach den Linien der Zeichnungen. Die Linien der Zeichnungen nehmen oft Richtungen auf, die mit den Abdrücken meines Außenhandballens der rechten Hand entstehen. Dort bildet sich die Struktur meiner Haut ab.

Am Mittag fuhr ich ins Atelier und zog dort mein Rolltor hoch. Ich hatte mir vorgenommen an der grafischen Farbgestaltung der Kreuzstabträger – Reliefs weiter zu arbeiten. Zwei davon bearbeitete ich mit demselben Muster, wie die vorigen, mit denselben Materialien. Ein Relief habe ich danach noch vollständig abgeformt. Damit begann ich erst gegen Sechs, wodurch ich noch lange im Atelier blieb.

Habe ich geträumt, dass ich den dünnen spitzen Schwanz der Eidechse wieder gesehen habe, oder war es der einer neu zugewanderten in meinem Augenwinkel gestern?

Manchmal überkommt mich während der Arbeit am FRANKFURTER KRAFTFELD ein Anflug von konzeptionell kalkulierter Kühle. Mehr Raum für Spontaneität kann es aber erst geben, wenn ich tatsächlich größere Mengen von Reliefs miteinander kombinieren kann.

Schichten mit Fenstern

Von afrikanischen Trommlern unterstützter Türkischer Volksmusiklärm gestern Nachmittag. An Arbeit war da nicht zu denken. Ich wässerte die Pflanzen und trank im Liegestuhl ein Bier.

Mittags bin ich aus Thüringen zurückgekehrt und erledigte etwas von der aufgestauten Tagebuchverarbeitung. Etwas nachlässig habe ich am Sonntag die Dateien noch nicht ganz auf den neuesten Stand gebracht.

Das Morgenritual der Kaffeezubereitung, wie auch das Zeichnen bildet den roten Faden in Situationen, wenn sich die Gedanken noch in der Nacht befinden. Ein routiniertes Herangehen, das mit neuen kleinen Handgriffen immer neue Nuancen hervorbringen kann. Die Strukturen der Zeichnungen verändern sich fast unmerklich.

Mit einer einfachen Scherenschnitttechnik bearbeite ich die Scans in Stapeln wo ich Fenster schaffe durch die man auf die verschieden entfernten Ebenen hindurchschauen kann. Derzeit sind diese Zeichnungen und digitalen Tagebuchabbildungen die einzigen künstlerischen Dinge, die ich tue. Im Atelier hat mich die Pappmacheproduktion fest im Griff, was ich aber heute ändern will.

Der Himmel ist leer von Mauerseglern. Die, die schon da waren, scheinen wieder abgereist zu sein. Vielleicht gibt es wegen des lang andauernden Winters noch nicht genügend Insekten für ihre Ernährungsflüge.

Selbstfeier und Sturz

Bedrohlich sitzen Katzen aus Steingut auf den Dachfirsten der Roten Ziegeldächer des Dorfes an der Grenze des ehemaligen Russenschießplatzes. Wenn sich der thüringische Gestaltungswille Bahn bricht, kann er etwas sehr Düsteres bekommen. Die Wurzelgesichter aus dem Wald bewachen die Vorgärten, wie böse Trolle.

Gestern gondelten wir zu viert in einem Kleinwagen durch die wellige Landschaft nach Bad Frankenhausen, dem Ort einer historischen Schlacht, die die Niederlage der aufständischen Bauern besiegelte. Die blühenden Buschreihen, Felder und gerundeten kleinen Wäldchen waren eine Augenweide. In milchiges Licht getauchte und weichgezeichnete kleinteilige, wogende Hügel boten einen freien Blick auf den dünn besiedelten Teil Nordthüringens.

Jetzt in Frankfurt, fühle ich mich wie auf einer Insel. Ich bin aus der östlichen Fremdheit zurück und Barbara ist in Berlin. Vertrautheit ist hier

Die Panoramamalerei von Tübke hinterlässt bei mir einen hölzernen Geschmack. Die Manieriertheit des Stils offenbart sich in solcher Monumentalität deutlicher als in kleineren Zeichnungen, die erträglicher sind. Am spektakulärsten erscheint mir in diesem Zusammenhang das Datum der Fertigstellung, einen Monat vor dem Mauerfall. Wie auf dem Bild der großen Selbstfeier kommen Massen hervor aus ihren Löchern und bemächtigen sich des Raumes der Herrschaft.

Am Ende der Welt

Haina am Ende der Welt – Vinzenz traf ich gestern hier zum achtundsiebzigsten Geburtstag meines Vaters. Er beschäftigt sich derzeit viel mit Theorie und Performance. Außerdem zeichnet er Akt mit einer Linie.

Bei Arun lernte ich wieder ein paar neue Griffe, die mir neue Schwingungen in meinen Körper transportieren können. Mit Vinzenz und mit meinem Bruder, sprach ich über die Nähe der Töne beim Musizieren.

Grill im Garten, zuviel zu Essen wie immer. Niemand merkt, dass die Uhr im Wohnzimmer eine halbe Stunde nachgeht.

Heute werden wir eine große Masse von Staatskunst der DDR besichtigen: eine Panoramamalerei von Werner Tübke zum Deutschen Bauernkrieg. Ich bin gespannt, wie sich das aushalten lässt.

Und wieder werde ich ein Stück thüringische Landschaft kennen lernen, das mir, als ich dort gelebt habe, verschlossen blieb.

Workshops | Popsongs

Einen zehntägigen Workshop mit zehn Übersetzerinnen und Übersetzern aus zehn verschiedenen Weltregionen zu geben, beschäftigt ab heute Barbara in Berlin. Das findet innerhalb eines Theaterfestivals statt und verspricht Spannung.

Am Abend kamen Maj und Monika ins Atelier. Maj holte einen großartigen Abdruck ihres Reliefs aus der Form, sehr Detailreich und genau abgebildet. Sie war ziemlich glücklich damit und ich erleichtert, weil ich eine Weile lang nicht mehr an den Erfolg des Unternehmens geglaubt hatte.

Monika modellierte ein Reptil mit Ohrenflügeln, das wir zum Trocknen ins Regal gestellt hatten. Maj will probieren, es zu brennen.

Die Jungen Menschen, mit denen ich es gestern zutun hatte, sangen Popsongs aus den letzten fünfzig Jahren mit vollständigen Texten, Tanz und ganz netten Stimmen. Ziemlich außer Rand und Band taten sie das, während sie die Dreiecke grundierten.

Wallfahrten

Am Morgen hoppeln vor dem Atelier auf der Wiese die Kaninchen herum. Ihre Fluchten vor mir werden nachlässiger. Ich stelle mir schon vor, mit ihnen zu spielen.

Ein mildes Licht bescheint mein Gärtchen. Die Blätter müssen sich zunächst an die direkte Sonneneinstrahlung gewöhnen, werden während dessen gerne gelb, fallen ab und neue wachsen dann in diesem Licht, die dann mit ihm auskommen. So ist es jedes Jahr.

Den gestrigen Feiertag verbrachten wir in Rheingau und gingen dort einen Rundweg um eine Hochebene. Rundherum fielen schroffe Hänge bis zum Boden der Bäche ab.

An einem dieser Bäche lag eine Franziskanerkapelle, in der am ersten Mai eine besondere Monstranz angebetet wird. Es handelte sich um einen Wallfahrtsort, dessen Kapelle im Inneren viele Votivtäfelchen auf ihren Wänden versammelt. Das sind Steinmetzarbeiten mit Inschriften. Besonders rührend sind die Bildhaften Zeugnisse der Volksfrömmigkeit. Da gab es zum Beispiel ein Franz von Assisi gewidmetes Gärtchen, in dem sich allerhand Vorgartentierplastiken versammelten. Mehrere Bambis warteten darauf, sich endlich in einen Hirsch zu verwandeln.

Ein weiteres Kloster der Benediktinerinnen befand sich am Hang hinzu Rhein. Sie kamen ursprünglich aus Prag und errichtete den riesigen Komplex um Neunzehnhundert.

Zeichen verstummt | es schreibt

Der ächzende Gong der Standuhr der Kommunisten schlägt acht Mal. Ein erster Mai, trübe und kalt.

Ein Husten hält mich ab vom Denken, Krishnababys Fingerzeige bleiben ungelesen. Die Zeichen bleiben stumm.

Die Bewegungen der Bäume interessieren mich kaum, kaum das Licht, schon recht weit oben hinter den dichten Schleierwolken.

Einzelne Mauersegler flattern eher und schlagen keine großzügigen Bögen.

Einzig haltbar ist die Disziplin selbst auferlegter Regelmäßigkeit. Die fortlaufenden Linien der Schrift ziehen ihre Energie aus den vorhergehenden – es schreibt!

Das Zeichnen versorgt und ernährt mich.

Zumeist schreiten mürrisch Männer auf der anderen Seite der Allee. Die Frauen fehlen, weil die Kindergärten geschlossen sind.

In der Stadt wird es heute zu Auseinandersetzungen zwischen rechten und linken Extremisten geben. Viele Straßen und Plätze sind besetzt mit Veranstaltungen von Bürgerorganisationen.

Wir halten uns fern – ich möchte Natur, Weite und Stille

Fuchs | Müll

In der Nacht erschien mir die Wüstenei des Waldes, das Wüten der schweren Maschinen auf meinem Pfad.

Am Rand des Bahndammes streifte gestern ein ausgemergelter Fuchs entlang. Recht groß mit räudigem Fell durchstöberte er, bevor er wieder nach Süden verschwand, die Bauten der Kaninchen und den Müll der Günes. Ein erbärmlicher Anblick.

Wenn sich die Nutzer des Geländes heute treffen, wird unter Anderem dieser Müll, den er untersuchte, Thema sein. Durch die Veranstaltungen des Theaters, das kein Theater mehr ist, entstanden in den letzten Jahren sich vermehrende Belastungen. Weil ich in dieser Sache federführend bin, finde ich mich in der Rolle wieder, die ich vor zehn Jahren auf dem Gelände einnahm. Jetzt will niemand, außer mir Verantwortung übernehmen, auch weil das Verhalten derjenigen, die die deutsche Sprache am wenigsten beherrschen, aggressiv ist. Um diese Sprachlosigkeit zu überwinden, hoffe ich, dass eine kulturvolle und vernünftige Allianz zustande kommt, die dafür sorgen kann, dass auf dem Gelände wieder Theater geprobt wird. Vielleicht brauchen die Günes einen Impuls von außen, um sich ihrer Tugenden wieder bewusst zu werden.

Mit meinem dreieckigen Tisch wandere ich mit der Reliefarbeit vor dem Hausschatten davon, arbeite gerne, soweit es geht im Freien.

Die Mauersegler scheinen sich wieder verzogen zu haben.

Gläserne Klangpfeile

Könnte ich doch die Luftverwirbelungen sehen, die hinter den Figuren entstehen, die vor meinem Fenster, auf der anderen Seite der Allee, hin und her laufen. Afrikanerinnen mit schwingendem Gang, der griechische Pächter des Cafés, mit seinem manchmal schräg geneigten Kopf oder Fahrradfahrerinnen mit wehenden Mänteln. All diese Wirbel stelle ich mir vor, wie mit Tinte schnell geschriebene Zeilen.

Nach dem Liederabend mit Carola schlief ich lange und fest. Ihre Stimme hatte in der Französisch – Reformierten Kirche in Offenbach etwas Gläsernes.

Danach im Restaurant sprachen wir über Impressionismus und Messiaen. Es war nicht ganz einfach, sich auf dieses malerische Äquivalent zu einigen. Carola und Hans Zitko waren der Meinung, dass der religiöse Hintergrund des Komponisten einem solchen Vergleich im Wege stünde. Ich meinte hingegen, dass der gemalte Lichtfleck ebenfalls einen Hintergrund besitzt oder herstellt. Sicherlich aber gingen mir etwa pointilistische Arbeitsweisen bei der Einbeziehung von Vogelgesängen und die ganze Hinwendung zur Natur in diesem Zusammenhang mit durch den Kopf.

Hans konnte ich von meiner derzeitigen Arbeit erzählen. Auf seiner anderen Seite saß Amy, die in den USA auf einem Campus studierte, der in Teilen von Buckminster Fuller gebaut worden ist.

Raum im Raum

Einen Moment lang nahm ich in der Küche  eine andere Perspektive ein, wie aus meiner Kindergröße im Alter von etwa vier Jahren. Für Sekunden wandelte sich auch mein Selbstverständnis. Mein Wille schien untergeordnet, war weniger wichtig. Gleichzeitig befand ich mich im Gehäuse eigener Vorstellungen, in das niemand eindringen konnte, was gleichzeitig eine gewisse Einsamkeit auslöste. Küche – Ort des Geschirrs, das ich seit sechsundfünfzig Jahren abwasche. Ich tue das immer noch gern. Es gab Spülschüsseln, die in einem Gestell saßen, das aus dem Spültisch gezogen werden konnte. Am unteren Ende der Füße, in Schlitze eingelassen, befanden sich kleine Räder, die das Herausziehen erleichterten. Später gab es zweiteilige Spülbecken aus Porzellan oder emailliertem Blech an den Wänden. Das einzige Spülmittel, das es gab, hieß „Fit“.

Erst jetzt, da die Bäume die Blätter ganz austreiben, die gelbgrünen Blüten schon wie ein Teppich am Boden lagen, fällt mir ein Raum auf, der neu durch die Beschneidung des Baumes vor meinem Fenster  entstanden ist. Das wäre ein guter Platz für ein Dreiecksgitterobjekt mit eingelassenen Glasfiberreliefs. Ein Raum im Raum – einfach zu bewerkstelligendes schönes Element für die Allee.

Im Atelier formte ich gestern fleißig Reliefs aus. Ich arbeite drauflos und zähle nicht mehr. Irgendwann nehme ich das ganze Material und probiere im „Balken“ die Konstellationen aus.

Carola Schlüter hat zu einem Gesangsabend heute in Offenbach eingeladen. Es geht um Schönberg, Britten und Messiaen. Mich interessiert besonders der Messiaen, sein Impressionismus.

Pflanzenraum

Krishnababy zeigt auf:

„Sie gewährten ihm einen Blick in eine geheimnisvolle Geometrie des Raumes, die ihn einsehen ließ, dass die Konturen eines Dings in der Richtung eigener gegeneinander geneigter Ebenen sich ordnen müsse, damit dieses Ding vom Raume wirklich aufgenommen, gleichsam von ihm anerkannt sei in seiner kosmischen Selbständigkeit.“

Aus „Auguste Rodin – Zweiter Teil / Ein Vortrag / (1907)“ von Rilke.

Weil viel Regen angesagt war, stellte ich nun alle Pflanzen, außer den großen Ficus, hinaus. Das Gärtchen richtete ich so ein, dass es mehr zum Rolltor hin ausgerichtet ist, anders als in den vergangenen Jahren. Jetzt habe ich das Sammelsurium der vielen verschiedenen Pflanzen auch aus dem Atelier hinaus besser im Blick.

Während des Räumens bin ich ganz durchnässt worden und bin zu keiner anderen Arbeit gekommen.

In dieser Woche habe ich zwei Anträge auf Förderung losgeschickt. Vorgestern ging der an das Amt für multikulturelle Angelegenheiten raus, und gestern schickte ich den neuen Antrag an die Stiftung der Polytechnischen Gesellschaft auf elektronischem Weg ab.

Mit Gitta sprach ich am Weinstand über die Wissensvernetzungsarbeit im Gegensatz zur Produktion. Immer mehr Menschen arbeiten virtuellen Ergebnissen zu. Wirkliche Produktion fertigt oft genug Dinge, die sofort wieder recycelt werden, weil die Gesellschaft mit dem Konsum nicht nachkommt.

Gelöschte Linien | verfestigte Erinnerung

Schnell kam gestern eine Zusage für eine Förderung vom Kulturamt. Sie ist für die Ausstellung bestimmt, die das Projekt „Module – FRANKFURTER KRAFTFELD“ begleitet. Ab Anfang Mai werde ich dazu im „Balken“ arbeiten. Für viele Reliefexemplare, die ich nun schon ausgeformt habe, müssen noch Holzrahmen gebaut werden. Aber mit der Kreissäge und der Arbeitsfläche unter dem Vordach kann ich das wohl bewerkstelligen und die Späne fliegen lassen.

Während eines Gespräches mit Mandy, der Grafikdesignerin, hatte ich die Idee, mit Kartierungen zu arbeiten, die Wege zeigen, die Demenzkranke vor ihrem Leiden täglich gegangen sind. Die GPS-Aufzeichnungen könnten in Ornamente fließen, die weiter zu verarbeiten wären.

Währenddessen begann ich mit einer weiteren Ausformung vom Kreuzstabträgerrelief, die ich bis zum Abend mit Unterbrechungen fertig stellte.

Meine Blicke zum Himmel in den letzten Tagen haben sich gelohnt, weil ich gestern die ersten Mauersegler sichtete. Ein kleiner Schwarm kreuzte seine geschwungenen Bahnen.

Ich erinnere mich an die Ankunft eines größeren Schwarms in Heidelberg, der sich in einer Spirale verdichtete und dann, wie auf ein Kommando, in alle Richtungen auseinander stob. Wie so oft, habe ich diese Beobachtung als exemplarisch angenommen, in diesem Fall als den Zeitpunkt der Ankunft der Vögel. Eine automatische Vereinfachung, die das vergleichende Gehirn anstrebt und in den folgenden Wiederholungen der Erinnerung verfestigt.

Gespräch im Black | tiefe Spuren

Ohne mich überwinterten alle meine Gestalten am Hang, zu dem ich mich mit etwas bangem Herzen gestern aufmachte. Die Plätze, Wege und Geflechte verharren im Frost und Schnee wie festgebacken. Das weiß ich aus Erfahrung. Im oberen Drittel aber ist Holz geschlagen worden. Die Maschinen haben tiefe Spuren hinterlassen, und viele Dinge sind zerstört worden. Aber um meinen Rundbau haben die Forstarbeiter einen großen Bogen gemacht, haben Bäume so gefällt, dass sie ihn nicht zerstörten und organisierten auch den Abtransport der Stämme mit Respekt vor diesem Bauwerk. Trotz aller Zerstörungen stimmte mich die erneute Begegnung froh. Das heruntergefallene Material konnte leicht auf die Seite des Pfades geschoben werden. Eine kleine von selbst gewachsene Baumgruppe, eine Art Unterholz und Versteck am Ende des zweiten Drittels wurde dem Erdboden gleich gemacht. Dort in der Nähe sind auch weitere, vom Borkenkäfer befallene Stämme angezeichnet, die inmitten von meinem Weg stehen. Dort wird also auch alles zerfurcht werden. Diese Vorgänge setzen etwas Neues in Gang.

Auf meinem oberen Platz auf der Lichtung habe ich eine kleine Kiefer eingepflanzt. Sie sitzt in einem Mikroklimaraum, den ich im Herbst eingerichtet hatte, geschützt und sonnenzugewandt.

Am Abend waren wir im Mousonturm zu einer Vorstellung eines Tanztheaterabends von Xavier Le Roy mit dem Titel „low pieces“. Der Choreograph dreht vieles herum – das Künstlergespräch gibt es am Anfang, die Programmhefte zum Schluss. Die Blacks völliger Finsternis dauern im längsten Fall fünfzehn Minuten. An Schluss reden die Tänzer in dieser Dunkelheit mit dem Publikum. Eine andere Gesprächskultur entsteht. Schöner, dichter Abend.

Erwartete Ankunft | Kalngvolumen

Zeitig ist der blassblaue Himmel von einem dichten Kondensstreifennetz überzogen. Schon bekommen die Kanzeln der Kräne Licht und mein Blick gleitet immer öfter zum Himmel, um die Ankunft der Mauersegler nicht zu verpassen. Als tauchte man einen satt grünen Pinsel in ein klares Wasserglas, drängen nun die Blätter in den Raum.

Zutraulich gesellte sich der Sohn von Deniz zu mir und meiner Arbeit, als ich ein weiteres Relief ausformte. Er ist nun seit einiger Zeit in Deutschland, spricht schon ganz gut unsere Sprache und half mir etwas bei meiner Arbeit.

So nahe bei mir hat die Gitarre die Eigenschaft, die Schwingungen direkt in den Körper zu transportieren. Sicherlich ist das ein Grund, dass ich nachts die Akkorde spüre und mir vorstelle, wie ich mit schnellen Griffwechseln mehr abwechslungsreiches Klangvolumen herstelle. Noch ist das alles weit entfernt von meinen Zeichnungen – aber ich übe täglich.

Ich nahm mir vor, ab heute wieder auf meinen Pfad im Wald zu gehen. Das habe ich den Winter über nicht gemacht. Der ist nun aber vorbei und ich bin gespannt, wie abgeschliffen meine ganzen Bauten nun erscheinen. Schon während der letzten Begehungen überlegte ich mir, diese Veränderungen und Reduktionen mit einzubeziehen. Es ist spannend, nach so langer Zeit wieder an meinen vertrauten Ort zu kommen.

Schleierwolkenschichten | Förderungen

Kühl im Atelier nach einer kalten Nacht, mit dem Rücken an der Heizung. An der sonnenbeschienenen gegenüberliegenden Wand saß ich gestern lange bei der Ausformung des Kreuzstabträgerreliefs. Das dauerte deswegen länger als sonst, weil die Konsistenz der Ausformmasse nicht mehr so geeignet war. Je feiner und trockner das Ganze ist, umso besser lässt es sich verarbeiten. Ich weiß nicht, wie viele Exemplare ich schaffen werde. Ich dachte, dass ich etwa um die hundert benötige. – Gerade zählte ich, die bisher entstandenen durch und kam dabei auf einundvierzig.

Gestern verabredete ich mich mit Frau Budde von Architekturmuseum. Ich möchte die Arbeit mit dem Museum mit den anderen Förderungen verbinden und darüber auch neue finden.

Außerdem beschäftigte mich ein Paradigmenwechsel innerhalb der Politik des Integrationsdezernates. Er wirkt sich auf einen Antrag aus, den ich mit Ziel der Förderung des Projektes FRANKFURTER KRAFTFELD stelle. An diesem Texten arbeitete ich gestern eine Weile. Der Integrationsbegriff wird weiter gefasst. Wie weit sie dabei gehen, kann sich während eines Gespräches mit dem neuen Amtsleiter ergeben.

Einige Wolkenschichten schieben sich übereinander und verhindern, dass eine milchig weiße Sonne die Luft richtig erwärmt. Auch im Atelier bleibt es nächtlich kalt.

Krishna | sizilianische Bruchstücke

Eine große Kette umhüllt Krishnababy fast ganz. Auf ihr sind sizilianische Bruchstücke aus Muscheln und leichtem durchbrochenem Tuffstein aufgereiht. Seine Hand weist auf den Satz:

„Und wusste noch jemand von dieser ganzen Skala der Schatten bis hinauf zu jenem leicht verscheuchten Dunkel, wie es manchmal um den Nabel kleiner Antiken huscht und das wir nurmehr aus der Rundung hohler Rosenblätter kannten?“

Es ist als wolle Rilke Rodin ein weiteres Element hinzufügen und als werbe er um die Gunst der Werke.

Drüben am Rand der kleinen Quäkerwiese stehen die Ginkobäume in einem Spitzengrün, sehen darin aus wie Lärchen. Im Gras ganze Büschel von Taubenfedern – Mord überall.

Gestern Nachmittag besuchten wir Brigitte in ihrem kleinen Restaurant in Darmstadt. Dort kocht sie pensionärinnenglücklich deftige Sachen. Unweit von dort besichtigten wir die Anlage der Mathildenhöhe, die mir etwas heruntergekommen vorkam. Ein Relief mit eigenartig malaiischen Figuren war einem Krishnatext zugeordnet. Wir blickten über die zart blühenden Hügel und freuten uns über den Anblick des Frühlings.

Ich fragte mich, wo heute die Anlagen entstehen, die künftig von unserer Zeit erzählen werden. Materialität scheint immer weniger wichtig zu sein. Temporäre Kunstwerke allenthalben aus Vergänglichem. Digitale Werke verschwinden im Orkus der nicht mehr kompatiblen Speichermedien. Was wird bleiben…

Tanzfehlstelle

Die Formen im Atelier waren zu pflegen, und einige Zeit hatte ich mir dafür zu nehmen, gestern als die Temperaturen wieder so weit gesunken waren, dass das Tor nicht hochgezogen werden konnte. Zwar ist der wieder aufgekommene Ostwind zehn Grad wärmer als in den letzten Monaten, dennoch unangenehm kalt für die Frühlingskleider.

Auf der kleinen Wiese gegenüber, dem Quäkerflecken, watscheln die Ringeltauben hintereinander her, wie das Zentralkomitee der marxistisch – leninistischen Partei Deutschland, das sich allmorgendlich im Nordic Walking übt.

Gestern Abend im Mousonturm ein Tanzabend mit Foudres, einer kanadischen Company. Sportlich prekäre Handlungsformen nackter Körper in langatmigen Wiederholungen. Dramaturgische Fehlstellen, keine Präzision des Lichtes, der Pausen, des tänzerischen Handwerks, die Musik ein schwülstiger Schwampf – katholisch-berserkerhafter Kitschhammer. Das Bier danach hat gut getan.

Carola berichtete von der Verschiebung unseres Delhivorhabens. Ich dachte die ganze Zeit überhaupt nicht mehr daran, muss es mir eher mühsam in Erinnerung rufen.

Immer Konkreter hingegen gestaltet sich das FRANKFURTER KRAFTFELD. Es hält viel Variationsbandbreite, Arbeit und Vergnügen bereit.

Schichten

In einer verfügbaren Welt erscheint die Frage:„Wo sind wir gerade?“ unwichtig zu werden. Die Frage kommt von der Generation, die die Mauer und das Leben mit ihr noch kennen gelernt hat. Mit dem Smartphone habe ich diese Unsicherheit nicht mehr. Verloren erscheinen wir im neuen öffentlichen Raum, den jeder in seiner Hand vor Augen hat.

Krishnababy zeigt auf einen Rilketext: „Denn ob etwas ein Leben werden kann, das hängt nicht von den großen Ideen ab, sonder davon, ob man sich aus ihnen ein Handwerk schafft, ein Tägliches, Etwas, was bei einem Aushält bis ans Ende.“

Östlicher Wind greift in die hellgrünen Ahornblütenbaumkronen. Noch sind die Blätter nicht heraus, beginnen sich erst zu entfalten.

Die neue Beschichtung der Kreuzstabträgerform hat nicht gehalten, weil unter ihr noch zu viel Wachs saß. Ich werde sie ganz mit Lösungsmitteln auswaschen müssen, um die Trennschicht zu erneuern.

Gestern zeigte ich den Damen Vom Planungsamt meine täglichen Zeichnungen und Abbildungen des Impulsgebers Gerhard Richter. Sie interessierten sich für das Frankfurter Kraftfeld, für Möglichkeiten im öffentlichen Raum. Ich sagte, dass ich es nicht mehr forcieren muss, mit meiner Arbeit im Stadtraum zu erscheinen. Wenn jemand etwas will, muss er kommen und zahlen.

Die Atmosphärenschichten sind ganz durcheinander gewirbelt. Die Wolken kommen je nach Höhe aus verschiedenen Richtungen. Manche stehen still. Am Boden herrscht derweil ein kräftiger Wind.

Planung | Spannung

Arbeiten im offenen Rolltor. Ab und zu trage ich einen Pflanztopf nach draußen.

Ab Mai ist der Projektraum frei, wo ich an Wandbildvarianten arbeiten kann. Deswegen habe ich derzeit mit Pappmacheherstellung und der Produktion von Reliefrohlingen zutun. Die Arbeit kann langsam wachsen. Es geht um Kontraste der verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten der Liniengeflechte. Es geht darum, Ornamente aufzusprengen und die neuen Figurationen den entgegenzustellen. Es geht um Spannung. Dazu gehört Zeit und ein Hängesystem, wo alle Dreiecke verschieden platziert werden können.

Ich bremse mich bei der Arbeit an den Objekten für die Sommerausstellung in der Stadt. Bisher gibt es noch kein Zeichen, das den Grund für einen Start an dieser Arbeit hergäbe.

Für Anfang Juli habe ich schon eine Woche mit der Hindemithschule ins Auge gefasst, treffe mich in vierzehn Tagen noch mal deswegen mit Alexander Klett. Den Stand unserer Planung kann ich nun auch an das Architekturmuseum weitergeben.

Besuch von den Damen des Planungsamtes. Ich berichtete ihnen von neuen Entwicklungen auf dem Gelände. Gleichzeitig sprachen wir über unsere ursprünglichen Pläne der Nutzung des Areals und darüber, wie diese wieder neu und weiter verwirklicht werden können.

Eidechse und Falke

Die Kreuzstabträgerform habe ich noch einmal mit Schelllack beschichtet. So lassen sich die kleinen Fehlstellen schließen, die an den Stegen die Schwachpunkte bilden. Die filigrane Form ist nun stabiler.

Außerdem veränderte ich die Rezeptur des Pappmaches so, dass ich weniger Tapetenleim einmische, um das Schrumpfen des Reliefs bei der Trocknung geringer ausfallen zu lassen. Die Exemplare werden nicht so steinhart, was die Verletzung der Form noch einmal begünstigt.

Während der Arbeit draußen vor dem Tor entdeckte ich eine Eidechse, die im Unterholz meines Gärtchens und an meinen Holzfiguren herumkletterte. Ich bewegte mich ganz langsam, machte eine Serie von Fotos und überlegte, wie ich mit kleinkrümligem Futter eine Beziehung zu dem possierlichen Tierchen aufbauen kann. Während ich aber Roland vor seiner Ateliertür davon erzählte und wir noch den Artenreichtum an Vögeln an unseren Bahnhang bewunderten, schoss ein Falke aus mittlerer Höhe die Strasse entlang, landete im Winkel, wo unsere Mauer auf den Boden trifft, der unausweichlichen Fluchtlinie unserer Mitbewohnerin und schnappte sich mit vorgestreckten Krallen die Eidechse. Nie habe ich auf einen Raubvogel geschimpft, wie auf diesen. Und wir standen daneben und konnten nichts tun!

Am Morgen habe ich ein erstes Wandbildelement aus sechs Teilen mit sechs Dreiecksholzrahmen versehen – eine kompakte Angelegenheit. Von allem benötige ich nun mehr: die Hundertstundenwochen brechen an

Siebenhundert Jahre Einwanderung nach Frankfurt


Siebenhundert Jahre Einwanderung nach Frankfurt – eine Buchvorstellung mit Podiumsveranstaltung. Im Verlauf der Veranstaltung wurde die Sonderstellung der migrantischen Kulturen in Frage gestellt. Bei einer Stadtbevölkerung mit fast fünfzig Prozent von Menschen mit Migrationshintergrund (klingt wie eine Krankheit), leben wir in einer Migrationsgesellschaft und haben uns täglich mit diesen Kulturen auseinander zu setzen.

Diese These vertrat ich schon in abgewandelter Form in den Neunzigerjahren, als ich mein Projekt TRIXEL PLANET auf die Stadtgesellschaft von Frankfurt übertrug.

Vom Amtsleiter des Amtes für multikulturelle Angelegenheiten erfuhr ich, dass es auf Post von mir wartet. Das ist mir neu. Ich erwartete einen Terminvorschlag, wo ich ihm das Projekt vorstellen kann, wollte es ja ohne Kommentar nicht abliefern. Nun also so herum – ist mir auch recht.

Gestern schrieb ich an der Ergänzung des Sachberichtes für die Polytechnische Gesellschaft weiter. Morgen Nachmittag treffe ich mich wegen FRANKFURTER KRAFTFELD mit Alexander Klett von der Hindemithschule. Ich suche bei ihm eine Dreieckszusammenarbeit: Zwischenraum, PHS und Architekturmuseum. Dann müssen schnellstens Anträge gestellt werden…

Restauration | Ateliergarten

Jetzt habe ich begonnen meine Pflanzen vors Atelier zu stellen. Das geschieht nicht mit der Endgültigkeit, wie es Mitte Mai passieren würde, aber Oliven Zitronen und Geranien kann ich schnell, falls es noch mal Frost geben sollte, wieder hereinräumen.

Vormittags beschäftigte ich mich mit dem Text für Daphne Lipp. Die Rückschau hat ergeben, dass ich etwa dreihundertzwanzig Stunden Workshops gemacht habe. Alle Inhalte habe ich in Stichworten notiert. Dazu entstand ein kurzer Text über Akquise und die Atmosphäre beim Labyrinthzeichen, wie ich sie gestern schon beschrieben habe

Langsam werden die Formen durch die häufige Benutzung brüchig. Eine Restauration gebrochener Stege und eine Lack- und Wachsschicht wird notwendig, wenn ich damit noch die Gießharzausformungen machen möchte. Besonders betroffen ist der Kreuzstabträger, dessen Stege vereinzelt brechen, weil sie besonders hoch geworden sind und auch ziemlich schmal.

Nach dem Abendessen ging ich noch mal ins Atelier, um ein zweites Relief auszuformen. Ich habe das Gefühl, dass mir die Zeit etwas wegrennt. Frau Manolopoulou hat sich noch nicht gemeldet. Auch hier verschiebt sich dadurch ein möglicher Arbeitsbeginn nach hinten.

Goldbergvariationen | Kampfhunde

Zwei Gärtner lockern den Boden unter den großen Ahornbäumen vor dem Cafe, zupfen Unkraut, mähen den Rasen und wässern die bunten, blühenden Beete. Plötzlich ist es nun warm geworden, und mit der angekündigten Feuchtigkeit wird es eine Grünexplosion geben.

Öfter dachte ich am Wochenende über meine Erfahrungen mit den Jugendlichen innerhalb des FRANKFURTER KRAFTFELDES nach. Die Stichworte, die mir dazu einfallen, führen mir regelmäßig extreme Situationen vor Augen.

Beispielsweise die meditative Atmosphäre beim Zeichnen von Labyrinthen mit Feder und Tusche. Währenddessen halblaute Gespräche über Russenmafia, Dogen- und Waffenhandel, Prostitution und Kampfhunde. Währenddessen liefen die Goldbergvariationen, von Glenn Gould gespielt.

Oder die Mädchenbandentendenz mit Hang zur Gewalt. Eine Kombination aus aggressivem Auftreten, provozierender Kleidung, degenerierter Halbsprache und Kampfsport.

In meinem Schreiben an die Stiftung der Polytechnischen Gesellschaft möchte ich gerne mehr von dieser Welt und meinen Ganztagsworkshops erzählen. Diese gestrandeten Menschen sind in der Kunstwelt meines Ateliers in einem kulturellen Schutzraum. Nur innerhalb einer kontinuierlichen Zusammenarbeit konnte ich wirklich Vertrauen aufbauen. Ich kann es nur einlösen, wenn ich weitermache.

Needcompany| Architekturmuseum

Ein kleiner Junge wird von seinem ganz kleinen Hund, den er an einer schweren Leine hat geführt und an den Stellen festgehalten, an denen er interessiert ist. Das geht so lange, bis er das Tier nimmt und fort trägt.

Irgendwann, Anfang des Jahres versprach ich mir, dieses Frühjahr genau zu beobachten. Schnell gehen jetzt an manchen Bäumen die Knospen auf. Aus Leibeskräften singt eine Amsel, als wolle sie die verlorenen drei Wochen aufholen. Das breite Band der Gesangsvariationen ist von Molltönen dominiert. Das Geläut und die Rufe der Ringeltauben weben den sonntäglichen Klangteppich noch etwas fadenscheinig, aber feierlich.

Im Mousonturm war gestern die flämische Needcompany zu sehen. Ein Weiler hat durch eine Explosion auf einem gemeinsamen Fest vierundzwanzig Menschen verloren. Die Verursacherin, die Metzgersfrau, hat querschnittsgelähmt überlebt. Die Erinnerungen der Beteiligten verstricken sich zu einem kollektiven Trauma, dem darauf begründet weitere gewaltsame Tode folgen. Irgendwie bleibt die Gemeinschaft aber bestehen und geht mit der wachsenden Anzahl ihrer Toten weiter durch eine vielschichtiger werdende sehr menschliche Existenz.

Im Foyer traf ich Frau Budde, mit der ich im Architekturmuseum zusammengearbeitet habe. Wie haben verabredet, über ein weiteres gemeinsames Projekt nachzudenken.

Berufswunsch Scharfschütze

Interessantes Gespräch mit der Stiftung der Polytechnischen über meinen Bericht zum Projekt „Frankfurter Kraftfeld“. Grundsätzlich berichte ich zu viel über die künstlerischen Aspekte und die soziale Seite der Arbeit kommt weniger zum Tragen. Ganz gerne würde ich in einem Text über das Verhältnis von künstlerischer Qualität und Sozialarbeit meine Haltung dazu klar machen. Die Partnerschaft zwischen Workshopteilnehmern und mir kann nur tief und erfolgreich sein, wenn das von der Substanz der Arbeit her möglich gemacht wird. Dennoch geht es in unserer Zusammenarbeit in erster Linie um das Kunstwerk. Erziehung ist ein Derivat innerhalb des künstlerischen Prozesses. Die Ausstellungen zeigen das Kunstwerk, an dem Menschen außer mir beteiligt sein durften.

Unter dem Titel „Berufswunsch Scharfschütze“ könnte ich unter noch größerem Aufwand  an vielen kleinen Beispielen zeigen, welche Situationen sich im Atelier ergeben, aus denen sich Erkenntnisse entwickeln könnten. Das Schulhafte und Abrechenbare kommt zu Recht zu kurz.

Außerdem würde ich gerne über das Verhältnis von veranschlagten Mitteln und den tatsächlich bereitgestellten schreiben, über den Aufwand an Konzeption, Antragstellung, Planung und Dokumentation, Abrechnung und Sachbericht, der alleine schon die Fördermittel auffrisst.

Leise Zurückhaltung gestern im Schauspiel. Andrea Breth inszenierte „John Gabriel Borkman“ von Ibsen. Auch hier wird die Wirkung erst später einsetzen, weil die Arbeit von vielschichtiger Dichte zeugt und erst nach Wochen vielleicht wieder auftauchend in der Straßenbahn…

Werkzeuge | Geschichten

Als uns in Mamallapuram vor gut einem Jahr ein Bildhauer eine Steinkugel und die Motive auf ihrer Oberfläche erklärte, wusste er sehr genau, welch große Rolle die Geschichten spielen, die den Hintergrund seines Werks bilden. Sie schaffen emotionale Nähe. Die Reliefs auf der Kugel zeigen Gegenstände, die während des großen Tsunamis vor neun Jahren, seine Ladenstraße hinauf schwammen oder an seinem inneren Auge vorbei, als er, seinen Laden im Stich lassend, vor den Fluten floh. Jetzt liegt die Kugel auf meinem Schreibtisch. Wir haben sie gekauft, damit sie uns an diese Geschichte und an die Begegnung erinnert.

Auch Pflanzen, Werkzeuge und Räume halten Geschichten bereit. Gestern waren das die Geschichten eines kürzlich gestorbenen zweiundneunzigjährigen Schreiners. Helga zeigte mir ihr altes, in Jahrhunderten zusammengestückeltes Elternhaus mit der dazugehörigen Werkstatt. Sehr emotional berührten mich die in langer Zeit zusammengetragenen Dinge, das alte Gebälk der Fachwerkhäuschen mit den kleinen niedrigen Stuben. Noch intensiver aber traf mich die Werkstatt, die gegenüber den Wohnräumen luftig und groß war.

Helga bot mir nun an, mir Dinge auszusuchen, die ich gebrauchen könnte. Und so fuhren wir mit einer Kiste Bücher, Zeichenmaterial und mit einigem Werkzeug wieder zurück. Ein ganzer Satz Schnitzwerkzeuge in einer schönen Holzkiste steht nun in meinem Atelier und wartet darauf, benutzt zu werden. Nun soll ich mir noch Dinge für einen größeren Transport aussuchen – eine Hobelbank, ein gefüllter Werkzeugschrank und Schraubzwingen. Der Himmel auf Erden! Ich bin sehr dankbar.

Blickachse

Ein viereckiger Taschenspiegel auf meinem Schreibtisch, der mir ansonsten zur Kommunikation mit den Krähen dient, zeigt das kahle Geäst unter dem Regenband draußen. Krishnababy zeigt mit seiner stützenden Hand auf diesen Vorgang, während seine Augen der Blickachse über die Butterkugel in der anderen Hand auf einen Rilketext über Zeichnungen von Rodin gerichtet sind:

„Alle Bewegung legt sich, wird Kontur, und aus vergangener und künftiger Zeit, schließt sich ein Dauerndes: Der Raum, die große Beruhigung der zu nichts gedrängten Dinge.“

Währenddessen hält das Atelier nur Vervielfältigungen für mich bereit, gestern das Blutkreislauf-Figuren-Relief.

Während der Beschäftigung mit dem Rilketext und beim Anschauen der Fragmente von Rodin, reizt es mich, meine Reliefs manchmal etwas plastischer werden zu lassen.

Gestern machte ich mich noch mal auf die Suche nach einer Katze, die ich der indischen Schlange hinzugesellen kann. Das nächste Motiv spricht schon eine ganze Weile mit mir, ist nur noch nicht soweit.

Gestern einige Verabredungen, bei denen es um die Arbeit und Finanzierung des FRANKFURTER KRAFTFELDES gehen wird.

Innere Uhr der Samen | Lichtkoordinaten

Die innere Uhr der Samen, die ich auf Reisen gesammelt habe, blieb mir zumeist unsichtbar. So weiß ich nicht, wann ich sie aussäen kann. Wegen dieser Unsicherheit bleiben sie in der Schale auf meinem Fensterbrett liegen und werden langsam mehr.

Auf die längeren Lichtphasen reagieren meine Pflanzen im Atelier mit gut sichtbarem Wachstum. Die Fülle reizt mich, sie bald hinaus zu stellen. Zunächst kann ich das mit dem Olivenbaum machen, dann vielleicht die alte Zitrone, von der ich kürzlich versehentlich einen jungen, noch weichen, stark duftenden Ast abbrach.

Das Erscheinen eigener Dreidimensionalität verleiht einer Romanfigur, die ich am Morgen lesend kennen lernte eine versöhnliche Festigkeit am Ende des Textes. Zuvor schien ihr Dasein ohne innere Koordinaten plasmatisch in eine Hoffnungslosigkeit zu fallen. Die Anerkennung der Realität führt da zu einem Neuanfang. Die eigene Existenz ist keine virtuelle Figur mehr, auch kein Videobild.

Das Erscheinen der Dreidimensionalität ist das Stichwort für den Start der Arbeit an den Kraftfeldobjekten.

Trümmerschichten | impressionistischer Klang

Als letztes ging es gestern um den Transport von Waren, Ideen und Weltbildern durch die Sahara. Ralph A. Austen beschreibt in seinem Saharabuch die Welten, die sich dort verflochten. Auseinandersetzungen um Religionen, deren Vermischungen und Sprachformungen werden angerissen.

Im Hessischen Rundfunk wurde ein Archäologe um die Zukunft des Landes befragt, der bislang in Syrien grub. Sein Pessimismus stützte sich auf die Erkenntnis, dass der Mensch ein Zerstörer sei. Diese Überzeugung liegt nahe, wenn man es ständig mit Trümmerschichten zutun hat.

Täglich versuche ich nun die Griffe auf der Gitarre zu üben, die mir Arun gezeigt und aufgezeichnet hat. Der Klang des Instruments folgt mir bis an die Ränder des Schlafes.

Im Atelier wo ich den größten Heizkörper, weil der Wind auf Süden gedreht hat, abgeschaltet habe, formte ich das Zweifigurenrelief noch einmal aus. Bei dem Zeitaufwand, den ich für diese Arbeit aufwende, müsste ich mich nun auch intensiver um die farbliche Gestaltung und die Zeichnungen auf den Flächen kümmern. Während der Arbeit hörte ich Debussy und Ravel. Mich interessiert der impressionistische Klang.

Gekreuzte Finger

Wegen des wochenlangen stetigen Ostwindes ist es kaum bemerkenswert, dass heute Flugtag ist, die Maschinen also über uns hinweg starten. Wie oft habe ich das Wort „Flugtag“ schon hingeschrieben? Als ließe sich dadurch eine Linderung, eine Ruhe herbei beschwören.

Unsere zwei Ringeltauben sitzen etwas zerrupft in den Ästen, putzen sich immerhin und scheinen zuwarten.

Krishnababy zeigt auf:

„As long there`s sun“, aus dem Song „Where Are We Now“ von David Bowie.

Das Verlorensein im offenen Berliner Raum. Niemand, der die Mauer nicht kennt, kann das nachvollziehen. Für alle Fälle kreuzen wir immer noch die Finger, wenn wir die „Grenze“ überqueren, als wären wir in einem Fluchttunnel unter dem Todesstreifen. Die Leeren Flächen mitten in der Stadt, Wachtürme, Panzersperren und die blendend weiße Mauer am Potsdamer Platz. Die Erinnerungsniveaus schieben sich ineinander. Neunzehnhundertsechsundsiebzig wäre uns die Vorstellung, dass täglich achtlos abertausende Menschen auf Brücken über die Grenzspree gehen, absurd vorgekommen. Aus meinen Erinnerungen lässt sich die Mauer nicht herausfiltern.

So spazieren wir mit den Toten, führen sie aus

Inseln | Songs

Fast schon parallel zum Verlauf der Allee schlagen die Schatten des Sonnenaufgangs auf das lichte Ockergrau der Wege, die nun etwas orangefarbener aufgehellt werden.

Am Morgen las ich ein Interview mit einem Zypernexperten in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Der Anschluss der Insel an die Europäische Union hatte offensichtlich einen Industrialisierungsschub nach sich gezogen. Die verschlafene Ländlichkeit, die wir aus Griechenland kennen, und schätzten, muss einem Aufblühen von Industriegeländen gewichen sein.

Erinnerungen an die griechischen Inseln, auch an Kreta und an Malta.

In den letzten Tagen hörte ich im Atelier noch einmal die Whitmarkdemos von Bob Dylan. Sean Wilentz schätzt die Arbeitsphase der Sechzigerjahre sehr hoch ein. Bislang blieben mir die Songs dieser Zeit, auch wegen der spartanischen Instrumentierung etwas ferner. Aber so langsam beginne ich ihre Qualität zu begreifen.

Ganz gegenteilig dazu die Erinnerungen von David Bowie an Berlin, mit den Eisler- Weill- Strukturen.

Ich übe, was ich bei Arun auf der Gitarre gelernt habe. Das macht zwar Spaß, tut aber an meiner etwas lädierten und operierten linken Hand weh. Mein Daumen findet sich selten an der richtigen Stelle ein, auch die anderen Finger müssen sich erst an diese Arbeit gewöhnen.

Im Atelier formte ich noch einmal das Kreuzstabträgerrelief aus. Ich habe das Gefühl ständig Exemplare der Reliefs herstellen zu müssen, um entsprechende Wandbilder zusammen zu bekommen.

Blinder Fleck

Mit verbogenen Fingern versuchte ich gestern mit Arun das erste Bluesschema nachzuspielen. Er zeichnete mit auf ein Notenblatt, was ich in den vierzehn Tagen bis zu meiner nächsten Stunde üben soll. Ich erklärte ihm, dass die Musik als eine Ergänzung zum Zeichnen dienen soll.

In einem unangenehm scharfen Ostwind stehen die Bäume immer noch schwarz. Wenn man lesen kann, was es heißt wirken die Bewegungen der Baumkronen bedrohlich. Leise und vereinzelt ist aus den bräunlichen Gärten Gesang von Amseln hörbar. Die Wolkendecke schwebt so tief, dass die Flugzeuge mit ihren im Start lärmenden Triebwerken nicht zu sehen sind. Sie sind eingesogen in die Schichten der Trübnis des Himmels, der ein blinder Fleck bleibt.

Am Bahndamm von Teves West blühen immerhin ein Mirabellen- und ein Pflaumenbaum.

Mit ihren spitzen Schnäbeln stachen Krähen gestern gezielt von der Seite in abgestellte Müllsäcke, um an ein Stück Brot heranzukommen. Vorher zogen sie Papier in langen Streifen durch die kleinen Löcher heraus.

Am Weinstand erzählte mir Gerd etwas von Surfmusik aus den frühen Sechzigerjahren. Erst später wurde sie mit dem Surfsport zusammengebracht und veränderte sich dadurch auch. Am Morgen hörte ich mir ein paar Beispiele im Netz an.

Auflösung

Zwischenergebnisse mit Frau Baehr Manolopoulou im Atelier angeschaut. Es ging um die inhaltlichen Dinge meiner Arbeit am FRANKFURTER KRAFTFELD, aber auch um Sponsorenakquise. Sie setzt auf die Form einer Pyramide aus meinen Dreiecken, die vor allen dem Selbstverständnis von Sponsoren entgegen kommt.

Ich bin da ziemlich gespalten, glaube eher an meine unregelmäßigen skulpturalen Objekte. Eine Pyramide ist recht starr, lässt aber mehr Blick auf die Ornamente und auf ihre Auflösungen zu.

Vielleicht kann sie aber mehrere Objekte ins Feld führen, oder ich nehme die Herausforderung an, um die Module auch für außen mobiler zu machen. Einerseits könnte ich also eine neue Systematik entwickeln, andererseits aber einfach erst einmal nichts tun. Letzteres liegt meiner Natur ferner, aber der Vernunft näher.

Frau Manolopoulous Begeisterung für meine Arbeit steigerte sich, je mehr sie sich damit beschäftigte. So ein Feedback tut mir natürlich gut.

Gestern Abend formte ich noch ein Zweifigurenrelief aus. Für eine Ausstellung im Balken benötige ich davon noch viel mehr Exemplare.

Letzte Bilder | Krähennacht

Schwarze Krähennacht – Gesang von draußen. Noch ist die Heizung nicht angesprungen.

Im Atelier habe ich gestern aufgeräumt und den Fußboden vom Schmutz des Winters befreit, Tische abgebaut und Platz geschaffen. Wenn ich die Pflanzen herausstellen kann, gibt es noch einmal mehr Raum für die Objekte des FRANKFURTER KRAFTFELDES.

Die Entscheidung fiel gestern gegen den Hang Gang. Anstatt dessen baute ich noch weitere Gitterobjekte.

Am Abend Besuch der Schirn. Dort gibt es derzeit die Ausstellung „Letzte Bilder“. Es geht um die Konzentration in den letzten Aussagen einiger Künstler. Willem de Kooning gibt sich beispielsweise mit ruhig schwingenden Formen in klarer Stabilität. Überhaupt scheinen mir Gleichgewichtigkeit und Harmonie ein wichtiges Thema zu sein. Überraschend auch Manets kleine Blumensträuße in Kristallvasen.

Solch ein Bild gibt es auch von mir, vor vielleicht dreißig Jahren in Lasurtechnik gemalt.

Keines der Werke der Ausstellung ließ mich kalt – das hat Seltenheitswert nach der letzten Zeit und all dem Rummel um die Neuerfindungen kuratorischer Sichtweisen und Deutungshoheiten.

Gärten der Zeichnung

Mittwoch – Fünf – fast noch in der Nacht, lange noch keine Dämmerung zu erwarten, hatte ich die Idee, auf meinen verschneiten Pfad im Taunus zu gehen, um zu fotografieren.

Mindestens genau so präsent aber sind die Akquisevorhaben der nächsten Zeit. Sie konkurrieren mit den Vorstellungen um die Weiterarbeit am FRANKFURTER KRAFTFELD.

Gestern hatte ich einen langen Arbeitstag im Atelier. Die Lehrlinge ließ ich Zuarbeiten machen. Pappmachéherstellung und Grundierungen. So bin ich ein gutes Stück weitergekommen.

Am Abend habe ich begonnen, den Text „Bob Dylan und Amerika“ von Sean Wilentz, etwas gründlicher zu erkunden. Dabei wird klar, wie wenig ich über die Geschichte dieses Landes weiß. Daher ist es ein Glücksfall, über diesen Umweg durch die impressionistischen Gärten der Musik und der Worte, ein wenig mehr darüber zu erfahren.

Es ist angenehm zu erleben, wie manche Zeichnung durch einen schnellen Handstreich zu Ende geführt wird. Kurz danach kann ich die Entscheidung treffen, dass sie fertig ist, obwohl ich, zumindest in diesem Moment, wenig Mühe darauf verwandt habe.

Die zeichnerische Arbeit an den Reliefs entwickelt langsam eigene Strukturen. Ich muss sie zunächst aus dem Gesamtkontext entfernen und nur für sich alleine stehen lassen.

Blendende Flut

Atelier – irgendwo hinter dem Bahndamm ist schon die Sonne aufgegangen. Das Deckenlicht habe ich, um ihre Ankunft im Raum deutlicher sichtbar werden zu lassen, abgeschaltet. Lichtspiel nach dem Märzwinter.

Am Morgen habe ich hier allerlei vorbereitet. Exemplare des Dreifigurenreliefs sollen heute zu einem geschlossenen Kreis zusammenwachsen. Ein unregelmäßiger Ring soll hervorgehoben werden. Pappmaché wird heute produziert und vielleicht ein neues Dreiecksgittermodell gebaut.

Auch Barbara war, genau wie Maj, zunächst, als ich ihr gestern erstmalig ein größeres zusammenhängendes Ornament aus sechs Dreiecken zeigte, etwas orientierungslos. Das legte sich aber schnell, wodurch die Vielschichtigkeit sichtbar werden konnte.

Während eines Spaziergans im kalten Wind am Main wärmten wir uns im Cafe des Städel auf, genossen die Ruhe und den Blick auf die Skyline. Danach gossen wir im Atelier die Pflanzen und schauten nach meiner Arbeit.

Jetzt ein Lichtraum, weißblendende Flut im Atelier.

In der Nacht träumte ich von Indien, von Hochwasser, Schlamm und versinkender Pracht. Erdwege waren wie Alleen von Stupas gesäumt. Schiffsverkehr mit farbigen Tüchern, eine Rasur bei einem faulen Barbier, bei der ich einschlief.

Kid Congo

Meine Vorderseite bleibt auf dem Südbalkon kalt, mein Rücken wird von der Sonne gewärmt. Der ehemals schöne Ahorn im rückwärtigen Garten ist misshandelt und verunziert durch einen brachialen Schnitt. Das geht auch ästhetischer.

Ein Anstoß von Gitta und Gerd brachte mich gestern nach Umwegen zu „Kid Congo“. Zunächst landete ich bei einer Punkband in roten Hosen und bunten Uniformjacken im Dreikönigskeller – etwas unruhig das Ganze, fand dann aber nach etwas Nachdenken im Ponyhof das richtige Konzert, etwas zu spät leider und konnte somit nicht mehr so richtig einsteigen. Der Sänger und Bandleader schien ein warmherziger Mensch zu sein, der mit seinen Songs, ihrem Sound das ganze Publikum umarmen wollte. Außerdem ist er ein Geschichtenerzähler.

Das ganze Gegenteil war die folgenden Band, die aus drei Russen bestand, die einen perfekten Sound ablieferten, aber mit der Musik, die sie spielten nichts zutun zu haben schienen. Nichts aus ihrer Kultur verband sich mit dem, was sie produzierten, was ihnen selbst eigenartig fremd zu bleiben schien. Deswegen klang das alles etwas auswendig gelernt und aufgesagt.

Bei Musikern wie Tav Falco oder Kid Congo gibt es auch immer das tänzerische Element, das das Bühnenunternehmen risikoreicher aber persönlicher werden lässt, den Musiker dadurch aber verletzbarer macht.

Schnell hell abends

Der regnende Segen des Südens – Angkor Wat in der Regenzeit des Augusts.

Krishnababy:

„…nach dem zweihundertsten Jahrestag der Schlachten von Lexington und Concord bei Boston.“

Die Ostertage über war ich nicht im Atelier. Die etwas abgebremste Arbeitskonzentration liegt auf den Tagebuchzeichnungen. Es ist nützlich, sie sich in Ruhe anzuschauen, sie zu vergleichen mit denen, die ich vor einem Jahr gemacht habe, oder vor zehn oder zwanzig Jahren.

Schnell bleibt es abends hell. Zeitumstellung. Sturm der Glocken der Friedenskirche und der startenden Flugzeuge. Unbeteiligtes kaltes Licht dazu.

Die Ärzte haben mir zum Geburtstag eine Ukulele geschenkt, eine rührende Geste und ein nicht minder rührendes Instrument.

Kon Tiki

Ostersonnabend. Mit blaugrauem Taubenlicht bespannter, langsamer Wind – dennoch scharf. Vier Euro vierzig für etwas Brot, das am Abend zum Käse auf den Tisch gestellt wird, wenn wir die Ärzte noch zu Besuch haben werden.

Auf dem Balkon kann man etwas Sonne aufnehmen, wenn man geduldig genug ist, sich nicht aufscheuchen lässt vom Perlentaucher oder anderen Surfspots.

Der Abwasch steht noch in der Küche – die Spülmaschine bin ich.

Krishnababy zeigt in Sean Wilentz „Bob Dylan und Amerika“ auf den Satz, der sich auf die Autobiografie „Cronicles“ bezieht:

„Was zuerst auffällt in diesem Buch, das ist seine Herzlichkeit, der direkte Stil und die Dankbarkeit im Ton.“

Im Staub des gegenüberliegenden Gehweges liegt Rocky, der Maskottchenhund der Cafebetreiber. Er dreht seinen Kopf hin und her, beobachtet die trägen Krähen, die sich manchmal aus einer Astgabel fallen lassen, um sich in lässigem Schwung kurz über dem kalten Boden abzufangen.

Im Kino gestern ein wenig spektakulärer Film mit dem Titel „Kon Tiki“ über Thor Heyerdahl und seine Balsafloßexpedition im Pazifik des Jahres Neunzehnhundertsiebenundvierzig.

Ordnung nach dem Tod | leerer Himmel

Auf den Dächern liegt etwas Schnee. Die Krähen, Meisen und Ringeltauben sparen Energie. Der Himmel ist von ihren Flugbildern entleert.

Meine Patschulipflanze, die ich vor ein paar Tagen etwas radikal zurück schnitt, treibt nur zögerlich neu aus. Sie sieht gerupft aus, kein Augenschmaus.

Im Atelier formte ich ein Zweifigurenrelief aus. In den letzten Tagen arbeitete ich an drei sehr sorgfältigen Exemplaren der drei Reliefs. Ich möchte sie am Dienstag den Jugendlichen als Vorbild zeigen, damit sie nicht so schlampig arbeiten, wie in der letzten Zeit.

Manchmal nehme ich meine gefädelten Ketten von Fuerteventura in meine Hände, ziehe sie auf eine neue Schnur, oder hänge sie an die obere Stange der Balkonbrüstung. Es gibt noch sehr viele solcher Ketten aus den vergangenen Jahren.

Ab und zu denke ich darüber nach, was mit all diesen gesammelten Dingen wird, wenn ich nicht mehr lebe. Auch die Arbeiten, die ich während meines künstlerischen Lebens geschaffen habe, werden eines Tages Hinterlassenschaften sein. Ich sollte damit beginnen, die Ordnung nach meinem Tod zu organisieren

Ordnungsprinzipien

Für das FRANKFURTER KRAFTFELD probierte ich verschiedene Reliefkonstellationen aus. Auf dem Atelierboden kann ich die identischen Dreiecke zu kreisen Reihen oder anderen Ordnungsprinzipien folgend legen. So kann ich fotografierte Varianten nebeneinander montieren, um die Möglichkeiten der Interaktion zu illustrieren.

Regelmäßig im Kreis, unregelmäßig im Kreis oder aufgebrochen, kombiniert mit anderen Reliefs, Rastereinteilungen mit Leerstellen etc.

Außerdem formte ich noch ein Blutkreislaufrelief aus.

Morgen gehe ich in mein sechzigstes Jahr. Ich versuche mich an Männer in diesem Alter zu erinnern. Da gibt es beispielsweise Heinrich Dächert, der in seinem gepflegten Schrebergarten glücklich war, etwas unter seinem Arbeitsleben litt, weil er Bauer und kein Fabrikarbeiter war. Ein stiller, etwas schwerhöriger Mensch, der nicht Gefängniswärter geworden ist, wie man es ihm nach seiner Zwangsaussiedlung in Waldheim, der neuen Heimat, angeboten hatte, sondern in einer Gießerei schuftete.

Meinen Vater, Gefängniswärter in Brandenburg, kannte ich in seinem sechzigsten Jahr gar nicht gut. Das war kurz nach der Wende, als er seine Anstellung als Kinderheimleiter verloren hatte und auch sonst viel Streit in der Luft lag. Erst danach habe ich begonnen eine regelmäßige Gesprächskultur einzurichten.

Modell

Im Atelier baute ich gestern eine Kugel, die aus fünfzehn gleichseitigen Dreiecken besteht. Die Seiten der Dreiecke sind aus Holzrundstäben mit einer Kantenlänge von achtzehn Zentimetern. Der Maßstab zu den geplanten Objekten beträgt also etwa 1:3,33. Der Durchmesser würde somit etwa einen Meter betragen. Mit dem System kann ich nun andere Formen ausprobieren. Die Kugel liegt etwa bei einem Herstellungspreis von dreitausend Euro. Das Glasfibermaterial ist nicht ganz preiswert, im Vergleich zu Bronze aber vielleicht schon…

Gestern kam eine Ablehnung meines Antrags von der Montagstiftung. Das sind nur kurze Schläge, die dazu führen, dass ich nur mit mehr Vehemenz nach Geldquellen suchen muss. Heute beginne ich mit den neuen Anträgen. Zeitlich – finanziell stellt sich mir der Monat Mai als zu lösende Aufgabe.

Gestern formte ich einen neuen Kreuzstabträger. Diese Arbeit kann ich auch weiter machen, wenn Schüler oder Gäste da sind.

Es ist sechs Uhr morgens und wolkenlos. Die Temperatur liegt bei minus einem Grad. Eine grundlegende Erwärmung ist nicht in Sicht. Das fühlt sich katastrophal an, wie: „Der Sommer fällt aus!“

Silber Turm

Zwischen dem Schlaf dachte an einem Konzept für den Silber Turm weiter. Das Projekt könnte mit dem Wolkenkratzerfestival beginnen und dann noch eine Weile in Anspruch nehmen. In dieser Zeit wäre meine Anwesenheit im Haus notwendig, weil ich Zeichnungen aus dem Inneren heraus machen würde. Sie beschäftigen sich mit Landmarken, zu denen ich dann mit den GPS hinwandern würde. Dort werden Fundstücke gesammelt und später zu Objekten verarbeitet. Alles findet seinen Platz im Zusammenhang mit dem vielen Glas im Innenausbau. Der Innenraum soll sich durch die Einbeziehung der äußeren Fixpunkte mit ihnen verbinden und somit wachsen.

Dann habe ich auch eine Lösung für die Fixierung der Stahlrohre erdacht, die ich zu den Dreiecksgitterobjekten zusammenschweißen will. Vorgefertigte Eckstücken aus dünnem Rundstahl können passgenau in die Röhren gesteckt, somit fixiert und dann verschweißt werden. Also genügend Arbeit für den Sommer, die aber noch finanziert werden muss.

Den ganzen gestrigen Tag habe ich mit Akquise zugebracht. Nun, da ich alle Sachberichte geschrieben habe, kann ich endlich die neuen Anträge schreiben. Das führt zu einer Atelierpause, was auch ganz entspannend ist.

Neutralisiertes Licht | Lärmschichten

Hoffnungslos kaltwindige, graue Trockenheit. Kaum Knospen an den Bäumen. Die Ringeltauben versuchen zaghaft kurze Rufe. Die Stundenglocke der Friedenskirche klingt gedämpft. Die Krähen scheinen aufgehört zu haben Nester zu bauen.

Sogar das Sonnenlicht, das durch die Schleierwolken scheint, wird neutralisiert und grau.

Ich habe eigentlich keine Zeit für Tagebuch, weil ich mich dringend weiter um Akquise kümmern muss. Deswegen werde ich einen Ateliernachmittag ausfallen lassen.

Die feinen Versteinerungen der kleinen Flugsaurier gestern im Senckenbergmuseum, die Zartheit der Blattabdrücke, die Millionen von Jahren als sind, versanken im Gebrüll der kinderreichen Familien, die hinter den Mauern des Museums einen geschützten Spielplatz gesucht hatten. Mehrere Lärmschichten, zu viele Menschen – eine Enttäuschung.

Immer noch gibt es in der Presse Reaktionen auf den Kriegsdreiteiler im Zweiten Deutschen Fernsehen. Mittlerweile fallen sie aber kritischer und differenzierter aus.

Großväter

Der Nordostwind hat zugenommen und die Temperaturen noch einmal sinken lassen. Ein grauer Himmelsklotz lässt keine Veränderungen zu, bleibt ein Ewigkeitszeichen.

Krishnababy zeigt auf Zeilen, die von Paul Valery stammen und von Rilke übersetzt worden sind:

„Geheiligt, zu, voll Feuer rein von Stoffen,

ein Erdenstück erstauntem Lichte offen.“

Im Atelier bemalte ich ein weiteres Kreuzstabträgerrelief. Nun schließen sich sechs Dreiecke zu einem geschlossenen Ornament zusammen. Eine reichliche Menge von Dreiecken gehört zum nun folgenden Spiel.

Eine Inszenierung nach „Woyzeck“ in den Kammerspielen. Die Fragmente der Textsammlung lassen viel Raum fürs Experiment. Diesmal allerdings wäre mir mehr Gewicht auf dem Text lieber gewesen.

Telefonat mit meinem Vater über Großväter, Männer, die Kinder gezeugt haben, sich dann aus dem Staub machten, an Tuberkulose starben oder sich selbst umbrachten. Allesamt haben keine einfachen Geschichten – Väterbilder im freien Fall.

Modular

Sonnabend – Kälte – Flugverkehr. Der Nordostwind dreht die einzelnen Teile der kahlen Ahornkronen in ein Menuett, das durch den Rhythmus des immer wieder anschwellenden Triebwerklärms angefeuert wird.

Unser „Fastenbrechen“ gestern am Weinstand und bei Pietro war eher unspektakulär. Auf dem Heimweg waren wir noch in der kleinen Galerie in der Schwalbacher Straße. Dort hielt ich dann peinlicherweise einen Vortrag über Drucktechniken wie Aquatinta, Aussprengverfahren und über Siebdruck.

Maj arbeitet derzeit an Reliefs uns sollte das ganze mit Zeichnungen begleiten. Druckgrafik wäre auch eine Möglichkeit.

Im Atelier bemalte ich ein weiteres Kreuzstabträgerrelief. Von allen Motiven habe ich nun etwa zehn Exemplare, womit ich nun schon beginnen könnte, sie modular zu Wandbildern zusammen zu stellen. In unserem Projektraum könnte ich dafür ein Hängeraster einrichten, in dem ich verschiedene Varianten ausprobieren kann, die Module immer neu arrangiere.

Die Dreiecksgitterobjekte müsste ich gleich mit dem anderen Material unter dem Vordach bauen, wo ich die Objekte in die Dachbalken hängen kann. Das ist eine gute Aussicht auf den Sommer, wenn denn diese Arbeit finanziert wird.

Wandbildprozess

Atelier – Nachmittag zwischen den Workshops.

Mit den Jugendlichen arbeitete ich den ganzen Tag am FRANKFURTER KRAFTFELD. Langsam zieht die Produktion auch mit ihnen etwas an. Es entsteht eine gewisse Routine bei der Herstellung des Pappmachés, beim Ausfüllen der Reliefs und bei den anderen Arbeiten. Auch das Interesse am Prozess wächst. Sie fragen mich, wie ich den dreiseitigen Rapport hinbekommen habe. Das geht schon weit.

Gestern und heute sind zusammen immerhin sechs Reliefrohlinge entstanden. Mehr ist mit den Trocknungszeiten an zwei Tagen nicht machbar.

Aufwendig bleiben aber die Nacharbeiten nach den Workshops. Die Jungen Menschen fühlen sich noch nicht zuständig dafür, Arbeiten zu Ende zu führen. Viele Dinge bleiben unvollständig bearbeitet liegen.

Ich bin noch entfernt davon, genügend Material für ein Wandbild zusammen zu haben. Aber vielleicht in zwei bis drei Wochen…

Gestaltungspotential

Die Kälte bekommt Nachschub aus Nordosten und wird sich bis nach Frankreich ausbreiten. Aber gegen sechs Uhr dreißig ist es schon recht hell. Die Schnelligkeit mit der die Helligkeit zunimmt, ist auf ihrem jährlichen Höhepunkt angelangt. Täglich geht die Sonne etwa zwei Minuten früher auf. Somit kann man sich mit dem Lichtzuwachs etwas trösten.

Was ich in den letzten Monaten für das FRANKFURTER KRAFTFELD entworfen und erfunden habe, beginnt sich nun einzulösen und Gestalt anzunehmen. Durch die Menge der Reliefs und deren Bemalung konkretisiert sich die bislang vage Vorstellung. Jetzt erscheint das Potential, das sich in der Spannung regelmäßiger, sich wiederholender Linienführungen und spontanen Veränderungen, die sich aus dem Gebot, immer neue Formen zu finden ergibt. Dadurch entsteht ein neuer Produktionsschub. Fließende Formen, die ineinander greifen, unterbrochen werden, während sie aber untergründig doch miteinander verbunden sind, ergeben so viele Gestaltungsmöglichkeiten, dass ein Wandbild mit auswechselbaren Dreiecken ausgestattet sein müsste. Das dürfte nicht so kompliziert sein.

Die Veröffentlichung des Projektes sollte nun mit einer Ausstellung auf Teves ihren Anfang bekommen.

Kurze Gesänge

Atelier – Güterzugverkehr auf dem Bahndamm, der das Gelände nach Osten hin begrenzt. Alle Bewegungen werden von kaltem Regen gedämpft. Keine Amsel singt, nur kurzzeitig, bei Sonnenschein tun es die Meisen.

Aus der Zweifigurenform holte ich nun das neunte Exemplar dieses Motivs heraus, das ich Vorgestern in die Form drückte. Gestern bemalte ich erstmalig das Kreuzstabträgerrelief. Ich machte das in der nun schon bewährten Weise und werde zunächst auch mal dabei bleiben.

Statt zu einem Empfang im Römer, bin ich in die Ausstellung von Yoko Ono in der Schirn gegangen. Ich hatte meine Einladung vergessen und wurde prompt abgewiesen. Es war wie ein Zeichen, die Ausstellung war auch schöner, wichtiger und passte besser zu mir.

Leise Töne

Es gibt über das Ausformen der Reliefs nichts zu berichten. Das ist eintönige Fließbandarbeit, für deren Gegengewicht ich die Bemalung der Reliefs nehmen kann.

Etwas aufwendig gestaltet sich der Dialog zur Sommer – Ausstellung in der Stadt. Immer neue Details sind erbeten, obwohl ich noch keine Zusage habe. Als nächstes will ich ein paar Objekte animieren und hoffe damit der Kommunikation Genüge getan zu haben. Ich kann mir auf der Zeil schwebende Objekte vorstellen, die in den Platanen hängen.

Die andere Baustelle wäre der Silver Tower. Ich bevorzuge die leisen Töne, und das lange, genaue Hinschauen.

Meine Kreise sind etwas eingeengt, wie zumeist während unserer Fastenzeit. Ich hätte Lust auf Ausstellungen, Wanderungen und auf etwas Sport. Dafür muss aber auch meine Erkältung ganz vorüber sein.

Höhe und Weitblick

Am Freitag auf dem Markt erzählte mir Helga Roos von einer Schreinerwerkstatt ihres verstorbenen Vaters. Sie lädt mich dorthin ein, um mir die Werkzeuge anzuschauen, die sich dort während eines Handwerkerlebens angesammelt haben, und um mir Dinge mitzunehmen, die ich gebrauchen kann. Der große Respekt vor so alten Werkstätten führt dazu, dass ich gerührt bin und mich gleichzeitig geehrt fühle.

Außerdem gab es ein vages Angebot, den Silvertower und seine Rolle beim Wolkenkratzerfestival betreffend. Ich habe mir nun schon ein paar konzeptionelle Gedanken gemacht und bin gespannt, ob es zum Gespräch kommt. Mir geht es um Ausblicke, Landmarken, Zeichnungen, Fundstücke, Transparentpapier, Schelllack, Objekte, und um den Zusammenhang zwischen Höhe und Weitblick.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat in ihrer Wochenendausgabe auf mehreren Seiten ausführlich eine mehrteilige Produktion des Zweiten Deutschen Fernsehens über den Zweiten Weltkrieg vorbesprochen und empfohlen. Wir haben uns den ersten Teil des aufwendigen Werkes angesehen. Die Dramaturgie hält den emotionalen Level die ganze Zeit so weit oben, das ruhiges Bedenken der gnadenlosen Situationen erschwert wird. Ein nüchternerer Ansatz hielte andere Erkenntnismöglichkeiten bereit.

„Sider“

„Fegefeuer in Ingolstadt“ am Freitag in den Kammerspielen. Ein Stück über Rudelbildung und Ausgrenzung, über die Orientierungslosigkeit von Jugendlichen. Die Figuren schien ich aus meiner Praxis zu kennen. Der Abend wurde von Schauspielstudenten bestritten und Regie führte die Schauspielerin Constanze Becker. Entsprechend gab es noch ein paar Entwicklungsmöglichkeiten.

Im Gegensatz dazu gestern „Sider“ von Bill Forsythe. Wir sahen das mit Carola Schlüter und Hans Zitko. Danach sprachen wir miteinander über den Abend, über psychologische Bedeutungen, über elisabethanisches Theater und über die klar voneinander abgegrenzten Handlungsebenen. Das alles zu einem Ganzen zusammen zu setzen, bereitet mir immer großes Vergnügen. Es gab auch sehr emotionale Momente, die stark mit dem Ensemblezusammenspiel zutun hatten. Gleichzeitig wurde deutlich, wie solistische Parts bei herausgehobenen Tänzerpersönlichkeiten diesen Zusammenhang verlieren und dadurch abgeschwächt werden. Das folgt den stark ausgeprägten Dynamiken des kontrapunktischen Zusammenspiels.

Unklare Windrichtung

Bei unklarer Windrichtung hat der Blick auf den südlichen Morgenhimmel einen besonders spannenden Moment, der manchmal etwas Geduld braucht. Über den Dächern nämlich in nur zwei Horizontausschnitten zeigen sich nah die Flugzeuge. Entscheidend ist ihre Richtung: landen sie gen Westen oder starten sie in östliche Richtung. Letzteres trägt die Möglichkeit in sich, dass viele, besonders kleinere Maschinen zeitig nach Norden schwenken, um somit über unser Haus und auch über mein Atelier zu fliegen. Das tun sie oft genug sehr niedrig. Landen sie aber Richtung Westen, bleiben wir für die nächste Zeit verschont, was eine bedeutende Änderung des Tagesgefühls mit sich bringt.

Im Atelier formte ich gestern das Relief mit den beiden Figuren aus. Sein dichtes Liniennetz fordert besonders viel Sorgfalt und Arbeitszeit. Auf Grund des neuerdings sehr geschmeidigen Pappmachematerials habe ich das gestern in schon zwei Stunden geschafft. Die anderen Formen trocknen wunschgemäß langsam ohne irgendwelche Verwerfungen.

In den Raum zeichnen

Leuchtend klar hält der Winter an.

Ich entferne mich derzeit etwas von meiner stetig sich in den Vordergrund drängenden Produktion.

Dennoch geht die Bemalung der Reliefs weiter und erzeugt neue Einsichten, was die Weiterentwicklung von Objekten betrifft. Ich habe derzeit einzelne Objekte vor Augen, die aus identischen Reliefs mit unterschiedlicher Bemalung bestehen, die verschiedentlich rundherum ineinander greifen.

Die Experimentalphasen sind etwas aufwendig, weil die Herstellung eines Reliefabdrucks viel Zeit benötigt. Aber ich kann mir ja Zeit nehmen.

Am Abend habe ich das Relief des Kreuzstabträgers ausgeformt, das tagsüber von den Auszubildenden begonnen worden ist. Die zwei Ausformungen von gestern habe ich nicht auf die Heizung gestellt, um zu verhindern, dass sich das Pappmache während des Trocknungsprozesses von der Formoberfläche zurückzieht.

Zerfließende Arbeitssituation

Ich sah den Sonnenaufgang vom Atelier aus. Durch die Pflanzen vor den Rolltoren wurde der Raum mit rosafarbenem Licht geflutet. Sofort zerfließt die Arbeitssituation.

Mit zehn Auszubildenden arbeitete ich dann den ganzen Tag am FRANKFURTER KRAFTFELD.

Jetzt am späten Nachmittag, etwas ausgelaugt, versuche ich mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Und vor dem Abendworkshop gehe ich noch irgendwo einen Kaffee trinken. Das normale Leben…

Meine Verdienstsituation verlangt neue Lösungen, auch die Abkehr vom Diktat mit Arbeiten, die nahe an der Entwicklung meines Werkes sind, mein Geld zu verdienen. Dennoch schreibe ich Sachberichte und beantrage neue Fördergelder – aber nicht mehr ausschließlich.

Insel | gedämpfte Geräusche

Als würden die langen orangefarbenen Ausleger der Baukräne von hinten her in das Ahorngeäst reichen, bewegen sie sich auf ihren abgestimmten Kreisen zwischen den Winterfarben.

Hinter dem Park mitten auf der Baustelle sind bereits Familien eingezogen. Zwischen den hydraulischen Baumaschinen Kinder in kleinen Mänteln.

Arbeit an einem weiteren Dreieck im Atelier. Pro Nachmittag lässt sich eine Fläche bearbeiten. Bald könnte ich schon Gitterskulpturen schweißen, um die eigentliche Bestimmung der Motive dreidimensional ausprobieren zu können.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schießt sich auf den neuen Oberbürgermeister ein, der aus seiner Kulturferne keinen Hehl macht. In seinem Büro ließ er eine abstrakte Arbeit von Gerhard Richter abhängen und ersetzte diese mit der Fotokopie einer orientalisierenden Darstellung einer lasziven Frau mit Turban – ein Geschenk seiner Ex-Frau. Ich meine, um sich seiner Wähler weiter zu versichern, sollte er als Dienstwagen einen weißen Ferrari leasen, damit zu Boxveranstaltungen fahren und für seinen Migrantenjungs bei Hip Hop Events die Schirmherrschaft übernehmen. Man schlägt die Augen nieder…

So ziehe ich mich auf meine unbewohnte Insel zurück, horche auf die von der dicken Schneedecke gedämpften Geräusche…

Schnee

Wintereinbruch – minus fünf Grad, Schneefall diagonal von Osten. Auch wenn sich die Lichtsituation wegen der hellen Flächen etwas verbessert, ist der Anblick kein Vergnügen.

Im Atelier arbeitete ich gestern an einem weiteren Dreieck. Im Vordergrund stand diesmal kein direkter Anschluss an ein Nachbardreieck, sondern das Ausprobieren von weiteren Bearbeitungsvarianten. Bis ich mich wieder in die Arbeit hineinversetzt hatte, wässerte ich die Pflanzen, willkommene Einstiegstätigkeit dort.

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit arbeite ich an meinen Entwicklungen. Mehr oder weniger desinteressiert schauen die Nachbarn und Teilnehmer auf die Ergebnisse. Ästhetischer Kahlschlag in den Köpfen, im öffentlichen Raum.

Wiegende graue Luft

Erinnerung an das erste Bühnenstück, an dem ich vor etwa fünfundzwanzig Jahren mitgewirkt hatte. Susanne Thaler stattete damals „Kasimir und Karoline“ von Horvath am Heidelberger Stadttheater aus. Ich erinnere mich genau wie der Infekt gewirkt hatte, wie ich für diese Zeit dem Theater verfiel.

Gestern im Schauspiel dasselbe Stück, nur viel stilisierter, strenger aber wirksamer als damals. Der Text steht gewissermaßen auf einem Sockel und kann von allen Seiten betrachtet werden. Die Figuren haben keine differenzierten Charaktere, alles erscheint holzschnittartig aber beeindruckend.

In der Panoramabar trafen wir Lilly, die nach Berlin zieht. Sie hat viel zutun, startet für eine Anfängerin ziemlich fulminant und hat sich verändert, ist älter geworden.

Innerhalb von sechs Stunden sank die Temperatur gestern um sechs Grad – der Wintereinbruch… ha ha. Die Luft wiegt sich grau in den grauen Bäumen.

Die Tagebuchreduktion beginnt zu funktionieren.

Zwei Tage schwiegen die Flugzeuge – heute ist wieder Ostwind, der Kälte nachholt und den Lärm der startenden Maschinen.

Zeit schreiten

Der Wintereinbruch kommt erst Morgen oder Übermorgen. An den vom Morgenlicht erstrahlten Zweigen rüttelt noch ein kräftiger Westwind.

Das Gehen am Rebstockweiher gestern fiel mir noch schwer. Im Atelier keine neue Namen, die etwas bezeichnen würden, was noch nicht beschrieben ist.

Aber das Licht vor dem Fenster beleuchtet eine andere Tiefe, der ich nun gewahr werde, während sie beginnt im Rötlichen der Knospen zu verschwinden, oder dem Grün weichen wird, das sie in sich schließt.

Wüsten ungelesener Bücher und Zeitungen. Papier allenthalben, Kolonnen von Wörtern.  Ich schaue Gedichte von Rilke an, weil ich hoffte einen Impressionismus der Worte zu finden. Das erfüllte sich nicht – zu ornamental und symmetrisch.

Baumschattenstreifen blaugrau auf lichtem Ocker, eine Schraffur von einem Taubenkanon untermalt. Zwischen ihren großen Schritten geht eine Sportlerin die Zeit ab und begegnet dem Dinosaurierruf einer Rangierlok.

Observation des Frühlings, schwarze Bronchien. Kein Ende in Sicht.

Spiel

Ein Spiel beginnt. Die Verdichtung der Reliefs durch Zeichnung. Gleichzeitig beginne ich, die Dreiecke absichtlich falsch zusammen zu setzen. Es entstehen Lücken, die kombinierend aufgefüllt werden wollen.

Die Reliefs sind brüchig und verletzlich.

Schwer fällt mir die Veränderung der Tagebucharbeit. Die fehlende Kontinuität hinterlässt auch Lücken. Eine neue Freiheit lässt sich noch nicht greifen. Das verunsichert.

Ich habe nun einfach an meinem Vorhaben dran zu bleiben. Es wird mir neue Gefilde aufschließen.

Keine kontinuierliche Frühlingssehnsucht

In jedem Jahr schreibe ich etwas zur Bezeichnung dieses ersten Frühlingsmonates. Aber im vergangenen Jahr waren wir um diese Zeit in Mumbai, und vor zwei Jahren war ich in die Tanzwelt verstrickt, in das Ikosaeder und in die Rolle Nummer Fünf. Also: falsch erinnert!

So erweist sich die Gedankenwelt in der Rückschau also flexibeler. Keine kontinuierliche Sehnsucht nach Krokussen oder nach dem Licht das im Zusammenhang mit dem zu erwartenden Grün steht.

In diesem Jahr habe ich mir allerdings vorgenommen diese Vorgänge genauer zu betrachten, sie zu genießen und mit meinen Beschäftigungen zu verknüpfen.

Eine Parallelität zu 2011 gibt es allerdings: Nordostwind mit bedecktem Himmel unter dem das Ringeltaubenpaar vor meinem Fenster im Ahorn sitzt.

Langer Ateliertag mit Zeichnungen und einer Ausformung des Kreuzstabträgerreliefs. Ich legte viel Wert auf die sorgfältige Herstellung der Ausformmasse, wodurch sich der Prozess um die Hälfte der Zeit verkürzte. Die Fortführung der Zeichnungen auf den Reliefs führt mich in heimatliche Kunstgefilde. Ich werde jetzt der Modellierstruktur gerechter, spüre die Verdichtung der Arbeit im Vergleich zum Kraftfeld 2010, als die Suche nach dem Prinzip noch entscheidender war.

Fließende Komposition

Lange schaute ich gestern spät am Abend im Atelier noch auf die aneinander gereihten Reliefs, versuchte ihr Potential als Mal- und Zeichengründe zu erforschen. Zwischen den Flächen mit den dichteren Linien und denen mit einem übersichtlicheren Geflecht, bestehen ziemliche Spannungen, was zunächst mal eine gute Voraussetzung bildet. Obwohl sie durch die Motive, die sie miteinander gemeinsam haben, untereinander verbunden sind, bilden sie völlig unterschiedliche Herausforderungen, was die Weiterbearbeitung angeht. Wenn es zu einer Ansammlung von Dreiecken mit dichteren Linien kommt, entsteht eine eher malerische Vorstellung. Die Augen folgen einer fließenden Komposition, und wenn das Hirn versucht die Vorgaben mit Gegenständen zu vergleichen, die irgendwo abgespeichert sind, passen sie sich diesem Fließen an. Zum Beispiel erinnere ich mich in diesem Zusammenhang an ein Jagdbild von Rubens.

Die miteinander verbundenen weißen Flächen schaffen eine Herausforderung, die in Richtung Lasurmalerei geht. Die vorhandenen Figuren können einzeln hervorgehoben werden, indem man ihre Nachbarschaft langsam farbig eindunkelt, Schelllackschichten können zwischendurch als Sperrflächen aufgebracht werden, die die darunter liegende Farbigkeit noch brillanter werden lassen wie ein Zwischenfirnis.

Schön war zu erleben wie sich die Lehrlinge gestern langsam in die Linienexpedition hineinbegaben und sich darin nach kurzer Zeit zurechtfanden.

Der gestrige Abendworkshop fand in einer konzentrierten und etwas gedeckten Atmosphäre statt. M. hat nun schon über ein halbes Jahr intensiv an verschiedenen Projekten gearbeitet und auch schon eine stattliche Sammlung von Bildern geschaffen. Gestern kam sie zu dunkel-melancholischen Tönen, die eine etwas fröhliche Naivität mancher Motive zurückdrängte. So trieb sie die Geister, die uns gerne mal in die Hölle des Banalen hinabziehen wollen, mit dunkel gewischten Lasuren aus. Das strengt an. A. beschäftigte sich mit Tusche, Schelllack, Graphit und Transparentpapier. Sie versuchte sich an der Technik, mit der ich vor zwei Jahren an den Synaptischen Kartierungen arbeitete.

Expedition in Relieflandschaften

Krishnababy zeigt im Feuilleton von gestern auf eine Ausstellungsbesprechung, in der es um Edouard Manet und seine Porträts geht, die derzeit in London gezeigt werden. Und da drinnen zeigt er auf ein Textzitat aus der Modernitätstheorie von Baudelaire: “von der Mode das loslösen, was sie im Geschichtlichen an Poetischem, im Flüchtigen an Ewigem enthalten mag“. Der Ausstellungseinrichtung werden allerdings die gleichen Mechanismen zugeschrieben und beklagt, die unseren Holleinhäusern derzeit anhängen. Auf Biegen und Brechen müssen die gezeigten Gruppen und Themen zu Blockbustern aufgeblasen werden. Das ist also keine Frankfurter Spezialität, sondern beruht auf einer globaleren Tendenz, die Hollein sicherlich aus New York mitgebracht hat. Den Namen der Rezensentin, die Gina Thomas heißt, würde ich gerne mal im Netz suchen, weil sie mir auch in anderen Beschreibungen der Ausstellungseinengungen durch Textvorgaben so aus der Seele spricht.

Gestern begann ich am Morgen im nüchternen Licht des Schulungsraumes des Internationalen Bundes, mein Tagebuch zu schreiben und zu zeichnen. Bald aber nach zwei Stunden Technischem Zeichnen, wechselte ich mit den Lehrlingen in mein Atelier, in dem sie auf eine andere Weise aufblühen. Wir arbeiteten an den Reliefs, verdichteten und vervielfältigten noch einmal das Material.

Am Ende des Tages legten wir vier der dichten Dreiecke mit Kreislauffigur und Kreuzstabträger zusammen und begannen uns auf die Suche nach verschiedenen Bildern zu begeben, die im Liniengeflecht verborgen sind. Die Expedition lief zunächst etwas stockend an, aber nachdem sich alle etwas hineingefunden haben, ging es Schlag auf Schlag. Plötzlich wurde der ganze Kosmos der Möglichkeiten greifbar. Im Handumdrehen waren über zwanzig neu entdeckte Figuren identifiziert und wie mit den Fingern auf der Landkarte umrissen worden. Währenddessen hatte ich die Idee, von den zusammenmontierten Dreiecken Fotos zu machen, um die Bilder vervielfältigen zu können. Auf diesen Blättern können dann die eigenen Figuren zunächst mit einem Stift entworfen werden. Dann kann man Transparentpapier hinzunehmen, um sie weiter zu entwickeln oder nur deutlicher heraus zu stellen.

Vor der Reise hat sich das System bewährt und kann danach in Betrieb gesetzt werden.

Katze und Schlange

Nach dem Salsaclub gestern saßen wir in unserem Eckchen im Urban Kitchen. Es liegt in der Nähe des Eingangs des Restaurants, hat eine gepolsterte Bank, Kissen, einen kleinen niedrigen Tisch und einen schönen Blick auf die Straße. Dort redeten wir noch mal über den Abend mit Priya. Der Moderator war schlecht vorbereitet und ein sich spiegelnder älterer Herr. Dagegen wären Barbara und Priya ein Team gewesen, die ihm gut das Heft aus der Hand hätten nehmen können, wären sie nicht so wohlerzogen und höflich. Aber für eine solche Aktion benötigt man Erfahrung, die Barbara weiterhin sammeln will. Der unverschuldete Misserfolg des Abends und die ungenutzt vorübergegangene Chance mit ihrer Autorin was Schönes zu machen, steckt ihr noch in den Knochen. Der andere Mangel, nämlich die niedrige Besucherzahl, wirkte sich auf diese Weise positiv aus.

Gestern verbrachte ich einen Nachmittag mit meinen Formen. Ich will mir manchmal ein wenig Zeit mit ihnen nehmen, sie ausbessern, reinigen und neu versiegeln. Mit der Abformmasse begann ich dann die Kreuzstabträgerform auszufüllen. Ich fotografierte nun auch Arbeitsschritte für die Dokumentationsstreifen des Arbeitstagebuchs, für neue Anträge oder Nachweise. Die stetige Produktion von Dreiecksreliefs ist nicht ganz unanstrengend. Eine Möglichkeit wäre es, eine Art Spritzgussverfahren zu wählen. In der Nachbarwerkstatt wurde eine Pressluftanlage eingerichtet, an die man eine Massenspritze anschließen könnte. Weiches Pappmache, fein gemahlen, könnte man da durchschicken. Aber auf der anderen Seite müssen meine Workshopteilnehmer auch etwas zutun haben.

Das Atelier füllt sich immer weiter mit erarbeitetem Material. Freigeräumte Arbeitstische sind schon ein Luxus. Ich muss bei meinen Gästen aufpassen, dass sie nicht zu viel von ihrer Arbeit liegen lassen. Bei all den Materialschlachten muss ich mir auch etwas Raum zum Zeichnen freihalten.

In meinem Kopf nimmt so langsam eine Schlange mit einer Katze als Reliefmotiv Gestalt an. Vielleicht gelingt es mir, die Katze in die Mitte zu setzen, rundherum von Schlangen bedrängt.

Ernsthafte Kunst für Kinder

Als ich gestern mit etwas bangem Herzen im Atelier ankam, gespannt war, wie sich die dickere Ausformungsschicht aus der dritten Form herauslösen lässt, und wie ihre Stabilität sich mit den feinen Stegen der Form verträgt, stellte ich fest, dass ich mich beruhigt zurücklehnen kann und alles gut gegangen war. So konnte dieses erste Exemplar des Kreuzstabträgerornamentes fertig gemacht und auf die Heizung gestellt werden. Dies dauerte durch die erhebliche Sorgfalt und den gesteigerten Druck, mit dem ich nun mehr Masse in die fein modellierten Linien hineinpresste, meinen ganzen Arbeitsnachmittag. An andere Arbeit war nicht zu denken, außer daran, etwas Pappmache anzurühren und ein paar Fotos zu machen.

Neugierig schneiten die Lehrlinge am Feierabend zu einem Besuch herein. Auch S. besuchte mich, um mir eine DVD zurück zu bringen. Oft hat sie einen Rat für mich, meine Akquise betreffend. Diesmal meinte sie, dass es sich vielleicht lohnen würde, sich Gedanken um die Gestaltung einer Kindertagesstätte zu machen. Auch der Internationale Bund betreibt eine, die ein geeignetes Objekt abgeben könnte. Als ich mich mit der Idee angefreundet hatte, mit Kindern zu arbeiten, stellte ich mir folgendes Szenario vor: Zunächst sitzt ein Zeichner mitten unter den Kindern und zeichnet sie beim Spiel. Das würde ich in einer ähnlichen Weise tun, wie ich die Straßenszenen im Schaufenster übereinander gelagert habe. Wenn sie dann neugierig werden und mich vielleicht nachahmen wollen, nutze ich ihre Zeichnungen und verbinde sie mit meiner Arbeit. Daraus entsteht eine ornamentale Struktur, die man für verschiedene Gestaltungen benutzen kann. Es geht mir dabei darum, Kinder frühzeitig und ganz normal mit ernsthafter Kunst zu konfrontieren, so, wie ich in einem ehemaligen Kloster aufwachsend barocke Steinmetzkunst in mich aufgesogen habe. Das wirkt bis heute nach.

Der Ateliernachmittag war etwas kurz, weil wir am Abend zu einer Lesung und Podiumsveranstaltung zu Priya Basils Roman „Die Logik des Herzens“ gehen wollten, den B. übersetzt hat. Die beiden Frauen gaben auf dem Podium ein gutes Team ab, wurden aber an diesem Abend wenig gefordert. Stattdessen gerierte sich ein alter Selbstspiegler, der sich gerne reden hörte als wenig neugieriger Moderator. Ich traf die Verlegerin wieder, mit der B. bei Schöffling zusammenarbeitet. Wir kennen uns von der Mentorenstadt Frankfurt. Schöner Zufall!

Gestrig und Gültig

Durch den Altschnee der nassen Stadt, die gefährliche Eislawinen von den Dächern schickte, sind wir in ein kleines Kino gefahren, um uns einen Film der Gebrüder Taviani anzuschauen. Unter seinem Titel „Cäsar muss sterben“ wird Theaterarbeit in einem süditalienischen Gefängnis gezeigt. Laiendarsteller, die Strafgefangene des italienischen Staates sind, bilden die Theater spielende Gruppe von Insassen der Vollzugsanstalt, in der der Film spielt. Das Drehbuch behandelt die Probenarbeit zum Shakespeare Stück „Julius Cäsar“. Viele Insassen kommen aus den süditalienischen Städten, von deren Straßen die Sprache des Dichters herzukommen scheint. Auch wenn der Rezensent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung das Konzept als aufgegangen beschreibt, kommt es ihm dennoch gestrig vor.

Am spannendsten für mich ist die Atmosphäre des Filmes, die von der brutalen Tristesse der Innenräume, die auch unter freiem Himmel Innenräume bleiben, gebildet wird. Im etwas unbeholfenen aber wahrhaftigen Spiel, werden einem die Mörder und Gewaltverbrecher sympathisch.

Im Cafe des Kunstvereines im „Steinernen Haus“ gibt es ein paar Tische unter einem schönen alten Kreuzgewölbe mit kunstvoll gestalteten Schlusssteinen. Natürlich ist vieles ergänzt und alles restauriert und fraglich ist, ob die Bildhauer der Gegenwart diese filigranen Durchbrüche und Schwünge noch hauen können, oder modelliert und in Steinguss hergestellt haben.

Unter diesem Himmel tranken wir Kaffee und schauten uns danach die aktuelle Ausstellung an. Eine Etage ist der eigenen fünfzigjährigen Geschichte des Vereins gewidmet. Der Bezug der Dokumentationen zu verschiedenen Designmoden der Zeit fällt unangenehm auf. Weiter oben gibt es noch aktuelle Installationen, die aus Blechen für Lüftungsschächte, großen trockenen Disteln und Rolltreppenhandlaufgummis bestanden. Ein Anspruch auf Zukunft geht in diesen Arbeiten immer mehr verloren. Sie sind nur vorübergehend gültig. Kontinuierliches Fortwirken ist das, was mir in der Gegenwartskunst am meisten fehlt. Ab und zu ist es aber noch zu entdecken, meist fern der Moden oder in Dokumentationen künstlerischer Prozesse.

Delhiplanet

Im Atelier habe ich begonnen, weitere Reliefausformungen zu grundieren. Manchmal folge ich den Mustern und lasse Teile von ihnen ungrundiert, was schon einen Test für die künftigen unterschiedlichen Bemalungsmöglichkeiten darstellt.

Als ich gestern begann, die nun schon zahlreichen Dreiecke zu einem Trixelplaneten zusammen zu klammern, bemerkte ich wie wichtig die Stabilität der einzelnen Dreiecke für die ganzen Konstruktionen ist. Das hängt natürlich zunächst von der Wandstärke ab, aber auch von der Dichte und Festigkeit des Pappmaches. Dann begann ich erstmalig das dritte Relief auszuformen. Entsprechend meiner Erfahrungen, ließ ich die Trennmittel ganz trocknen und beschichtete dann die Flächen recht kompakt und fest. Und wieder steigt die Spannung, wie sich der Rohling von der Form trennen lässt. Aber so sehr ich darauf brenne, ich werde heute am Sonntag nicht ins Atelier gehen.

Nach einem Anruf von C. kam ich auf die Idee, die Struktur des Frankfurter Kraftfeldes auf eine Arbeit zu übertragen, die ich in Delhi machen will. Dabei könnte der Weg durch die Stadt das Linienmaterial bilden, das sich derzeit aus den Erinnerungsbildern erschließt. Die dreieckigen Formen kann ich dann zum Delhiplaneten zusammenstellen.

Sie erzählte noch von einer Unterhaltung mit einer Kulturpolitikerin über das Gastarbeiterdenkmal. Die Stagnation bei der Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes schieben die Städtischen Ämter und Dezernate auf die Bahn, die nicht wisse, was sie dort machen will. Etwas muss aber bald geschehen, denn der Platz verkommt immer mehr und steht im krassen Kontrast zum anderen Stadtbild.

So ist nun mit ihr ein neuerliches Gespräch erstanden, nachdem sie aus ihrem Universitätsprofessorenloch herausgekommen ist und wieder am Leben in der Stadt teilnimmt. Heute steht sie nach einer Restkarte für die „Walküre“ an. Es herrscht ja ein Wagnerjahr

Tav Falco

Die unebenen Flächen unterschiedlicher Tönungen, den Ausformungen der Reliefs zugehörend, grundierte ich gestern gründlich reinweiß, worauf mich gleich wieder eine Ahnung von Lasurmalerei beschlich. Ich traue ihr zwar nicht zu, dass sie diese großen Formate zusammenhaltend gestalten kann, werde es aber dennoch probieren. Die Schwachstelle bislang sind die Verbindungsfalze, an denen die Dreiecke zusammen montiert werden sollen. Sie müssen verstärkt oder stärker ausgeformt, d.h. beschichtet werden.

Giovanni Perluigi da Palestrina schrieb eine ätherische Missa Papae Marnelli, ein Chorwerk, das ich am Morgen hörte, als ich vom Orange Peel heimgekehrt war. Es klang wie das Versprechen der ewigen Reinheit, die an unbekanntem Ort wohnt.

Ein andersartiges Versprechen gab die Schlagzeugerin von TAV Falco vor der Show ab, indem sie einen lässigen Bauchtanz hinlegte, entsprechend der Vorstellung einer süßlichen Volksorientalistik. Dann aber an den Trommeln hielt sie als heimliche Chefin die Männerbanda im Zaum, ließ sie nie aus ihrem Diktat entkommen. Der Leadsänger, der einen guten Meter vor mir stand, erinnerte mich an eine tragisch alternde Schwulenfigur. Zu meinen Füßen lag er auf dem Rücken schaute mir von unten ins Gesicht und entlockte seinem Instrument das Dröhnen meiner Sozialisierung in den fernen Sechzigern. Jetzt auf der Bühne ist das ein etwas anonymisierter Sound einer ergrauten Rebellion, schwarz gefärbt und geglättet.

An der Haltestelle des Nachtbusses kaufte ich mir in einem Kiosk noch eine Flasche Bier, die ich auf dem Heimweg austrank. Dankbar fühlte ich mich wie Neunzehn. Die sommerlichen Heimwege damals auf den Schienen des Bahndamms von den Beat-Parkfesten der umliegenden Dörfer in die Dämmerung zu Hause. Davon hatte die kalte gestrige Nacht auch etwas.

Die dritte Form

Dunkle Tuschelinien durchziehen die Zeichnungen, die ich vor vier Jahren gemacht habe, und gestern vor vier Jahren sah ich die Richterausstellung in Köln. Aber erst viel später begann ich mit den Verwischungen der eigenen aquarellierten Tagebuchzeichnungen, die bis heute anhalten. Manchmal versuche ich mich etwas davon zu entfernen, was aber nur in Ansätzen gelingt.

Krishnababy zeigt auf einen Satz am fünfundzwanzigsten Januar Zweitausendneun: „ Die Schichten der geologischen Formationen werden in andere Richtungen gedreht, ein eingefrorenes versteinertes Bild als Knetmasse in den Schichten der Malerei.“ Das bezieht sich offensichtlich auf die ausgewalzten Gesteinsschichten am Stilftser Joch. So gibt es also verschiedene Auslöser für die Verwischungen und Rollbilder, die ich dann wenig später begann.

In die Nachbereitung der dritten Form habe ich mich nun viel intensiver begeben, als bei den beiden vorangegangenen. Kann sein, dass seine Exemplare etwas steriler, glatter daher kommen als die anderen. Aber ich gehe einfach meiner Lust nach, sie zu korrigieren, zu glätten und Fehlendes zu ergänzen.

Vor dem Workshop gestern Abend räumte ich das Atelier auf, um mehr Arbeitsfläche zur Verfügung stellen zu können. Das ordnet auch meine eigene Arbeitswelt, macht mehr Lust, auch das FRANKFURTER KRAFTFELD weiter zu verdichten, zu ordnen und das gefundene System produktiver zu machen.

Eine Mail kam von Jeanne van Stuyvenberg, die mich zum Gespräch über eine Internationale Ausstellung unter dem Titel ECO-Art einlädt. Die Internationalität täuscht nicht über gefällige Tendenzen der letzten Ausstellung dieser Reihe im vergangenen Jahr hinweg. Vielleicht ist es in diesem Jahr machbar, das Ganze mit aktuelleren Arbeitsansätzen zu bestücken. Dennoch ist es nett, dass sie an mich gedacht hat und dass die Website der Auslöser für die Einladung war. Ich denke dabei über die Präsentation der Dreiecksreliefs nach.

Kompaktes Sammelsurium

Durch einen Anruf der Stiftung der Polytechnischen Gesellschaft, die das Projekt FRANKFURTER KRAFTFELD fördert, habe ich noch mal den Verlauf des ganzen Vorhabens vor Augen und denke erneut über die Rolle der Erinnerungsbilder nach. Die Katze und die Schlange verbinden sich mit einem Schlangenornament an einem Jaintempel der zweiten Indienreise und mit den großen Relieffragmenten des Neuen Museums in Berlin. Ich kann versuchen die zwei Figuren in einem dreidimensionalen Rapport zu verbinden und sie zusätzlich einzeln zu verarbeiten, so dass ich wieder drei Dreiecksmotive zur Verfügung habe. Für die nächsten Dreiecke sollte ich mehrere Motive probieren und die geeignetsten auswählen.

Der gestrige Ateliernachmittag verging mit dem Formenbau von Relief Nummer 3. Ich baute langsam eine kompakte Gipsschicht auf, die ich nun übernacht trocknen ließ. Heute kann ich sie auf den Rücken drehen, den Ton entfernen und mit der Nachbearbeitung beginnen.

Krishnababy zeigt auf den ersten November Zweitausendneun und da auf eine Zeichnung, die ausnahmsweise einen mit Bleistift darunter geschriebenen Titel trägt: „Ägyptische Schreiberfigur mit Preußisch Blau“. Die Reliefs aus dem Neuen Museum wirkten damals direkt in die Zeichnungen hinein. In diesem Fall war es zwar eine Vollplastik, aber es gibt viele schreitende, Tiermasken und Stäbe tragende Figuren. Die Katzenfigur werde ich vielleicht aus diesem Zusammenhang heraus entwickeln.

Das Sammelsurium im Atelier mündet nun in neue kompakte Gestaltungen. Gut, dass ich durch die langwierigen Arbeitsgänge nur langsam vorankomme. Somit haben die nächsten Arbeitsschritte immer genügend Zeit, sich in Ruhe zu entwickeln. Förderlich wirkt sich dabei aus, wenn sich ein gewisser Gestaltungsüberdruck aufbaut, der im richtigen Moment zu der Energie führt, die in das Bild fließt.

Zwischenräume zur Vervollständigung

Als wir Zweitausendneun in Berlin das neue Museum besuchten, das gerade neu restauriert eine großartige Sammlung beherbergte, fotografierte ich insbesondere die Art, wie die ägyptischen Relieffragmente präsentiert waren. In große, glatte Wände waren kleine Fragmente ehemals großformatiger Bildarbeiten so eingefügt, dass sie einerseits in der weiten Präsentationswand soweit versenkt wurden, dass sie mit der Gesamtoberfläche auf einem Niveau waren, und andererseits die Koordinaten des Platzes an dem sie saßen, durch die Wiederherstellung der weggefallenen und weggelassenen Gesamtkomposition ausgeklügelt wurden. Um manche kleine Einzelteile ergoss sich so ein Meer von rekonstruierbaren Szenen, die der Betrachter selbst finden muss. Ein großartiges Szenario für meine Arbeits- und Denkweisen.

Damals habe ich mit Relieffragmenten gearbeitet und damit die Ausstellung „Wien. Varanasi“ bestückt. Ägyptische Motive wechselten mit indischen und mit fragmentarischen Figurationen die aus Videostills von „One Flat Thing Reproduced“ stammten. All das komponierte ich mit musikalisch inspirierten Wiederholungen auf die große Backsteinwand des Balkenraumes.

Und plötzlich tauchen nun diese Arbeitswelten wieder auf und verbinden sich mit den Dreiecksreliefs, an denen ich gerade arbeite. Dabei entstand die Idee, ein blindes Dreieck, also ohne Motiv zu modellieren, dessen Abgüsse dann als Puffer oder Freiflächen zwischen völlig verschiedenen Ornamentdreiecken fungieren könnten.

Krishnababy zeigt auf den Satz vom dreizehnten November Zweitausendneun: „Gestern dachte ich über die Reliefs nach, die die Formen, die ich derzeit auf Rolle 4 erfinde, plastisch vergrößert wiederholen. Verschränkung der Formen und der Musik. Beim Anschauen der Zeichnungen von damals entsteht der Impuls, sie unter den Projektor zu legen und dann auf die Dreiecke zu übertragen. Es handelt sich bei ihnen um dynamische Vielfigurenkompositionen. Die Räume zwischen diesen unterschiedlichen Prozessen möchte ich gerne zur schauenden Vervollständigung freigeben.

Rhythmik der Volumina

Im Atelier modellierte ich den ganzen Tag am dritten Relief. Ich kombinierte auch das erste und das zweite Relief miteinander und stellte dabei fest, dass ich auf die Anschlüsse der Figuren achten muss, die die unterschiedlichen Motive gemeinsam haben, und die von einem Format in das andere übergehen.

Spannend werden die Muster sein und ihre Angebote, neue Figuren zu finden sein, die großflächig zusammengestellt werden können. Es wird Überraschungen geben.

Die Zunahme der Ateliertätigkeiten durch Formarbeiten, Vervielfältigungen, Modellieren und Entwerfen, fördert einerseits wieder viel Material zutage, aber auch eine festere Bindung an den Stoff, seine bildnerischen Ausprägungen und vor allem an die Möglichkeiten der weiteren Verarbeitung, die noch nicht zu überblicken sind.

Auch die Arbeitstische der Workshopteilnehmer haben eine anspornende Wirkung. Nicht zuletzt das Arbeitsmaterial, das herumsteht und die Farbigkeiten inspirieren zu anderen Vorgehensweisen.

Gestern dachte ich, schon in dieser Woche die dritte Form gießen zu können. Vorher kämpfe ich allerdings mit den weiteren Differenzierungen, die das Modell hergeben soll. Das Thema dabei ist die Rhythmik der Volumina, ihre Größen, Höhen, Richtungen, Strukturen und Gegensätze nebeneinander, die Wiederholungen und deren Übereinstimmungen.

So taste ich mich Stück für Stück voran. Gestern ging das leicht und harmonisch mit Musik, die mich dabei unterstützt.

Etwas uneins bin ich mit mir, was die Kontinuität der Arbeit während unserer Reise angeht. Wenn ich mir keinen Rechner mitnehme, wird es danach wieder einen Textarbeitsberg geben, den ich gerade dann, wenn das Projekt in eine entscheidende Phase kommt, nicht brauchen kann. Vielleicht kann ich die Abende nach den Sonnenuntergängen nutzen

Eisregen | Lasuren auf Reliefs

Den gestrigen Mainspaziergang begleitete Eisregen. Auf die alles überziehende Eisschicht fiel zusätzlich gefrorener Regen in Form von Eisstückchen. Wege wurden sehr glatt, Bäume senkten ihre Äste unter der Last, auf die es über Nacht noch schneite. Die gewohnte Ordnung des gewachsenen Holzes vor meinem Fenster ist außer Kraft gesetzt.

Es war ein ruhiger Sonntag, weitgehend ohne Arbeit. Nur die täglichen Notizen am Morgen bleiben.

Im Atelier habe ich am Sonnabend die Kamera vergessen. Ich fotografierte die zusammengesetzten Exemplare des zweiten Reliefs und den derzeitigen Zustand der Modellierarbeit am dritten. Weil ich diese Abbildungen heute benutzen und das undurchdringliche Schneegeäst fotografieren möchte, unterbreche ich die Arbeit an dieser um zu Fuß auf das Tevesgelände zu gehen.

Unterwegs auf der Mainzer Landstraße standen die Straßenbahnen aufgereiht und haben den Kontaktbügel zu den vereisten Oberleitungen heruntergefahren. Im Atelier stehen und liegen überall Arbeiten von Schülern herum. Ich sollte noch ein großes Regal für all dieses Material bauen.

Derzeit denke ich darüber nach, den Workshop, der gut funktioniert, noch auszubauen. Ich könnte ihn an zwei Abenden anbieten um mit bis zu acht Leuten arbeiten zu können.

Das Zusammenspiel von Reliefs und Lasurmalerei habe ich nun schon mit den Lehrlingen ausprobiert. Sie erkennen die Schönheit ihrer eigenen Arbeiten kaum und wissen nicht, was sie geschaffen haben. Gern hätte ich mehr Gelegenheit, ihnen das näher zu bringen. Man müsste mit ihnen in Ausstellungen, ins Theater und in die Natur gehen.

Relief 3 | neue Zusammenhänge

Weit oben weht mit der Windrichtung im Schneegriesel eine Krähe vorüber. Die Heizung im Atelier schafft sechzehn Grad. Der gestrige Nachmittag dort schuf mir eine produktive Situation zwischen der Bearbeitung der Ausformungen und dem Modellieren von Relief Nummer drei, dem Kreuzstabträger.

Das gestaltet sich als zunehmend intensiv. Ab und zu hilft es, die Komplexität der Motivverflechtung zu vergessen und nur einer Figur zu folgen. So kann ich Zusammenhänge leichter zu erkennen geben. Dann aber wiederum vergesse ich alle Gegenständlichkeit und gebe mich nur den Rhythmus der Volumina und Linien hin. Mich strengt das sehr an, wechsle den Standort von Staffelei auf den Tisch und zurück und ich probiere verschiedene Lichtsituationen.

Dann ist ein Wechsel zu den abgeformten Exemplaren eine Erholung. Bei ihnen sind die überstehenden Ränder, die bisher verhindert haben die Motive der Dreiecke ineinander fließen zu sehen, vorsichtig nach hinten zu falten. Das geschieht mit einer Wasserspur, die sich genau an der Kante entlang in das Material senkt, wo es dann weich wird und beweglich. Nach dem Trocknen können die Formate provisorisch von hinten miteinander verklammert werden. Nach den endlosen Arbeitsgängen fügen sich nun die Dreiecke mit ihren Motiven aneinander. Die Linien verbinden sich über die Formatgrenzen hinweg und bilden größere Zusammenhänge. Ein überraschend glücklicher Moment.

In den Kammerspielen gestern: „Der talentierte Mr. Ripley“ nach dem Roman von Patricia Highsmith. Das Handwerk siegte in diesem Bühnengeschehen und der Sinn des Unterfangens blieb verborgen. Das aber blieb das einzige Rätsel. Man kann den amüsanten Abend gleich wieder vergessen, er übersteht nicht einmal die Straßenbahnfahrt nach der Premierenfeier nach Hause.

So schlittern die Reeses und Holleins in die Zuschauerzahlenfalle und verlieren dabei gleichzeitig die mitdenkenden Teilnehmer.

Reliefbemalung | Sehnsucht nach Handwerk

In den spiegelnden Scheiben des Cafes verdoppelt rollen über gefrorene Schneereste, hart und knirschend die Räder eines langsamen Autos. Ski fahrend nannten wir den mehrmals überfrorenen Schnee verharscht oder Harschschnee. Ich kann mich nicht erinnern, dieses Wort je geschrieben zu haben. Harschen Reaktionen galten wohl manche der geschriebenen Worte. Die Skier bestanden aus Eschenholz und hatten Baudenzugbindungen, die die Ferse frei ließen und der Fuß somit beweglich blieb. Man konnte mit ihnen wandern und abfahren.

Einen großen Teil des gestrigen Tages verbrachte ich mit den Lehrlingen. Anhand der Bemalung ihrer Reliefs erklärte ich ihnen etwas über Lasurmalerei. Sie konnten sehen, wie sie mit drei Farben einen sehr reichen Farbklang herstellen können. Außerdem formten sie das dritte Exemplar des zweiten Dreiecksreliefs aus, wobei ich hoffen will, dass die Trennschicht völlig trocken war. Bei Experimenten in der letzten Woche habe ich herausbekommen, dass ein feuchtes Trennmittel das Pappmache vollkommen an die Formfläche bindet und ohne Wasser nicht herausgelöst werden kann.

Am Nachmittag führte ich die Tagebucharbeit zu Ende, die ich am frühen Morgen nicht fertig bekommen hatte. Mit einer Kanüle habe ich fünfzig Prozent Wasser zur Tinte in der Patrone meines Füllers hinzu gegeben, damit die Schwärze der Tinte nicht durch das Tagebuchpapier hindurch schlägt.

In unsicheren Zeiten scheinen manche Menschen der Handarbeit oder dem Handwerk eine sicherere Existenzmöglichkeit zuzuschreiben. Vielleicht ist es aber auch nur eine Sehnsucht nach haptischen Erlebnissen, nach Material und seiner Verarbeitung, die etwas Reelles zu unserem fragil-digitalen Tun beifügen könnte. Gestern auf dem Markt führte ich ein solches Gespräch, das aber aus einer aktuellen Bedrohung durch einen Jobverlust angestoßen war.

Pietro hat nun seinen zweiten Raum in der Pizzeria eingerichtet und möchte ihn gerne mit einem Vorhang abteilbar zu einen Kleinkunstbühne umfunktionieren können. Ich habe ihm irgendwann mal versprochen, dort etwas vorzulesen.

Schnell zeichnen

Es ist eher noch in der Nacht als zeitig am Morgen. Am Abend, während mir die Luft schon etwas milder war, hat es noch etwas geschneit.

Bei meinem Workshop hatte ich gestern erstmalig drei Teilnehmerinnen. Die unterschiedlichen Arbeitsweisen erfüllen meine Ziele, die ich mit der Rolltechnik hatte auf ebenso mannigfaltige Weisen. Das kommt daher, dass ich alsbald mit dieser Technik mangels Zeit und wegen anderer Herausforderungen, aufgehört hatte zu arbeiten. Nun kann ich versuchen in die Richtungen zu lenken, die ich selber eingeschlagen hätte. Somit ist das auch für mich ein sehr produktiver Prozess. Die Damen scheinen sich gründlich zu entspannen und lieben das Austoben, die Meditation und die Farben. Dadurch sind die Abende auch für mich angenehm.

Für den Workshop und für das Frankfurter Kraftfeld kaufte ich Materialien ein und modellierte dann bis zum Abend am dritten Relief, dem Kreuzträger weiter.

Freitag ist, und bald werden die ersten Marktleute kommen, um ihre Buden und Zelte aufzubauen. Bevor der Markt aber zu florieren beginnt, bin ich aber schon auf dem Tevesgelände, um mich den Lehrlingen zu widmen.

Mit dem dritten Relief bin ich nun schon so weit gekommen, dass ich annehmen kann, in der kommenden Woche damit fertig zu werden. In der übernächsten Woche kann ich dann in Ruhe mit dem Formenbau fortfahren. Somit kann der Zeitplan für das Projekt eingehalten werden.

Je weniger Zeit ich für die Morgenzeichnungen habe, umso spartanischer fallen sie aus. Das tut ihrer Qualität keinen Abbruch. Schnell zu arbeiten bedeutet ja oft, sich auf das Notwendigste zu beschränken. Außerdem sind die Ergebnisse in sich einheitlicher und konsequenter.

Gothic | Kreislaufrelief

Am dritten Relief habe ich im Atelier weiter modelliert. Manchmal fühle ich mich angesichts der Technik ins neunzehnte Jahrhundert zurückversetzt. Dabei denke ich an die Fragmente von Rodin und an die Strukturen des aufgetragenen Tons. Noch vor unserer Reise möchte ich diese Arbeit abgegossen, bzw. die Form fertig haben.

Immer noch trennt sich der Abguss zu schwer von der zweiten Form. Mit dem Trennmittel muss ich sorgfältiger umgehen, es unbedingt ganz durchtrocknen lassen. Ungeduld führt zu langwierigen Reparaturen und unbefriedigenden Ergebnissen. Bei der Arbeit an den großen Reliefs Zweitausendzehn hatte ich keine dieser Probleme. Allerdings benutzte ich die Filzpappe nicht im zermahlenen Zustand als Brei sondern in Lagen. Die Abbildungsqualität ist jetzt allerdings besser. Dennoch gibt es noch einiges auszuprobieren. Aber das zweite Relief, das Kreislaufrelief existiert nun schon in zwei Exemplaren.

Der Nachmittag im Atelier war kurz, weil wir uns vorgenommen hatten, noch die aktuelle Sonderausstellung „Schwarze Romantik“ im Städelmuseum anzuschauen. Nur in wenigen Ausnahmen hatte die ausgestellten Bilder etwas mit mir zutun. Zwischen den dick aufgetragenen Sujets kam ich mir wie in einem Gothic-Club vor. Entsprechend tätowierte, in dunkel Mäntel gehüllte, mit schweren Ketten und Stachelarmbändern ausgestattete Besucher konnte man passenderweise auch sichten. Manchmal dachte ich an die Popularkultur der Phantasy – Filmproduktionen und ihre Plakate, die mir schon im Stadtbild auf die Nerven gehen. Carl Blechen und Caspar David Friedrich hatten rücksichtsvollerweise einen eigenen Raum, was aber die Zumutung nicht vollends wettmachen konnte.

Nach der Ausstellung saßen wir noch im Städelcafe, wovon man einen schönen Blick auf die erleuchtete Skyline hat. Vorher erholten wir uns im Beckmannraum der ständigen Ausstellung und brachten uns wieder auf das Normalmaß visueller Betätigung.

Abwesendes Reittier

Schatten der Feder meines Füllers unter der entstehenden Schrift. Mit der Lichtquelle meiner Schreibtischlampe kann ich seinen Winkel und seine Größe einstellen. Gleich darunter verbunden in derselben Abhängigkeit, der Schatten meiner Hand.

Über das Geschehen wachen meine zwei Beschützer Krishnababy und Ganescha. Letzterer leider ohne sein Reittier. Es wäre logisch, diese Abwesenheit zu kommentieren, indem man von unten her in den Sockel eine negative Ratte einarbeitet.

Gestern formte ich ein zweites Exemplar des zweiten Reliefs aus und stellte die Form am Nachmittag auf die Heizung, so dass ich den Abguss heute hoffentlich unbeschädigt heraus nehmen kann.

Für heute hatte ich mir vorgenommen, nicht in den Taunus zu fahren, um am dritten Relief weiter zu modellieren. V. von den Lehrlingen erkannte das Prinzip der wegfallenden oder dazukommenden Figuren auf den beiden ersten Motiven schon. Sie wäre ein erster guter Kandidat, der auf den größeren zusammengesetzten Flächen neue Figuren entdecken könnte.

Es gibt Passagen in den ausgewählten poetischen Texten von John Cage, die eine gedichtartige äußere Form haben. Sie entsprechen in der Struktur dem, was ich mir manchmal für mein Arbeitstagebuch wünschte, nämlich eine Reduktion und gleichzeitig eine Konzentration.

Krishnababy zeigt auf:

„unD träume

In der nacht

das magiSche quadrat

dann Zufalls

operatIonen…“

Sprechpausen | THE RED ONE

Zurückhangeln, nachts, Schritt für Schritt, gestern die Kälte, Materialeinkauf, Atelier, Filzpappe, Reliefs. Eine Mail von Vinzenz. Auf seiner Website sah ich „The Red One“ eine Arbeit, die er in NY gemacht hat. Fotografiert hat ihn dabei Devvon Simpson. Den Ausschnitt einer Fotografie habe ich in den Bildstreifen oben aufgenommen. Krishnababy zeigt während dessen auf eine Cagepartitur. Alles mischt sich mit den täglichen Zeichnungen.

Wie aus einer Zeitverschiebung tauchen immer mehr Missbrauchsfälle in der Öffentlichkeit auf. Die heute erwachsenen Kinder kehren ihr Innerstes nach außen.

Während meiner Arbeit am Handprint Frankfurt hatte ich mit einem Lehrer zutun, der später ein Buch über den Missbrauch an der Odenwaldschule geschrieben hat, dem er zum Opfer gefallen ist. Ich erinnere mich an seine Sprechpausen, an seine Erzählungen von Triathlontraining und an eine gewisse Distanzherstellung seinerseits. Drei Jahre später ist seine Geschichte erst bekannt geworden.

Im Atelier bin ich mit der Herstellung von Pappmache nun einen entscheidenden Schritt weitergekommen. Ich weichte grobe Stücke der Filzpappe ein und rührte sie dann sofort mit der Bohrmaschine durch, wodurch das Material schnell zu einem Brei zerfloss. Sowohl Menge und Herstellungszeit entspannen mich mit Blick auf die Projektarbeit im Februar. So kann ich das Ausformmaterial schnell mit den Teilnehmern selbst herstellen und habe gleichzeitig einen weiteren Arbeitsschritt, den ich anbieten kann.

Ein erstes Exemplar des zweiten Reliefs ist außerdem wieder neu ausgeformt, womit der Fehlgriff der vergangenen Woche beseitigt wäre. Vinzenz hat auf die Reliefs positiv reagiert, obwohl er ja nun ganz anders zu arbeiten beginnt. Er schleifte ein rotes Tuch durch die grauen Häuserschluchten von New York: wehend schleifend gewunden verletzlich gefährlich rot.

Erinnerungskonturen verwischen

Viel Licht gestern während eines Spaziergangs an Main. Im blendenden Gegenlicht und seiner Spiegelung im Fluss, waren die vielen Menschen, unterwegs, nur als Schattenrisse sichtbar.

Sprachschwall einer allein lebenden Bekannten bis die Beine im kalten Ostwind froren. Diese Spaziergänge sind nun etwas klein geratene Sonntagsvergnügen, weil sich immer mehr Arbeit in die Wochenenden drängt. Ich bremste das gestern ab. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, im Atelier an der Ausformung des Reliefs weiter zu arbeiten, legte mich aber anstatt dessen auf die Couch und schlief eine Dreiviertelstunde.

Vor mir liegen Zeichnungen und Texte, die ich vor neun Jahren gemacht habe. Ich beschrieb, wie heute das Tägliche. Damals quälte ich mich mit dem Frankenalleeprojekt.

Die Feuilletonkritik zu „Kleiner Mann – was nun?“ in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung besprach das Stück geradezu hymnisch. Wir kommen uns vor wie Menschen mit ihren gestrigen Ansichten, die der Zeitgeschmack überrollt hat. Jung, leicht und gefällig beeilt sich der Kulturbetrieb einen Massengeschmack zu bedienen, der zu einer anderen Generation zu gehören scheint.

Gestern hatte ich Schwarz-Weiß-Varianten meiner Polygonskulpturen vor Augen mit klar umrissen gezeichneten Figuren. Das widerspricht den Vorstellungen vom malerischen Herangehen. Beide Techniken könnten sich allerdings durchdringen. Vielleicht sollte ich mit dem Theoretisieren aufhören und endlich mit der Umsetzung beginnen!

Draußen fängt es an zu schneien. Die Konturen der Bilder, die mein Kopf immer wieder sehend und erinnernd zusammensetzt, werden durch ein Flirren etwas zerpflückt, verwischt und Erinnerung vergeht.

Radioguckkasten

Es interessiert mich, inwiefern mich die gewachsenen Formen der kahlen Äste im Blick aus meinem Fenster bei meinen täglichen Zeichnungen beeinflussen. Sicherlich war die gestrige Übernahme einer solchen Figuration eine Ausnahme, könnte aber unterschwellig auch in den anderen täglichen Bildern eine Rolle spielen.

Über den kleinen Rasen, der von der Quäkerwiese übrig geblieben ist, hüpft eine Elster mit ihrem weißen Bauch hin und her, im Turm der Friedenskirche läuten drei Glocken, Tauben kommen auf dem Rasenstück hinzu bis die Elster auffliegt, sich auf den geschlossenen Bretterzaun des Kindergartens setzt, sich umschaut und dahinter verschwindet. Die Schäfchenwolken nach Süden hin lösen sich eher auf, als dass sie fortziehen, was einen sonnigen Tag verspricht.

Im Atelier habe ich gestern die ausgewaschenen Formen neu versiegelt, die Flächen mit mehr Trennwachs beschichtet und habe begann, das zweite der Reliefs auszuformen. Damit bin ich zu drei Vierteln fertig geworden.

Als nächstes werde ich die ersten Dreiecke zu grundieren haben, um zu beginnen zu können, sie zu Körpern zu montieren. Außerdem habe ich mich um Materialnachschub zu kümmern und werde versuchen, wieder zur Filzpappe zurück zu kommen.

Als Chor fungierten die Nebenfiguren einer Inszenierung der Dramatisierung von „Kleiner Mann, was nun?“ auf der Bühne des Frankfurter Schauspiels. Sie stehen in einer Reihe nebeneinander hinten auf den Abschluss einer steilen Bühnenschräge. Der weitwinklige Guckkasten kam mir wie ein Radio vor, in den kleine Figuren sprechen. Der Regisseur Michael Thalheimer scheint ein routinierter Handwerker zu sein. Einer gewissen Banalität des Stoffes konnte er aber auch durch seine Kunstfertigkeit nicht entgehen. Dem Publikum hat’s gefallen, und ich hege den Verdacht, dass die Theaterpädagogik immer mehr zutun bekommt, genau wie die Museumspädagogik des Herrn Hollein. Ich fühle mich nicht mehr gefordert.

Erinnerungsfigur | Papier | Ast

Sonnabend – „Der Tag hat so viele Stunden, wie man hineinlegt“ zitiert John Cage Arnold Schönberg. – Und Krishnababy zeigt auf die Frage Schönbergs zuvor, der zu einer etwas faulen Schülerin sagte: „Wie viele Stunden hat der Tag?“ Sie sagte vierundzwanzig. Er darauf: “Unsinn…“ und dann geht es wieder von oben los. So könnte ich langsam an den Gliedmaßen der Bronzefigur zurück lesen.

Im Januar Zweitausendvier arbeitete ich an den Zeichnungen zu den Goldbergvariationen. Es sind winzige Tagebuchzeichnungen von vier Komma fünf Zentimetern im Quadrat. Sie sind von vielen Linien durchzogen, die ich mit einem spitzen Gegenstand hinein grub, ansonsten aber etwas vage-unbestimmt und sehr zart, was mir gut gefällt.

Mich umgaben damals die Kampflinien des Neulandes und war in den Streit um die Gestaltung der Frankenallee verstrickt. Eine unangenehme Erinnerung, die ich nun auch durch den Kreuzträger beginne zu bearbeiten. So wird diese Figur zu meiner Erinnerung von einer Wanderungsgeschichte eines Christen aus dem Nahen Osten nach Frankfurt.

Das Papier des Tagebuches, das ich gestern begonnen hatte, ist wieder von schlechterer Qualität. Man merkt es erst, wenn man damit arbeitet. Das Wasser der Aquarelle dringt schneller ein, was es schwerer macht, in mehreren Schichten zu malen. So hat es Auswirkungen auf die Zeichnungen und auf den ganzen Tag. Ich habe eher Lust auf dieses Papier mit Bleistift zu schreiben, weil die Tinte so satt aus der Feder läuft und fast ausfranst. Die Seite verwirft sich beim Trocknen und schlägt Wellen, auf deren Rückseite sich kaum noch schreiben lässt.

So können sich Veränderungen vollziehen, auf die ich vielleicht lange gewartet habe. Äußere Umstände führen zu neuen Ausrichtungen.

Ich fotografierte einen Ast, der Inspiration für einen Teil einer Zeichnung wurde, die ich mehrmals mit dem Handballen und Wasser in andere Konstellationen transportierte. Es war, als wollte ich an diesem dünnen Ast Halt finden.

Globeplotter

Desnachts reizen die immer gleichen Dinge zu anfänglicher Betrachtung. Natürlich sitzt Krishnababy wieder auf einem der Sätze, die er für sich in Besitz nimmt: „ Das Zufallsverfahren setzt die Geistergespräche in Szene gemäß seiner Devise der gegenseitigen Durchdringung ohne Behinderung.“, aus Walter Zimmermanns Aufsatz „John Cage und die zehntausend Dinge“. Dazu wieder die Spiegelungen vor einer finsteren klaren Nacht.

Gestern im Atelier habe ich mit einer Pappmacherezeptur oder anderen Fehlern beinahe die Form des zweiten Reliefs zerstört. Vielleicht war, als ich das Ausformen begann auch die Schelllackschicht noch nicht richtig trocken. Die Pappschicht war nur mit Gewalt herauszulösen, es brachen Stege und der Abguss war natürlich zerrissen. Ich werde in den nächsten Tagen herausbekommen, woran das gelegen hat.

Im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung habe ich einen Artikel über eine Werkstattrevolution gefunden, der von den Möglichkeiten der 3D-Drucker ausgehend eine neue industrielle Welt entwirft. Ab und zu habe ich ja auf der Messe „Euromold“ solche Plotter gesehen, die im Rechner entworfene Modelle dreidimensional Schicht für Schicht aufbauten. Jetzt aber gibt es dafür Begriffe wie Privatindustialisierung, Produktivitätsparadox und FabLab.

Ich denke das mit „Syncronus Objects“ zusammen und habe dabei das Gefühl, dass die wachsende Weltschnelllebigkeit sehr lange dafür benötigen wird, um diese Dinge unter einen Hut zu bringen, der wieder Kontinuität beschirmt.

Drei Tage der Woche habe ich mit jungen Menschen und ihrem herzerfrischenden Humor zugebracht. Den notwendigen Gegenpart, die ernsthafte Beschäftigung mit Gestaltung, versuche ich ihnen mit der Dreidimensionalität des Rapports, den ich für den TRIXEL PLANET entworfen habe, zu bieten. Sie begreifen ihn wie ich, nur zeichnend und annähernd. Mit V. habe ich begonnen, das dritte Relief mit der Figur des Kreuzstabträgers zu modellieren.

Vorspiel auf der Vorderbühne

In der Regie von Philipp Preuss sahen wir gestern Kleists „Das Käthchen von Heilbronn“ im Schauspiel Frankfurt. Der Abend begann mit einem realen Irrtum der Platzanweiser. Die erste Reihe war von einem Chor besetzt, der in die Inszenierung eingebunden war. Das hatte zur Folge, dass die zweite Reihe nun für diejenigen vorbehalten war, die Karten für die erste Reihe hatten. In dieser Weise setzte sich die Verschiebung über alle Reihen hinweg bis in die letzte, die demnach nicht verkauft wurde. Das alles wäre kein Drama, wenn nicht der Umstand eingetreten wäre, dass die Platzanweiser diese geplante Verschiebung erst mitbekamen, als die gute Hälfte des Publikums schon saß. Auf der Vorbühne fand ein Vorspiel in Form des Songs „Dream a Little Dream of Me“ statt und in einer der Großen Zugangsflügeltüren erschien der aufgeschreckte Intendant und wies den Schauspieler auf der Bühne an, doch mit dem Song noch einmal anzufangen, was er auch tat, nur eine Oktave zu tief. Seiner Partnerin Vera Tscheplanova, dem Käthchen des Abends, mit dem er im Duett sang, war immer noch keine Nervosität anzumerken, während genau hinter uns eine Dozentin der Hochschule für Darstellende Künste begann, lautstark auf ihrem Platz zu beharren, der von einem Teil eines schwulen Pärchens besetzt war, das sich weigerte, sich getrennt voneinander zu platzieren. Mittlerweile hatte der Schauspieler auf der Vorbühne seinen Irrtum erkannt und das Licht ging langsam aus. Wenn ein Theaterabend so beginnt, kann ja eigentlich nichts mehr schief gehen.

Dieser war eingebettet in eine musikalische Struktur, die von einem Bühnenmusiker in der Rolle eines omnipräsenten Dirigenten erfunden und durch das Stück hindurch geleitet worden ist. Es handelte sich geradezu um das Musical „Das Käthchen von Heilbronn“. Somit blieb aber leider der schöne Text etwas auf der Strecke. Das war aber sicher die Entscheidung für diesen Abend.

Im Anblick der sich verdichtenden Bürotürme sprachen wir bei einem Wein noch etwas in der Panoramabar und gingen dann weiter ins „Urban Kitchen“, wo wir den Abend beschlossen.

unCaged

Scharf zeichnen sich die Spieglungen meiner Hände im finsteren Fenster. Die Linke hält das linke Blatt der aufgeschlagenen weißen Doppelseite des Tagebuches. Krishnababy hält mit seinem Gewicht einen Aufsatz mit dem Titel „John Cage und die zehntausend Dinge“ offen, in dem die Beziehung der Kompositionsarbeit zu fernöstlicher Meditationspraktik umrissen wird. Dabei fällt der Begriff „unCaged“, der meint, dass der Zuhörer nicht eingesperrt, ihm wohl aber zufallsgeschichtliche Klangkonstellationen diktiert werden. Da begegne ich wieder dem sowohl als auch der gestrigen Indienexperten.

Ich erinnere mich an ein unbedeutendes Relief, dessen Komposition ich mit Hilfe von I Ging Konstellationen entwarf.

Den fiktiven Akt des gemeinsamen Sprechens verschiedener Figuren, wie Buckminster Fuller, Mao als Kind und Robert Rauschenberg, spielt Krishnababy mit, indem er auf die eine oder andere Textstelle zeigt. Sie taucht als Ausgangspunkt der Beschäftigungen tagsüber ab und an wieder auf.

Die andere Hand, die sich spiegelt, nimmt die etwas schräge Haltung einer Schreibhand ein. Sie hält den Füller der Firma Waterman Paris und folgt dem Mysterium der Zeichenlinien, die sich systematisch zu einem Sinnzusammenhang finden. Hier erfüllt sich die Raumerschaffung des Leibes, von der Z. am Wochenende sprach geradezu illustrativ.

Gestern saß ich eine ganze Zeit in einem Warteraum mit krebskranken Menschen. Ich hatte dabei das Gefühl, dass ich mich in einer anderen Kultur befinde. Oft sitzen Paare beieinander und sprechen zusammen. Es herrscht eine andere, fast heitere leichtere Konzentration als anderswo, die von vielen Nebensächlichkeiten befreit zu sein scheint.

Ich setzte mich danach in ein kleines Cafe, trank einen Milchkaffee und gönnte mir einen Moment Ruhe. Dann kaufte ich noch etwas Packpapier für den Workshop und hatte das Gefühl von einem Feriennachmittag.

Lasuren auf modellierter Oberfläche

Ein kleines Tier schleicht zwischen den Rabatten des Grünstreifens der Allee in der Dunkelheit herum. Sieht aus wie ein Vogel, eine Amsel. Motoren oder Aggregate grollen von ferne. Niedrigere Temperaturen werden jetzt bald einsetzen.

Die letzten Experimente mit dem Pappmache waren nicht sehr ermutigend. Das feinere Material aus dünnem Papier lässt sich schwerer verarbeiten als das grobe aus Filzpappe, außerdem dauert seine Herstellung mangels Masse sehr lange. Also wieder zurück zum alten Arbeitsprinzip.

Die Struktur der Reliefoberflächen wird von der des Modellierens mit Ton bestimmt. Ihr würde ich gerne eine adäquate Malerei zuordnen. Das heißt, dass sie nicht durch eine dicke Grundierung oder pastosen Farbauftrag überdeckt wird. Eher sollte es sich wieder um eine lasierende Acrylfarbe handeln. Den Zusammenhang zwischen Form und Farbigkeit will ich in Ruhe für mich ausprobieren.

RUHE – das Gebot der Stunde.

Gestern Abend im Atelier hörte ich die Sendung „Der Tag“, die von F. moderiert wurde. Nach einer brutalen Vergewaltigung mit Todesfolge in Delhi, gibt es in Indien Proteste gegen die untergeordnete Rolle der Frauen auf dem Subkontinent. Deswegen kreiste das Thema der Möglichkeiten gesellschaftlicher Veränderungen in Indien ein. Experten konnten dabei klar machen, dass es nicht „Die indische Gesellschaft“ als eine Einheit gibt. Im Gegenteil!. Die ist grundlegend multikulturell und baut dabei auf die zusammenhaltende Kraft der Vielfältigkeit auf. Es kann also nicht darum gehen, dass eine starke Zentralregierung in Delhi reglementiert, was indisch sein heißt. Eher muss sie dafür sorgen, dass die vielen Besonderheiten erhalten bleiben und sich nicht gegenseitig behindern. Durch die Sendung ist mir wieder klarer geworden, warum dieses Land für uns so faszinierend bleibt.

Museen

Unser Direktor dreier Museen Max Hollein, schafft es noch, dass wir seine Ausstellungen nicht mehr besuchen. Sie sind derartige Publikumsmagneten, dass sich vor dem Städel mit der „Schwarzen Romantik“ lange Schlangen bilden. Drinnen wird vor Überfüllung wohl in einer Luft, die zum Schneiden ist, kaum etwas zu sehen sein. Ein Feuilletonkritik titelte: “Besser kann man sein Publikum nicht bedienen“. Im Mengen strömen Menschen in die Museen, die man früher dort nicht gesehen hat. Begierig saugen sie die Deutungen auf, die ihnen geboten werden. Jetzt wissen sie endlich, was sie über die Kunst, die jeweilig zum Schauen angeboten wird, denken sollen. Das Kunstmuseum ist ein Inplace geworden, es ist hip, am Wochenende dort gewesen zu sein, weil alle dort waren. Die Museumspädagogik treibt immer neue, vulgäre Blüten. So werden wir immer öfter ausgesperrt.

Gestern wollten wir die Flucht nach vorne antreten und landeten im Caricatura Museum, dem Tempel der „Neuen Frankfurter Schule“. Auch dort blieb uns vor lauter Banalität die Spucke weg. Das hat alles mit uns wenig zutun. Deswegen zieht es mich eher in mein Atelier.

Dort liegt aber zunächst ein Aufräumtag vor mir. Falls sich mein Donnerstagsworkshop doch mit weiteren Teilnehmern füllt, habe ich zumindest Tische abzuräumen und mehr Platz zu schaffen.

Wahrscheinlich bekomme ich in dieser Woche das dritte Relief doch nicht fertig. Ich sollte mich deswegen nicht hetzen und eher auf „Die Entdeckung der Langsamkeit“ setzen.

Die zweite Form

Die zweite Form. Wesentlich weniger Linien, größere Freiräume, Grate sind beseitigt und eine kompakte Schelllackschicht aufgestrichen. Die erste Form habe ich teilweise mit einer neuen Ausformungsmasse ausgefüllt und gemeinsam mit der zweiten auf die Heizung gestellt. Ich weiß nicht, wie ich die Herstellung des Pappmaches beschleunigen kann. Es wäre sicher klug, es einfach so lange dauern zu lassen, wie es braucht, ohne sich darüber aufzuregen. Die Geschwindigkeit spielt beim FRANKFURTER KRAFTFELD sowieso keine wichtige Rolle. Ich kann ja auch die Langsamkeit genießen.

Eine lange geplante Verabredung am Abend. Für die kochten wir ab dem späteren Nachmittag. Lange und vergnüglich saßen wir am Tisch und redeten über Kunst. Intensiv über den „Ring des Nibelungen“ und Wagners „Forschung“, über den Leib der den Raum erschafft und die Abwesenheit bei Mehldau und Forsythe. Dann bekomme ich Lust, mich mit diesen Dingen wieder näher zu beschäftigen, gedankliche Auseinandersetzungen damit in die aktuelle Arbeit mit einzubeziehen.

„You Made Me a Monster“ inspiriert mich zu einer Reihe von Polygonalstrukturen in denen sich die kompakt geschlossenen Architekturen langsam auflösen und die Dreiecksreliefs als Fragmente die Dreiecksgitterstrukturen bevölkern, Schatten werfen, die wieder gezeichnet werden können. Eine solche Installation würde den Balkenraum schnell füllen.

Mit der gefundenen Struktur können nun immer mehr neue Ideen nachwachsen. Sie kann viele Gestalten beherbergen.

Z. sprach gestern von seinen Studenten, die allen traditionellen Ballast abwerfen wollen, sich nur noch schwärmend aus dem Netz versorgen, um als entindividualisierte Bilderarbeiter Neues zu schaffen. Das trägt ein Potential in sich, das die Kunstwerke der Vergangenheit als überflüssig betrachtet und deswegen der Zerstörung anheim geben könnte. Bildersturm und Kulturrevolution sind das Bedrohungsszenario das mir daraus erwächst.

Relieflinien und Malereischichten

Es herrscht sehr mildes Wetter und die Feuchtigkeit der Luft tut dem Gesicht gut. Es fällt leicht im Park zu laufen.

Am Nachmittag goss ich die Gipsform des zweiten Reliefs mit dem Ornament der Blutkreislauffigur. Der Gips ist schnell hart geworden. So konnte ich schon bald Form und Modell trennen. Wenn ich heute Nachmittag die Schelllackschicht aufstreiche, kann ich in der nächsten Woche damit beginnen, das zweite Relief auszuformen. Ich bin gespannt, wie sich dabei das neue Material verhält. Ich habe das Pappmache aufgekocht und lange durchgerührt und wieder aufgekocht, sodass es sich in möglichst kleine Fasern zerteilt.

Beim betrachten von vier gleichen Dreiecken in einer Reihe, bekam ich gestern eine Ahnung von der Dimension der Objekte. Gleich stellte sich das Platzproblem in der Vorausschau. Daran sollte ich aber jetzt nur insofern denken, dass ich die Figuren so montiere, dass sie leicht wieder in die Einzeldreiecke zerlegbar sind. Auch die zweidimensionalen Wandbilder werden von einem Format sein, das die Möglichkeiten mancher Räume sprengen könnte. Die Dreiecke aus Pappmache kann man allerdings leicht stapelnd lagern.

Im Wald reparierte ich am vergangenen Mittwoch ein Objekt, das M. ein paar Tage vor ihrer Operation ziemlich schnell herstellte. Gestern traf ich sie auf dem Markt. Vielleicht kommt sie auch zum Donnerstags-Workshop.

In der kommenden Woche will ich versuchen das Kreuzstabträgermotiv zu modellieren. Es wird zeitlich etwas knapp. Aber vielleicht kann ich den Unterricht mit diesen Arbeiten verbinden.

Sehr gespannt bin ich auf die malerische Dimension vom FRANKFURTER KRAFTFELD. Manchmal denke ich daran, über die Schicht der Relieflinien völlig andere Motive zu legen. Ich sollte die Malerei als Befreiung von den fest gefügten Ornamentlinien feiern und eine wirklich neue Dimension aufschließen. Es wird langsam Zeit, damit zu beginnen.

Credo möglich

Weil ich mit der Tagebucharbeit gestern schon morgens gegen Fünf angefangen hatte, entsprechend früh damit fertig war, konnte ich am Vormittag länger im Atelier sein.

Das vierte Exemplar des ersten Reliefs war trocken, weswegen ich die Form für den nächsten Arbeitsgang schon präparieren konnte. Außerdem modellierte ich bis zum Abend das zweite Relief fertig und kaufte Gips für seine Form. Die könnte ich heute gießen. Am Abend habe ich neue Ausformmasse vorbereitet, die ich heute noch mal durchrühren kann. Das ist der Lauf der Produktion, an den sich in der nächsten Woche das Modellieren des dritten Reliefs anschließen kann.

Alles läuft nach Plan und behält die Spannung dadurch, dass die ausgeformten Dreiecke alsbald weiter verarbeitet werden. Eigentlich geht es einerseits um die Malerei und außerdem um die Zusammenstellung der Objekte.

Die Poesie der Arbeit wird erst in den nächsten Arbeitsschritten sichtbar werden. Anders als beim Kraftfeld 2010, werde ich nun mehr Wert auf Malerei und auf grafische Elemente legen, die sich aus der Reliefstruktur ergeben. Weil sich die Malerei auch in alle Richtungen ausbreiten kann, komme ich im Vergleich zum vorherigen Kraftfeld wirklich einen Schritt weiter.

Der wesentlichste Schritt aber bleibt die Dreidimensionalität. Sie fordert von der malerischen Behandlung noch einmal mehr Fingerspitzengefühl.

Meine größte Hoffnung aber gilt dem Auffinden neuer Figuren. Dieser Arbeitsvorgang gestaltete sich vor drei Jahren noch etwas steif. Somit handelte es sich tatsächlich nur um eine Testarbeit. Jetzt kann darauf mehr Zeit verwendet werden. Der Zusammenklang von zweidimensionalen malerischen Flächen und den skulpturalen Erscheinungen der TRIXELPLANETEN kann zu einem Credo der gesamten Arbeit an den Wanderungsspuren werden.

Helle Nacht

In ihrem Weltreisbericht im Netz bittet J. um Feedback. Sie schreibt fleißig kleine Berichte und Storys und bezichtigt sich selbst, nicht genügend geschnittenes Videomaterial auf ihre Seite gestellt zu haben. An mehreren Punkten begegnet sich ihr Problem mit meinem täglichen Arbeitstagebuch, und auch deswegen interessiert mich ihr „Notruf“. Ich glaube, dass der Hang nach Perfektion der Lebendigkeit des Reisetagebuches im Wege steht. Ein verwackelter Handyvideoschnipsel oder die Beschreibung eines Geräuschs, kann manchmal mehr erzählen als ein perfekt geschnittener Trailer. Wenn es ihr gelingt, den Druck raus zu nehmen, zugunsten einer Verknappung auf weniger, aber anderes Material, das mehr reale gefühlte Stofflichkeit in sich trägt, öfter eigene Befindlichkeiten hinterfragt, kann sie vielleicht auf mehr Feedback hoffen. Vielleicht spielt auch eine Rolle, dass die anderen Seiten des alleine Reisens eine nur geringe Rolle spielen.

Es ist eine helle Nacht, in der das Stadtlicht von einer niedrigen Wolkendecke reflektiert wird.

Gestern war ich schon am Vormittag im Atelier, um mit dem weiteren Ausformen des ersten Reliefs fortzufahren. Und am Nachmittag fuhr ich, wie ich es mir vorgenommen hatte zu meinem Hangweg im Taunus. Ich habe das Gefühl, dass die Wildtiere in die Stadt wandern und würde mich über Rehe in den Supermarkthinterhöfen nicht wundern, wo sie mit Füchsen um die Lebensmittelreste konkurrieren. Außerdem wird in der Stadt seltener geschossen.

In direkter Zuwendung, ohne störende Schneedecke, widmete ich mich wieder dem Verlauf meines Weges. Manche Teile der Bodengestaltungen sind von Wildschweinen zerstört worden. Ich denke daran, sie für neue Formen zu nutzen. An Stellen, wo der Verlauf des Weges noch nicht ganz klar geworden ist, habe ich Entscheidungen getroffen und den Weg entsprechend durch Beiseiteräumen von gröberem Bodenmaterial markiert. So sind nun alle Lücken geschlossen. Nach der Rückkehr aus dem mittlerweile eingedunkelten Wald, habe ich im Atelier das vierte Exemplar des ersten Reliefs fertig ausgeformt.

Bekannte Räume

Krishnababy zeigt auf der aufgeschlagenen Buchseite auf eine Stelle, wo es um die noch zu erfindenden Weltpumpen geht. Cage dachte ökologisch und meinte, sie müssten über das Universum funktionieren, sparsam allumfassend und dazu vergnüglich. Auf den Portraitfotos, die es von ihm gibt, lacht er meistens, als hätte er etwas zu viel von einem Psychopharmakon. Ein Gleichklang jenseits von Missmut würde schon reichen.

In der Schirn sahen wir eine Ausstellung, die sich mit früher Stadtfotografie im Zusammenhang mit dem malerischen Werk von Gustave Caillebotte beschäftigt. Durch die vordergründige Didaktik rückt die Malerei etwas in den Hintergrund. Das ärgerte mich schon bei der Munch – Ausstellung. Außerdem fühle ich mich durch die simpel hergestellten Zusammenhänge bevormundet und will doch die Interpretationshoheit für mich bei mir wissen. Weil aber diese Holleinkonzepte die Ausstellungshallen der Stadt durchziehen, wünschte ich mir etwas mehr Abwechslung und weniger Zurschaustellung des kuratorischen Gedankens.

Eine Abwechslung konnte ich mir im Cafe im Kunstverein verschaffen, indem ich mir einen Rhabarbersaft bestellte. Seit ewigen Zeiten schmeckte ich diese herbe, frühlingshafte und erdige Säure nicht mehr. Sofort schaltete das Hirn auf Kuchen-, Kompott- und Gartenidyllerinnerungen. Während mich der aufgeregte Lärm der vielen Menschen etwas störte, waren wir dennoch und gleichzeitig froh, in einer Stadt zu wohnen in der es Ausstellungen und nette Orte für Getränke gibt.

Mittwoch ist heute. Ich muss mir das nach all der Sonn- und Feiertagskonfusion etwas einprägen. Am Nachmittag steht demzufolge der Pfad am Hang im Taunus auf dem Programm, am Freitag werde ich wieder laufen und Regelmäßigkeit herstellen. An den Reliefs kann ich Morgen und Übermorgen weiterarbeiten.

Von Nordwesten her steigt eine kompakte, scharf konturierte Wolkenwand in den hellblauen Himmel. Weiche, warme Himmelsfarben in dünnen Wolken noch davor und das dunkle Geflecht der Äste – bekannter Raum.

Granit und Rokoko

Weit oben im Geäst spreizt eine Krähe ihr Gefieder asymmetrisch, schüttelt und reinigt es mit ihrem Schnabel. Sie wendet dafür ihren Kopf weit hin und her. Ich glaube, dass sie mit ihren Schnabelspitze an jede Stelle ihres Federkleides gelangt.

Im Atelier habe ich das zweite Relief grob fertig modelliert. Morgen kann ich an die Feinheiten gehen und dann danach die Form bauen. Parallel dazu stelle ich das vierte Exemplar des ersten Reliefs her und setze neues Pappmache an. Die Produktion läuft.

Der letzte Spaziergang im vergangenen Jahr führte uns am südlichen Mainufer entlang bis zur Eisenbahnbrücke, die wir überquerten. Die Ganze Zeit hat man die riesige Glasfassade der Doppeltürme der neuen Europäischen Zentralbank vor sich. In ihr spiegeln sich die Häuser des gegenüberliegenden Ufers und der Horizont in einer erstaunlichen Schräglage. Ein ungewohntes und etwas verstörendes Bild eines optischen Phänomens.

Wir sahen uns gestern am Silvesterabend Fotos unserer letzten Indienreise an und waren neu erstaunt über die Motive aus den Tempeln, die wir in Tamil Nadu besichtigten. Rituelle Handlungen in Verbindung mit Heiligenfiguren deren Patina eine lange Geschichte ihrer Anrufung bezeugt. In der Tempelarchitektur verändern sich, trotz strenger Bauvorschriften die Stile durch die Zeiten hindurch. Wir vergleichen das mit unseren Epochen, entdecken durchaus romanische bis barocke Anklänge. In der Stuckatur, die über die Granitfiguren gespachtelt ist und der dazugehörigen Malerei, meint man sogar Rokoko zu erkennen. So saßen wir still staunend bis zur Silvesterknallerei.

Mehr Platz für Experiment

Gestern mit B. auf meinem Weg im Wald. Wenn sie vorangeht, findet sie auch ohne mich seinen Verlauf. Anschließend schritten wir auf den Forstwegen noch etwas aus, kürzten querwaldein die vorgezeichneten Bewegungsmuster ab, stiegen dann zum Kleinen Feldberg hinauf und dann die Feldbergschneise wieder hinab zu meinem Weg. Einen schönen Kristall legte ich auf die weiße Steinpyramide. Der Wind hatte viel Material von dem Bäumen auf meinen frei geräumten Pfad fallen lassen, das beiseite geräumt werden musste. Damit hatten wir genug zutun.

Heute werden die Ordner dieses Jahres geschlossen. Die Arbeitstagebuchdatei, die der täglich gescannten Zeichnungen und die der täglichen Bildstreifen, die bildlich dokumentieren, womit ich mich beschäftige sind nun mit einem vollständigen Jahr zum Abschluss gekommen. Morgen werden die neuen Ordner und Dateien eingerichtet. Es zeigte sich besonders im abgelaufenen Jahr, wie mich die täglichen Reflektionen weiterbringen. Abgesehen vom Nutzen für Vorträge und Beantragungen von Fördergeldern, ordnet diese Arbeit alles zu einem System der gegenseitigen Bedingtheit. Dieses Beschreiben und Entdecken ist Teil des Werkes geworden.

Cage schreibt oft mit kulturellen Landkarten im Kopf und manchmal wie unter Drogeneinfluss.

Seit Tagen weht warme Luft aus Südwesten heran. Manchmal zwitschern die Meisen leise vor sich hin, als könnten sie einen vorzeitigen Frühling herbei singen. Fast unwillig rücken, von ihnen bewohnt die Äste im Wind hin und her, kein Tanz diesmal. Ich weiß nicht genau, wie groß der Radius ihrer kleinen Flüge ist. Mir kommt ihr Dasein eintönig vor und nicht weiter gespannt wie zwischen Ahornbaumkrone und unserer Hauswand.

Für mich geht ein eher schwieriges Jahr zu Ende. Und jetzt bin ich etwas angebundener durch viele Termine, was die Lebensqualität etwas beeinträchtigt.

Immer noch suche ich nach einer anderen flexibleren Möglichkeit der Arbeitstagebuchgestaltung, mit weniger ausschweifenden Texten und mehr Platz für Experiment.