Ernsthafte Kunst für Kinder

Als ich gestern mit etwas bangem Herzen im Atelier ankam, gespannt war, wie sich die dickere Ausformungsschicht aus der dritten Form herauslösen lässt, und wie ihre Stabilität sich mit den feinen Stegen der Form verträgt, stellte ich fest, dass ich mich beruhigt zurücklehnen kann und alles gut gegangen war. So konnte dieses erste Exemplar des Kreuzstabträgerornamentes fertig gemacht und auf die Heizung gestellt werden. Dies dauerte durch die erhebliche Sorgfalt und den gesteigerten Druck, mit dem ich nun mehr Masse in die fein modellierten Linien hineinpresste, meinen ganzen Arbeitsnachmittag. An andere Arbeit war nicht zu denken, außer daran, etwas Pappmache anzurühren und ein paar Fotos zu machen.

Neugierig schneiten die Lehrlinge am Feierabend zu einem Besuch herein. Auch S. besuchte mich, um mir eine DVD zurück zu bringen. Oft hat sie einen Rat für mich, meine Akquise betreffend. Diesmal meinte sie, dass es sich vielleicht lohnen würde, sich Gedanken um die Gestaltung einer Kindertagesstätte zu machen. Auch der Internationale Bund betreibt eine, die ein geeignetes Objekt abgeben könnte. Als ich mich mit der Idee angefreundet hatte, mit Kindern zu arbeiten, stellte ich mir folgendes Szenario vor: Zunächst sitzt ein Zeichner mitten unter den Kindern und zeichnet sie beim Spiel. Das würde ich in einer ähnlichen Weise tun, wie ich die Straßenszenen im Schaufenster übereinander gelagert habe. Wenn sie dann neugierig werden und mich vielleicht nachahmen wollen, nutze ich ihre Zeichnungen und verbinde sie mit meiner Arbeit. Daraus entsteht eine ornamentale Struktur, die man für verschiedene Gestaltungen benutzen kann. Es geht mir dabei darum, Kinder frühzeitig und ganz normal mit ernsthafter Kunst zu konfrontieren, so, wie ich in einem ehemaligen Kloster aufwachsend barocke Steinmetzkunst in mich aufgesogen habe. Das wirkt bis heute nach.

Der Ateliernachmittag war etwas kurz, weil wir am Abend zu einer Lesung und Podiumsveranstaltung zu Priya Basils Roman „Die Logik des Herzens“ gehen wollten, den B. übersetzt hat. Die beiden Frauen gaben auf dem Podium ein gutes Team ab, wurden aber an diesem Abend wenig gefordert. Stattdessen gerierte sich ein alter Selbstspiegler, der sich gerne reden hörte als wenig neugieriger Moderator. Ich traf die Verlegerin wieder, mit der B. bei Schöffling zusammenarbeitet. Wir kennen uns von der Mentorenstadt Frankfurt. Schöner Zufall!