Gestrig und Gültig

Durch den Altschnee der nassen Stadt, die gefährliche Eislawinen von den Dächern schickte, sind wir in ein kleines Kino gefahren, um uns einen Film der Gebrüder Taviani anzuschauen. Unter seinem Titel „Cäsar muss sterben“ wird Theaterarbeit in einem süditalienischen Gefängnis gezeigt. Laiendarsteller, die Strafgefangene des italienischen Staates sind, bilden die Theater spielende Gruppe von Insassen der Vollzugsanstalt, in der der Film spielt. Das Drehbuch behandelt die Probenarbeit zum Shakespeare Stück „Julius Cäsar“. Viele Insassen kommen aus den süditalienischen Städten, von deren Straßen die Sprache des Dichters herzukommen scheint. Auch wenn der Rezensent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung das Konzept als aufgegangen beschreibt, kommt es ihm dennoch gestrig vor.

Am spannendsten für mich ist die Atmosphäre des Filmes, die von der brutalen Tristesse der Innenräume, die auch unter freiem Himmel Innenräume bleiben, gebildet wird. Im etwas unbeholfenen aber wahrhaftigen Spiel, werden einem die Mörder und Gewaltverbrecher sympathisch.

Im Cafe des Kunstvereines im „Steinernen Haus“ gibt es ein paar Tische unter einem schönen alten Kreuzgewölbe mit kunstvoll gestalteten Schlusssteinen. Natürlich ist vieles ergänzt und alles restauriert und fraglich ist, ob die Bildhauer der Gegenwart diese filigranen Durchbrüche und Schwünge noch hauen können, oder modelliert und in Steinguss hergestellt haben.

Unter diesem Himmel tranken wir Kaffee und schauten uns danach die aktuelle Ausstellung an. Eine Etage ist der eigenen fünfzigjährigen Geschichte des Vereins gewidmet. Der Bezug der Dokumentationen zu verschiedenen Designmoden der Zeit fällt unangenehm auf. Weiter oben gibt es noch aktuelle Installationen, die aus Blechen für Lüftungsschächte, großen trockenen Disteln und Rolltreppenhandlaufgummis bestanden. Ein Anspruch auf Zukunft geht in diesen Arbeiten immer mehr verloren. Sie sind nur vorübergehend gültig. Kontinuierliches Fortwirken ist das, was mir in der Gegenwartskunst am meisten fehlt. Ab und zu ist es aber noch zu entdecken, meist fern der Moden oder in Dokumentationen künstlerischer Prozesse.