Zusammenschluss von Abstraktionen

Wenn ich die Rasterportraits der Jungpioniergruppe nur in den Flächen ausführe, die ich zuvor mit einer Synaptischen Kartierung versehen habe, gerät die Fragmentierung bis zur Unkenntlichkeit des Motivs. Die schwarzen Tuscheflecken, einer Tanzzeichnung, die innerhalb ihrer Fläche Hindernisse bilden, verändern die Gesichtsmuskelpartien des hinzugesellten Rasterportraits noch einmal. Die Linien auf dem Blatt zeigen eher den Weg des Tänzers, als seine Gestalt. Das Zusammenfügen dieser verschiedenen, in Abstraktion und Fragmentierung weit fortgeschrittenen Arbeiten führt zu einer anderen Qualität, deren Neuheit das Experiment rechtfertigt. Die Arbeiten schließen sich zu einer größeren Kraft zusammen. Über eine weitere Wirkung dieser Zusammenfügung denke ich nicht nach. Sie erscheint mir nur stimmig.

Am Morgen, wie gestern Abend habe ich Pflanzflächen gewässert, weil es heute wieder sehr heiß werden soll. Lange saß ich im Korbsessel, die Füße in einer Wasserwanne und schaute auf den Himmel. Die Mauersegler bilden jetzt Schulen mit ihren Jungen und fliegen manchmal in sehr großen Schwärmen, die eine große Höhe bilden, wie bewegliche Volumina.

Eine Gruppe von Fahrrad fahrenden Damen aus Sachsenhausen schaute in mein Atelier. Ich erzählte ihnen was von meiner Arbeit. Dies ist ein halböffentlicher Raum, besonders im Sommer.

Und ein weiterer Kunstjournalist besuchte mich. Er möchte ein Fernsehfeature mit mir machen. Ich lache darüber, weil es mir irgendwie sinnlos vorkommt, sage aber zu. Wer braucht mich im Fernsehen?

Kleine und große Malerei

Im nun voll geschriebenen und voll gemalten Buch, liegen die Malereien von gestern aufgeschlagen vor mir. Manche aufrechte Linien stehen wie Messlatten im Farbraum. Die Verwischungen und Schwünge halten sich die Waage. Die Farben leuchten sanft zwischen Apricot und Indigo. Die Malereien entstehen in letzter Zeit schnell hintereinander oder gleichzeitig in den Lücken, die ihnen der Text vorher eingeräumt hat. In diesem gemeinsamen Schwung beziehen sie sich mehr aufeinander. Manche Elemente aus Abdrücken der rechten Handkante wiederholen sich innerhalb der verschiedenen Formate und verweisen so aufeinander. Dieser ganze Komplex wäre es mal Wert näher betrachtet zu werden.

Mit einem etwas größeren Transparentpapierformat auf das ich schon eine Synaptische Kartierung gerollt hatte, probierte ich gestern die Verbindung von drei Felsgravuren und einem Rasterportrait. Daran zeichnete ich bis in den Abend. Somit bewege ich mich auf die Beendigung des großen Formates zu. Dieser Abschluss wird die Beendigung eines Kapitels sein. Wenn ich nun mit Ölfarben weitermale läuft das auf größere Präzision und auf eine festere und brillantere Malweise hinaus.

Mit der gestrigen Zeichnung bereitete ich diesen Schritt vor. Dazu gehört nun aber auch, dass ich das neue Material bereitstelle und mich an diese Malweise, wie ich sie vor vierzig Jahren betrieben habe, erinnere.

Manchmal erscheinen auf den Displays der Digitalkameras Elemente der aufgenommenen Motive klarer, als man sie in Wirklichkeit wahrnehmen kann. So sah ich in der Kamera des Kunstjournalisten, der mein Bild vor ein paar Tagen aufnahm, dunkle Figuren, die sich von unten in das Format hinein schieben.

Verschiedenheit

Anstatt zu zeichnen, fertigte ich gestern eine weitere architektonische Skulptur zum Thema „kristallin und fluid“ an. Dieses weite Feld lässt sich mit verschiedenen Kompatibilitätsfragen, auch von Materialien, verbinden. Z.B. Wachs, Filzpappe und Drahtgitter.

Zunächst zeichnete ich zwei verschiedene Umrisse und extrudierte zwischen sie einen Übergang. Das kristalline Gebäude, das dann entstanden war, deformierte ich leicht mit einer großen kugelförmigen Masse, deren Abdruck der Form etwas Fließendes hinzufügte.

Dieses Zusammenspiel gehört zum Thema: „Dinge, die nicht zusammenpassen“. Gern würde ich mehr davon anfertigen und auch mit den oben genannten Materialien verbinden.

Mein gestriger Entschluss, das große Bild nun fertig zu malen, geht mir durch den Kopf. Eine gewisse Scheu, da heran zu gehen, kann ich nicht verhehlen. Vielleicht ist es aber auch eine Frage der Überzeugung, des Zeitpunktes und der Kraft.

Demnächst muss ich mich um den 3d Scanner kümmern, um die skulpturale Arbeit mit anderen Formen weiter zu führen. In erster Linie aber interessiert mich dabei die festgehaltene Bewegung des menschlichen Körpers.

Ölfarbe?

Montagmorgen im Atelier. Wir sprachen gestern über die Weiterarbeit am großen Bild und seine Vollendung. Das Schwarz meines Rasterselbstportraits als Sechsjähriger, will ich mit einem sehr dunklen Blau vertiefen. Vielleicht kann ich Ölfarbe dafür benutzen. Als Gegenpart auf der linken Seite, sollen Felsgravuren aus Twyfelfontein, vielleicht drei übereinander oder ineinander verschlungen und verschiedenfarbig stehen. Zwischen ihnen und den Rasterpunkten könnten farbige Verbindungslinien hin und her laufen. All das kann von der Spur des Heliumraben umleuchtet werden. Dann ist das Großformat nach vielen Jahren Arbeit fertig, kann abgespannt uns zusammengerollt werden.

Somit würde sich dieses Bild in die Biografieserie mit eingliedern. Ganz anders als gedacht, wäre es dann fertig geworden. Die verschiedenen Varianten, die ich zwischendurch überlegt hatte, sind beiseite gelegt, aber dennoch mit darin aufgehoben, denn immer schwebte etwas von den Ideen bei der Arbeit daran mit hinein.

Und wie geht es heute weiter? Zunächst mal nahm ich mir vor, etwas Büroarbeit, die sehr notwendig geworden ist, zu machen. Dafür soll genug Zeit sein, und erst danach will ich mich um die weiteren Zeichnungen kümmern.

Gemetzel

Der beträchtliche Output meines malenden Nachbarn wurde durch die Stippvisite eines berliner Galeristen noch einmal gesteigert. Auf die großen Formate legt sich eine weitere extensive Schicht programmatischer Verfinsterung. Die unterste Lage bilden Projektionen.

Die Elstern bewachen die Wasserstellen. Gestern fand ich eine halbe Eidechse auf dem Weg meines Gärtchens. Ich weiß nicht, welchen Räubern ich dieses Gemetzel zuschreiben soll, ob dem großen Kater, der schwarzglänzend übers Gelände streift, den Amseln, die sich ihrerseits furchtbar über ihn erregen können oder den anderen Jägern der Lüfte. Hoffentlich haben ein paar den Angriff überlebt. Gesehen habe ich heute noch keine.

Einen zufälligen und interessanten Zaungast verwickelte ich am späten Nachmittag in ein Gespräch. Er ist Kunst- und Filmkritiker, Architekt und Künstler. Wir sprachen über innovative architektonische Konzepte, was mich neugierig machte. Heute las ich zwei seiner Artikel im Netz.

Durch meine neuere Arbeit mit den 3d-Umsetzungen und Entwürfen bin ich wieder näher an den Vorgängen der Entwicklung von Kunst und Architektur durch neue technologische Möglichkeiten. Ich habe die Idee das Film- und Architekturmuseum durch einen Strang filmischer Skulptur zu verbinden

Über die tägliche Malerei hinaus will ich am Montag weiter zeichnen.

„Ateliergang“

Die „Ateliergang“ machte gestern ihre ersten 3d-Ausdrucke. Joana entwarf einen Ring mit einer mäandernden Oberflächenlandschaft, den wir in eine untere und eine obere Hälfte teilten, damit wir das beide komplikationslos drucken können.

Noah hat zwei neue Jungs mitgebracht, die schon zuvor eine Bühnenshow mit dem Günes Theater gemacht hatten. Sie arbeiteten gleich leicht und ungehemmt mit. Langsam entwickelt sich Teves West zu einer Außenstelle der Hindemithschule.

Alexander richtet sein Augenmerk nun auf jüngere Kunstinteressierte, die sich hier ein paar Jahre entwickeln können. Vielleicht kann ich auch das Gärtnern mit zu unseren Beschäftigungen hinzunehmen.

Gleich am Morgen habe ich wieder den Rasensprenger angestellt, damit es grüner wird. Die anatolischen Freunde haben eine Sense vor die Tür gestellt. Mal sehen ob ich das Sensenblatt dengeln und schärfen kann, wie man das früher machte und wie ich es vor vierzig Jahren von Heinrich Dächert gelernt hatte, um sie für die Wiese zu nutzen.

Am Abend ein Spaziergang am leuchtenden Main, der den Schattenriss der Skyline und ihre Lichter bewegte. Bier im „Senza Licenza“ und Müdigkeit, denn die letzten Tage waren anstrengend.

Geschichtete Biografie

An jedem Morgen blühen die blauen Kelche der Kletterpetunien so auf, dass sie vor meinem trockenen, zusammengestellten Gesträuch eine blumige Wand bilden. Die wenige Erde auf dem Beton gibt viel her.

Das Rasterportrait meiner Mutter habe ich mit der Felsgravur eines Gnus aus Twyfelfontein verbunden. Die Schwünge der Tuscheverbindungslinien kreuzen sich. Diese Stellen betonte ich mit schwarzen Punkten, damit sich das Raster in seiner Umgebung fortsetzt und teilweise zur Tierdarstellung hinüber springt.

Die nun schon zahlreichen Kombinationen mit den Tierumrissen geben den Motiven eine etwas schamanistische Prägung. Das Erinnerungsthema wird in dieser Weise erweitern, führt in den Kombinationen in zwischenkulturelle Felder. Kommen dann auch noch die Gestaltungen vom Vortag und die Malereien aus den Arbeitstagebüchern hinzu, wie in der oberen Collage, verstärkt sich ein Bild von geschichteter Biografie.

Eine vierte Skulptur druckte ich zur Vervollständigung der Serie, die kristalline und fluide Formen zusammenfügt. Außerdem stellte ich eine Negativform einer Skulptur her, deren Ausdruck allerdings über vier Stunden in Anspruch nehmen würde. Das verschiebe ich.

Mit Alexander besprach ich Details unserer Berlinreise mit den Kunstschülern am Ende des Monats.

Erinnerungsverbindungen

Noch am Vormittag vor meiner Verabredung, habe ich mich an eine Selbstportraitzeichnung gesetzt, die ich dann am Nachmittag fertig gemacht habe, indem ich die Tusche-Schelllack-Lasur im Stil der Synaptischen Kartierungen aufgetragen habe. Eine weitere Zeichnung entstand am Abend, während der 3d Drucker die dritte Variante des Musikpavillons ausdruckte.

Eine skulpturale Serie entsteht, die mit den Gegensätzen von fluid und kristallin zutun hat. Je kleiner die Dreiecke sind, aus denen sich die Skulpturen zusammensetzen, umso flüssiger erscheinen die Formen. Es ist sehr reizvoll, sehr langsam mit den Verschiebungen der Netzknoten der Figuroberflächen die plastischen Werte zu schaffen, die dann handgreiflich nach dem Druck erfahrbar sind.

Die zwei Selbstportrait-Rasterzeichnungen von gestern verbinden sich mit Tierumrissen von Felsgravuren aus Twyfelfontein. Die Tuschelinien sind wegen der abgenutzten Feder unregelmäßig und manchmal zittrig. So zeigen sie aber mehr von den verschiedenen Erinnerungen und ihren Zusammenhängen.

Alexander hat gestern eine Unterkunft für unsere Berlinreise gefunden, die direkt neben dem Magerviehhof an der S-Bahnstation Friedrichsfelde Ost gelegen ist, in dem ich mit 250 anderen Soldaten das Jahr 1976 in einem Schlafsaal ohne Fenster zugebracht habe. Das war die einzige Kaserne in der DDR, in der es Alkohol gab. Wir bauten damals den Palast der Republik. Das taten wir allerdings nicht mehr mit der Begeisterung, mit der ich 1961 Juri Gagarin verehrte. Viele dissidentische Geister waren dort mit offenkundig kriminellen Armeeangehörigen zusammengesperrt.

Milderung

Mit einem der 123d Programme habe ich gestern weitere Architekturmodelle entworfen. Das geht spielerisch, wie von selbst und sieht auf den ersten Blick ganz professionell aus. Die Skulpturen werden in Etagenraster eingeteilt, die einer kühnen Hausvision gleichen. Das Programm ist dafür gedacht, ineinander steckbare Schablonen zu drucken. Dann können die Gebäude zusammengebaut werden.

Dennoch bin ich mit meiner Arbeitsleistung der letzten Tage nicht zufrieden. Das liegt an einer Konstellation von Terminen, Urlaub und Hitzewelle. Das lässt mich nicht so recht zur Konzentration kommen.

Zwei kleinere gewittrige Güsse, die erst nach der Wässerung der Gärten herunter kamen, überraschten gestern. Mit einer Nordwestlichen Luftströmung bringen sie Milderung.

Alexander und ich organisieren eine Berlinreise mit unseren Kunstschülern. Habe schon mit Anne und mit Vinzenz Kontakt aufgenommen. Anne möchte uns eine Stadtführung machen. Vielleicht kann Vinzenz uns auch etwas von seiner Arbeit erzählen.

Heute Mittag ein Termin, der mir den Tag zerteilt. Ich hoffe auf etwas Sammlung danach.

Konstruktivismus und Gravitationsschwünge

Im Untertitel heißt eine neue Ausstellung des Architekturmuseums: „Vom Konstruktivismus zur Kosmonautik: Pläne Projekte und Bauten“. Es begegnet einem viel „Sozialistischer Realismus“, zu dem ich eine eher traumatische Beziehung habe. Dennoch haben sich seine Insignien auch in meine Arbeit eingeschlichen. Heute ist das am ehesten noch in den Gravitationsschwüngen zu sehen, die ihre Inspiration bei Franz Konter fanden, aber eher aus den Tiefen der Atomenergieapologetik stammen könnten. Außerdem haben sie mit Raumfahrt und den Propagandabildern der Sowjetunion mit ihren Raketen zutun. Selbst der Konstruktivismus, der bei einem Künstler wie Glöckner in Dresden fortgeführt wurde, hatte seine Niederschläge in meinen Beschäftigungen mit Räumen. Juri Gagarin gehörte zu den Helden meiner Jungpionierzeit und würde in das derzeitige Biografieprojekt gut hineinpassen.

Von all dem war ich gestern allerdings zurückgehalten durch Abrechnungen meiner Projekte. Administrationsarbeit lässt meist keinen Raum für Künstlerisches.

Langer Spaziergang gestern in der Abendsonne am Main und danach noch einen Absacker im „Senza Licenza“ und einen weiteren auf dem Südbalkon unter den Sternen.

Die tropischen Tage erfordern etwas Arbeitsdisziplin.

Stadthitzeaktionen

Jetzt am Montagmorgen im Atelier, an dem ich erstmalig nach vielen Tagen wieder das Rolltor hochgezogen habe, beschäftigt mich noch, die Hitzeunternehmung vom Sonnabend beim Architekturmuseum.

Eine so genannte Kaltfront hat uns in der Nacht überquert, ohne in unserer Gegend ein nennenswertes Gewitter oder etwas Niederschlag mitgebracht zu haben. Durch die Frische aber, die durch zwei Türen nun in meinen Raum dringt, sank die Temperatur innerhalb von einer Viertelstunde schon um ein Grad auf 26°C.

Mir gehen Stadtkartierungen durch den Kopf, die man in skulpturale oder architektonische Formen umarbeiten kann. Wie entsteht aus einer Karte eine Skulptur? Sind die statistischen Parameter oder künstlerische Erwägungen entscheidend? Kann man beides mischen? Kann man aus einer Pisseckenkartierung ein Gebäude errichten?

Zwei Aktionen vom Sonnabend erschienen mir besonders bemerkenswert. Erstens: die „Spucknapfaktion“, bei der eine schwere Metallabdeckung umgedreht wurde. Die so entstandene Schüssel wurde von allen als Spucknapf benutzt. Das Archaische, Klebrige und Intime der Szene, setzte sie in die Nähe einer künstlerischen Aktion. Die Reaktionen der Umgebung mit hinein genommen, handelt es sich um einen komplexen Vorgang. Zweitens: die Poesie der Stadtversorgung, das Gedicht auf einem kleinen blauen Schild, das die verlegte Wasserleitung bezeichnet und ihre Eigenschaften beschreibt.

Die neue Generation Eidechsen

Wenn der Wassersprenger die Wiese versorgt, habe ich im Atelier das Gefühl, mehrfach produktiv zu sein. Heute haben wir erneut Temperaturen um die vierzig Grad. Nur ein kleines Gewitter entlud sich bisher über dem Taunus. Ab und zu quillt etwas Bewölkung auf, wird dann aber wieder vom heißen Südwestwind verblasen.

Gerade sah ich die erste ganz kleine Eidechse der neuen diesjährigen Generation. Sie war kaum drei Zentimeter lang und floh vor meinem Wasser, mit dem ich begonnen hatte, die dünne Erdschicht meines Gartens auf dem Beton zu wässern. Die Bedingungen scheinen also optimal zu sein.

Das Zeichen oder Malen im Tagebuch macht wieder großen Spaß. Heute kam ich, wie gestern, erst am Abend dazu. Wann werde ich diese Arbeiten mal größer angehen?

Die Temperatur im Atelier sank von 29,6° auf 29,5°. Das lässt auf Milderung hoffen.

Promenadologie

Spaziergangswissenschaft hat immer viel mit Praxis zutun. Gestern bei 40° im Schatten, Schritt für Schritt. Etwas aberwitzig, aber letztlich doch ganz produktiv war der Workshop im Architekturmuseum und in seiner Umgebung.

Hunde sah ich, die wegen des heißen Asphalts gleichzeitig das linke Vorderbein und das rechte Hinterbein anhoben und dann nach wenigen Sekunden wechselten. Manchmal blieben die Schuhe bei unserem Gang in die Stadt kleben.

Mir ist deutlich geworden, wie viel Praxis ich auf diesem Gebiet schon erworben habe, hielt damit auch nicht hinter den Berg. Die Ideenentwicklung hat die anderen auch mitgezogen. Sogar Passanten haben sich unseren Aktivitäten angeschlossen, wurden mit begeistert. Schönes Gefühl.

Oft dachte ich an meine Handprintwanderungen in Wien, Frankfurt und in den vielen indischen Städten.

Grün

Einmal im Stausteiner Hof, in der hinteren Pfalz an der französischen Grenze, wo wir die letzten sechs Tage ohne Arbeit verbrachten, fotografierte ich die Farbigkeit meiner Malereien im Buch mit den sie umgebenden Blütenfarben.

Jetzt hier auf Teves wieder in die Arbeit zurückzufinden, verbindet sich mit der Hitzeabwehr. Am Morgen gegen acht Uhr, waren es schon über dreißig Grad. Gemeinschaftlich haben wir damit zutun, das ganze Grün, das wir zur Gestaltung unserer Gärten gepflanzt hatten, nun am Leben zu erhalten.

Erstmalig zeigt sich die Wiese in üppigerem Grün, weil ein Rasensprenger dort regelmäßig Dienst tut. Es wachsen aber auch schon wieder Brombeeren, die wir stetig entfernen müssen. Das Gärtnern macht Spaß – eine Altersbeschäftigung.

Den Arbeitsfluss bringe ich nun am ehesten wieder in Gang, indem ich für die Kunstschüler was koche, was bei der Hitze auch kein Vergnügen ist. Dann schauen wir, was wir an Dingen zusammenfügen, die nicht zusammenpassen.

Lärm | Doppelportrait | Monolog

Ein stiller Moment im hochgezogenen Rolltor  wird von einem monströsen Dieselmotorengeräusch beendet. Ein Kohlweißling hat sein Flatterrevier in meinem Gärtchen bezogen. Grundlos kollert der Diesel weiter und ein Güterzug kommt heran. Kein klarer Gedanke, bis ich meinerseits beginne zu lärmen: „Birdland“ 2005 live in London. Ich denke dabei an Simons Stevens Stück mit dem selben Titel, an seine Erinnerung an mein „Frankfurter Kraftfeld“ im Angesicht einer Anselm Kiefer Ausstellung in London.

Wenn es wieder still wird, steigert sich das Schweigen aller Gegenstände so sehr, dass ich die Feder auf dem Papier schleifen höre. Dieses Geräusch steigert sich seinerseits. Wo habe ich das schon einmal verstärkt gehört?

Während des dreistündigen Ausdrucks der zweiten Variante des Musikpavillons, hatte ich Zeit für eine Zeichnung eines Doppelselbstportraits mit einem Elefanten, der von einer Felsgravur aus Twyfelfontein stammt. Außerdem sind zwei Fundstücke in Schelllack eingeschlossen und eine davon erzeugt Gravitationsschwünge, die sich mit einem der Portraits verbinden.

Isaak Dentler hatte gestern mit einer Dramatisierung Kleists „Michael Kohlhaas“ im Kammerspiel des Schauspiels Premiere. Emotional heruntergefahren zeigte er uns das kalte Räderwerk und die sich zusammenziehenden Verstrickungen, die unweigerlich in die Katastrophen der Novelle führen. Großartiger Schauspieler mit einem schönen Monolog.

Raubvögel

Hoch hinter zerstäubten Schwaden Luftwassers leuchtet der Morgenrabe, der entzündete Heliumballon auf die Schmetterlinge zwischen den Schlingpflanzen in meinem Garten. Sie klettern in das trockene Geäst, das ich aufgerichtet habe, um mich etwas abzuschirmen. Eidechsen turnen jagend im Gesträuch, auf der Hut vor den Raubvögeln in der Gegend. Bussarde, Sperber, Falken, Elstern und Raben.

Sammlung in Zurückgezogenheit suchte ich gestern Abend, hier im Atelier, zwischen den täglichen Gesprächen, Terminen, die immer mehr zu werden scheinen.

Ich höre jetzt Patti Smith. Mich jetzt mit ihr zu beschäftigen, fällt mir leichter, weil ich sie nun in der Alten Oper erlebt habe. Das macht einen großen emotionalen Unterschied.

Weitere skulpturale Versuche entstehen mit den 3d Programmen. Eine Linie dabei könnte sein, zunächst aus dem Grundkörper des Musikpavillons immer neue Varianten der Beschäftigung mit diesem Volumen herzustellen. Die Begrenzung dabei bieten die Möglichkeiten des Druckers.

Während der langwierigen Druckvorgänge kann ich am Biografieprojekt weiter zeichnen.

Geschwindigkeiten | weiter Blick

Innerhalb der Bewertungen der letzten Kulturereignisse an vier hintereinander liegenden Tagen aus Ballett, musikalischer Lyrik und Architektur, versucht mein Hirn Gemeinsamkeiten zu etablieren.

Im Vergleich der Geschwindigkeiten von Bilderfluten, öffne ich die Augen, um sie abzubremsen, versuche mit Langsamkeit gegenzusteuern, bevor ich die Lider wieder kurz nach unter klappe: „zwischen Blick und Blick geschieht das Entscheidende“.

Gestern in der achtunddreißigsten Etage des Silver Towers konnte ich durch die klare Luft bis in der Odenwald blicken. Regenfahnen trieben heran, sonnenbeschienene Wolkengebirge zogen fern. Ich wäre gerne lange dort stehen geblieben.

Mir ist die Sinnhaftigkeit des Hochhausprojektes klarer geworden, konnte mir gut vorstellen, wie die Arbeit, für die ich noch keinen Namen gefunden habe funktionieren könnte. Landmarken, Wanderungen, Fundstücke und Zeichnungen in einem Acrylblock vor dem Fenster.

Immer wieder schaue ich in die Architekturen, die mir beim Augenschließen aufleuchten. Irgendwas Altbackenes ist da noch. Ich weiß noch nicht genau, was ich damit meine.

Pavillon für Patti Smith

Eine ähnliche Architektur, wie den gestern beschriebenen Musikpavillon, habe ich als Übung entworfen und ausgedruckt. Immer noch überrascht es mich, dass ich die Entwürfe nun auch handgreiflich auf den Tisch bekomme.

Die aus dem Quader hervortretenden explosionsartigen Volumina beschreiben einen Bühnenvorgang.

In der Alten Oper sang sich die freundliche Schamanin mit den gefährlichen Eckzähnen den Leib aus der Seele und nicht umgekehrt. Ihrem Ausbruch poetischer Energie kann ich nur plastisch begegnen. Patti Smith sah ich zum ersten Mal. Ihre Energie trifft mich wie die von Jone San Martin und füllt seelische Hohlräume auf.

Das Zusammentreffen von vier Ideen in vier aufeinander folgenden Tagen, die ihren Ursprung in Geistesbefreiungen der Sechzigerjahre haben, bestätigt mich in meiner biografischen Suche.

Die Choreografie einer leuchtenden Erscheinung, die einen Raben im Flug umschreibt, ist ein architektonisches Konzept für mich.

Die kalte Alte Oper wurde ein dampfender Regenwald.

Wetter und Musik

Im Architekturmuseum sahen wir gestern eine Ausstellung von Coop Himmelb(l)au. Die Herangehensweisen an die architektonischen Aufgaben sind den meinen, an meine frei gewählten Themen ähnlich. Von einer Wolke, einem Wettergeschehen, wie Wind oder von einem Musikstück auszugehen, um Körper zu schaffen, ist mir nicht fremd. Die großen musikalischen Sequenzen auf Transparentpapier, die Wirbel in meinen Zeichnungen auch das frühe Naturstudium sind verwandt. Außerdem spielt natürlich die äußere Zerlegung von Formen in Dreiecksgitternetze eine nicht geringe Rolle bei der Verwandtschaft.

Da gibt es beispielsweise die Umsetzung eines ab- und wieder aufbaubaren Musikpavillons, dessen Formen auf Frequenzsektionen von Jimi Hendrix „Purple Haze“ und Mozarts „Don Giovanni“ beruhen. Spikekonstruktionen, also verschieden geformte Pyramiden treten aus einem Quader fast wie eine Explosion hervor und funktionieren aber als lärmabweisendes „Soundscaping“. Mir kam die Form sofort bekannt vor, weil ich kürzlich bei der Bearbeitung eines Quaders ähnliche, aber sehr spontane Ergebnisse erzielte.

Manche der kleinen Modelle waren auch mit 3d Druckern hergestellt. Wir haben den riesigen, preisgünstigen Katalog gekauft. Er wird bei den „Dingen, die nicht zusammenpassen“ und bei „Biografie, ein Haus“ eine Rolle spielen – Anschauungsmaterial für meine Kunstschüler.

Verschiedenheit der Techniken | Dylan in Mainz

Nach den Malereien und Collagen am Morgen beschäftigte ich mich gestern weiter mit den 3d Programmen, der Kompatibilität der Formate und mit der Leichtigkeit skulpturaler und plastischer Arbeitsweisen im virtuellen Bereich. Spontan entwickelte Zeichnung im Raum, muss dann auch im Druck darstellbar bleiben. Bei waagerechten Überhängen kommt es gerne zu Druckfehlern. So beispielsweise bei dem Block, der eine waagerechte Höhlung aufweist, deren Querschnitt sich von einem Kreuz zu einem Habmond oder umgekehrt verändert.

Die Vielfalt der Arbeitsweisen, die jetzt im Atelier parallel zur Anwendung kommen, verschaffen mir eine abwechslungsreiche Freiheit, die nun auch zu Kombinationen von Techniken führen soll, die sonst nichts miteinander zutun haben oder nicht zusammenpassen. Joana, die derzeit mit Wachs und Filzpappe arbeitet, könnte beispielsweise Transparentpapier und ausgedruckte Formen mit hinzunehmen.

Eigentlich hatte ich gestern in Mainz mit der gleichen Setlist gerechnet, wie wir sie schon zweimal bei Dylankonzerten gehört hatten. Und es hätte mir auch nichts gefehlt, wenn es so geblieben wäre. Aber der Meister hat mit seinen Musikerkollegen etwas mehr Energie entfaltet und mischte das Althergebrachte gehörig auf. Er nahm Songs der neuen Platte, sang Uraltes in neuem Gewand, zog Jazzgesangteile mit hinzu und überraschte mit einem allgemein energischen Zugriff auf sein Songmaterial. Dabei ging’s zwischen den Musikern der hervorragenden Band und dem Gesang Dylans zeitweise sehr leise zu und manchmal entfesselt. So schaut man zurück als Künstler.

Abschied

Es war so kalt in der Nacht, dass im Atelier die Heizung angesprungen ist. Sie rauscht jetzt noch wie in Winterzeiten.

Am Nachmittag, im Beisein der Kunstschüler, druckte ich die erste ernstzunehmende Skulptur aus, die ich im Rechner entworfen habe. Nun beginnen die Experimente auf de ich mich so lange gefreut hatte. Die Strukturen der inneren Stützwaben und die der äußeren Trixel verbinden sich in der Sicht auf das durchscheinende Material. Entsprechend dieses Zusammenspiels möchte ich nun Figuren entwerfen, die das ästhetisch und gestalterisch aufnehmen, architektonische Schichten entwickeln. Die Fülle der Möglichkeiten ist eher ein Hindernis.

Während der Drucker arbeitete, zeichnete ich mit Gravitationsschwüngen an einem Jungpionierportrait auf Schelllackeinschlüsse von Fundstücken einer Stadtwanderung.

Noch eine Begegnung mit Jone von der Forsythecompany. Während der Vorstellung im Frankfurt Lab setzte sie sich von der Bühne aus neben mich auf einen zufällig freien Stuhl. Die Strahlung, die von ihr ausging, war deutlich zu merken. Ich habe ihre faszinierende künstlerische Persönlichkeit schon mehrmals beschrieben. Nach der Vorstellung sprachen wir kurz. Mit unseren Handflächen sandten wir uns aus fünf Zentimeter Entfernung etwas Energie zu. Ihr braunes Auge schaute tief in mich, vielleicht eine Verwandtschaft entdeckend. Dann eine Umarmung – das war der Abschied.

Archipel

Endlich habe ich den 3d Drucker in Gang gesetzt. Ich hatte einen kleinen Archipel entworfen und ausgedruckt. Das dauerte etwa nur eine gute halbe Stunde. Nun bin ich natürlich gespannt darauf, andere Figuren zu entwerfen, die den Fähigkeiten des Werkzeugs und dem Material angemessen sind. Weil ich die Form aus Ersparnisgründen hohl angelegt hatte, wurde im Inneren zur Stabilisierung eine Wabenstruktur geplottet. Das Filament, d.h. das Material das geschmolzen und Schicht für Schicht aufgetragen wird, ist im Rohzustand einer starken Perlonschnur ähnlich. Durch das Erhitzen und den Spritzvorgang durch den Extruder, entsteht eine durchscheinende, in vielen Höhenlinien geschichtete Landschaft. Die Dreiecksgitter, mit denen ich schon seit siebzehn Jahren arbeite, treten nicht so deutlich hervor. Scharfkantigkeit kann man vielleicht bei einer feineren Schichteneinstellung erreichen. Bis jetzt ist alles eher rund. Wenn ich an weitere skulpturale Formen denke, die zu entwerfen sind, so sind das eher abstrakte Figuren, als Gegenständlichkeit. Diese können sowohl das Material, als auch diese neue Baustruktur am ehesten zur Geltung bringen, weil die Eigenform nicht so im Vordergrund steht und viel eher mit der Schichtung zusammenspielt.

Meine Miniaturmalereien haben heute eine andere Qualität bekommen. Ich glaube dass die Farbigkeit der Kathedralenbilder von Monet bei mir noch nachklingt.

Mir geht ein weiteres Projekt durch den Kopf, das mit Architektur und Film zutun hat. Mit eigenen Animationen habe ich das schon mal mit dem Amiga vor 20 Jahren probiert, virtuell damals. Es geht um Framestapel, an deren Rändern sich abbildet, was das Format innerhalb einer Filmsequenz verlässt. So wird das Geschehen auf der Haut der Skulptur sichtbar.

Biografiewanderung

Termine zerpflücken mir die Konzentration auf das Biografieprojekt. Aber es hat sich gezeigt, dass meine negative Einschätzung des Zusammenspiels von Gravitationsschwüngen und abstrakten Umrissformen, die sie ausfüllen, in der Rückschau nicht ganz zutrifft. Die betreffenden Arbeiten kommen mir jetzt stärker vor.

Den 3d Drucker in Gang zu setzen, gestaltet sich nach wie vor eher schwierig. Stattdessen arbeite ich mit den Skulpturwerkzeugen. Das gelingt immer besser, immer intuitiver und beginnt richtig Spaß zu machen.

Gestern habe ich noch unsere Wiese gewässert, nicht wissend, dass es die ganze Nacht regnen wird. Das war ein Segen. Längere Trockenzeiten lösen ungute Gefühle in mir aus. Besonders die Indienreisen in den Trockenzeiten, während derer wir öfter um das Trinkwasser, das wir in Flaschen mit uns führten, angebettelt wurden, trugen dazu bei, dass ich mich fast immer über Regen freuen kann.

Mit Alexander sprach ich über ein Ferienprojekt, das wir mit unserer Künstlergruppe machen wollen. Es soll mit Biografie, Stationenwanderung und den Dingen zutun haben, die nicht zusammen passen. Eine spannende Mischung.

Seerosen | Reliefs

Gestern mitten im großen Pflanzprogramm der Nachbarn, an dem ich als Gartenfreund immer wieder beteiligt wurde, arbeitete ich mit den 3d Programmen. Ich bemühe mich zu erlernen, wie ich mit ihnen möglichst intuitiv Volumina erzeugen kann. Das geschieht derzeit eher in Reliefform. Die Vorgehensweise gleicht am ehesten der Zeichnung und ist mir deswegen sehr nahe.

Zwischendrin legte ich noch mit Pflanzen, die bei den Nachbarn übrig waren, eine Seerosenwanne an. Eine ganze Kiste mit anderen Gewächsen wartet nun darauf auch noch in meine Gartenerde zu kommen, die ich für diesen Fall nun noch zusätzlich aufschütten muss. Die Fläche, auf der ich den Beton biologisch besiedeln kann, wächst nun fast täglich.

Am Abend, im trockenen und kühlen Nordwind, wässerte ich unsere Schotterwiese. Ein ehemaliger Ingenieur von Teves erzählte mir während eines spontanen Besuches, dass dort eine große Baracke gestanden hat, in der Teile für die Produktion entworfen worden sind.

Die Kälte der Nacht ist bis in die Eidechsenhöhlen vorgedrungen. Die Morgensonne ist noch nicht so stark, als dass diese wieder aufgewärmt sind. Deswegen sind die Reptilien auch noch nicht auf ihrer morgendlichen Insektenjagd.

Schwünge und Gegenständlichkeit

Noch mal ein Selbstportrait als Sechsjähriger mit Tuscheschwüngen. Zuvor probierte ich das mit der Figurengruppe im Elbeisgang. Dabei stellte sich heraus, dass ein großer Abstraktionsgrad der Raster, bzw. der Verzicht auf Gegenständlichkeit einen Spannungsabfall zwischen den Gravitationsschwüngen und dem Motiv zur Folge hat. Der Kontrast zwischen den abstrakten Schwüngen und dem Gegenständlichen ist ganz wesentlich. So glaube ich mit dieser Erkenntnis einer Sackgasse entronnen zu sein.

Am Rand der Wiese vor meinem Tor wird aus Natursteinen ein Spiralbau errichtet, der mit Erde angefüllt nun viele verschiedene Kräuterpflanzen aufnehmen soll. Mir gefällt das ganz gut. Diese Gärtnerambitionen teile ich mit manchen auf dem Gelände. Vielleicht können wir uns da immer mehr zusammentun.

Gerade ist erneut ein 3d Drucker geliefert worden. Hoffentlich habe ich nun mit seiner Inbetriebnahme mehr Glück, als beim letzten Mal. Muss mich erst einmal wieder motivieren, mich überhaupt damit zu beschäftigen. Vielleicht geht das am ehesten, wenn ich ein paar eigene 3d Motive entwickle, die zarten Reliefs beispielsweise, von denen ich schon mal sprach.

Heute hat mich überraschend Monika besucht. Ich war gerade mitten in der Arbeit, hatte deswegen nicht so viel Aufmerksamkeit. Nett war’s trotzdem.

Grün schillernde Fliegen

Grün schillernde Fliegen

in der Sonne, Eidechsen auf der Jagd, ein windiger, fast wolkenloser Morgen.

Die Mücke,

Die ich gestern auf meinem linken Oberarm erschlug, hinterließ eine längliche Spur meines oder schon ihres Blutes. Wir lagen am neu entdeckten kleinen See in der Knoblochsaue im Ried auf der neuen Picknickdecke, sahen in den Schwalbenhimmel und ruhten uns aus. Manche Menschen badeten.

Ein Bier noch

vor dem Atelier auf dem Heimweg. Ich wässerte die Pflanzen noch mal etwas, wie schon am Morgen dieses trockenen und heißen Tages.

Die Eidechsen

trauen sich manchmal an große Insekten heran, vor denen ich, wegen ihrer Stiche, ziemlichen Respekt habe. Schnell und furchtlos schlagen sie zu. Quer im Maul tragen sie dann ihre Beute, schütteln und zerstückeln sie.

Auch Vinzenz

Arbeitet derzeit an einem Biografiethema. Wir sollten uns mal wieder austauschen.

Sonntag | die Figurengruppe | eine Band

Sonntag.

Das Rolltor bleibt unten. Die Morgentemperatur steigt schnell. Auf der Wiese steht ein improvisierter Rasensprenger.

Die Figurengruppe

von der Insel im Eisgang habe ich noch mal stärker konturiert, damit ich weiter mit ihr neue Möglichkeiten der Energieverteilungen probieren kann. Sie kann das Sujet für weitere größere Arbeiten bilden, die ich vielleicht auch aus kleineren Formaten zusammenkleben kann. Ich freue mich auf diese Woche mit den neuen Zeichnungen.

Am gestrigen Abend sahen wir die Premiere von „Was ihr wollt“ im Schauspiel Frankfurt. Uns erschien der Abend rundherum gelungen. Ich war mir zunächst nicht so ganz sicher. Aber wir redeten während der Premierenfeier ein wenig. Der Einsatz der Videosequenzen war genau so, wie ich mir das vor über zwanzig Jahren immer vorgestellt hatte. Zurückhalten, als kleineres Versatzstück, das der Dramaturgie dienlich ist. Ähnlich, wie die Ausstellung Vorgestern, machte der Abend gute Laune. Die Schauspielerleistung kam mir homogen vor. Die ganz junge Hauptdarstellerin spielte ihren Part gekonnt, wild, emotional und natürlich nicht abgeklärt. Sie ist volles Risiko gegangen.

Eine Band

führte durch das ganze Stück. Auch das war eine gute, tragende Idee. Die „Schauspielersongs“ waren ein sinniges und den Abend zusammenhaltendes, wie unterhaltsames Element.

Das Alltägliche | Monet

Ein verbummelter Morgen.

Erst gegen Zehn war ich im Atelier um mit dem Täglichen zu beginnen. Es stellt sich nicht die Frage, was das sein wird, das Alltägliche.

Am Nachmittag gestern, in Anwesenheit meiner Kunstschüler, zeichnete ich über die Rastervergrößerung der Insel im Eisgang der Elbe, unter dem Transparentpapier, die die Anmutung einer Figurengruppe, vielleicht auf einer Bühne hat, „Gravitationsschwünge“ im Rahmen der dunklen Flächen. Dann kam noch ein breiter Streifen „Synaptische Kartierung“ dazu. So sieht das Blatt schon ganz gut aus. Allerdings fehlt noch so etwas, wie eine Graphitfrottage.

Endlichhaben wir es nun geschafft.

Gestern waren wir in der Monetausstellung im Städel, die zeigen will, wie es zum Impressionismus gekommen ist. Die Unaufgeregtheit der Präsentation hat wieder die Werke in den Mittelpunkt gerückt. Die zwei Bilder der japanischen Brücke sind von einem Abstraktionsgrad, der erst wieder viel später erreicht wurde. Auch das Serielle der Kathedralenbilder, fand sich erst nach vielen Jahren wieder. Ja, und dann diese Farbigkeit im Spätwerk. Die Entscheidung sämtliche Seerosenbilder wegzulassen ist witzig und klug, wie überhaupt das ganze eher zur guten Laune führte.

Raster, Schwünge und 3d

Langsam taste ich mich an die größeren Formate heran. Mit dem gleichen gerasterten Jungpionierkopf wie gestern, verband ich die Rasterpunkte mit in ihnen liegenden Gravitationsschwüngen. Mich beschleicht das Gefühl, dass das schnell an seine Grenzen stößt, wenn sich nicht andere Schichten hinzugesellen.

Außerdem stelle ich mir diese Arbeit in den 3d Bereich übersetzt vor. Manchmal, wenn ich Ausstellungen aufgebaut hatte, war Nylonschnur in wolkenartigen Ballen übrig. Man könnte diesen Formen eine Begrenzung schaffen, dass sie Figuren umschreiben. Aber auch das habe ich schon gesehen, was ziemlich banal wirkte.

Nein man kann sich diese Dinge nicht ausdenken, man muss sie einfach ausprobieren.

Vinzenz hat mal in einem Video gezeigt, wie er mit einem optischen 3d Werkzeug sein Gesicht in grobe Trixel auflöste. Ich kann mir vorstellen, dass es solche Tools schon als Shareware gibt. Vielleicht machen sich meine Schüler heute mal auf die Suche danach.

Energieformen

Energiefelder zwischen den Rasterflächen der Portraitzeichnungen versorgen ihre Kompositionen mit Kraftlinien. Magnetismus, Gravitation und Geschwindigkeit spielen auch in den Zeichnungen von Franz eine Rolle. Sein Forschungsgebiet sind aber die Umwandlung von Energieformen, oder Übergangsorte von einer Dimension in eine andere. Den Vorgang des Nachdenkens darüber, übertragen wir in den der Zeichnung. Die sich entwickelnden Gravitationsschwünge sind somit Hilfsmittel der Erkenntnis.

Diese neu gefundene Form soll nun in größeren Formaten weiterentwickelt werden.

Als ich am Morgen ins Atelier kam, folge mir ein großer Laster, der einen Müllcontainer abholte, der seit Wochen neben unserer mittlerweile ausgedörrten Wiese stand. Während er dort vor sich hin dieselte, donnerte ein langer Güterzug vorbei, über dem die Turbinen einer startenden Maschine röhrten. Jetzt ist wieder Ruhe eingekehrt, als wäre nichts gewesen.

Durch den Garten schlich ein Kater mit fetter Beute zwischen den Zähnen. Ich muss ihn während meiner Abwesenheit fernhalten, weil er mir sonst meine Eidechsen auffrisst.

Magnetfelder

Kalter Wind vertrieb mich gestern früher am Abend aus dem Gärtchen und ließ mich das Rolltor früher als sonst herunterfahren.

Bin heute sehr früh aufgestanden und habe bald mit der Arbeit losgelegt. Es wird deutlich, wie der rote Faden hier nicht abreist. Das Thema vom Vorabend ist am Morgen gleich wieder präsent.

Innerhalb der Jungpionierportraits habe ich begonnen, mit Gravitationsschwüngen zu arbeiten, die vielleicht eher der Darstellung von Magnetfeldern ähneln. Sie umschreiben die abwesenden Strukturen, die sich dann, wenn ich sie negativ umschalte, wieder als Portraits zu erkennen geben. Die Ausdrucke der Rasterportraits, weisen oft, wenn sie sehr stark vergrößert sind, die Ecken der Pixelquadrate auf, die auch die Rundungen beschreiben. Sie haben auf die gezeichneten Linien eine energetische Wirkung. Sowohl die Ecken, die nach innen gehen als auch die, die hervortretenden, haben eine Anziehungskraft und lenken damit die Linien. Sie werden dann von diesen Eckpunkten in spitzen Winkeln wieder zurückgeworfen.

Franz besuchte mich gerade, als ich damit angefangen hatte. Wie stellten die Gemeinsamkeiten unserer Arbeit fest und überlegten, ob man mal was zusammen machen kann.

Leere Räume

Gespräche über Abwesenheit im Museum. Das Thema kommt mir immer wieder in den Sinn. Die abwesende Arabeske im Ballett, das abwesende Brett, weggehobelt in meinem Atelier, die leere indische Nische mit dem abwesenden Buddha, die fehlende Nische. Die Darstellung der Abwesenheit im Raum durch Zeichnung, Bewegung und Raumexperimente verschiedener Art.

Außerdem erläuterte ich kurz „Biografie, ein Haus“ und „Landmarken“, ein Projekt mit Zeichnungen von Landmarken, Fundstücken von dort und Wanderungskartierungen für die Scheiben eines Hochhauses.

Es kommt bei den Vorhaben auf die künstlerischen Einfälle an, die auf einen humosen Boden fallen müssen. Die Qualität der Keime und beständiges Gießen und Düngen sind die Bedingungen, unter denen sie aufblühen. Ich habe das Gefühl, dem in letzter Zeit ein wenig näher gekommen zu sein.

Am Nachmittag kann ich mich wieder in Ruhe um das Biografieprojekt kümmern. Vielleicht kommen ein paar Abwesenheitsumschreibungen hinzu.

Schatten

Hier auf Teves schnitt ich gestern eine Rose um sie zum Abholen mit an den Bahnhof zu nehmen. Im Auto stellte ich sie in eine Wasserflasche. Der Zug kam von Norden, ging weiter nach München und hatte fast eine halbe Stunde Verspätung. Das geschwungene Glasdach der Gründerzeitarchitektur bietet nur ein paar Schattenstreifen, mit denen ich während des Wartens mitwanderte. Die Umgebung kontrastierte meine Eremitage. Die Menschen, ihre Bewegungen, ihr Aussehen, die Verkleidungen und ihr Benehmen in diesem Chaos kamen mir komisch und absurd vor.

Auch im Gewimmel beim anschließenden Spaziergang am Main suchten wir Schatten. Meine zehn Tage zeitloser Konzentration auf mich alleine sind nun vorbei.

Auf Teves wässerten wir das Gärtchen und zupften an den Zimmerpflanzen herum, die ich umgetopft habe. Alle waren da und verbrachten einen Teil des Sonntags hier.

Heute haben wir ein langes Teamtreffen im Museum. Es geht schon 15 Uhr los und am Abend wollen wir noch gemeinsam Essen gehen.

Insekten | Tanz | Erleuchtung

Oft habe ich Skrupel, Pflanzenteile, die ich abgeschnitten habe, einfach wegzuwerfen. Meistens landen sie in einem eigens dafür mit Wasser gefüllten Eimer, wo sie noch einmal die Chance haben, Wurzeln zu treiben. Während der heißen Tage sammelten sich an diesem Ort, zwischen den ganzen Blättern und Stengeln viele Insekten, langbeinige Wespen, grünschillernde Fliegen und schwarze Bienen.

Im Günestheater fanden gestern Tanzworkshops statt. Unter der Überschrift „Hip Hop“ tummelten sich internationale junge Menschen und zeigten, was sie drauf haben. Bei ohrenbetäubenden Beats tobten sie sich aus. Weil diese Tanzform von der Straße kommt, wie Salsa ja auch, erscheint sie im geschlossenen Saal etwas deplaziert. Die Barackenwände wurden mit neuen Bildern aus dieser Szene versehen.

Auf der Konstablerwache, wo ich meinen Apfelweinkanister auffüllte, traf ich auf eine ältere Dame, die sich mit den Lehrsätzen eines hinduistischen Priesters aus Tiruvannamalai beschäftigte. Sie erzählte mir bei vierunddreißig Grad im Schatten von ihren Erleuchtungserlebnissen. Den Stadtnamen nannte ich wie eine Reisetrophäe und erinnerte mich an die riesigen Notstromaggregate dort, die manchmal direkt neben einer pompösen Hotellobby einen Höllenlärm machten. An den Tempeln kämpften Hunde- und Affenbanden miteinander.

Die Eidechsen sind jetzt aufgestanden. Sie sollen an diesem angenehm kühlen Morgen die lästigen Fliegen fangen und auffressen.

Silberne Fische im dunkelblauen Ozean

Geweckt wurde ich von einem Gewitter am frühen, schwülwarmen Morgen. Das zieht nun östlich ab, und die Sonne beginnt wieder, wie in den letzten Tagen zu brennen.

Immer noch im Einsiedlermodus zeichnete ich gestern auf alte Transparentpapiereinschlüsse zwei gleiche Rasterselbstportraits von 1963. Sie wurden noch mit Gravitationsschwüngen und mit Felsgravuren aus Twyfelfontein angereichert.

Mittags eine Hitzepause und dann Lektüre der „Geheimnisse von Chartres“. Mir wird in diesem Buch etwas zu viel spekuliert. Zu komplexen Architekturen kann man immer Zahlenbezüge herstellen. Und solche können auch mit musikalischen und philosophischen Rastern in Beziehung gesetzt werden. Natürlich sind manche Bezüge unbestreitbar, andere hingegen etwas an den Haaren herbeigezogen oder überinterpretiert. Als Kontrast suchte ich mir noch einen einstündigen Film über die Kathedrale heraus und sah ihn mir an.

Vorgestern Abend, kurz vor der Dunkelheit, schwammen die vom Restlicht beschienenen Flugzeuge silbern vor dem tiefen Blau eines Ozeans. Gestern ging die Sonne hinter ein paar wenigen Wolken unter, sodass die Maschinen vor der hellen Dämmerung wie Schattenrisse aussahen. Ich sitze lange alleine und versuche meinen untergründigen Empfindungen hinterher zu kommen.

Schweigen und Schauen

Seit Tagen habe ich das Gelände nicht verlassen. So versuche ich tiefer in eine Einsiedlersituation zu kommen, die es mir ermöglicht, weiter unter die Oberfläche zu sehen. Damit möchte ich mich den Prozessen annähern, die im Unterbewusstsein mit großer Geschwindigkeit ablaufen. Das bildet eine Form von Konzentration, die neu die Arbeit durchdringen und dort sichtbar werden kann.

Von 9.30 Uhr an, nach einem Telefonat, habe ich den ganzen Tag geschwiegen. Am Abend saß ich Stunde um Stunde im Freien und beobachtete die Dämmerung bis die Mauersegler verschwanden um den Raum den Fledermäusen zu überlassen. Später sah ich die unterschiedlichen Geschwindigkeiten der kreisenden Sterne. Die warme Nacht umhüllte mich wohlig und erst sehr spät zog ich das Rolltor herunter. Kein Grund zur Ablenkung.

Im Garten bekam der alte, dem Tod nahe Zitronenbaum noch mal etwas neue Erde und Dünger. Japanischen Klee topfte ich ebenfalls um. An die großen Sukkulenten habe ich mich noch nicht herangetraut. Für diese Arbeit sind die Tage zu heiß.

Den Feiertag nahm ich ernst und arbeitete nicht, las in einem psychologischen Buch über Zwiegespräche. Es ist sehr eng mit Informationen geladen, dass mit etwas schwindelig wurde zwischendrin.

Sekunde

Noch sind an diesem Morgen die Eidechsen nicht in der Sonne. Eine von ihnen hat bei einem mir entgangenen Angriff ihren Schwanz verloren. Die Eine Gelegenheit zu beobachten, wie lange er benötigt um nachzuwachsen.

Mir erscheint jede Lebenssekunde wie eine überirdische Gabe, die zwar schnell vorübergeht, aber der wertvollen, scheuen Gegenwart nahe kommt. Es geht nicht um die Minute oder Stunde, sondern um den Moment, der sich dehnen kann und dann Dimensionen erreicht, die mir vorher nicht erlebbar waren. Seit ich hier bin und ganze Abende nur in den Himmel schaue, beginne ich das manchmal zu spüren.

Das Rasterportrait meiner Mutter kann bei entsprechender Vergrößerung zu einer abstrakten Landschaft werden. Ihre Zeichen aber sind mit meinem Gefühl der frühen Sechzigerjahre gezeichnet.

Die schüttere Bewölkung hinter den Überflügen, der gegen den Ostwind startenden Maschinen, ist angenehm, löst sich aber so langsam auf. Ansonsten wird das ein ruhiger Gartentag heute.

Die Frage eines Gastes zu den Gravitationsschwüngen, die mit Feder auf runzliges Transparentpapier etwas wackelig gezeichnet sind, impliziert den Wunsch der Betrachterin, dass die Schwünge gleichmäßiger sein sollten. Diese Frage finde ich überaus interessant, weil sie dahin führt, was die suchende Wahrhaftigkeit einer Linie auslöst.

Gefährliches Ungefähr

Das Material, das mich gestern angezogen hat, waren die gerasterten Landschaftsausschnitte. Und jetzt, früh am Morgen, unter den nach Osten ziehenden Schäfchenwolken und den Mauerseglerschwüngen, im Brandungsrauschen der Autobahn Nummer 5, frage ich mich, was in diesen Zeichnungen noch als Landschaft bezeichnet werden kann. Oder bin ich schon längst wieder auf dem abstrakten Weg, auf dem die konkreten Fundstücke in den Schelllackwolken zwischen den Transparentpapierschichten eingeschlossen, in konträrem Sinne übermalt werden? So will ich der plakativen Aussage entrinnen, wie sie in den Pionierportraits mitschwingt. Dieses Hadern führt zunächst ins gefährliche Ungefähre.

Noah dreht Videos, in denen er Strick, oder Fischsauce anbietet. Darüber können wir sehr lachen. Mit den 3d Programmen entwarf er Blöcke, aus denen Arme wachsen oder die mit Versatzstücken ausgestattet sind, wie sie in den frei zugänglichen Archiven im Netz angeboten werden. Leider waren die Techniker gestern nicht mehr da, um unseren Drucker zu reparieren.

Die Gravitationsschwünge, die ich bei Franz gesehen habe, befinden sich auch am Himmel in den Spuren der Mauersegler. So bekommt meine Vorliebe für diese Tiere eine formale Heimat in meiner Arbeit. Gerade zeichnete ich zwischen die Raster eines Blattes, die an den Stellen, wo die Fundstücke eingeschlossen sind Lücken bilden, Tuscheschwünge. Indem sie diese Flächen ausfüllen, führen sie durch ihre Unendlichkeit aus der Gefahr der Belanglosigkeit.

Spiegelungen

Früh am Morgen

steht die Sonne schon so weit oben wie das Wintermittagslicht. Nur die Richtung aus der es scheint, ist falsch. Fast nordöstlich stehend streift es meine verstaubten Fenster.

Aber

anstatt die Scheiben zu putzen, arbeite ich an meinen Dingen. Kein Aktivismus – Ruhe – Sehen.

Mit Noah

holte ich gestern einen 3d Drucker ab. Den ganzen Tag mühte ich mich, ihn in Gang zu bringen. Erst am Abend entdeckte ich den mechanischen Defekt an den Zahnriemen, die den Extruder bewegen, was uns daran hinderte weiter zu kommen.

Auf der bewegten Wasserfläche

des Sees im Chinesischen Garten sah ich die Spiegelungen der Mauerseglerflüge. Durch die leichten Wellen wurden ihre ebenmäßigen Schwünge unregelmäßiger, fast schmetterlingsartig flatterhaft. Ein Reiher segelte ein und bewegte sich so langsam wie ich, als wolle er mich nicht aufscheuchen.

Luftakrobatik

In Dillenburg stieg ich aus dem Auto, worauf mich das Sommergeräusch der schreienden, in luftakrobatischen Gravitationsschwüngen kreisenden Mauersegler empfing.

Neben dem Täglichen, wenig Arbeit in den letzten Tagen. Ganz zurückgeworfen auf die Aquarelle, Verwischungen, Kreuzschraffuren und Schwünge.

Im Gärtchen sitze ich lesend unter dem Sommerhimmel zwischen den Eidechsen, deren Präsenz zunimmt.

An diesem Morgen regnet es endlich mal etwas andauernder und gleichmäßig auf den tief ausgetrockneten Boden. Ich hoffe, dass es tagsüber anhält.

Am Vormittag werde ich mit meinem Praktikanten Noah den 3d Drucker abholen. Somit wird die kommende Zeit verstärkt unter dieser Arbeitsherausforderung stehen. Mit etwas Respekt gehe ich auf die Inbetriebnahme dieses Gerätes zu. Ich hoffe, dass es nicht allzu viele Probleme gibt.

Himmel | Turbinen

Am Morgen,

nach dem Sonnenaufgang war der Himmel noch klar. Nun setzt eine großflächige Eintrübung ein. Einzig wünschenswert wäre jetzt einfach nur lang anhaltender Regen.

Himmel – Landschaft.

Ich gehe weiter in die Landschaft, die keine andere Arbeit hat, als auf das Verschwinden des Menschen zu warten.“

Heiner Müller

Die Partys der Schwarzen Afrikaner, die keine Nachkommen der Sklaven sind, welche nach Europa verkauft wurden, beginnen hier auf Teves abends 11 Uhr und gehen bis in den Morgen gegen 7. So auch letzte Nacht.

Gestern

nur das Tägliche, keine Arbeit sonst. Las im dicken Katalog zu den „108 Begegnungen“ über Buddhismus und seine Erscheinungsweise in der Kunst.

Die Mauersegler

kurven tief vor dem Atelier. Seit langem hörte ich wieder ihre Schreie durch mein Ohrgeräusch hindurch. Ansonsten donnern die Turbinen der startenden Maschinen.

Landschaften | etwas Rasendes

Landschaften –

Von meinen Handprintwanderungen gibt es Reihen von Landschaftsfotografien, deren Motive zufällig und nicht ausgesucht sind. Sie entstanden an den Wendepunkten meiner Gänge und fangen eine geografische Situation ein. Aus mehreren verschiedenen Blickwinkeln, die keinem Kompositionswillen unterworfen waren, nur strikt der Blickrichtung folgten, entstanden somit wahrhaftige Landschaften meiner Biografie. Vielleicht ist es an der Zeit, sich mit diesen Bildern zu beschäftigen.

Gartenarbeit mit Noah.

Er meckert nicht, tut, was ich ihm sage. Für den Rest des Tages hat er sich dann aus eigenem Antrieb mit Dingen beschäftigt, die ihn interessieren.

Manchmal kommen Zaungäste, neugieriges Laufpublikum, das sich für meine Arbeit interessiert. Ich gewähre ihnen Einblick in meinen gegenwärtigen Prozess. All das ist aber kein Ersatz für eine Ausstellung.

Landschaftsrasterpunkte der Insel auf der Elblandschaft mit Eisgang zeichnete ich gestern auf eine Transparentpapiercollage von 2008, aus dem Handprint Frankfurt. Es sind kleinere Blätter, die zurzeit entstehen, unaufwendig, aber reizvoll. Auch die täglichen Aquarelle entstehen in großem Tempo. Durch die Verwischungen haben sie auch etwas Rasendes.

Zähnefletschend

Die Vergangenheit fletscht immer mal wieder die Zähne. Raum wird behauptet und abgelaufene Zeit festgehalten. Ich zeichnete gestern Pionierportraits, will nicht aufhören damit, bis die Landschaft Ruhe gibt. Die Tektonik der Kontinentalplatten rumort, das Fell der Berge sträubt sich, wenn Geschichte in hohen Absätzen daherstakt, eingezwängt ins Beinkleid.

Die Eidechsen auf meinen Erdhügeln sonnen sich und jagen zugleich. Je höher der Mittag steigt, umso flinker werden sie. Fremde Pflanzen wachsen aus kompostierten Obstresten. Sie werden irgendwann ihre Identität preisgeben müssen.

Am Morgen haben wir weitere Erde auf den Beton geschippt und Blühpflanzen gesetzt. Das Gärtchen wächst, Kletterpflanzen erklimmen das trockene Gesträuch und bekommen leuchtend blaue Blüten. Ein Dschungel entsteht in unserem künstlich feuchten Mikroklima. Eichen, Robinien, Nussbäume, Ahorn und krautiges Gewucher.

Am Morgen ein Anruf, dass der 3d Drucker bereit steht. Kurz hatte ich überlegt, ihn sofort abzuholen. Dann verschob ich es aber in Ruhe auf Montag. Zunächst stelle ich mir vor, ganz zurückhaltende Reliefs auszudrucken, die in einer Serie von weiterentwickelten Dateien, langsam weiter in die Höhe wachsen.

Stationenblätter

Immer wieder zeichne ich die Kinderportraits der Pioniergruppe auf die zusammengefalteten Transparentpapierblätter, zwischen denen, in Schellack eingegossen, Fundstücke von der Handprintwanderung aus dem Jahr 2008 durch Frankfurt liegen. Jedes Blatt bildet ein Stationendrama, an meine Biografie angelehnt ab. Die Zeitdokumente und künstlerischen Äußerungen werden miteinander in Beziehung gesetzt: Tanzzeichnungen, Gravitationsschwünge, Rasterportraits, Synaptische Kartierungen, Felsgravuren und Landschaften. Alle stammen aus sehr verschiedenen Welten.

Die stete Wiederholung der Heimkinderportraits kommt mir vor, als wolle ich mit ihnen gutmachen, was den Kindern, die ganz in meiner Nähe gelebt haben, passiert ist. Sie sind mir nahe, obwohl ich sie nicht kenne. Unsere Schicksale aber sind durch verschiedene Linien miteinander verwoben.

Die Gravitationsschwünge bekommen manchmal an ihren Linienkreuzungen schwarze Punkte, die denen der Raster ähnlich sind. Gleichzeitig beziehen sie sich durch ihre Form auf die Tanzzeichnungen und auf die aufgezeichneten GPS-Wanderungen. Die namibischen Felsgravuren zeigen teilweise auch Wege und Spuren von Tierwanderungen, die den Wanderungen der Buschnomaden gleichen.

Weitere Versuche unternahmen wir mit den 3d Programmen. Alles bleibt vage, solange noch keine plastische Umsetzung in der Realität möglich wird. Aber Fortschritte gibt es zu verzeichnen.

Siebzigerjahre

Krishnababy zeigt auf den Satz im Programmheft des Schauspiels vom vergangenen Montag: „In der DDR ist der Exodus von Schriftstellern – … – und Intellektuellen im vollen Gange.“ Es geht um das Entstehungsjahr des Stückes „Der Auftrag“ von Heiner Müller. Ich überlege, ob ich diese Zeit auch mal näher in Augenschein nehme, denn sie ist für die Biografiereihe wichtig. Außerdem beschäftigt mich das Echo dieser Zeit in der Gegenwart. Wo wird Müller derzeit noch gespielt?

Über seine Intentionen hinaus scheint mir, dass „Der Auftrag“ als eine Parabel für inszenierte Revolutionen, die lediglich der Verschiebung der Machtverhältnisse der Eliten dienen, anzusehen ist. Das ist gegenwärtig im Maghreb und auch im Nahen Osten beobachtbar.

Im Netz suchte ich musikalische Zusammenarbeiten von Patti Smith und Bob Dylan aus den Siebzigern, um Verknüpfungen herstellen zu können.

Gestern Abend habe ich begonnen, mit den Skulpturwerkzeugen der 3d Programmen zu arbeiten. Es wird nicht lange dauern, dass ich sie intuitiv nutzen kann. Der 3d Drucker fehlt noch. Das Praktikum von Noah hatte darauf hin orientiert.

108 | DER AUFTRAG | Minimalpensum

Noch einmal besuchten wir die Ausstellung „108 Begegnungen“ im Museum für Angewandte Kunst. In erster Linie zogen mich die nordwestpakistanischen Exponate aus den ersten Jahrhunderten nach Christus in ihren Bann. Vielleicht kommt das durch den hellenistischen Einfluss der klassisch griechischen Skulptur, die mir nahe gebracht worden ist, somit zum Erfahrungsschatz meiner künstlerischen Arbeit gehört. Es gab aber auch ganz und gar ungriechische Bronzen aus dieser Zeit, die mich begeistern.

Am späteren Nachmittag blätterte ich auf dem Südbalkon in der Frankenallee im Katalog zu dieser Ausstellung. Auch die Gärten dort sind nun pralle Grünexplosionen von Pfingstrosen, Holunder und kleinen Pfirsichen.

Am Abend in der Box des Schauspiels Isaak Dentler in „Der Auftrag“ von Heiner Müller. Ich hatte verschärft den Eindruck, dass er viel Ahnung vom Text hatte, den er da vortrug. Zusammen spielen konnte er mit den anderen nicht so gut, weil die Qualitätsunterschiede zu groß waren, oder die Inszenierung nicht für ein Zusammenspiel taugte. So blieb das Ganze etwas harmlos. Nach dem Prolog vor der Box nahm er uns, weil wir genau vor ihm in der ersten Reihe auf den Stufen saßen, erst in den Blick,  dann bei der Hand und führte uns in den Zuschauerraum. Er machte das formvollendet.

An den freien Pfingsttagen ging ich meistens am Vormittag von der Frankenallee ins Atelier, um da mein tägliches Minimalpensum zu absolvieren, ein wenig Anstand zu allem anderen zu gewinnen und mich im Gärtchen etwas zurückzuziehen.

Abstrakte Erinnerung | Flamenco | Mücken

Dass Portrait meiner Mutter hat sich innerhalb der Biografiearbeit in den Vordergrund geschoben. Ich zeichnete es mehrmals in verschiedenen Varianten und in unterschiedlichen Konstellationen. Teilweise waren die Raster so fragmentiert, dass die abstrakten Formen immer wichtiger wurden. Während der Arbeit steigen Erinnerungen auf, wie immer innerhalb dieser Reihe.

Ein kleiner Nieselregen vertrieb mich vom Dreieckstisch im Vorgärtchen ins Atelier zurück. Eine Flamencotänzerin sucht mit einem Brett unter dem Arm nach einer Stelle, wo sie trainieren kann und findet sie zwischen dem Container und den Materialien des Bauhofes.

Gestern nahe der Schwedensäule in der Knoblochsaue im Ried, scheuchten wir Mückenschwärme, die auf unseren Wegen saßen auf, welche sich verdichtend hinter unseren Rücken auf Verfolgungsjagd machten, was unseren Gang beschleunigte. Ruhe fanden wir erst auf der Wiese an einem Angelteich, die von fremden vielfältigen Vogelstimmen und Froschquaken umgeben war. Dort warfen wir uns auf unsere neu erstandene große Picknickdecke, waren eins mir der genau richtigen Außentemperatur, unserer Müdigkeit und beobachteten die Störche über uns, die kreisend an Höhe gewannen.

Auf dem Heimweg blieben wir noch kurz auf einem Hoffest auf einer alten Domäne, weitab vom nächsten Ort hängen.

Glocken | Schwünge

Robert Zimmermanns vierundsiebzigster Geburtstag. Am zwanzigsten Juni haben wir Karten für sein Konzert in Mainz. Zwei Tage später Patti Smith in der Alten Oper.

Gestern nach meiner Morgenarbeit im Atelier, machten wir einen langen Spaziergang am Main. Auf der Sachsenhäuser Seite hörten wir das große Pfingstgeläut. Ein böiger Nordostwind wehte unterschiedliche Klangkonstellationen schwankender Lautstärke der verschiedenen Glocken herüber.

Für zwei Stunden hier im Atelier habe ich das Rolltor hochgezogen und sitze im Korbsessel am dreieckigen Tisch im Gärtchen. In einer der drei Tischecken sitzt Krishnababy, in seinen Augenwinkeln sind die Eidechsen auf der flinken Morgenjagd. Laute Ballettprobe im Theater, Räumerei nach einem Fest gestern Abend, Pflanzenpflege auf dem Beton.

Die Schwünge der täglichen Aquarelle werden wilder, dominieren manchmal die Kompositionen und bilden einen großen Kontrast zu den Verwischungen. Ich schwelge dabei in meinen Farben und in deren Auffächerungen durch die Wischbewegung.

Gestern zeigte ich wieder meine Blätter zur Biografiereihe, die immer opulenter wird. Mich beruhigt es, diese Arbeit zu sehen.

Abwesendes Brett

Vier junge Afghanen, die ohne jegliche Familie flüchtend in Frankfurt gestrandet sind, haben sich gestern bei mir mit ihrer Betreuerin vorgestellt. Sie standen in meinem Atelier und schienen sich in ihre Heimat zurückversetzt zu fühlen. All das Improvisierte, die Ornamente und das Durcheinander gleichen eher einem orientalischen Basar als deutscher Ordnung. So blieb ihr Interesse etwas reserviert.

Einer aber nahm einen Hobel zur Hand und fing an ein Brett an seiner Schmalseite zu bearbeiten. Ich meinte nun könne er so lange hobeln, bis das Brett weg sei. Als er fragte warum er das tun solle, meinte ich erstens um ein abwesendes Brett herzustellen und zweitens, dafür das Mantra zu haben: WARUM.

Die Harmlosigkeit und Geschwätzigkeit der gestrigen Premiere mit dem Titel „Die Wiedervereinigung der zwei Koreas“ unterhielt uns nur mäßig. Ein KONVERSATIONSSTÜCK – wenn ich das schon höre…

Warum spielt man nicht stattdessen „7 Türen“ von Botho Strauss?

Paulo hat sich gestern als virtuoser Benutzer unserer 3d Programme gezeigt. Ich habe durch die Jungs schon viel gelernt und hoffe, dass es in der Zukunft dabei bleibt.

Ruhiger Fluss des Prozesses

Arbeit mit Landschaften und Gesichtern. Ich versuche immer grobkörnigere und abstraktere Elemente zu finden, um sie mit den alten Schellackeinschlüssen oder mit den neuen Verlaufstrukturen zu verbinden. Immer stärker geht es um die Prozesse: das Aussuchen eines Landschaftsausschnittes, dessen Abstraktionsgrad durch die Rasterkorngröße bestimmt wird, die ich aussuche, dann die langsame Einrichtung der Komposition auf Transparentpapier und schließlich die Übertragung. Für die Entscheidungen, welche Elemente ich zusammenführe, benötig ich den ruhigen Fluss des Denkens und der handwerklichen Arbeitsvorgänge.

Die Überlegung, die Arbeitszeit stärker einzugrenzen, die Verläufe der Vorgänge nicht so endlos vor sich hin wabern zu lassen, soll etwas mehr Effizienz in meine Tagesabläufe bringen. Die Anwesenheit meines Praktikanten allerdings, macht das Vorhaben nicht einfacher.

Am frühen Nachmittag kam Carola, um sich ein Blatt für ihr neues Büro auszusuchen. Bei der Gelegenheit konnte ich die Arbeiten der letzten Monate sichten und meine Schlüsse für die Weiterarbeit am Thema ziehen.

In die Erde unter mein zusammengestelltes Stangengesträuch vor dem Atelier, habe ich eine Weide gesetzt, die seit einem Jahr in einem der Beete wuchs. Sie soll nun das Geheck schlingend beginnen, das zu einem dichten Grün werden soll.

Alte Transparentpapierarbeiten

Alte Transparentpapierarbeiten mit Schelllackeinschlüssen von Fundstücken der Handprint – Frankfurt – Wanderung fallen mir in die Hände. Kartonweise gibt es diese Blätter. Sie sind roh und etwas nachlässig gearbeitet, teilweise von Kunstschülern hergestellt. Nun beginne ich sie mir vorzunehmen, etwas nachzuarbeiten, um sie dann mit Tuschzeichnungen von Rasterportraits oder Landschaften zu versehen. So sind nun mehrere Blätter entstanden, deren Reihe ich noch fortsetzen möchte. Die energetischen Gravitationsschwünge aus den täglichen Tagebuchzeichnungen werden, verwandelt durch Tusche, noch dazukommen.

Diese Produktivität macht mich zuversichtlich. Bin froh, dass ich trotz der Termine, die mich oft mitten am Tag etwas zersiedeln was zustande bringen kann.

Es ist sonnig am Morgen und windstill, Kirchenglocken läuten, und wegen eines Lokführerstreiks fahren nur wenige Züge. Wäre da nicht der Bauhof, der Metall auf Metall wirft, glich es einem Sonntagmorgen.

Heute Vormittag werde ich zum Zeichnen kommen. Vielleicht sollte ich nun bald auch wieder größere Blätter ins Auge fassen.

Sommer | 3d | Pionierportraits

Schon fühle ich die Mitte des Sommers. Durch meine Nähe zum Wachsen und zum Wetter hier um das Atelier herum, bekommt das Erleben der jahreszeitlichen Vorgänge eine größere Intensität. Die Sonne ist stärker, der Wind heftiger und die Kälte durchdringender.

Mein Praktikant arbeitet sich nun in die 3d Programme ein, baut Gegenstände, die schon als Dateien vorhanden sind nach und lernt so die Werkzeuge kennen. Ich möchte nun, dass er eine Figur auf Papier entwirft und diese dann im Rechner dreidimensional nachbaut.

Weitere Pionierportraits entstanden gestern. Ich konnte mit ihnen wieder in die Arbeit eintauchen, nach der ich mich schon viele Tage gesehnt hatte.

Eigentlich haben wir drei Nachbarkünstler verabredet, eine gemeinsame Ausstellung zu machen. Aber niemand rührt sich so recht. Alle sind in andere Projekte verstrickt. Ich bin den ganzen Sommer da. Deswegen ist es mir gleich, wann wir das Projekt starten wollen.

Neben der Biografiearbeit würde ich gerne auch die Collagen zeigen, die digital täglich entstehen und auch täglich den Weg auf meine Website finden.

Wind | Fisch | Mangos

Meine Radfahrt in den Chinesischen Garten wurde von einem heftigen Westwind beflügelt. Mit wenig Kraftaufwand ritt ich wie auf einem Drachen. Ein großer Fisch schwamm im Teich und wirbelte zunächst nur den Grund auf, wodurch Gasblasen aufstiegen. Dann kam er soweit an die Oberfläche, dass sein heller länglicher Körper sichtbar wurde und seine Schwanzflosse senkrecht aus dem Wasser ragte.

Die Heimfahrt war entsprechen gebeugt, der Preis für den Hinflug.

Der Praktikant Noah zeichnet Mangas. Ich hatte die Idee Mangos zu kaufen, sie zu zeichnen und dann zu essen. Ich zeigte ihm die 3d Programme.

Als Erinnerung an die schöne Blumenwiese in der Pfalz, habe ich an meinem rechten Unterarm eine Zecke mitgebracht, die ich mit einer Pinzette entfernte.

Manchmal gruppiere ich mein Gärtchen etwas um. Langsam lerne ich, welche Pflanzen nicht so lichtempfindlich sind, und ich sie deswegen zum Schutz der anderen gegen zu viel Sonne benutzen kann. Lange saß ich am Abend im Korbsessel an meinem dreieckigen Tisch und genoss die Stille vor meinem Rolltor. Auch hier gibt es Fledermäuse, wie in der Frankenallee, die den Raum mit ihrem Schall ausmessen.

Jazz

Ein Jazzquartett, das im „Mampf“, einem Musiklokal in der Sandgasse spielt, hat dadurch seine Aufmerksamkeit auf uns gelenkt, dass Jonathan Lennart Nagel in ihm Bass spielt. ER wohnt in Berlin und spielt in mehreren Formationen, um über die Runden zu kommen, wie er meint.

Einer musikalischen Familie entspringt er, denn seine Geschwister Matthis und Ragna sind auch begnadete Instrumentalisten. Ich erinnere mich gerne an die Übungsstunden von Ragna in meinem Atelier, die die Essensgäste aus dem Nachbarrestaurant angezogen haben. Aus dieser Musik ist die „Zeltersequenz“ auf Rolle 6 entstanden. Und Matthis übt nun in der Friedenskirche mit seinem Horn.

Die Band, die zusammen in Groningen studiert hat, trägt schon so eine musikalische Reife in sich oder vor sich her, die von den alten Jazzern, die sicherlich ihre Lehrer waren, auf sie übergegangen ist. Irgendwie hatte das auch etwas Unpassendes. Jonathan war am ehesten wild, jung und innovativ, ließ sich eher nicht zu Glätte hinreißen.

Ein paar Biere am Tresen, nette Gespräche mit den jungen Leuten und wieder haben wir eine neue Stelle entdeckt, die sich lohnt, sie öfter zu besuchen.

Es ist Sonntag

Heute geht’s wieder zurück nach Frankfurt. Ich hoffe, etwas von der Ruhe hier mitnehmen zu können und gleichzeitig freue ich mich auf meine Arbeit.

Der Praktikant Noah tritt nun seine drei Wochen an. Ich erwarte den 3d Drucker, den er bedienen lernen soll. Neue Absprachen mit dem Museum erleichtern die Fortführung der Arbeit.

Auf der Wiese vor dem Fenster hat ein Geschwisterpaar, als ein solches kommt es mir vor, eine Plackerei begonnen, die es in Deutschland nur noch auf dem Land zu geben scheint. Ein ausgebreiteter Haufen Mist muss umgelagert werden, weil die Wiese wahrscheinlich gemäht werden soll und der Haufen dabei stört. Außerdem wächst an seiner Stelle auch kein Gras. Sie haben eine Mistgabel und vier Eimer, benutzen keine Maschinen und gehen mit einer verächtlichen Wut an die Arbeit, den Haufen an den Rand der Wiese umzusetzen. Die Frau, die ältere von beiden, vielleicht aber erst fünfundzwanzig Jahre alt, lädt sich die zwei Eimer, die sie tragen kann immer extra voll, schaufelt den Mist mit Handschuhen hinein und zieht sich bald ihre Jacke aus. Der junge Mann ist ein schmaler Mensch mit einer kleinen Mistgabel, vielleicht erst siebzehn. Sie arbeiten und arbeiten, Eimer für Eimer. Es ist Sonntag.

Roter Sandstein

Hinter einem leichten Regenschleier steigt ein steiler dunstiger Hang auf. Von einem kleinen Schreibpult aus schaue ich auf das Tal, in dem unsere Mühle geht. Robinien, Kiefern und Esskastanien halten den sandigen Boden an den Füßen der Felskronen der Berge.

Aus diesem roten Sandstein sind hier in den Ortskernen um die alten Kirchen herum viele Sockel von Fachwerkhäusern, aber auch viele Steinhäuser errichtet. Die Felder, die Bachbetten und die Wege in den Wäldern sind rot.

Die kleinen Wanderungen haben das richtige Format für mich. Keine langen Quälereien mit vielen zu überwindenden Höhenmetern.

Die Zeichnungen halten mich immer etwas beruhigend bei meiner Arbeit. Sie sind oft schnell getan und beruhigen mich. Täglich freue ich mich auf sie.

Müdigkeit, Frieden und nachlassendes Ohrgeräusch

Kaffee, Sonne des Morgens, die über den Horizont des Talhanges stieg und der gleichmäßige Gang des Mühlrades.

Neben einer Stichstraße in eine Ortschaft, in der die Welt zu Ende ging, sahen wir in einem Steilhang neu ausgebaute Reben in einer alten, wertvollen Lage, die einst einen legendären Burgunder hervorbrachte. Die Arbeit von Hand, wurde vor einigen Jahrzehnten aufgegeben. Nun sieht das alles etwas technisierter aus, ist aber durch die jüngeren Erben wieder belebt.

Die Wanderungen führten uns immer wieder an Sandsteinfelsen vorbei, die beliebte Kletterrouten beherbergen. Das alles erinnerte mich an meine Dresdner Zeit und an das Klettern im sächsischen Fels.

Käfer, Schmetterlinge und ein Holzbauer mit seinem Traktor. Von der Picknickdecke aus sieht die Wiese, wie ein Wald aus. Entferntes Gelächter eines Festes, Spaziergänger und der näher rückenden Schatten des Hanges gegenüber. Müdigkeit, Frieden und nachlassendes Ohrgeräusch.

Mühle

Beim Betreten der Gaststube fragt der Wirt, der gleichzeitig der Koch und dabei ist ein paar Teller abzuräumen, ob wir zu dem Imkern wollen, die sich im Hinterzimmer zum Thema „Vermehrung der Königinnen“ zusammengefunden haben. Wir haben aber nur Hunger und lassen uns dirigieren: Links – Rechts – Links, wobei die Seiten vertauscht werden. Dennoch finden wir einen Tisch mit zwei Plätzen für uns. Fortan soll es in den kommenden Tagen pfälzische Hausmannskost geben.

Wir haben uns für ein paar Tage zurückgezogen, in eine Mühle in der Pfalz. Der Raum, in dem wir wohnen, ist gefüllt mit alten Mahlwerken, die vor fünfzig Jahren stillgelegt wurden. Große Schwungräder, die mit Treibriemen am das Mühlrad angeschlossen waren, schräg eingepasste Holzkanäle durch die das Getreide oder das Mehl nach unten rutschten mit Fenstern, Klappen und Hebeln überall.

Vor den Fenstern dreht sich das, vom Wasser des Mühlgrabens angetriebene, gewaltige Mühlrad, das Rad der Fortuna, immer in Gang gehalten durch einen Rhythmus wie bei Karl Orff. Heute wird mit dieser Kraft aus sechzig Wasserkammern Strom erzeugt.

Ich bin unzufrieden mit mir aufgebrochen. Die Arbeit ging in der vergangenen Woche nicht vorwärts. Nur, wie immer gleichmäßig, wie ein Mühlrad, die Arbeit an den täglichen Zeichnungen.

Zersiedelt

Getöse auf Teves am Morgen. Ein Berg Erde wurde gebracht und ein großer Müllcontainer. Der Bauhof ist da, räumt herum und lärmt. Die Poesie unter den Mauerseglerschleifen zieht sich zurück. Große Containertransporter, Kranwagen und Bagger fahren über unsere Wiese.

Gestern bin ich nicht zum Arbeiten gekommen. Über den Tag verteilt banden mich Termine, Besuche und Anrufe, dass ich keine Konzentration fand, die ich für das Zeichnen benötige. Etwas, wie ein ruhiger und konzentrierter Vorlauf ist dafür notwendig. Wenn die Tage aber in dieser Weise zersiedelt sind, macht mich das unruhig. Ich habe das Gefühl, dass mir die Zeit durch die Finger rinnt.

So ruht also die Biografiearbeit, an der ich zurzeit sehr hänge. Ich weiß, welche beruhigende Wirkung das Zeichnen dieser Rasterlandschaften und Portraits auf mich hat. Wenn ich so ein Blatt fertig gestellt habe, stellt sich meist auch eine große Befriedigung ein.

Heute fahren wir zu einem einsamen Mühlengehöft in der Pfalz, in dem es eine Ferienwohnung gibt, in der wir drei Tage bleiben wollen. Darauf freue ich mich sehr, auch wenn es nun das dritte verlängerte Wochenende ist, an dem ich nicht hier bin. Das Gärtchen liegt etwas pflegebedürftig da. Die Wochenenden hier sind auch meistens sehr schön ruhig und angenehm.

Durch dieses Areal

Teves West – Füße in der Sonne, am Tisch hinter dem geöffneten Rolltor. Ein schwarzes Tier in mir hebt sein Augenlid. Kaum ist auszumachen welche Größe es besitzt, wenn es ganz aufwacht und sich erhebt. Aber es ist sehr groß. Wahrscheinlich ist es eine Echse aus einem Scherenschnittbogen.

Die Nacharbeit am Tagebuch nach Berlin dauerte bis in den späten Nachmittag. Ich frage mich, was mich an dieser Regelmäßigkeit der relativ vielen Arbeitsschritte ausharren lässt. Es ist ein asketischer Impuls aus einer pietistisch- reformatorisch- sozialistischen Erziehung, glaube ich. Vielleicht zwingt mich aber nur das schwarze Tier dazu.

Weil ich am Abend Besuch bekam, saugte ich auf der ganzen Fläche Staub, wischte alle Fußbodenkacheln und räumte auch etwas auf.

Dann vor dem Tor, in den Liegestühlen unter den Mauerseglern, die tief flogen. Ihr fernes Schreien dringt nicht mehr durch mein Ohrgeräusch. Lange Gespräche über veränderte Perspektiven auf die alten Landschaften um uns herum und ihre veränderte Beleuchtung, was sie als ganz neue Terrains erscheinen lässt. Es beginnt eine Wanderung durch dieses Areal.

Übergang

Frankfurt, Teves West im Gärtchen vor meinem Atelier, mein Nachbar rollt ein.

Eine leichte Fahrt gestern durch die blühenden Windmühlenlandschaften des Ostens, hierher nach Frankfurt im Westen.

Am Vormittag eine Besprechung im Architekturmuseum über die Weiterarbeit mit den Kunstschülern im Atelier und im Museum. Wir haben eine Übergangsphase beschlossen, in der der 3d Drucker und –Scanner in Gang gesetzt werden sollen, und ein größeres neues Projekt vorbereitet werden kann.

Der Zustand, viele Ideen zu haben, die derzeit gar nicht umgesetzt werden können, gefällt mir gerade. Konzentration auf das, was am ehesten dran ist, ist nun gefragt.

Mir geht durch den Kopf, wie sich das Biografieprojekt mit der 3d Arbeit verbinden lässt. Vielleicht kann mir die Ausstellung, die ich mit Roland und Deniz demnächst im „Balken“ machen will, beim Nachdenken darüber helfen.

Hochzeit

Berlin – Hüttenpalast. Die Hochzeit gestern war eine sehr gelungene Party. Schon am Morgen vor dem Schöneberger Rathaus war es warm. Ich traf viele Menschen, die ich viele Jahrzehnte nicht gesehen hatte.

Trotz oder wegen der perfekten Organisation, so genau kann ich das nicht sagen, war das Fest auf dem Tempelhofer Feld eine sehr entspannte Angelegenheit. Ich spielte mit Flugzeugen, Drachen und Seifenblasen, die Braut war schön, und das Paar war glücklich. Man konnte sich in Ruhe unterhalten und die aussuchen, mit denen man das tun will.

Zwei kleinere Schauer vertrieben uns zwischendurch noch unter das Dach, unter dem das Buffet aufgebaut war, was aber der Stimmung nicht abträglich war, sie eher noch anheizte.

Nach dem Zusammenräumen ging das Fest im Hüttenpalast weiter bis in den Morgen. Vorher aber streckte ich mich schon in meinem Wohnwagen aus und schlief zwischendrin eine Runde, um dann mit meiner Tochter so was ähnliches, wie einen Hochzeitswalzer zu tanzen.

Kiez

Berlin – ein Frühstückscafe an der Ecke Lenaustraße, Friedelstraße. Es ist eine Brezelcompany, es gibt aber auch Kaffee und Croissants.

Am Abend im Hüttenpalast traf ich Andrea und Rainer seit mehr als zwanzig Jahren wieder, mit ihrer Tochter Franziska und einem Enkel. Nach den Jahrzehnten, war es ein vertrauter Abend, als wäre zwischendurch nichts passiert. Der Ton zwischen uns hat sich nicht geändert. Dann gingen wir gemeinsam indisch Essen.

Später hörte ich zwischen den vielen neuen kleinen Lokalen mit Stummfilmen, Musik und allerhand Extraunterhaltungen, den alten berliner Tonfall in einer Hertha-Fankneipe. Am Ende meiner Hin- und Herstrecke, saß ich mit einer Flasche Budweiser vor einem Kiosk auf einer Bank, schaute auf die Laserstreifen, die vor mir auf dem Gehweg zappelten und dachte eine Weile alleine vor mich hin.

Es ist so seltsam, alleine in Berlin unterwegs zu sein.

Preisverleihung

Eine Halle mit Wohnwagen – Hüttenpalast in Berlin – ein Wagen aus den Fünfzigerjahren gehört mir für die nächsten zwei Nächte, denn morgen ist Annes Hochzeit.

Gestern eine Preisverleihung an die Museumspädagogik des Deutschen Architekturmuseums. Deswegen, weil ich auch einen kleinen Anteil daran habe, blieb ich am Abend froh gestimmt.

Jetzt sitze ich im Hinterhofgarten des Hüttenpalstes, ganz in der Nähe des Tempelhofer Feldes, wo morgen die Picknickhochzeitsparty stattfinden wird. Tische, Bänke, Weinranken und Kübelpflanzen, ganz ähnlich wie mein Garten vor dem Atelier in Frankfurt auf Teves West. Sonne kommt durch einen Schleier, und ich habe etwas Ruhe für mein kurzes Schreiben jetzt.

Nachher gehe ich etwas herum, schaue mir den Kiez an, der ganz viel versprechend ist.

Bleiche Blätter | schwarze Areale

Endlich mal wieder ein langer und intensiver Arbeitstag gestern. Viel Tagesgeschäft und zwei große Zeichnungen beendet. Am Abend, am Main, Kopfschmerzen vor lauter Konzentration am Tage.

Jetzt, am Morgen, treiben Schäfchenwolken nach Osten. Der größte Teil der gespannten Flächen zwischen den Horizonten ist aber blau. Die Pflanzen gegen die Sonne abzudecken, habe ich nun aufgegeben. Sie müssen sich ab jetzt selber kümmern, kleinere Blätter treiben und sich dahin biegen, wo es für sie besser ist. Die langen, schnell gewachsenen Triebe des Zitronenbaumes mit den großen Blättern fielen der Gartenschere zum Opfer.

Heute gibt’s eine Preisverleihung für die Museumspädagogik im Architekturmuseum. Ein wenig bekomme auch ich den Preis, weil ich nun schon eine Weile dabei bin.

Mich interessieren zunehmend die Rasterstrukturen in ihrer abstrakten Qualität. Die reduzierte Darstellung von Gegenständen, Landschaften und Portraits, bekommt immer mehr ein Eigenleben. Die Formen der schwarzen Areale sind alleine schon Grund für eine nähere Beschäftigung mit ihnen.

Grüne Raupen

An vielen Stellen im Ateliergärtchen ist auf dem Beton etwas Erde angeweht. Wenn sie feucht bleibt, sprießen sehr kleine Pflanzen mit zunächst zwei Blättern, ihre Identität noch verbergend. Winzige Spinnen und Ameisen dazwischen, die von den Eidechsen verschmäht werden. Die halten sich eher an Motten, Engerlinge und Fliegen. Grüne saftige Raupen scheinen ihre Lieblingsspeise zu sein.

Der große schwarze Kater ist scheu, meidet mein Revier, wodurch die Echsen geschützt sind. Ihre Farben scheinen im Verlauf des Tages zu wechseln. Am Morgen während der Jagd, sind sie eindeutig braun, wie der Boden, auf dem sie sich bewegen. Mittags, wenn der Lichteinfall steiler ist, kommen sie mir eher grün vor. Dann sind sie von der Sonne durchwärmt.

Am Abend beschnitt ich Pflanzen und topfte einen Ficus um – eine nette Beschäftigung für das Ende des Arbeitstages. Diesem Frühjahr bin ich ganz nahe. Im vergangenen Jahr hatte ich mir vorgenommen, es genau zu beobachten, was mir in diesem Jahr gelingt.

Wie immer leide ich etwas unter den Zersiedelungen der Tage. Gestern eine zeitraubende Tevessitzung, mit einer Begehung des Geländes, um die neuerlichen Verwüstungen durch den Bauhof zu begutachten. Heute aber ist ein ganzer freier Arbeitstag, an dem ich das große Blatt beenden kann.

Spontane Bildhauerei

Erstmalig arbeitete ich gestern mit den neuen 3d-Programmen. Sie lassen sich intuitiv bedienen und sind gute Bildhauerwerkzeuge. Sofort entwickeln sich die Ideen in unerwartete Richtungen. Ich kann Skulpturen aufbauen, kann Volumina ganz leicht wegnehmen, damit Effekte erzeugen die unerwartet, spontan und lebendig erscheinen.

Beispielsweise hatte ich einen Block gezeichnet, in den ich einen Tunnel trieb der aus einem Halbmond und einem Kreuz extrudiert war. Das ging schnell und war einfach. Genauso war die Weiterarbeit, während der ich den Block zu verschiedenen Körpern umarbeitete. So entstehen Serien, mit denen man die Umwandlung von Grundformen zu verschiedenen Figurinen mit einem 3d-Drucker dokumentieren kann.

Entsprechend stagniert die andere Arbeit nun etwas. Das große Blatt ist angefangen und wartet auf seine Vollendung. Das vergangene Wochenende und die Termine unter der Woche haben mich etwas aus dem Rhythmus gebracht.

In der feuchten Wärme des Chinesischen Gartens lärmen die Gänse dermaßen, dass man keinen klaren Gedanken fassen kann. Die Vorgartenechsen jagen fleißig und wachsen entsprechend.

Schwarzweiss und Knallbunt

Wieder im Korbsessel vor meinem Atelier. Die Eidechsen umschlingen sich an ihren Sonnenplätzen und jagen gemeinsam. Das Biotop lebt auf. Scharen von Mauerseglern, kreisen unter den zerrissenen, tief und schnell nach Osten ziehenden Wolkenfetzen. Ja – endlich sind die Mauersegler da.

Zum achtzigsten Geburtstag meines Vaters habe ich eine Rede auf die Sechzigerjahre gehalten. Als Einstieg benutzte ich den Wunsch meines Vaters, ihm auf meiner Stratocaster etwas vorzuspielen. Ich lehnte das ab, weil mein Spiel auf ihr, eher dem Geräusch der startenden Flugzeuge gleicht, was ich dort niemanden zumuten wollte. Ihre Farbigkeit, das schlichte aber noble Schwarzweiß führte mich zur Mode der frühen Sechziger, im Kontrast zum Barock im ehemaligen Kloster Gerode und dem Grau der dort eingesperrten Zöglinge. Den Übergang zur üppigen Farbigkeit der späten Sechziger vollzog ich mit Beatleszitaten. Überall waren Erdbeerfelder, ein gelbes U-Boot tauchte in einen knallbunten Ozean und eine Ölsardine kletterte auf den Eiffelturm. Der Prager Frühling und seine Niederschlagung richteten mich nach Westen aus. Ich bin zufrieden, dass es nun alle wissen.

Jetzt gehe ich hinein an meinen Zeichentisch und fertige die Miniaturmalereien an, die den Schleifen der in sich verschlungenen Eidechsen gleichen.

Am größten Netzknoten der Welt laufen die Dieselnotstromaggregate…

Gleisdreieck

In Waltershausen am Gleisdreieck fand nach weiteren fünf Jahren ein Klassentreffen statt. Die Einheimischen sprechen den Ortsnamen „Wolorschhasn“ aus, und von denen waren viele da. Nur vielleicht vier Leute von zwei Parallelklassen haben wirklich das Weite gesucht. Ein Mitschüler hatte vor ein paar Tagen eine Krebsoperation und ist trotzdem gekommen. Monika erzählte mir von den vielen Todesanzeigen von den Menschen, die in der Gummiindustrie gearbeitet haben. Viele von ihnen werden keine siebzig Jahre alt. Die Schwebestoffe in den Produktionshallen waren von einer kriminell ungesunden Mischung. Auch ein Grund sich von den Orten der Jugend und den Arbeitsverhältnissen der späteren Zeit zu entfernen.

Mit neunzigprozentiger Zustimmung wurde die Frequenz der nächsten Klassentreffen auf alle zwei Jahre erhöht…

Am Gleisdreieck befand sich unser altes Schwimmbad, das wir in den Sommerferien, bei gutem und auch bei weniger gutem Wetter, täglich besuchten. Ein Schwimmer- und ein Nichtschwimmerbecken, ein Fünfmeterturm, ausgedehnte Liegewiesen, ein Volleyballnetz und ein Kiosk mit Eis und Bockwurst. Mehr brauchten wir in unseren Sommern nicht. Der Ort ist nun ein Spaßbad mit riesiger Rutsche. Dazu kamen Eisbahn, Bowlingbahn, Karatezentrum und eine üppige Gastronomie. Und das Gleisdreieck, an dem sich Waldbahnen aus drei Richtungen zum Umsteigen trafen, ist komplett modernisiert. Wenige Orte der Kindheit und Jugend sind geblieben, wie sie waren. Das ist auch gut so.

Eher fremd

Isa Genzken gestern im Museum für Moderne Kunst. Eine ihrer Werkcollagen befand sich ja schon länger innerhalb der ständigen Sammlungspräsentation. Oft gesehen, habe ich nie eine wirkliche Nähe dazu herstellen können. Mir blieben die Herangehensweise, die Materialien und der Geist dahinter eher fremd. In der Anhäufung ihrer Werke nun, in der weiträumigen Präsentation konzentrierte sich der Anblick geschmackloser Billigpullover, banalen Tands und Dekorationsartikeln minderer Qualität, an nicht minder banalen Schaufensterpuppen zu einem Konglomerat, das ich schon in den Kaufmaschinen auf der Zeil kaum aushalten kann. Außerdem schwebte etwas von Beliebigkeit über allem.

Wir waren schnell wieder draußen am Main, gingen in der kühlen Luft und hatten uns, wie immer in letzter Zeit, viel zu erzählen. Im Ostwind war der Himmel bedeckt und die Gänse schwimmen mit ihren Flottillen von Jungen über die grauen Wellen.

Aus dem Netzt habe ich mir kostenlose 3d-Software geladen, die einfach zu handhaben ist und kompatibel mit meinen alten Programmen zu sein scheint. Sie sind darauf ausgerichtet, dass man mit ihnen 3d-Drucker ansteuert. Dadurch kündigt sich nun vehement eine neue Arbeitsphase an. Die Spannung steigt auch deswegen, weil sich so viele skulpturale Ideen angesammelt haben. Außerdem wird die Erweiterung der bildnerischen Möglichkeiten neue Ideen zutage fördern.

Plastische Konzepte

Immer wieder gehen mir alte und neue plastische Konzepte durch den Kopf, je näher die Anschaffung des 3d-Druckers rückt. So können die verschiedenen Schwünge in den täglichen Miniaturen Querschnitte bilden, aus denen sich abwechslungsreiche Stränge formen lassen. Mein altes 3d-Animationsprogramm, ist da womöglich noch etwas umständlich handhabbar. Sicher aber gibt es günstige neue Programme, mit denen man leichter und freier arbeiten kann.

Die neuen Figuren stelle ich mir grundsätzlich als Hohlkörper vor, die aber in sich filigrane Verbindungen oder Durchbrüche haben können. Der serielle Ansatz bekommt hier neue Impulse. Tatsächlich wird ein lange angestautes und, durch die Schwierigkeit der Umsetzung, noch nicht entwickeltes Potential neu aufgerufen. Es wäre vielleicht auch möglich, Bauteile einzeln auszudrucken, um damit größere Körper zusammen zu setzen.

Die gedruckten Gegenstände, mit denen die neuen Geräte beworben werden, sind durch die Bank weg wenig attraktive Beispiele dessen, was man mit den Druckern machen kann. Hier habe ich das deutliche Gefühl, dass ich weitaus mehr, sofern ich mit der Technik zurechtkomme, aus dem System rausholen kann.

Gerstern waren wir in einem indischen Dokumentarfilm über die Kumb Mela, die große Pilgerzusammenkunft am Zusammenfluss von Ganges und Yamuna. Eine andere Filmästhetik paarte sich mit den Bildern dieser ungezügelten Spiritualität. Schöner, langsamer Film.

Unendlichkeit und Gravitation

Mit Franz sprach ich über die Schwünge in meinen kleinen täglichen Malereien. Sie enthalten die Unendlichkeit in der Form, dass man ewig auf ihren Bahnen kreisen könnte und Gravitation, die die Bewegung in den engen Bögen beschleunigt. Man kann mit ihnen meditieren oder über buddhistische Traditionen nachdenken. Seine Schwünge sind ruppiger, wie er überhaupt eine wenig mehr zur Expression neigt als ich, auch in seinen Texten.

Längere Gespräche und ein Termin am Mittag zerpflückten gestern meinen Arbeitstag. So kam ich am Nachmittag nicht mehr zum Zeichnen. Stattdessen aber räumte ich nun endlich die restlichen schweren Pflanztöpfe heraus und bestellte mit ihnen mein Gärtchen. Die leeren Regale sind auch nach draußen gewandert. Sie stehen nun vor dem westlichen Rolltor, das ich nie benutze und nehmen alle Gartengeräte und Blumentöpfe auf. Oben auf die Reihe von sechs Regalen legte ich die zweihundert Jahre alten Bieberschwanzdachziegeln, die ich vom Nachbarn geschenkt bekommen habe, Bretter und eine Schilfmatte als Dach. Das ist nun nicht ganz dicht, schützt aber in der Nische noch zusätzlich vor der Feuchtigkeit von oben.

Es gibt einen Gedanken, sich einfach mal im späteren Sommer ins Auto zu setzen und für eine Weile planlos durch die Gegend zu fahren. Nach Frankreich vielleicht, nach Italien, in die Alpen oder sonst wohin. Es wäre die Reise eines Neuanfangs.

Nun kann ich noch an der großen Zeichnung weitermachen. Alles liegt bereit und ich freue mich auf sie.

Magerwuchs

Weiterarbeit an dem großen Blatt. Ich fügte ein zweites kleineres Portrait ein und eine Elblandschaft. Tagsüber Termine, Konzentration erst am Abend. Wieder fühle ich den Segen der täglichen Tagebucharbeit mit den Malereien und dem Nachdenken über das, was ich tue und tun will.

Seit einigen Tagen sitze ich nun wieder im Korbsessel vor dem Atelier in der Sonne meines Gärtchens. Nach dem Regen und den kalten Nächten trauen sich die Eidechsen nicht gleich aus ihren Höhlenbauten. Ein Ziegelstein, der lauter Öffnungen besitzt, ist sozusagen das Eidechsenhochhaus. Nun grünt die Wiese, deren Magerwuchs mir am Herzen liegt, stärker und wächst an einigen Stellen in hohen Büscheln gedüngt von den Hasenkötteln.

Vor dem Frühstück baute ich drei Sonnensegel, die den hinausgestellten Pflanzen helfen sollen, den Lichtschock nach dem Winter zu bewältigen. Vielleicht gibt es dadurch in diesem Frühsommer weniger gelbe Blätter.

Am Nachmittag, nach einem Termin mit Alexander, schaute ich noch kurz im Atelier von Franz vorbei. Ich bewundere, wie er, auch wenn er nur wenig Zeit hat, ohne viel Federlesen an die Arbeit geht und loszeichnet. Seine Zeichnungen sind sehr schön und inspirieren mich in meinem täglichen Arbeiten. Auch die kurzen Gespräche tun das.

Extrudierte Stränge

In der Nacht beschäftigten mich extrudierte Stränge mit unterschiedlichen Querschnitten innerhalb ihres Verlaufs. Sie gehen stufenlos ineinander über und wenn man sie in Scheiben schneidet, kann man das Morphing des Umrisses nachvollziehen. Beispielsweise können ein Kreuz und ein Kreis, aber auch verschiedene Figurenumrisse die Übergänge bestimmen. Daraus können architektonische Ideen für unser Projekt entstehen. Ich stelle mir dabei auch Portraitprofile vor, die sich in andere Profile wandeln. Mein Profil in eines von einem Tier, einem Mauersegler vielleicht oder einer Ziege. Das ließe sich auch in eine Ringform bringen. So entsteht eine Skulptur, die dezidiert einlädt, darum herum zu laufen. Die Anschaffung des 3d-Druckers steht nun bevor. Deswegen beschäftigt mich das. Bin auf die Software gespannt, die dazugehört.

Solche Konstruktionen können in einer groben Dreiecksauflösung einen Charakter wie meine alten Trixel-Planet-Konstruktionen bekommen. Sie können gedoppelt und ineinander verschränkt werden. Diese spannende Arbeit immer nur virtuell zu unternehmen, ohne Umsetzung, war dann in der Vergangenheit auf die Dauer doch unbefriedigend. Hoffentlich kann ich die Figurenformate in die neuen Dateiformate umwandeln.

Vom frühen Nachmittag bis in den Abend zeichnete ich, auf einem mit einer Rollstruktur vorbereiteten Blatt, an einem Portrait. Die Arbeit daran wird noch eine Weile dauern, weil noch eine Landschaft und ein kleineres Portrait hinzukommen.

Abkühlungsprozess

Die Heizung hat sich abgeschaltet und langsam vergeht die Zeit, als würde sie in einem Abkühlungsprozess zähflüssig. Im nächtlichen Rauschen treffen Regenschauer auf das junge Laub – ein anderer Klang –  wie im Sommer.

Der Sonntag im Atelier zersiedelte die Zeit, als sein sie in viele, sich überlagernde Stücke zerschnitten. Das macht nervös. Pflanzen heraustragen, Tagebucharbeit, SMS-Austausche, Essen kochen und es essen, reuseln, räumen alles gleichzeitig mit Blick auf die Ankunftszeit des Zuges aus Berlin. Am späten Nachmittag aber ein Spaziergang am Main, der wieder eine Reihenfolge der Dinge einrichtete. Gespräche, Beruhigung und etwas Apfelwein.

Aus den abgebrochenen Stangen der Essigbäume, aus denen ich ein Trockengeheck um meinen Kral zog, treibt zum Verdorren verurteiltes Grün. Über den Tag hin ist leichter Regen angesagt. Gestern am Morgen gab’s mein Lieblingswetter mit etwas Sonne und Regen gleichzeitig, bei etwa siebzehn Grad.

Dylanradio aus dem Netz, Rosinen zum Naschen in einer Schüssel – die großen Transparentpapierblätter warten…

Übung | Eigenleben | Kopfspannung

Die Herstellung der Schelllackrollstrukturen bedarf auf größeren Blättern etwas Übung, Geschicklichkeit und mehr Aufmerksamkeit, als auf den kleinen Formaten. Gestern gelang mir eine solche nicht so perfekt, wie ich sie wollte. Beim schnellen Abrollen muss man das Blatt so halten, dass es nicht zusammenschlägt und so unerwünschte Lackstellen bekommt. Dann muss eine Möglichkeit zum Aufhängen, Trocknen und Drehen vorhanden sein, falls bei zuviel aufgetragenem Lack Laufstrukturen entstehen. Das werde ich also in der nächsten Zeit trainieren.

Mit mehreren A 4 Formaten druckte ich nun eine größere, gerasterte Hochwasserlandschaft und ein Portrait aus, damit ich diese größeren Motive durchzeichnen und nicht projizieren muss. Je stärker die Rasterstrukturen vergrößert sind, umso vielgestaltiger wird ihr Eigenleben.

Eine SMS aus dem Gropiusbau machte mich gestern etwas neidisch. Dort wird die Kunst der Sechzigerjahre gezeigt. Aus meiner Perspektive waren sie sehr lang. Prägende Bilder stammen von einem Aufenthalt in Westberlin kurz vor dem Mauerbau. Im Kopf begann sich die Spannung zwischen Ost und West aufzubauen. Alle Ereignisse waren als seismisches Echo in Kinderhirn auffindbar. Heute kommt noch mal alles hoch. Wenn ich mir meine Gitarre, die ich zum Sechzigsten geschenkt bekommen habe umhänge, spüre ich, dass der Wunsch eine solche zu besitzen, aus den Sechzigern stammt. Der Mauerbau und die Beatles stürzten mich in den Zwist, der vielleicht erst jetzt, mit einigen Riffs, aufgehoben wird.

Regen | Eierkuchen | Portrait | Lesung

Wie ein Bauer schaue ich in den Himmel und sehne Regen herbei, der meine Wiese wässert, die vom Kranauto zermalmt, staubig daliegt, als müsse ich mich in ihr wälzen. Auf den Bildschirmen ist er schon da und nässt die Felder. In der Realität wird es noch einen Moment dauern.

Die Kunstschüler probierten Bildereierkuchen. Das ist schwerer als gedacht. Ich denke daran, wie es werden wird, wenn jugendliche Flüchtlinge mit dazu kommen. Wir sprachen auch schon über behinderte Schüler der Panoramaschule, mit denen ich schon mal auf meinem Pfad war. Die Gruppe sollte für das Mithineinnehmen dieser Leute stark genug sein.

In den Bilderdateien, die mir mal die Anne geschenkt hatte, suchte ich eine heraus, die ich zu einem Rasterportrait meiner vielleicht sechsjährigen Tochter verarbeitete. Das zeichnete ich dann auf ein einzelnes Transparentpapierblatt. Dazu gesellte ich eine Elbhochwasserlandschaft mit einem funktionslosen Betonblock. Beide kleinen Formate montierte ich hinter eine Schelllackrollstruktur, die ich mit der Wassertröpfchenmethode teilweise geriffelt hatte. So entsteht in den glatten durchsichtigen Lackstellen ein wolkiges Fenster, durch das man in die darunter liegenden Schichten schauen kann.

Am Abend holte mich Gudrun zu der Lesung vom Franz ab. Das war ein netter Abend mit einer angenehmen Gruppe. Franz las mit Klavierbegleitung, rhythmisch aneinander orientiert, aus seinen atemlosen Texten. Dann Apfelwein.

Raum | Maß

Zufällig fand ich zwischen all meinen Mappen und Büchern einen Text von Louis Charpentier mit dem Titel: „Die Geheimnisse der Kathedrale von Chartres“. Weil es in der nächsten Zeit in den Workshops mit den Kunstschülern unter anderem um das harmonische Maß von Architektur gehen soll, interessiert mich diese recht umfangreiche Forschungsschrift. Es wird bei uns um Bewegung, um Körpermaße und Blickachsen gehen.

Zu viele verschiedene Dinge standen gestern auf dem Plan, als dass ich hätte mit meinem Zeichnen weiterkommen können. Immer noch liegt Papier herum, sind die Tische unaufgeräumt. Das wird sich in der nächsten Stunde ändern. Dann ist auch wieder Platz und Zeit zum Zeichnen.

Vor meinem Atelier geht es um Platzeinteilungen, um räumliche Ausdehnungstendenzen, die langsam an ihre Grenzen stoßen. Unsere Gärtnerambitionen, werden auch von anderen geteilt, die weitaus mehr Material zur Verfügung haben, als wir. Ich versuche die Diskussionen dahingehend zu lenken, dass wir einfach mehr Erde auf dem Beton brauchen. Vor einigen Tagen brachte Roland Pflanzen mit, die wir vorgestern an die unseren Ateliers gegenüberliegende Mauer setzten. Dieses unwirtliche Brachland wird durch uns langsam schöner. Man kann sich dort aufhalten.

Am späten Nachmittag mit Carola auf der Konstablerwache. Sie möchte ein Bild von mir für ihr Büro.

MACBETH – unterirdisch

Der Regisseur Dave St – Pierre hat am Schauspiel eine schreckliche Performance zu MACBETH abgeliefert. Das Spiel mit der Bühnenmaschinerie schien wichtig, ein dort einmal gefundenes Muster wurde in ermüdenden Wiederholungen vorgeführt. Wenn man eine performatorisch –  experimentelle Arbeit zu diesem vielschichtigsten aller Stücke abliefert, dann sollten die Theatermittel dafür ausgereift und spannungsvoll sein, um dem gerecht zu werden. Das Gegenteil war der Fall. Schauspieler wurden zu Tanzdarstellern umgedreht und hatten keinen Text, schienen alleingelassen und falsch positioniert. Man sah, wie unwohl sie sich fühlten. Der Regisseur kann keine Adaption von „One Flat Thing, reproduced“ auf die Bühne stellen und denken, in Frankfurt merkt das keiner. Es fällt mir schwer, diese Form der Theaterarbeit weiter zu beschreiben, weil es so grottenschlecht war, dass jedes weitere Wort verschwendet bleibt.

Noch mal wird mir klar, was wir mit Bill Forsythe verloren haben. Seine Arbeit wird aber auch in meiner weiterexistieren, wenn auch auf eine ganz andere Weise.

Gestern bestückte ich den Rahmen für meine Eltern mit ihren Rasterportraits, mit der Zeichnung der vollständigen, in Dreierreihe angetretenen, Pioniergruppe und einer Schelllackrollstruktur. Weiterhin zeichnete ich noch einige Erinnerungsfiguren aus dem „Frankfurter Kraftfeld“ dazu, die ich als kleine Einzelformate hinzufügen könnte. Aber ob das zusammenpasst, weiß ich noch nicht.

Konstellationen

Schon morgens um Acht sitzen die Eidechsen auf meinem Erdinselbiotop in der Sonne. Auch diese Sonnenplätze gehören zu Revieren, die Ausgangspunkt für die morgendlichen Jagden auf Insekten, Würmer und Engerlinge sind. Weil all dieses Getier in meinem Gemisch aus Erde, Küchenkompost, Holz und Natursteinen reichlich vorkommt, weil es genügend Nischen zum Wärmen und Verstecken gibt, geht es den Eidechsen gut. Sie sind geschickte und schnelle Jäger. Wenn die Insekten für einen Happen zu groß sind, werden sie hin und her geschleudert, bis sie auseinander brechen. Um die Mittagszeit kehrt dann langsam Ruhe ein. Die Aktivitäten beginnen erst wieder an späteren Nachmittag.

Auf kleine, schmale Transparentpapiere, die zwanzig Zentimeter groß sind, zeichnete ich kleine Rasterportraits meiner Eltern in einer groben Auflösung. So kann ich sie in einen Objektrahmen zu verschiedenen anderen Formaten stellen. Es entsteht eine Sammlung, die etwas von einer durchsichtigen Geschichtsschachtel hat.

Lange saß ich im Sessel auf unserer Wiese und schaute mir die Konstellationen des Mondes, der Sterne und insbesondere der Venus an, fotografierte das Ganze mit verschiedenen Kameras. Dabei umhoppelte mich ein Kaninchen, das die Baggerschlacht des Bauhofes nicht vertrieben hat. Eine Krähe kommt in letzter Zeit immer wieder, ist aber sehr scheu und interessiert sich nicht für mein Brot. Ich würde mich gerne mit ihr befreunden.

Schutt

Manchmal stehe ich vor dem neu aufgeworfenen Schutthaufen und schaue genauer hin. Gestern fand ich einen grünen geschmolzenen Weinflaschenhals, der an seinem oberen Ende, seiner Öffnung, zugedrückt war. Mit der abgebrochenen, scharfkantigen Seite steckte er in dem, was sich als Konglomerat dort aufschichtet: Betonstücke, Eisenfragmente, Sand, Farbreste und Plastik.

Am Anfang meiner Einsiedelei habe ich hier im Atelier viel Radio gehört. Alle Katastrophen, Kriege und menschlichen Niedrigkeiten sind vom Journalismus konzentriert, gebündelt in meinen Raum geleitet worden. Aber es gibt einen Knopf zum Ausschalten. Kann mich das vorm Weltekel bewahren?

Gestern probierte ich Schelllackrollstrukturen, die ich dann mit Wasser benetzte. Wegen einer überraschenden Anforderung von detaillierten und etwas aufwendigen Verwaltungsarbeiten, bin ich nicht sehr weit gekommen. Ich merke aber, dass sich diese unterschiedlichen Durchsichtigkeiten des Transparentpapiers gut mit den dokumentarischen Strukturen der Rasterportraits schichten lassen. Auch die gerasterten Landschaften passen gut dazu.

Im chinesischen Garten fand ich heute den idealen Standort für den Genuss dieses Ensembles. Jeden Dienstag kann ich dort etwa zwanzig Minuten Harmonie betrachten.

Rizzi | Stakkato | Weitermachen

Kammer/Kammer“ hat mit einer Art Prolog begonnen, den Antony Rizzi bestritt. Er trat als eine Art Moderator auf, der die Zuschauer viel sprechend vorbereitete. Während dieses Redeschwalls fragte er irgendwann, „Do yuo know, what performance is?“. Spontan rief ich aus dem Dunkel des Zuschauerraumes heraus: „No!“ auf die Bühne. Das ist sonst nicht meine Art, normalerweise halte ich mich bei solchen Gelegenheiten zurück. Aber ich hatte einfach Spaß mit diesem Darsteller und bekam dann auch eine entsprechend performatorische Antwort von ihm. Er schlug sich mit beiden Händen schnell und heftig, mehrmals hintereinander ins Gesicht, riss sein T-Shirt hinauf bis zum Kinn, um seinen behaarten Oberkörper zu zeigen und rief währenddessen: „This is performance, this is performance…“.

Auf dem Nachbardach, hinter dem Bahndamm, sind seit vielen Wochen Dachdecker zugange. Ihre Arbeit mutet, zwischen den vielen anderen hochtechnisierten Baustellen, archaisch an. Ohne Kran, ohne große Maschinen, nur mit einem sparsamen Gerüst, nageln sie Dachlatten auf die neuen Balken. Die Schläge der Hämmer, Metall auf Metall, dann am Schluss, wenn der Nagel ganz drinnen ist, auf Holz, sind direkt und als mehrfaches Echo zu hören, das die Wände der leeren umstehenden Häuser zurückwerfen – ein Stakkatoklangteppich.

Meine Arbeit ist jetzt nach dem langen Wochenende ganz weit weg. Wie nähere ich mich nun? Muss ich mich überwinden? Folge ich meiner Lust? Ich werde da weitermachen, wo ich am Freitag aufgehört habe, mit Lust!

KREISEND WENEDEND RASEND

Die langsamen Bewegungen im Gärtchen lassen die Zeit anders vergehen. Sie dehnt oder verkürzt sich, es ist nicht genau auszumachen. Die neuen Hochgeschwindigkeitskameras, die einen Vorgang wie das Durchschlagen eines Apfels von einem Projektil auf einen Monat verlängern können, machen Dinge sichtbar, die wegen ihrer Geschwindigkeit von unseren Augen nicht wahrgenommen werden können. Genauso, wie wir nicht sehen können, wie Gestein langsam gefaltet oder gequetscht wird.

Mit meiner Langsamkeit im Vorgarten kann ich lediglich erreichen, dass ich sehe, wie sich ein Eidechsenpaar ineinander verschlingt, wie es mit den einträchtig geschwungenen Körpern mäandernde Zeichen bildet, die ich versuche zu entziffern. Dieses Paar verteidigt seine Hügelinsel, auf der meine älteren Bäumchen wachsen, gegen Ankömmlinge von den anderen Erdinseln auf dem Betonozean von Teves West.

Beim Zurückblättern im Tagebuch erfreue ich mich an den Gravitationsschwüngen, die die Miniaturmalereien optisch beschleunigen und gleichzeitig eine Meditationsschleife anbieten. Franz, der mich zu ihnen inspiriert hat, liest am kommenden Sonnabend aus seinen Hochgeschwindigkeitstexten. Sie haben mitunter auch diese lineare Unaufhörlichkeit, kreisen, wendend, rasend, kreisend, wendend…

Abschied und Produktion

Noch mal die alte Forsythecompany mit „Kammer/Kammer“. Wir sahen das Stück einige Male und immer war es anders. Erschütternd für mich waren die Tränen von Jone San Martin beim Schlussapplaus. Sie ist meine Lieblingstänzerin geworden. Mit ihrem Bühnenstrahlen gestern hat sie ihre lautstark präsente Kollegin an die Wand gespielt. Wir wollen ihr heute einen Dankesbrief schicken für all die Jahre. Bill Forsythe traf ich noch kurz nach der Vorstellung um ihm zu sagen, dass ich fünfundzwanzig Jahre von seiner Arbeit profitiert habe. Danach noch im Supermarkt winkte er uns zu, und weg war er…

Mit Noah sprach ich über Gravitation, über das damit verbundene Beschleunigen von Weltraumsonden und zeigte ihm die täglichen Schwünge in meinen Tagebuchmalereien. Paulo hämmerte und sägte wieder mit Metall, nämlich mit einem Stück Blech, das er im hoch aufgetürmten Schutthaufen fand. Joana arbeitete an ihren Wachsbildern weiter und ich zeigte ihr im Netz Jackson Pollock.

Ich bearbeitete einen Streifen Transparentpapier zunächst mit einer gerollten Schelllackstruktur, die an den Stellen, wo sie das Format von hinten und von vorne bedeckt, eine größere Durchlässigkeit erzeugt. Dann sprühte ich die ganze Fläche gleichmäßig mit einem Wassernebel ein, wodurch sich das Papier auf tausenden winzigen Arealen aufwarf. Das schafft eine undurchsichtigere Steifheit. Nur an den Stellen, wo der Schelllack dicker aufgetragen ist, gibt es diese Verwerfungen nicht. Somit ist ein Bildträger mit vielfältigen Strukturen entstanden. Darauf zeichnete ich ein Pionierportrait, ein Giraffenpaar, Gravitationsschwünge und eine abstrakte Felsgravur aus Namibia.

Zahlen | illustratives Theater

Zahlen – jedes Jahr, wenn ich dieses Datum schreibe denke ich an das Kartenspiel 17+4. Gerade wollte ich schon die Jahreszahl 2016 schreiben, als ginge es mir nicht schnell genug, dass die Zeit vergeht. Zehn Minuten vor Acht wollte ich punkt Acht mit der Arbeit beginnen. Das wäre etwas Aufschub für Kaffee oder draußen sitzen gewesen. Aber die Temperatur ist um zehn Grad gefallen (wieder diese volle Zahl!), es ist außerdem bedeckt und windig. Regen fehlt. Acht Uhr habe ich nicht abgewartet, um wenigstens an diesem Punkt das Diktat oder die Magie der runden Zahlen oder der vollen Stunde zu durchbrechen.

Weitere Arbeit an den Pionierportraits. Ein eventueller Betrachter kann die dort zusammengefügten Zeichen aus seiner Situation heraus entziffern. Zunächst aber kommen sie nur aus meinen Tiefen herauf an die Oberfläche des Transparentpapierformates, das begrenzt ist.

Gestern Premiere einer Dramatisierung des Romanfragmentes „Amerika“ von Franz Kafka. Dieses Theatergenre, das neu entstanden ist, kommt mir oft vor, wie eine Textillustration. Hier stößt das Theater an seine Grenzen. Um über den illustrativen Charakter zu einer eigenen Kunstaussage zu kommen, denn die ist hier gefragt, brauchen ein solches Team und seine Darsteller mehr Zeit. Die Bildende Kunst hingegen ist nicht an diese Produktionsbedingungen des Theaters gebunden, muss den Apparat nicht bedienen, und kann deswegen schon innerhalb einer Improvisation mehr Tiefe erlangen. Kürzer ist oft besser.

Energieumwandlung

Mein Einsiedlerdasein verwurzelt mich sehr stark mit dem Ort, an dem es sich vollzieht. Die Pflege des Gartens bekommt fast die gleiche Wertigkeit, wie das tägliche Arbeitstagebuch oder die Zeichnungen zum Biografiethema. Ein Stück Wiese, das ich dem unwirtlichen Grund abtrotze, wird mir wichtig und gehört zu mir. Gleichzeitig reagiere ich auf eine Störung von außen empfindlich, vor allem, wenn sie unabgesprochen und brutal vorgeht, wie die gestrige Aktion unseres Bauhofes.

Nun steht die Aufgabe vor mir, für mich diesen entstandenen negativen Raum in eine Energie zu verwandeln, die ihn schluckt oder neutralisiert. Das geht vielleicht, wenn ich die Wiese direkt vor der Verwüstung noch mehr pflege, vielleicht die Erde, die durch diese gewalttätige Aktion aufgeworfen wurde, dafür zu nutzen. Das würde mir gefallen.

Die biografische Arbeit entspringt auch einem Rückzugsimpuls. Die Verinnerlichung von Geschichte, durch die Erinnerung an Empfindungen in den Sechzigerjahren, gründet aber eine bestimmte Kraft, von der ich noch nicht sagen kann, was sie weiter bewirken wird.

Am späten Nachmittag habe ich begonnen, ein Jungpionierinnenportrait auf eine „Synaptische Kartierung“ zu zeichnen. Gleich werde ich die mit Umrisslinien geschaffenen Felder mit Tusche ausfüllen.

Kleine Malerei

Die Sonne ist überm Bahndamm. Die Bauleute reuseln herum, drohen mit schwerem Räumgerät und möchten einen Container aufstellen. Immer mehr Raum wird zugestellt.

Die Köchin kommt und redet mit mir über die Begrünung des Geländes. Auch der Polstermeister ist jetzt da. Alle Blätter strecken sich und die Brandung der Autobahn rauscht gleichmäßig. Die Leute laufen oft irgendwie hin und her, sind gerne draußen im sonnigen Tag.

Gestern kombinierte ich erstmalig Pionierportraits mit meinen Zeichnungen von Felsgravuren aus Namibia. Mehrere „Synaptische Kartierungen“ entstanden, darauf ein Rasterkopf eines Mädchens, das den Kopf zur Seite gewendet hatte, wie oben abgebildet. Wesentlich neu ist bei dieser Zeichnung nun, dass auch die Schleifen oder Schwünge, die in den Tagebuchmalereien aufgetaucht sind, nun mit Tusche auf Transparentpapier gezeichnet, neue Beziehungen eingehen.

Die täglichen Miniaturen werden in letzter Zeit stärker, leben mehr von der Farbe, deren Auffächerung ich in den Verwischungen beobachte. Oft gehe ich mehrfach mit dem Handballen über eine Fläche, wodurch die Farbübergänge immer weicher werden. Gleichzeitig hat diese Arbeitsweise ein Tempo, dass die Bilder auch immer etwas Frische der Schnelligkeit ausstrahlen. Wenn ich mal keine anderen Themen habe, kann ich mich der Ausarbeitung dieser malerischen Ideen widmen.

Tempel im Rumoren der Stadt

Am Morgen mit dem Fahrrad am Mainufer entlang zum Japanischen Garten. Ein blaues Auto ist in den Main gefahren. Ein Kranwagen, Polizei bat um „sachdienliche Hinweise“ und Krankenwagen ließen ihr Blaulicht kreisen. Auf einer Kreuzung stieß eine Fahrradfahrerin mit einem Auto zusammen, wieder Blaulicht.

Sonne im schwebenden Tempelbau über den Teichen. Ich saß, schaute ins Licht und hörte das Rumoren der Stadt.

Jemandem zeigte ich das Blatt mit dem Rasterportrait meines Vaters mit Parteiabzeichen, auf einer Synaptischen Kartierung, der Frottage einer Hennaschablone und neben dem Betonblock im Elbhochwasser. Wieder beglückte mich die Vielfalt der Schichtungen. Ich war vor Begeisterung ganz aufgekratzt.

Arbeit am Konzept „Biografie – ein Haus“. Nun muss noch der zusammenfassende Text umgeschrieben werden.

Manchmal sitze ich im Korbstuhl und schaue den Kleintieren in meinem Biotop zu. Der Erdhaufen beherbergt neben den drei Generationen Eidechsen auch viele Käfersorten, Spinnen und seltsame Insekten. Im Totholz meiner diversen Stapel befinden sich Bearbeitungsspuren von einem Specht. Viele mir unbekannte Pflanzensamen gehen auf. Ich werde sie einfach mal alle wachsen lassen und so kennen lernen. Das frische Grün der kleinen Eiche hält sich noch zurück und hat jetzt viel Orange in sich.

Gravitation der Schwunglinien

Noch nicht lange ist die Sonne überm Horizont. Die Lehrlinge trudeln nach einer Osterpause in der Polsterwerkstatt ein, Amseln rufen sich ihre Botschaften zu und ich denke an die Kreuzungen der Schwunglinien, die ich mit Aquarellstiften zeichne und dann mit Punkten oder Kreuzen verstärke. Dabei kommen mir auch Varianten in den Sinn, die die Verwendung auf Transparentpapier ermöglichten. Vielleicht lässt sich Schelllack mit Ölfarben vermischen.

Nun stellte ich weitere Pflanzkübel hinaus. Die große Sukkulente schützte ich mit einem Vlies gegen zu starke Sonneneinstrahlung. Und den alten Ficus schnitt ich zurück und gab ihm einen größeren Pflanzkübel mit viel frischer Erde.

Die Tagebuchmalereien nehmen durch die Schwünge Fahrt auf. Ich spüre ihre Gravitation in den Kurven und die Beschleunigung, die davon ausgeht. Diesen Prozess wünsche ich mir einerseits für die Biografiereihe, als auch für die große Malerei, die derzeit mit in diesen Zyklus gehört.

Gestern nahm ich mir eine Dreiviertelstunde, um mich in den Korbsessel zu setzen und auf mein Gärtchen zu schauen. Die kommenden Tage werden noch wärmer, so dass ich damit rechnen kann, dass es zwischen den verschiedenen größeren Eidechsen zu Revierkämpfen kommen wird. Ich beobachte drei Generationen, deren Zugehörigkeit ich nach der Größe einordne, denn es scheint sich bei allen um dieselbe Sorte zu handeln. Ich muss jetzt nicht wissen, wie sie heißt, muss keine Bilder im Netz suchen etc….

Widerstandsfähiges Wachstum

Aus den Resten des Holzes, das bei dem Bau von Hochbeeten auf dem Gelände angefallen ist, sortierte ich alles, was mir wenig brauchbar erschien aus und machte damit ein Feuer in der großen Eisenschale. Allein saß ich in einem Sessel vor dem schönen Wärme- und Lichtkreis und versuchte den Funkenflug mit der neuen Kamera festzuhalten. Es war windig und die winzigen glühenden Holzteile flogen in Richtung auf den dicht bewachsenen Bahndamm. Stets war ich bereit ein paar Schaufeln Erde auf einen aufglimmenden Brand zu schippen.

Daneben kümmerte ich mich noch mal um die Rasenfläche, indem ich ein paar Bottiche Erde auf den durchschauenden Schotter verteilte. Die robusten Gräser, Flechten und kleinen Blattpflanzen, die sich dort angesiedelt haben, sollen nur etwas bessere Bedingungen bekommen, um weitere Flächen zu besetzen.

Dieses kleine, widerstandsfähige Wachstum hat ein wenig mit der Art und Weise zutun, wie sich meine Projekte entwickeln. Ich denke da an das winzige Pioniergruppenfoto, dessen Einzelportraits zu allein stehenden Auseinandersetzungen mit den verschiedenen Bezugspunkten in meinem Leben genutzt werden. Auch die Malereien in den Tagebüchern folgen diesem Prinzip. Schwünge, die ich bei Franz gesehen habe, verdichten sich mit den Verwischungen und den Rasterportraits zu einer dicht verfilzten Wachstumsstruktur, die Flächen besiedelt, Wurzeln bildet und weiter wuchert. Auch deswegen ist mir die Wiese so wichtig.

Pionierbiotop

Wie in jedem Frühjahr, in dem ich beginne, die Pflanzen hinaus zu stellen, leiden die Blätter, die nur an das durch die Scheiben gefilterte Licht gewöhnt sind, unter dem direkten Sonnenlicht, werden weiß und fallen nach einer Weile ab. Dann aber entwickeln sich neue Blätter und treiben die Pflanze zu weiterem Wachstum an. Ich wünschte mir in jedem Frühjahr neblig warme vierzehn Tage, um meinen Garten einzurichten.

Hummeln, Schmetterlinge und Eidechsen um mich herum. Bei den Echsen kann man am seitlichen Bauch sehen, wie schnell sie atmen. Ich bewege mich in ihrer Gegenwart gemessen und langsam. So kommen sie ganz in meine Nähe, und ich kann sie bei der Jagd beobachten.

Eine schwarzweiß gefleckte Katze streicht angespannt und aufmerksam durch das fremde Revier. Die Elstern sehen das sofort und begleiten in der Luft zu zweit den Gang. Irgendwo in den Sträuchern am Bahndamm haben sie ihr Nest.

Gerade habe ich ein Pionierportrait, das ich gestern zeichnete, fotografiert. Unter dem Transparentpapier liegen ein mehrere hundert Jahre altes Buddhaportrait, kaum zu erkennen, und eine Zeichnung der ganzen Pioniergruppe. Gestern stellte ich mir vor, die Portraits mit Zeichnungen von Felsgravuren zusammen zu bringen. Es hat etwas Beglückendes, diese weit voneinander entfernten Dinge zu schichten. So entstehen Objekte, die eine gewisse Tiefe entwickeln. Dafür kann ich besondere Rahmen gebrauchen, die ich in der kommenden Woche kaufen will.

Skulpturales Zeichnen, neu

Vor der Tür am Tisch in der Sonne, die anfängt anzustrengen, rücke ich in den Halbschatten des Olivenbaumes. Der bekam schon etwas neue Erde und ist seit ein paar Tagen draußen.

Gestern arbeitete ich an der Konzeption für das ganzjährige Projekt „Biografie – ein Haus“ weiter. Es geht langsam voran. Der entscheidende Knoten ist noch nicht geplatzt. Deswegen wird heute pausiert, und ich gehe später wieder mit neuem Schwung dran. Dann hat sich das vielfältige Ideengeflecht auch etwas gesetzt.

Am Nachmittag war ich im Mediamarkt des Nordwestzentrums. Aus meiner Tevesabgeschiedenheit sind solche Ausflüge immer eine Expedition in fremde Gefilde. Man konnte mir mit meinem Ansinnen, einen speziellen 3-d-Drucker zu kaufen auch nicht weiterhelfen.

Die neuen Technologien beschäftigen mich sehr. Es gibt auch Stifte, mit denen man in den Raum zeichnen und somit Skulpturen herstellen kann. Das wäre genau das richtige Gerät für mich. Ein neues skulpturales Zeichnen könnte dann beginnen. Es fällt mir schwer, bei diesen Aussichten gelassen zu bleiben. Ich schlafe nicht gut und die Wachliegezeiten sind mit den Gedanken an die neuen Möglichkeiten angefüllt.

3 x 7 | dreieckig | 3-d

Neben dem großen europäischen Netzknoten auf der anderen Seite des Bahndamms sind große Dieselaggregate eingerichtet worden, die für Stromerzeugung in bedeutender Menge geeignet zu sein scheinen. Im Probebetrieb gaben sie in den letzten Tagen ein lautes, niedrigfrequentes Dröhnen von sich. Ich will hoffen, dass es sich um Notstromaggregate handelt, die nur bei seltenen Spannungsabfällen oder Kurzschlüssen zum Einsatz kommen. Der Sound ist eine Folter, sicher nicht nur für meine Ohren.

Ich sitze draußen vor meinem dreieckigen Tisch in der Morgensonne. Bin schon gegen Vier auf gewesen, dann aber noch mal in den Schlaf gekommen. Eine Eidechse klettert auf der Jagd herum.

Die Konzeption geht schleppend voran. Habe nun aber eine tragende Struktur aus dreimal sieben Raumexperimenten gefunden, die es mir erleichtert, die Themen in einer übersichtlichen und geeigneten Form darzustellen.

Vorgestern beim Saturn, als ich die neue Kamera kaufte, die übrigens gute Bilder macht, sah ich einen 3-d-Plotter, der Figuren in einer schlechten Qualität herstellte. Heute Nachmittag möchte ich mich mal bei einem anderen Elektronikmarkt umschauen, um mich etwas mehr in die Materie einzuarbeiten.

Tagebuchmalerei

Gestern kaufte ich eine neue Kamera. Es gab mit der anderen oft Probleme, weil sie empfindlich auf Staub reagierte, der sich mit Vorliebe auf den Sensor setzte. Außerdem hat die Linse genau in der Mitte einen großen Kratzer. Das forderte mich bei der Bildkomposition deswegen auf eine spezielle Weise heraus, weil das Zentrum des Formates so immer unscharf blieb.

Ich hatte die Vorstellung von einem grauen Bild, das aus ganz vielen winzigen Farbschnipseln besteht. Es gab an der Ostsee einen Maler mit dem Namen Niemeyer Holstein. Der hatte in den zartfarbigen Malereien einen impressionistischen Gestus, der manchmal, besonders bei Winterbildern in diese Richtung ging, die ich mir vorstelle. Allerdings würde ich mir jeden Gegenstand verbieten.

Ich kam darauf, weil gestern eine der Tagebuchmalereien, mir scheinen das nun keine Zeichnungen mehr zu sein, so eine Farbigkeit ansatzweise in sich trug.

Meine Konzeptionsarbeit kam nicht so richtig in Schwung. Vieles lenkte mich ab, und erzeugte flirrende Zeit ohne Kontur. Heute also ein erneuter Versuch. Habe noch Zeit genug, weil ich früh aufgestanden bin.

Stecklinge | Konzepte

Jetzt in der Morgensonne vorm Atelier, wieder in meinem Gärtchen, merke ich, wie es mir über Ostern, als ich nicht hier war, gefehlt hatte. Heute aber geht es um Hiersein um die aktuellen Projekte und somit endlich wieder um Arbeit. Nach ein paar Feiertagen stellt sich meistens ein Gefühl gewisser Leere ein.

Ein gestriger Osterspaziergang ging über die Rheininsel Knoblochsaue im Hessischen Ried. Ehemalige, später überschwemmte Ackerflächen stehen Teilweise voll mit einem dichten Weidengesträuch, das sich auf den Schwemmsandflächen ausgebreitet hat. Diese gewachsene Undurchdringlichkeit gefiele mir für die Umfriedung meines Gärtchens. Vielleicht kann ich in Pflanztöpfen Weidenstecklinge ziehen, um einen solchen lebendigen Zaun herzustellen.

In den Collagen für die Arbeitstagebücher gehen die Rasterpotraits Verbindungen mit den Verwischungen und Schwüngen der täglichen Zeichnungen ein. Die abstrakten Strukturen treffen auf die dokumentarischen. Im Zwischenraum dieser Figurationen soll die Spannung sitzen, die in dieser Form in dieser Werkreihe auftaucht.

Vor die Sonne hat sich eine Dunstschicht gesetzt, eine S-Bahn schnurrt vorbei. Heute habe ich mich Planungen, Konzepten und Anträgen zu beschäftigen. Da geh ich jetzt ran.

Gärtnern

Gestern begann ich die Pflanzen meiner vertikalen Orangerie nach draußen zu tragen. Zunächst beschäftigte ich mich mit meinem Olivenbaum, für dessen Gewicht mitsamt der vielen Erde, ich erst ein Transportsystem entwickeln musste, mit dem ich das Hinausbringen alleine schaffen konnte. Erst kommen die etwas robusteren Bäume raus, aber auch die kleinen, leichten Geranien, die ich schnell wieder rein tragen kann, falls Frost droht.

Für einige groß gewachsene Sukkulenten und den Ficus kauften wir Bottiche im Baumarkt, in denen normalerweise Sand andere Baumaterialien gemischt oder transportiert werden. Das heißt also, dass ich als nächstes größere Umpflanzaktionen machen werde. Der Ficus, der noch aus dem Heidelberger Stadttheater stammt, könnte auch mal zurück geschnitten werden.

Wie viel Freude das Gärtnern macht! Seine Ergebnisse mitten in der Betonwüste erfüllen mich mit Genugtuung. Kaum habe ich einen Tag nicht im Atelier verbracht, bekomme ich Sehsucht nach den kleinen Pflanzereien vor den Rolltoren. Die Tore kann man aber noch nicht von ihrer Winterabdichtung befreien, um sie öffnen zu können. Dafür ist es noch zu kalt in den Nächten.

Das Biografieprojekt pausiert zu Ostern. Nur die Zeichnungen und Collagen für das Arbeitstagebuch stehen auf dem Programm.

Bäume auf Beton

In meinem Gärtchen im Korbsessel streift der Ostersonntagvormittag an mir vorbei. Ostwindflugtag, Fernwehgeräusche, Eidechsenerwachen in der hohen, kräftigen Frühlingssonne. Die Glocken der vielen Kirchen rund herum vertreiben die bösen Gedanken. Nachher ein Osterspaziergang am Main.

Die große schwarze Katze ist wieder auf der Jagd. Sicherlich hat sie irgendwo zwischen den Industrieruinen ihre Höhle für die künftigen Jungen, wenn sie nicht schon da sind.

Die Gärtner, die sich um die Hochbeete des Restaurants kümmern, haben mit einen guten Kubikmeter Erde mit ihren Laster an den Bahndamm hingeschüttet. Mit der kann ich nun meinen Garten auf dem Beton etwas auffüttern und unsere Wiese, die auf dem Schotter vor sich hinkümmert kräftigen. Erde auf Beton verteilen, eine schöne Beschäftigung. Wenn die Bäumchen dann auch noch in die Ritzen vordringen und die Weiden, Birken und Ahornbäume die versiegelte Fläche aufsprengen, habe ich das erreicht, was ich erreichen wollte. Die Areale mit einer Erdschicht lassen sich auch noch erweitern.

Vorgestern beim Telefonieren, krabbelte mir eine große Eidechse über die Füße. Das war ein etwas seltsames Gefühl.

Tische wechseln

Tische wechseln, Bezugspunkte vertauschen, Bilder beschreiben, die dabei entstehen.

Ein Bändchen von Rainer Maria Rilke bekam ich mit dem Titel „Im ersten Augenblick“ geschenkt. Es sind Bildbetrachtungen. Beispielsweise sind sechs Teppiche aus dem fünfzehnten Jahrhundert beschrieben, die alle Variationen eines Themas abbilden. Eine reich gekleidete Frau hohen Ranges, flankiert von einem Einhorn, einem Löwen und mehreren kleinere Tieren befindet sich auf einer, in einem Ornamentfluidum schwebenden Insel, meistens begleitet von einer Dienerin. Sie tut verschiedene Dinge, hält in einer Szene dem Einhorn einen kleinen Spiegel vor. Dieses Motiv habe ich im Heidelberger Theater auf einen kleinen Prospekt gemalt. Es gibt noch ein Foto von mir zusammen mit diesem Dekorationsteil.

Ich sitze an dem Tisch, an dem ich derzeit die Pionierportraits zeichne, wie an einem Gedenktisch. Nachkriegsgesichter, denke ich. Sie sind mir nahe.

Der Regen ist ausgesperrt, fällt leise fast ohne Wind, was nun schon tröstlich ist nach den letzten Stürmen. Ich warte auf die Wärme, meine Pflanzen wollen grünen und fangen teilweise schon an. Hinter der Scheibe schaue ich auf mein Gärtchen, das mir Freude bereitet.

Stiller Morgen

Eine dunkle Glocke schlägt westlich in diesen Morgen, der sonnig und still ausgebreitet ist. Das Ringeltaubenpaar fällt sich gegenseitig in den Gesang, dahinter eine Stadtbahn und das Gemurmel der Stadt. Baustellen stehen still, Geschäfte sind geschlossen.

Kopfüber an der warmen Atelierwand setzt eine Spinne zum Sprung in den Birkenbaum an, dessen Knospen demnächst aufspringen werden. In gemessenem Gang streift die große schwarze Katze am Atelier vorbei. Sie ist sehr scheu, und als sie mich entdeckt, weicht sie zurück, ohne mich eine Sekunde aus ihren grünen Augen zu lassen. Dann schlägt sie einen kleinen Bogen um mein Gärtchen, um dann langsam die Wiese zu überqueren. Dort setzt sich eine Elster in ihren Weg und meckert sie aggressiv an, worauf das Tier in Bauchlage geht, den Schwanz in nervösen kleinen Bewegungen hin und her schlägt, wohl wissend, dass diese Beute direkt vor ihrer Nase, für sie unerreichbar bleibt. Die Elster fliegt auf und der lässige Patrouillengang wird fortgesetzt.

Die gestrigen Zeichnungen wurden im Gedenken an die Insassen der Jugendwerkhöfe und der Kinderheime, die die Zeit meiner Prägung begleiteten, gemacht.

Biografie, 3-d

Meine Tagebucharbeit erledigte ich am frühen Morgen, fing vor sechs damit an.

Dann Frühstück in der Frankenallee vor einem Gespräch im Architekturmuseum über das weitere Vorgehen innerhalb der Vorhaben „Biografie – ein Haus“ und „Dinge, die nicht zusammenpassen“. Noch in diesem Monat soll ein 3-d Drucker angeschafft werden. Muss mich da reinarbeiten.

Seit 1997 schon laboriere ich mit diesen skulpturalen Techniken herum. An der HfG in Offenbach noch mit den CNC – Fräsen. Der „Brasanatol“ war die erste Skulptur, in der ich Formen unterschiedlicher Kulturen, nämlich brasilianischer und anatolischer Herkunft, zusammenfügte.

Außerdem beschäftigten mich bis zum Abend die Pionierportraits. In ihrer Vereinzelung geben sie anders Auskunft über die Rolle von Individuum und Gruppe in dieser Zeit. Eine Bleistiftzeichnung eines Mädchenkopfes will ich mit Schelllack komplettieren. Während der Arbeit hörte ich die Beatles, den Sound der Sechzigerjahre. Zwischendrin spielte ich manchmal mit meiner Gitarre mit.

Am Abend eine schreckliche Ausstellung in der Schirn. Künstler als Propheten… So etwas gehört in ein Historisches Museum, abgespeckt und gründlich aufgearbeitet, mit weniger Bildbeispielen, damit es einem nicht so schlecht wird.