Griffbereit

Nach den Buchmalereien am Morgen, fiel mir mein Olivenbaum in die Augen. Vor ein paar Tagen schob ich ihn, wegen des starken Frostes, mitsamt seinem Bottich auf einem Wagen ins Atelier neben den Zeichentisch, wo er nun das flache, kalte Morgenlicht filtert. Schon länger hatte ich mir vorgenommen, sein dichtes Geäst, etwas zu lichten. Mit der griffbereiten Gartenschere (alles liegt irgendwie griffbereit herum!) schnitt ich also die meisten Äste, die nach innen zum Stamm hin in die Baumkrone wachsen, heraus und legte sie in einen Weidenkorb. Es fiel mir schwer, die schönen Ruten gleich wegzuwerfen – vielleicht kann ich mit ihnen, wenn sie griffbereit bleiben, noch etwas anstellen.

Die Fertigstellung des vierten Reliefs gestern, war doch mit etwas mehr Mühe und Konzentration verbunden, als ich mir das vorgestellt hatte. Den Formenguss, werde ich vielleicht heute machen. Wenn ich mir den ganzen Nachmittag dafür nehme, kann ich das in Ruhe angehen. Die Qualität der Form ist, nach dem Modellieren, das Wichtigste.

Während des Schreibens, vervollständige ich noch manchmal die Buchmalereien, weil ich sie währenddessen in stetiger Beobachtung habe. Das tat ich auch an diesem Morgen und meine, dass sie besonders gelungen sind. Nun ist die Frage, wie lange dieses Urteil hält.

Küche | Roman | Geometrie

Der Zeichentisch muss aufgeräumt werden, damit ich auch an Rolle 6 weiter arbeiten kann. Sie ist als dritte Ebene, neben den Reliefs und den Buchmalereien, wichtig.

In die Buchmalereien zieht langsam etwas Geometrie ein. Geraden werden von Bögen begrenzt und bilden mit ihnen Flächen. Die linearen Strukturen stehen in Spannung zu den weichen Verwischungen und Handballenabdrücken.

Heute erscheint „Leinsee“, der Roman meiner Tochter beim Diogenes Verlag. Großer Tag! Ich drücke die Daumen!

Ein Transporttag gestern. Eine Überzählige, sehr schöne Küche habe ich in Hamm für mein Atelier abgeholt. Nun steht sie erstmal hier im Raum. In den nächsten Tagen habe ich nun die alte Küche abzuräumen und die neue einzubauen.

Vorher aber will ich das vierte Relief des Doppelportraits fertig modellieren und abgießen. Das ist nun hoffentlich nicht mehr so viel Arbeit.

Bogenflächen | Gelber Hai

Der „Gelbe Hai“ von Frank Zappa, aufgeführt 1992 vom Ensemble Modern in der Alten Oper, entführt mich manchmal in ein etwas anderes American Songbook. Manchmal klingt das nach „Westsidestory“ oder nach Gershwin, manchmal aber auch nach Schönberg mit einer gefährlich – kräftigen Prise Humor.

Aus den fragmentierten Gravitationsschwüngen in den Buchmalereien treten neue Figurationen hervor. Dabei handelt es sich um Flächen, die aus Bögen mit Sehnen entstehen. Vorgestern entstand ein solches Motiv erstmalig. Gestern und heute habe ich die Reihenfolge der Arbeitsgänge, die dorthin führen, beibehalten: Gravitationsschwünge, Linien zwischen den Kreuzungspunkten, Verwischungen, nachzeichnen von Bogenfragmenten und Verbindungslinien, Farbflächen schraffieren und erneutes Verwischen.

Zu Hause tauche ich manchmal in den Kosmos des Hinduismus ein. Das faszinierende Geflecht aus Kasten, Lebenskreisläufen und Göttern, erklärt mir manche Verhaltensweise der Inder, die wir auf unseren Reisen erlebten und erhält oder steigert meine Neugier.

Am Nachmittag werde ich wieder am vierten Relief des Väterdoppelportraits modellieren.

Winterfeuer

Nun beginnt der Wannsee, unweit des Grabes von Kleist und Henriette Vogel, zuzufrieren. Ein Foto davon befindet sich in meinem Telefon. Das korrespondiert mit dem „Mönch am Meer“ von Caspar David Friedrich.

Viele Stunden modellierte ich gestern am vierten Relief des großen Väterportraits. Entsprechend bin ich so weit gekommen, dass ich nun grob überschauen kann, wie lange das noch dauern wird. Weil ich mich aber nicht hetzen will, zähle ich nicht die Stunden und die Scherben und die Splitter, die ich während dieser Zeit modellierte.

Größeres Augenmerk liegt auf den Buchmalereien. Sie spiegeln manchmal die Schnittmuster, aus denen die Müttermäntel entstehen. Immer öfter habe ich die Schnitte vor mir, wie sie als Brokatornamente gerahmt und nicht zusammengenäht sind. Die Malereien sind ein Befreiungskampf um meine Erinnerungen.

Heute kommen Franz und Niklas an mein Winterfeuer, in dem ich den ganzen Gartenschnitt und auch das überzählige Holz des Geländes verbrenne. Ich habe etwas Wein gekauft und hoffe, dass jemand Kartoffeln mitbringt.

Nachlass

Ein Foto des Grabes von Heinrich von Kleist und Henriette Vogel bekam ich auf mein Telefon geschickt. Blicke über den winterlichen Wannsee mit seinen vertäuten Ausflugsdampfern, den Struwelpeterbäumen an seinen Ufern und den Wasserkreisen, die die Blesshühner hinterlassen.

Die tiefe Wintersonne lässt mich im Hemd am Zeichentisch sitzen. Eine Fahrt nach Thüringen gestern zu meinen Eltern. Ich erklärte ihnen, woraus nun mein Mütterprojekt entsteht, erzählte von meinen Erinnerungen an die Marienfigur in Gerode, ihrer Verwandtschaft mit den Mantelmadonnen und von dem Pappelklotz, der nun eine Mantelskulptur werden soll.

Ein anderes Thema war der Nachlass von Armin Müller. Wir wissen nicht, wer sich darum kümmert. Ich meine, dass er mit den Malereien zusammen in ein Archiv gehört. Irgendwann wird sich jemand für die Arbeit dieser Generation mit ihren besonderen Bedingungen und Herkünften interessieren. Dann wäre die Zugänglichkeit wünschenswert.

Das Modellieren ist wie eine alltägliche Verrichtung, die zum Tagesablauf dazugehört.

Schlaf kennt keine Einsamkeit

Schlaf kennt keine Einsamkeit. Er ist bevölkert. Seine Figuren reden über meine Erlebnisse und collagieren sie zu neuen Konstellationen. Man müsste sich all ihre Worte merken, zumal ich ja zwischen ihnen bin.

Gestern modellierte ich noch eine Weile. Die Splitter, aus denen die Scherben bestehen, die zusammengesetzt das Rasterbild des Doppelportraits des Großvaters und Vaters ergeben, sind teilweise winzig.

Die Buchmalereien werden immer größer. Bald passt kein Text mehr dazwischen. Aber dann soll das so sein.

Unsichtbar

Andreas Kriegenburg schreibt in dem Text „An einen Schauspieler, Kleist probend“, im Programmheft zu „Amphitryon“, über die Figuren der Stücke, als autonome Splitter des Unbewussten. Es sei so, als würde Kleist unsichtbar zwischen seinen Figuren umherwandern, um nur aufzuschreiben, was sie sagen. Diese wunderbare Umschreibung einer Arbeitsweise, korrespondiert mit den Choreografien von Bill Forsythe an der Stelle, wo standardisierte Ballett Trainingssequenzen, die abwesend bleiben, auf der Bühne umtanzt werden. Die nicht sichtbare Präsenz dient hier schöpferischen Prozessen aus verschiedenen Perspektiven. Einerseits gibt es Figurenkonstellationen mit ihrem Eigenleben in den Kleiststücken, andererseits die traditionellen Tanzfiguren, die in jeder Trainingssequenz wiederholt werden und zum Grundvokabular einer Company gehören. Beide Ausgangspunkte der Arbeit der darstellenden Kunst, führen zu besonderem Bühnengeschehen.

Mich beschäftigt dieser Ansatz, weil ich stetig mit dem Verschwinden und neuerlichem Umschreiben, dem Verwischen, Zersplittern, neuem Zusammensetzen und der Schaffung von erweitertem Raum, beschäftigt bin.

Gleichzeitig scheint mir diese Arbeitsweise Fenster in die Zeit zurück und nach vorne zu schneiden, die die Dimension, in denen Bilder geschaffen werden, erweitern können.

Ansteckend

Der Kreativitätsschub meiner Kunstschüler sollte mich eigentlich anstecken. Dafür sind sie da!

Paulo hat eine Lehrstelle in Aussicht und meinte, dass er seine handwerkliche Grundausbildung bei mir bekommen hat. Das macht mich froh, denn seine Aussichten waren wirklich düster. Am Schluss standen sie geschnürt und gestiefelt in der Ateliertür und wollten einfach nicht losgehen, erzählten und erzählten.

Aus den Geflechten der Gravitationsschwünge haben sich neue Spannungen ergeben. Es entstehen zeltartige Räume mit mehreren Kuppeln. In den Zirkusmanegen darunter finden gleichzeitig mehrere Szenen statt, die in unterschiedlichen Zeiten aber an einer Stelle stattfanden und stattfinden werden. Diese Gleichzeitigkeit ist Thema der Inszenierung, wie in den Malereien der Höhlen von Ajanta.

Ich lese in der Kleistbiografie von Peter Michalzik. Sie macht mir den jungen Mann sehr lebendig. Seinen lebenslangen Konflikt mit seiner Familie, wegen der Entscheidung, das Militär zu verlassen, lese ich wie eine meiner Geschichten.

Gestern habe ich überraschend zeitig begonnen, das vierte Relief zu modellieren. Also haben mich die Schüler doch angesteckt.

Schnee

Wieder habe ich die Vornamen der Großmütter verwischt, sie unkenntlich gemacht.

An beiden Beerdigungen konnte ich nicht Teilnehmen, denn ich war jeweils auf der falschen Seite der Mauer. Beim Tod von Gertrud in Westberlin, war ich noch im Osten. Nach meiner Ausreise in den Westen starb Erna in Weimar. Wieder durfte ich die Grenze, diesmal in die andere Richtung, nicht passieren.

Aus den Stasiakten, die ich bekommen habe, geht hervor, dass ich auch noch im Westen Gegenstand der Observation war.

Gestern überarbeitete ich einen Teil der Vorzeichnung für das vierte Relief. Wenn ich heute damit fertig werde, kann ich morgen mit dem Modellieren beginnen.

Heute kommen aber die Kunstschüler. Weiß nicht, wie produktiv ich sein kann, ob mir genügend Konzentration bleibt.

Es schneit!

Schneiderei

Die Finsternis der Großmütter vergegenwärtigt sich für mich nun in den Buchmalereien. Namenszüge werden verwischt und der Klang der Stimmen kommt von Ferne her, wenn meine Mutter, geschwächt und zurückgeworfen, in einer anderen Sprachzeit spricht. Es entstehen Durchblicke in die Vergangenheit. Rückfälle in Tonfälle schlesischer Flüchtlinge, kraftlose Echos alter Sprachdisziplin.

Im besten Fall findet sich ein solcher Anklang in meinen düsteren Mänteln, den Hüllen, in denen ich Schutz suchte, aber nicht fand.

Indem ich gestern am Väterportrait weiter arbeitete, die Vorzeichnung für das vierte Relief anfertigte, bereite ich gleichzeitig das skulpturale Vorhaben des großen Müttermantels vor. Schnittmuster aus den Gravitationsschwüngen der Zersplitterung des Doppelportraits, sind nicht nur die Voraussetzungen für die Mäntel, die daraus „geschneidert“ werden können, sondern bilden auch eigenständige, zweidimensionale Bildkompositionen.

Die etwas lapidare Vorzeichnung für das neue Relief kann ich nun in der verbleibenden Woche exakter fassen, Anschlüsse an die Nachbarformate so zeichnen, dass die Schwünge der Gravitationslinien, die zu den sechshundert Scherben führten, die wiederum zersplittert und letztlich zusammengesetzt das Doppelportrait bilden, von Format zu Format bruchlos ineinander übergehen.

Ruhiges Arbeiten, dazwischen vielleicht ein paar spielerische Experimente auf Rolle 6.

Vornamen

Die Vornamen meiner Großmütter waren für mich, genau wie die Vornamen meiner Eltern, nicht in Gebrauch. Ich hörte höchst selten, dass jemand zur Mutter meiner Mutter Erna sagte. Auch den Namen meiner anderen Großmutter, Gertrud, sagte keiner. Die Ehemänner waren tot, abgehauen oder geschieden. Großväter bleiben also nebulös und ihre Namen weit entfernt: Paul, Oskar … Die alten Kriegersäulenmütter standen in einem neutralen Raum, in unförmigen Mänteln. Am liebsten hätte ich sie in der dritten Person angesprochen, so fremd waren sie mir. Dennoch scheint ihr Einfluss auf mein Leben weit zu reichen.

Das Haus, in das wir uns in der Pfalz ab und zu einmieten, ist von einer Karolina gebaut worden, die Schneiderin war und allein stehend, wie die Mutter meiner Mutter. Erna flüchtete hochschwanger mit den zwei Töchtern, gebar einen Sohn, der als Offizier der Nationalen Volksarmee der DDR keine vierzig Jahre alt geworden ist. Strahlende Fernmeldetechnik, Krebs und schneller Tod. Seiner freiwilligen Verpflichtung, als vaterloser Sechzehnjähriger zum Zeitsoldaten, stellte sich niemand aus der Familie in den Weg. Mit etwas Nachdruck hätte man das rückgängig machen können.

Die Linien des vierten Reliefs zeichnete ich gestern auf eine Folie und richtete die Projektion ein, um die Vorzeichnung auf eine passende glatt gespachtelte Platte zu bringen. Abstand, Winkel und Größe stimmten, bevor ich die Projektionslampe einschaltete. Es gibt keine Markierungen für die Staffelei, auf der die Grundfläche für das Relief steht oder den Projektor. Nur Intuition und Routine.

Müttermäntel | Leinsee | Kleist

Die ersten zwei Müttermäntel sind am Wochenende entstanden. Es sind Hülsen von Körperhaltungen der fehlenden Figuren. Eine schreitende, nach vorne gelehnt, wie gegen einen Wind angehende Hülle, deren Trägerin unter der Tarnkappe verschwunden, das Kleidungsstück immer noch bewegt.

Im Schauspiel sahen wir „Amphitryon“ in einer Inszenierung von Kriegenburg. Unser gemeinsamer Spruch von 1991: „Einer ist immer der Loser“. Wir haben die Kleistbiografie von Peter Michalzik, der so begeistert von dieser Inszenierung war, gekauft. Ein junger Schauspieler, der im Zuschauerraum neben mir saß, meinte, man müsse das Stück zweimal sehen. Vielleicht hat er recht. Aber beim ersten Sehen fand ich es auch schon sehr schön.

Im Museum für Moderne Kunst sahen wir „Im a Problem“, eine Zusammenstellung aus der Sammlung des Museums von Ersan Mondtag. Die Werke dienen der Illustration einer vagen, etwas dünnen Idee. Dafür sind die Arbeiten aber nicht da! Das ist eine ärgerliche Tendenz, die nun schon ziemlich lange anhält.

Zu meiner Tochter Annes Roman „Leinsee“ ist eine erste Kritik in der Buchmessen Sonderausgabe eines Interviewmagazins erschienen. Sie ist freundlich und stellt das Debüt als freudiges Ereignis dar! So

Schnittmuster

Spielerisch und „rückschaufällig“ spielte ich gestern mit der Transparentpapierrolle, auf der ich zuletzt am 04.08. 2017 zeichnete. Oben habe ich einen Teil in die fortlaufende Collage eingefügt. Die Form entwickelte sich aus einem durchgezeichneten Teilstück des letzten Reliefentwurfes.

Dieser Wiedereintritt in diese Arbeit an der Transparentpapierrolle lockert alles andere ein wenig  auf, denn diese Disziplin mit der ich am Väterdoppelportrait bin, kann auch leicht zu einer Form von Erstarrung führen, die eine Weiterentwicklung des Projektes behindert.

Nachdem ich den ersten Abguss des dritten Teilreliefs problemlos aus der flachen Form lösen konnte, füllte ich sie erneut, aber diesmal nur teilweise. Die Gravitationsschwünge bieten Schnittmustervarianten für Mäntel oder Umhänge, wie ich sie mir für das Mütterprojekt vorstelle. Wenn ich also einen Bogen nehme und ihn als unteren Saum betrachte, ergeben sich die anderen Formen des Mantels aus den Teilen, die sich oberhalb dieses Schwungs befinden. Dieser Teilabguss ist gerade dabei zu trocknen. Danach kann ich mit dem neuen Experiment beginnen. Zunächst will ich das gegossene Pappmache wieder ein wenig anfeuchten, um es gut biegen und in eine Form bringen zu können, in der es dann wieder trocknet. In dieser Weise können verschiedene Varianten entstehen, die Vorarbeiten sind, für die große Bildhauerei eines Schutzmantels aus dem Stück Pappelstamm, das mir in den Garten gefallen ist.

Diszipliniert

Vom dritten Relief ist ein erstes Exemplar gegossen. Es trocknet nun und war meine gestrige Nachmittagsarbeit. Ich machte das sehr ruhig, versuchte mit viel Sorgfalt vorzugehen.

Nun will ich mich auf das vierte Relief der aus 16 Teilen bestehenden Gesamtarbeit konzentrieren, um nach dem vielen Reisen auch mal wieder ein Land innerhalb meiner Projekte zu sehen.

Morgen findet ein Treffen statt, um das Commerzbank Tower Projekt weiter zu entwickeln. Vielleicht stellen wir es auf neue Beine und binden es stärker an den Lehrplan der Schule an.

Manches diszipliniert sich auf eine entspannte Weise. Auch die Buchmalereien heute erscheinen weniger aufgeregt, als die der vorigen Tage. Es ist als wäre die Suche nach der Überarbeitung der Schwünge einen entscheidenden Schritt weiter gekommen. Die Flächen, die sich zwischen ihnen entwickelt haben, schieben sich weiter in den Vordergrund.

Heute ist Ateliernachmittag für meine Schüler. Der Vormittag ist wieder von dem Lichtspiel der kalten Sonne durchschienen. In meinen Ohren schwingt leise Jazz von 1959.

Paralellität

Die dritte Form des Väterreliefs ist mit Schelllack abgesperrt, damit sich das Abformmaterial gut herauslösen lässt. Im Idealfall fällt es nach dem Trocknen von selbst heraus. Die Flächen, die sich zwischen den Schwüngen in den aufwendigen Arbeitsgängen gebildet haben, weisen eine Parallelität mit den Gebilden auf, die sich zwischen den Schnittpunkten der gezeichneten Rohrgeflechtbögen entspannen.

Die Verbindung der Frottage eines kleinen Teils der Form mit der Arbeitsweise der derzeitigen Buchmalereien fügt diese beiden Gestaltungswege zusammen. Das Material, das in die Bücher eingefügt wird, findet irgendwann, verändert, seinen Weg auch wieder heraus. Vielleicht dann auf die Transparentpapierrolle, an der ich schon seit Monaten nicht mehr weiter gearbeitet habe.

Bei einem Bier in einem neuen Lokal in unserer Nähe traf ich einen Amerikaner aus Seattle, mit dem ich über Vancouver Island, die regenreichen Coastmountains und die wilde Pazifikküste sprach.

Weil ich mich nicht an das Jahr erinnere, in dem wir unsere Kanadareise unternahmen, blätterte ich suchend in den etwa fünfzehn Jahre alten Tagebüchern herum. Dort fielen mit die Miniaturen auf, die ich damals zeichnete. Das sind Figurengruppen, die Geschichten erzählten, eigenartige Phantasiewesen in abstrakten fremden Umgebungen.

Licht aus Osten

Das Licht, das heute Morgen aus Osten kommt, bildet keine scharfkantigen Schatten. Hochnebelschichten verteilen es diffus.

Beim Scannen der Buchmalereien, die ich während der letzten Indienreise im vergangenen Monat gemacht habe, tauchen in meiner Erinnerung die Orte auf, an denen die Tische standen, auf denen ich arbeitete: Hotelzimmer, Terrassen, Gärten, Bungalows und Restaurants mit durchlässigen Wänden, unter großen Ventilatoren.

Oft waren die Landschaften, die mich umgaben so spektakulär, dass sie sich such bei den Beschreibungen in den Vordergrund schoben. Früher hätte ich sie aquarelliert. Nun aber vermitteln sich die Eindrücke der Farben, Linien und Volumen indirekt. Sie folgen den inneren Strukturen meines Arbeitens, gehen Verbindungen mit den analytischen Bewegungen der Schwünge, Flächen und Farben ein.

Gestern schickte mir meine Tochter einen Text über unsere Ausreise aus der DDR, der mich sehr angerührt hat. Dazu eine Bildersammlung der Mütter der Familie. Beim Stöbern in den eigenen Fotos stieß ich auf den Teil der Stasiakte, der mir aus der Zeit in Dresden geschickt worden ist. Es fehlen aber noch wesentliche Teile aus Thüringen.

Die Mauer ist die architektonische Verkörperung dessen, was mich in meiner Jugend am meisten geprägt hat.

Sonnenaufgang

Atelier.

Sonnenaufgang.

Lichtflut.

Ein paar Wolken aus Südosten schieben Lichtstimmungen auf meine große gespannte Leinwand, führen dort ein eigenes Stück auf. auch in den Buchmalereien gibt es einen Widerschein dessen. Die App „Windy“ sagt, dass sich die Wolken zurückziehen werden.

Sehr deutlich heben sich die Malereien ab, die ich in den drei Tagen in Mumbai gemacht habe. Der Winter hier erscheint nach einem Monat indischem Sommer abwegig. Gestern deckte ich die noch nicht erfrorenen Blätter der grünenden Kapuzinerkresse mit Reisig ab, weil die vergangene Nacht frostig war. Vielleicht haben sie überlebt.

Die Buchmalereien haben mich während der Reise bei der Arbeit gehalten und führen mich jetzt wieder in den normalen Atelierrhythmus. Sie werden immer wichtiger.

Mäntelchen

Gerade drückte ich eine vorher platt gedrückte Fläche Plastilin auf ein Areal der neuen Form und schlug es danach zu einem Mantel in der Art zusammen, dass die abgeformte Seite, die das Muster des Reliefs aufnahm, nach innen gekehrt ist. So entstand nun die erste Form für einen Mantel des Mütterprojektes. Ein Mäntelchen!

Die Gipsplatte ist nun zwei Tage auf der Heizung getrocknet und könnte, falls notwendig, ab sofort nachgearbeitet werden.

Plachanderjette – der erinnerte Begriff führte mich einerseits zu einem deutsch – ungarischen Wörterbuch und andererseits in den Roman „Kindheitsmuster“ von Christa Wolf.

Mein neues Hören mit den bluetoothfähigen Geräten scheint Hirnareale neu zu stimulieren. Die Erinnerung entdeckt neue Räume. Ich habe auch weniger Schwierigkeiten Sachverhalte zu formulieren oder Adjektive zu finden. Das ist ein stark emotionales Erlebnis mit meiner eigenen Sprache. Es geht nicht schnell, sonder formiert sich schleichend. Aber der Prozess macht mir Spaß.

Nachmittags räumte ich das Atelier weiter auf, schaffte Platz und einen anderen Überblick.

Fenster

Schon vor etwa zwei Jahren habe ich damit begonnen, Müttermotive zu zeichnen. Nun hat die Arbeit eine weitere persönliche Dimension, weil es eine weitere Mutter in der Familie gibt, nämlich die meines Enkels. Es gibt also meine Großmütter, die ich kannte, meine Mutter, die Mutter meiner Tochter, meine Tochter als Mutter.

Die Erinnerung geht in die Achtzigerjahre zurück, in denen ich mit matriachalen Gesellschaften auseinandergesetzt habe. Noch die Beschäftigung mit Medea in Brasilien in den Neunzigern ging auf diese Arbeit zurück.

Das Mütterprojekt geht jetzt mit den Vätersplittern zusammen. Fluides Material trifft auf kristallines, Gravitationsschwünge und Bambusgeflecht auf Scherben und ihre Splitter.

In den täglichen Buchmalereien entstehen Kuben aus den Schnittpunkten der kreisenden Linien. Diese Flächen werden in den Collagen zu Fenstern innerhalb der geschlossenen Blätter für den Blick zurück.

Formbau

Die Form ist gegossen und trocknete über 24 Stunden schon. Sie ist etwas flacher als die vorigen, aber kompakter und schöner. Am Nachmittag drehte ich das Ganze auf seinen Rücken, löste das Reliefbrett und den Ton heraus, reinigte die Vertiefungen und legte die Gipsplatte hohl. Nun kann sie noch besser und schneller trocknen.

Die Arbeit ist heute in weiten Teilen durch andere Notwendigkeiten unterbrochen gewesen.

Buchmalereien am Morgen – schnell und ruhig zugleich. Den Linienschwüngen begegnen kubische Kontraste. Die Schnittpunkte der Gravitationsschwünge, die eigentlich Rohrgeflechte sind, werden die Eckpunkte der Flächen, die durch ihre Verbindungslinien entstehen.

Die Farben sind licht und gar nicht winterlich.

Verschiedene Intensitäten

Das Relief ist nun fertig modelliert. Die Anzahl von Splittern, aus denen es besteht ist schwer abzuschätzen, denn die etwa 35 Scherben sind noch einmal zerkleinert worden in vielleicht jeweils etwa 35 Teile. Heute werde ich die dritte Reliefform gießen.

Etwas zusätzliche Kraft verlangten mir die Zweifel ab, die zwischendrin auftraten. Gleichzeitig erfüllen mich aber die vielen Tausend Volumina, die ich modelliert habe und nun noch vervielfältigen werde mit Genugtuung.

Niki Stein, dessen Tatort über die AFD gestern in der ARD lief, erzählte ich von meinem Väter-Mütter-Projekt. Und es schloss sich ein längeres Gespräch über dieses Thema an. Manchmal nutze ich Gelegenheiten, mir etwas Feedback für meine Ideen abzuholen.

Öfter komme ich zurück auf die Schauspielkunst von Jana Schulz. Besonders ihre Rollengestaltung in „Kampf des Negers und der Hunde“ beeindruckte mich nachhaltig. Ich versuche hinter die Intensität ihrer Arbeitsweise zu kommen, die ich mit der von Bill Forsythe vergleiche.

Die Paletten der drei täglichen Buchmalereien ändern sich von Tag zu Tag. Diese Arbeit geht schnell und konzentriert vonstatten. Mich erfüllt diese Arbeit mit der Spannung, die ich für den Tag benötige.

Zurückblättern

An diesem Morgen komme ich nicht so gut in eine Konzentration. Seit ich gestern mit dem dritten Relief fast fertig geworden bin, ist etwas Spannung von mir abgefallen.

Die siebenmal versiegelten Bücher meiner drahtlosen Verbindungen mit ihren Pass-, Pin-, und Zugangsnummern machen mich manchmal etwas nervös. Ich komme mir vor, wie in einem undurchdringlichen Dickicht, lediglich mit einer Gartenschere ausgestattet.

Es tut mir meistens gut, die alten Buchmalereien anzuschauen, oder in die Jahre zurückzublättern, als sie noch Figurenzeichnungen waren. Und wenn ich sorgfältig Beobachtetes aufgeschrieben habe, macht es auch Spaß, in den dazugehörigen Texten zu lesen.

Heute werde ich das Relief fertig modellieren. Und dann, wenn die Form gebaut ist, habe ich endlich Zeit für andere Dinge.

Komponenten

Ein Treffen mit den Kunstschülern heute. Wir werden uns den nächsten Panoramastreifen vornehmen. Dann kann ich am dritten Relief weiter modellieren, dessen schwierigste Partie gestern Abend geschafft war. Noch ein konzentrierter Arbeitstag dafür, dann bin ich fertig mit diesem Teil.

Vor einem Jahr neigte sich die Arbeit in Kayos Kaschemme ihrem Ende entgegen. Parallel dazu entstanden die 600 Blätter zum Scherbengericht. Die Arbeitsweisen an den Projekten liegen meilenweit voneinander entfernt.

Gleichzeitig entdecke ich eine sorgfältige Beschreibung der Arbeitsgänge im Arbeitstagebuch dieser Zeit. Der Gravitationsmikrokosmos der Buchmalereien entfaltet noch einmal eine andere Arbeitsebene, wieder sehr verschieden vom Rest.

Das Zusammenspiel der Komponenten aber führt zu der Dynamik, die meinen Arbeitsprozess ausmacht.

Unnötig

Es hat sich ein unnötiger Produktionsdruck aufgebaut. Aber der Gedanke, der sich einschlich war, dass ich vielleicht für das ganze Väter-Mütter-Projekt nicht genügend Kraft aufbringen kann.

Die sich automatisch stapelnde Belastung führt aber auch zu einer anderen, weiterführenden Intensität. Wo geht das noch hin!

Manchmal füge ich jetzt in die Buchmalereien Frottagen ein, die ich von den Reliefformen abnehme. Das ist eine ruppige Angelegenheit und vergrößert die Formate. Dadurch ist weniger Platz für Text, denn pro Tag stehen nur zwei Seiten zur Verfügung. Das ist nun schon seit siebzehn Jahren so.

Mit Niklas muss ich den zweiten Stamm unter das Dach wuchten, damit er trocknen kann. Aber vielleicht spült das viele Wasser, das derzeit herunter kommt, das Harz etwas raus. Danach kann der Klotz dann umso schneller trocknen und leichter werden.

Ich modellierte gestern wieder bis in den späteren Abend. Es geht nur langsam voran. Wenn die Konzentration nachlässt, muss ich aufhören, um keine Fehler zu machen. Manchmal geht es einfach um Präzision.

Oskar

Lange modellierte ich gestern. Mit etwas Geduld und Konzentration werde ich das Relief in dieser Woche fertig bekommen. Dann der Formenbau und dann ist Weihnachten.

In der Nacht dachte ich an die nächste Ausstellung im Architekturmuseum. Ich stelle mir einen Transparentpapierstreifen als Rundpanorama vor. Auf dem kleben Schichten von Bleistiftzeichnungen, Frottagen, Pflanzenresten, Schlelllackseen, Tuscheverläufen und Horizonten mit den Landmarken übereinander.

Das, was wir in der vergangenen Woche gemacht haben, bildet eine Vorlag dafür. Da drinnen ist nun genügend Platz für die Inspirationen der Kinder.

In der Mitte, auf Postamenten stehen Abgüsse von Hochhausentwürfen mit dem Namen „Oskar“. Der Name kommt von den Reliefs, die ich derzeit modelliere, den beide Väter trugen diesen Namen. Durch ein besonderes Abgussverfahren werden die Abformungen die Oberflächen der Außenfassaden bilden. Das ist der Stand der Überlegungen heute. Das wird sich aber noch weiter verändern.

Familiengeschichten

Weitere Theaterabende am Wochenende. Arthur Miller und Woody Allen, Familien und Paargeschichten aus den USA, Premierenfreiern und viele Gespräche mit Bekannten und Freunden.

Gestern dann eine Ausstellungseröffnung in der Idsteiner Str. und ein Tag der offenen Tür in den Ateliers dort. Franz war dabei, und wir trafen Barbara und Roland. Danach stapften wir durch den Schnee ins Atelier, zeichneten und malten etwa zwei Stunden.

Ich lese weiter im Roman „Leinsee“ von Anne, meiner Tochter – bin im letzten Drittel. Vieles kommt mir bekannt vor. Ich ordne die Beschreibung der Geschehnisse und Figuren in das Raster der Ereignisse, an die ich mich erinnere.

Die ersten Geschichten, die uns über uns einfallen, sind Familiengeschichten. Ich mache mein Väterprojekt, Anne schreibt etwas Ähnliches. Somit verbinden die Beschäftigungen mit den Familienstoffen verschiedene Ebenen. Die Emotionalität färbt die Schreibweise erheblich. Ich könnte das mit meinen Buchmalereien vergleichen. Das Relief allerdings und das damit verbundene Scherbengericht, abstrahiert die Geschichte mehr. Ich vergleiche die Arbeitsweisen nur, weil sie zeitlich aufeinander treffen und sich thematisch ergänzen.

Ich bin überhaupt kein neutraler Leser.

Jana Schulz

In der Regie von Roger Vontobel sahen wir das Stück „Kampf des Negers und der Hunde“ von Koltes, in der vierten Reihe der Kammerspiele des Schauspiels Frankfurt. Die Präsenz der Abwesenheit von Kontaktaufnahme der Schauspielerin Jana Schulz, in ihrer Rolle des Afrikaners Alboury, war für mich manchmal schwer zu ertragen. Ich erinnerte mich an das Schweigen und steinerne Blicke an mir vorbei, als Bestrafung. Eine Waffe im Kampf, Hände nach innen gekehrt, Gesicht weiß mit Mehl verdeckt und starr, abgewandter Kopf und eine Körperhaltung, die nur sagt: bis hierher und keinen Schritt weiter! Verweigerung bis zum beidseitigen Schmerz. Das Publikum: Kolonisatoren!

Eine große Schauspielerin.

Gestern arbeitete ich mit neuen Schülern. Es ist ein langer collagierter Bildstreifen auf einer Transparentpapierrolle zum Thema Landmarken entstanden. Wir gingen von Fotos der Stadt aus, die ich von Commerzbanktower aus gemacht habe und verloren uns dann in den zeichnerischen Phantasien der Kinder.

Landmarken ihrer Erinnerung: Tiere, Fahrzeuge, Blicke in Landschaften aus Beton.

Am Abend fand ich eine Stunde Zeit zum Modellieren einer Scherbe mit achtunddreißig Splittern. Noch zehn fehlen, dann kommt die nächste.

Ablenkungen

Ich komme kaum zu meiner Arbeit. Notwendige Einkäufe, heute ein Workshop, gestern modellierte ich lediglich eine Stunde an dem Relief, das ich noch in diesem Jahr fertig machen wollte.

An den kommenden 4 Abenden gehen wir ins Theater. Eine zufällige Zusammenballung.

Nun habe ich einen Termin für den Besuch des Commerzbanktowers, mit meinen Workshopteilnehmern, zwischen Weihnachten und Neujahr. Wir werden dazu kommen, die Horizonte zu fotografieren, wenn kein Nebel ist oder die oberen Etagen einfach in den Wolken verschwinden, wie das öfter im Winter der Fall ist.

Heute machen wir Frottagen, Collagen aus Schelllack-Tusche-Verläufen auf Transparentpapier und können getrocknetes Pflanzenmaterial zeichnen oder in Schellack einschließen.

Familienmaterial

Zurück aus Berlin, stellen sich die alten Muster wieder auf. Ich beschäftigte mich mit den Splittern und Scherben des Väterportraits. Das ist eine Vorbereitung des Madonnenmantels, der für das Mütterprojekt steht. Der Übergang zwischen beiden Schwerpunkten besteht jetzt aus der Zusammensetzung von Buchmalereien mit dem Titel „Schönschrift und Gewalt, den Splittern, an denen ich gegenwärtig arbeite und der Mantelform der Schutzmadonna.

Ein paar Erfahrungen gibt es schon mit den Collagen, die ich vor etwa zwei Jahren, im Frühsommer 2016, angefertigt habe.

Eine erweiterte Auseinandersetzung mit diesen Fragen kommt nun auch mit dem Roman „Leinsee“ meiner Tochter, der bei Diogenes erscheint, auf den Tisch. Eine Generationengeschichte, in der ich einige Motive und Sujets entdecke, die mir bekannt zu sein scheinen. Ich lese das sehr gerne, wie auf der Rückfahrt von Berlin nach Frankfurt und freue mich darauf, bald wieder Zeit dafür zu haben. Dieselbe Strecke, ab Berlin, fährt am Anfang der Geschichte auch Karl, der Protagonist des Romans.

Immer mal werfe ich einen Blick auf den Holzklotz, der im Durchgang zu unserem Platz liegt. Vor meinen Augen entsteht eine Figur, die in ihrer Farbigkeit an bemalte mittelalterliche Schnitzerei erinnert. Es war eine kraftraubende Aktion, das schwere Holz, vielleicht eine gute halbe Tonne, an den Platz zu bewegen, wo es nun liegt. Ein Stammabschnitt, der von Niklas Klotz, liegt noch auf dem Hof.

Pappel | Mütter

Für das Relief modellierte ich ein paar zersplitterte Scherben. In diesem Monat möchte ich dieses Exemplar noch fertig machen und eine Form bauen. Die restlichen dreizehn Platten hebe ich mir für das kommende Jahr auf.

Auf dem Platz vor dem Atelier dröhnen Maschinen, mit denen unsere große Pappel geschreddert wird. Ich habe die Arbeiter gebeten, mir ein Dreimeterstück vom unteren Stamm für meine Mantelmadonna zu geben. Ich möchte das Holz in Ruhe trocknen lassen und mich dann nicht unter zu viel Druck setzen, möchte die Arbeit in Ruhe angehen. Ganz sicher wird sich mein Zugriff auf das Thema in dieser Zeit auch noch verändern.

Gestern besuchte mich Klotz kurz. Er interessiert sich auch für ein Stück Holz von dem Stamm, der gerade gefällt wird. Ich erzählte ihm von meiner Skulpturidee. Heute eröffnet die Künstler in der Idsteiner Straße eine Ausstellung zum Thema Madonnen. Vielleicht sollte ich lieber dort hin gehen, als in die Premiere heute im Bockenheimer Depot.

Der Mantel der Figur könnte von einem Ornament geschmückt sein, das dem Väterprojekt entlehnt ist. Jetzt schon wäre es möglich mit Plastilin die Linien von den Reliefformen abzunehmen, wie einen Mantel zusammenzuschlagen und auszugießen. Das wäre die Vorbereitung des Mütterprojektes.

Holz | Mantel

Im Zusammenhang mit der morgigen Schlachtung der großen Nachbarpappel, gingen mir Schutzmantelmadonnen als ein Motiv einer Mütterarbeit durch den Kopf. Eine Mantelfigur spielte ja bereits vor ein paar Jahren als Teil eines größeren Reliefgeflechtes eine Rolle. Bei dem neuen Zusammenhang interessiert mich der matriachale Nachhall in dieser Form der Marienverehrung. Aber unter dem Schutzmantel sah ich in der Nacht einen tanzenden Shiva als Negativform.

Eine begehbare Skulptur also, in der man Schutz suchen und gleichzeitig Haltungen ausprobieren kann, die in Vertiefungen, in die man sich lehnen oder seine Gliedmaßen einpassen kann, vorgegeben sind. Dabei kann die Negativform eines tanzenden Shiva auch nur eine Richtung sein aus der die Arbeit inspiriert ist.

Ein anderer Aspekt ist, dass ein Teil der Heiligenfigur von demjenigen besetzt wird, der in die Höhlung hinein tritt, um Schutz, Erleuchtung oder Trost aus den Haltungen zu suchen, die er ausprobiert.

Somit habe ich für das Holz, das morgen gefällt wird, einen Denk- und Gestaltungsprozess begonnen.

Raumorganisation | Liturgie

Ohne mich sonderlich angestrengt zu haben, modellierte ich gestern bis in den Abend des ruhigen Arbeitstages am kleinen dreieckigen Arbeitstisch. Die Stunden vergingen schnell. Eine leichte Umorganisation des Raumes brachte mehr Übersicht und einen zusätzlichen Tisch für das Abformen der Reliefs. So können die Arbeitsgänge, also das Modellieren, der Formenbau, das Abformen und die Einfärbung der Abgüsse parallel laufen.

Nun existiert ein ausgedruckter Ablaufplan für eine erneute „Indienfahrt“. Alle Stationenunterkünfte, Verkehrsmittel Telefonnummern und Zusatzinformationen sind darauf in einer zeitlichen Abfolge eingetragen.

Gestern las ich in einem, typisch ostdeutschen, populärwissenschaftlichen Werk über Ajanta uns Ellora. Dort wird die Baugeschichte ohne Schnörkel aus den gegenwärtig zu besichtigenden Merkmalen hergeleitet. Soweit ich das beurteilen kann, geschieht das gründlich und im vollen Umfang der vorfindbaren Höhlen. Auch liturgische Funktionen der Architektur und Zierelemente werden erklärt. Da das Buch nicht zu schwer und zu groß ist, werden wir es mitnehmen.

Mich beschäftigen die Zusammenhänge zwischen dem Väterprojekt und einem, das sich mit den Müttern beschäftigen soll. Das Super 8 – Filmmaterial, die Schwarz-Weiß-Erinnerungen, verbinden sich dabei mit skulpturalen Vorstellungen. Nicht ganz logisch und einfach.

Finstere Rohrgeflechte

Einen Teil des zweiten Reliefs habe ich fotografiert und so bearbeitet, dass er die Anmutung eines Holzschnitts bekam. Somit überlagert er die Collage dominant. Die zarten Malereien verschwinden. Um beides miteinander zu verbinden, bedürfte es direkter malerischer Mittel auf dem Pappmache, anstatt der Tuscheeinfärbung.

Nachdem die Korrekturen der Vorzeichnung für das dritte Relief auf dem Modellierbrett fertig waren, nahm ich mir am Abend die Zeit, die erste Scherbe mit ihren vierzig Splittern noch zu modellieren. Ich beginne im Zentrum des Formates und arbeite mich langsam zum Rand vor. Schnell war ich wieder zusammen mit dieser Arbeit und fühlte mich währenddessen sehr wohl.

In wenigen Tagen fällt die große Pappel in der Nachbarschaft. Ich möchte für mich ein großes Stück davon trocken werden lassen. Es soll liegen, bis der richtige Moment für eine Skulptur gekommen ist. Immer wieder bringe ich das mit einem Mütterprojekt in Verbindung. Und gleichzeitig spielen die Super 8 Bilder, die Schatten der Familienfrauen eine Rolle dabei.

Wütende Buchmalereien heute. Purpur, Schwarz, Grün, verwischte Schönschrift und finstere Rohrgeflechte.

Nervenbahnen

Heute morgen, beim Einfügen der Schönschriftornamente in die gewischten Strukturen der Rohrgeflechte, die den Gravitationsschwüngen ähnlich sind, kamen mir erstmalig Buchstaben, von meiner Kinderhand in die Zeilengerüste der Schönschreibhefte gezeichnet, in den Sinn. Das harte K meines Vornamens mit seinen weichen Windungen und zwei spitzen Kehren.

Gleichzeitig denke ich an Mütterschrift, wie Nervenstranggeflechte nach außen gekehrt, auf den Oberflächen der Skulpturen.

Gestern schaute ich mir noch mal den Stamm unserer großen Pappel an. Er könnte das Material für eine große Mütterfigur hergeben. Auf ihren Oberflächen der Schmerz, Nervenbahnen aus Schönschrift, und innen der Schwamm, der schon lange den Stamm aushöhlt.

Vorgestern ein Besuch zum Tee. Ich zeigte ein wenig von meiner Arbeit. Wir sprachen über Japan, Zen und Tuschmalerei.

Nach einem Uferspaziergang am Main, sahen wir in den Kammerspielen das Stück einer jungen Autorin. Die Regieästhetik glich einem Videoclip, das Thema schien virtuell zu sein. Es können keine Figuren mit Gefühlstiefen entwickelt werden. Aber in der Tiefe des Netzes treiben die Akteure, wie losgerissene Ballons zwischen den Verknüpfungen der Nervenbahnen.

Mütter

Jazz vom Ende der Fünfzigerjahre begleitet mich schon eine Weile, erfüllt den Atelierraum. Das wird nun noch mehr, weil ich glaube, dass ein Teil meiner Arbeit aus dieser Zeit inspiriert ist.

Am Morgen werkelte ich erst einmal ein wenig im Garten, aus dem ich viele Pflanztöpfe verschenkt habe. Die anderen stehen nun in drei, anstatt fünf Regalen, wie in der anderen Wintern, an der Innenseite des Rolltores.

Nun habe ich mehr Platz mich um die wenigen Pflanzen zu kümmern und sie durch die kalte Zeit zu bringen. Der große Zitronenbaum steht noch draußen. Ihn möchte ich zurückschneiden und in einen kleineren Topf verfrachten, damit ich ihn besser bewegen kann.

Eine Weile telefonierte ich mit meiner Tochter. Wir kamen auch auf das Mütterprojekt, das mir nun immer öfter durch den Kopf geht. Die Frauen meiner Familie, allesamt Mütter, bewegen sich langsam, wie in den Super 8 Filmen durch mein Denken. Ich werde eine andere Form finden, mich ihnen zu nähern, als ich es mit dem Väterthema gerade mache.

Projektion | Pflanzen

Nachdem gestern alle Dinge des Tages erledigt waren, zeichnete ich noch die Projektion der Splitterstruktur auf das Modellierbrett des dritten Reliefs. Ich bemühte mich dabei, den Schwung der Gravitationslinien beizubehalten, ihn nicht durch Brücke und ungelenke Mosaikzusammensetzungen zu unterbrechen.

Also habe ich mich doch für den glatteren Gesamteindruck entschieden. Vielleicht wechselt das noch ein paar Mal während der Arbeit am Gesamtprojekt. Wenn ja, lasse ich es geschehen.

Die kleineren Splitter, die während der Überlagerungssequenzen der Scherben entstanden, gruppieren sich zu Linienmustern, die in schöner Fügung, den abstrakten Versuchen der Fünfzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts entsprungen sein könnten.

In den Nächten denke ich manchmal an farbige Bemalungen dieser Splitter mit den Mustern der Gewalt und Schönschrift, im Sinne der Buchmalereien.

Heute noch mal eine Gartenaktion. Die Regale stehen schon hinter den Fenstern im Atelier mit ein paar Pflanztöpfen bestückt. Draußen unter dem Dach befindet sich ein Tisch mit den Gewächsen, die ich verschenken will.

Keine Eile!

Der Beginn der Arbeit am dritten Relief, war die Zeichnung auf Projektionsfolie, die ich gestern direkt vom wieder zusammengesetzten Väterdoppelportrait übernahm. Manchmal vereinfache ich die Strukturen etwas, um die Überlagerungen zugunsten der Deutlichkeit zurückzunehmen. Das heißt, dass alle Arbeitsschritte und Wiederholungen mit kleineren Veränderungen einhergehen. Das ähnelt dem Vorgang des Erinnerns.

Die Buchmalereien haben heute den Schwung eines schnellen Tagesbeginns. Zehn Uhr bin ich wegen des Landmarkenprojektes mit Alexander verabredet, deswegen war ich schon um Acht für das tägliche Arbeitstagebuch im Atelier.

Dann stehen noch der Lebensmitteleinkauf und das Leerräumen der Gartenregale auf dem Tagesplan. Um die frostempfindlichen Pflanzen muss ich mich kümmern, die in meinen Wintergarten kommen.

Abends habe ich dann hoffentlich noch die Konzentration für die Projektion der gestrigen Zeichnung, als Vorlage auf die Reliefunterlage Nummer 3. Theoretisch könnte ich noch in dieser Woche mit dem Modellieren beginnen.

Keine Eile!

Das zweite Relief sieht nicht mehr so ungelenk aus, wie das erste. Die Nachlässigkeiten haben dort abgenommen, was den Gesamteindruck glättet. Will ich das?

Nachlässigkeit und Genauigkeit

Die Buchmalereien fallen in den Nachmittag.

Mit dem Zurückstellen des Textes erhalten sie mehr Platz, auch im Kopf.

Gestern färbte ich das zweite Relief fertig ein. Schwer, die Konzentration auf Genauigkeit bis in den späteren Abend zu halten. Nun kann ich aber mit dem Überblick über zwei zusammenhängende Formate die Probleme entdecken, die sich aufwerfen.

Es entstehen Zweifel am Unrunden der Schwünge, das durch den langen Arbeitsprozess des Wiederzusammensetzens entstanden ist. Die Bögen haben Knicke und Versprünge, dort wo die Tafeln zusammenstoßen. Ich frage mich ob das, einen Hinweis auf den Prozess liefert, oder ob es nur Nachlässigkeit ist.

Sind Genauigkeit und Nachlässigkeit ein sich befeuerndes Paar?

Seitliche Energiezufuhr

Ähnlich, wie bei einem Zenwochenende, also einem Sesshin, sind meine lang andauernden Beschäftigungen mit dem Väterprojekt ein zusammenhängender Block von ineinander greifenden Arbeiten.

Die Zersplitterung des Väterdoppelportraits, die Aufreihung der einzelnen Scherben und deren Überlagerungssequenzen, die ich „Scherbengericht“ nannte, das Wiederzusammensetzen der erneut zersplitterten Scherben, deren Vergrößerung und skulpturale Neuentstehung in den Reliefs, deren mehrfache Abformung und Einfärbung, löst in der Abfolge eine Konzentration aus, die einer Meditation ähneln kann.

Das Problem bei meiner Arbeit ist aber, die Spannung nicht nur über ein Wochenende zu halten, sondern über Jahre.

Eine „seitliche Energiezufuhr“ bekomme ich durch die täglichen Buchmalereien, deren Schnelligkeit, Spontaneität und Lebendigkeit einen großen Gegensatz zu den anderen langwierigen Arbeiten bildet. Auch das darin anhaltende Thema der Auslöschung der Muster der Gewalt, wie sie sich auf Kinderkörpern abgebildet haben, verschafft mir zusätzliche Kraft.

Hinter mir liegt ein arbeitsreiches Wochenende, was zur Folge hat, dass ich mit dem Einfärben des zweiten Reliefs heute oder morgen fertig sein werde. Dann gehe ich an das dritte Format.

Zweifel beiseite

Das einfärben des Reliefs dauert länger, als ich dachte. Und weil ich am Nachmittag noch einen überraschenden, aber sehr netten Besuch bekam, Niklas Klotz war mit seinem Sohn gekommen, und am Abend noch ein anderthalbstündiges Gespräch anstand, bin ich nicht mal bis zur Hälfte dies ersten Formates gekommen. Jeder einzelne der modellierten Splitter, bekommt seine spezielle Behandlung mit Pinsel, Tusche und Ausdauer. Zwischendrin hatte ich durchaus Zweifel an dem, was ich da mache. Jetzt, am neuen Morgen aber, scheint etwas von dem auf, was ich erreichen wollte. Die Dichte wird nämlich greifbar. Und wenn ich nun die wenigen Quadratzentimeter, die ich bisher geschafft habe, hochrechne auf fast fünf Quadratmeter, mir die Vielschichtigkeit der verschiedenen Raster vorstelle, dann wische ich alle Zweifel beiseite.

Niklas zeigte ich meine Buchmalereien und stellte ihm natürlich das Väterprojekt vor. Sein Sohn lärmte begabt auf der elektrischen Gitarre.

Manchmal frage ich mich, wie es mit dieser autobiografischen Arbeit weitergeht. Werde ich mich auch noch an die Mütter wenden? Ihre Rolle scheint mir nicht unwichtiger zu sein. Vielleicht ist sogar das Gegenteil der Fall. Bei den Vätern hatte ich den Vorteil des klaren Ansatzes, sie zusammenzuführen. Für die Mütter müsste es ein anderes Herangehen geben. Vielleicht ließen sich auch drei Generationen verbinden.

Splitter schwärzen

Nun konnte ich das reparierte erste Exemplar des zweiten Reliefs schadlos aus der Form nehmen. Beim ersten Relief begann ich die erhabenen Flächen mit schwarzer Tusche einzufärben. Die vertieften Linien bleiben hingegen hell. Nun zeichnet sich deutlich die nochmalige Zersplitterung der Scherben des Doppelportraits ab. Entsprechen strich ich präzise mit einem kleinen Pinsel das Schwarz leicht lasierend in die Splitterumrisse. Später bei weiteren Abgüssen kann ich andere Möglichkeiten probieren. Die Präzision ist aber in dieser Phase erst mal richtig.

Nach wie vor mach ich nun, vor den Texten, als erstes am Morgen die Buchmalereien. Es ist spannen zu beobachten, was diese Verschiebung der Aufmerksamkeit mit sich bringt. Beim Scheiben habe ich nun zunächst die Malereien vor Augen. Das heißt, ich kann mich länger mit dem Zusammenspiel von Linien und Farbkompositionen beschäftigen. Das wird Folgen für die Arbeit an den Malereien am nächsten Tag haben…

Die Erzählungen, die den schwebenden Mustern innewohnen, werden auch wichtiger, vielleicht wirkt sich das auch auf die Texte aus. Wünschenswert wäre das.

Fehler | Idee

Der erste Abguss des zweiten Reliefs war misslungen. Manche Partien klebten einfach fest an der Form, so dass Ich sie mit Wasser auflösen und so entfernen musste. Nun versuchte ich diese Teile wieder zu ergänzen, indem ich den Abguss erneut auf die Form legte und die Fehlstellen noch einmal auffüllte. Das Ganze trocknet gerade und ich hoffe auf ein akzeptables Ergebnis.

Den Roman „Die Kinder der preußischen Wüste“, über das Leben von Thomas Brasch ist das Begleitbuch zu meinem Väterprojekt. Wie auch die Texte von Brasch selbst. Sie sind für mich vor allem von historischer Qualität, poetisch verdichtet.

Gestern, halb benommen nach einer Vollnarkose für eine Untersuchung innerer Höhlungen, dachte ich daran, meine Dreieckskonstruktionen, mit den Abformungen der Reliefs zu verbinden. Ich kann die Stabpyramiden mit einer Seite auf die Form legen, und mit der Ausformung durch Pappmache, das Objekt so mit einbauen, dass das abgegossene Dreieck, eine Pyramidenfläche bildet. Die nächste Fläche entsteht dann, nach Trocknung, durch das Umklappen über eine der Kanten und dem erneuten Abguss des Reliefs. So kann auf den Pyramidenflächen ein Ablauf der plastischen Linien und Flächen entstehen.

Muss mal schauen, ob die Idee hält, ob sie wirklich weiterführen kann.

Leinsee

Erstmalig habe ich den Buchmalereien den Vortritt gelassen, fertigte sie vor den Texten an, wodurch sie etwas mehr Raum haben, nicht durch die Textblöcke eingeengt sind, mehr in der Vordergrund rücken und die Worte auf die zweite Stelle verweisen. Eine Entscheidung für die nächste Zeit, wenn sich das bewährt, behalte ich es bei.

Ich hoffe dadurch auf eine freiere Gestaltung der Arbeitstagebücher, die dann noch mehr auf meine andere Arbeit einwirken können.

Von Anne bekam ich eine Datei mit der Vorschau des Diogenes Verlages für das Frühjahr 2018. Darin wird ihr Roman „Leinsee“ prominent beworben und vorgestellt. Schöne Fotos von ihr und eine sehr schöne Umschlagsabbildung. Und im Text heißt es: „Ein Debüt, das Aufsehen erregen wird“. Hoffen wir, dass sich das einlösen wird. Erscheinungsdatum ist der 28.02. 2018!

https://issuu.com/diogenesverlag/docs/diogenes_vorschau_fruehjahr_2018

Wir hatten ein ruhiges Wochenende. Kalter Regen ließ uns in der Wohnung und im Atelier bleiben.

Formenbau | Buchmalerei

Genau vor einem Jahr besichtigten wir den Stadtpalast von Udaipur. Die Buchmalereien in den Tagebüchern waren damals ruhiger, und ich hatte gerade erst begonnen, mit den Gravitationsschwüngen die Bildkompositionen zu beleben.

Gestern entstand eine Durchzeichnung der Entwurfslinien des ersten Reliefs der großen Väterarbeit auf Transparentpapier. Ich möchte mit diesen Linien weiterarbeiten, vielleicht Überlagerungssequenzen anfertigen. Tatsächlich befinden sich in meinem Kopf derzeit sehr viele Projekte, die ich alle gar nicht anfangen kann, weil mit die Zeit dafür fehlt.

Die zweite Form habe ich nun nachgearbeitet und danach auf die Heizung gestellt, damit sie noch schneller und gründlicher durchtrocknet. Schelllack ist schon angesetzt, damit die erste Schicht der Versiegelung aufgestrichen werden kann.

In die Collage oben ist ein Handballenabdruck eingefügt, der durch eine weitere Abdruckschicht um 90° gedreht eine Kreuzschraffur abbildet. Ein neues, malerisches Mittel.

Reproduktion

Alle fünfzehn Buchmalereien, die ich unterwegs in Gedanken an Schönschrift und Gewalt gemacht hatte, scannte ich gestern. Dabei dachte an die perfekten Leinwandausdrucke, die Michael Weigel von seinen Meeresmalereien gemacht hatte. Eigentlich würden sich die Buchmalereien auch für eine solche Weiterverarbeitung eignen.

Nur – wofür?

Heute kommen meine Schüler. Für Paulo habe ich die Aufgabe reserviert, sich mit den Linienentwürfen des großen Reliefs zu beschäftigen. Er soll sie auf Transparentpapier durchzeichnen und sehen, was man dann noch mit ihnen beginnen kann. Vorher werde ich ihm noch mal alle Arbeitsschritte, die bis dahin gegangen worden sind, erklären, damit er sich in einem Feld bewegt, dessen Inhalt er schon etwas genauer kennt.

Oben habe ich ein Stück Reliefform in die Collage eingefügt. Es ließen sich auch Frottagen davon machen. Die Stege arbeitete ich mit einem Messer nach, beseitigte Hintergriffigkeiten, damit die trockenen Pappmacheabgüsse keine Schäden anrichten können.

Rolling Stone Weekender

Zurück vom Weissenhäuser Strand. „Rolling Stone Weekender“, ein Musikfestival an der Ostsee, ließ uns untertauchen. Weil das nicht alltäglich ist, versuchte ich die Bands mit ihrer Musik in meine künstlerischen Bewertungsraster zu integrieren. Spannungskurven, Dramaturgie, Zeitbezug und Ernsthaftigkeit, auch im Humor. Die darstellerischen Leistungen und Ausrichtungen entschieden nicht unerheblich über das Für und Wider. Eine Band mit dem Namen „GANG OF FOUR“ gefiel mit in ihrer Ausstrahlung der Aussichtslosigkeit einer Laokoongruppe zwischen Mikrokabeln in der Tristesse eines U-Bahnhofes besonders. Die Songs endeten abrupt und es entstanden Pausen, die jeden Spannungsbogen niederbügelten. Natürlich war auch diese „Kompromisslosigkeit“ inszeniert, traf aber mein Lebensgefühl. Madness war der Höhepunkt der zwei Tage mit dreißig Bands. Für mich war es überraschend, wie humorvoll diese Show lief. Ein wirklicher Glücksfall für mich. Es gab noch viele Musiker, die begeisterten. Aber ihre Verbrüderung mit dem Publikumsgeschmack, lässt sie in meiner Erinnerung schneller verblassen.

Die folgenden Tage am Ostseestrand waren von Entspannung geprägt. Nebelbilder mit Farbenwundern über der Wasserfläche, Besuch des Ateliers eines Meeresmalers und lange Spaziergänge am Sandstrand.

Jetzt aber bin ich froh, mich wieder allem widmen zu können, was mich vor den freien Tagen beschäftigte.

Premieren

Wir sahen eine Bühnenfassung des Romans „Das siebte Kreuz“ von Anna Seghers. Weil der Stoff mir durch die Pflichtlektüre des DDR – Literaturunterrichtes bekannt war, war ich vor der Vorstellung sowohl skeptisch, als auch neugierig. Mit chorischem Sprechen und den Verzicht auf Illustration im Bühnenbild war die Dramatisierung gelungen. Und komischerweise war der sozialistisch-realistische Tonfall mit erzieherischen Einsprengseln mir nicht zuwider, eher wohltuend zwischen den Bankhochhäusern.

Das erste Relief existiert nun schon in einem ersten Pappmacheabguss, den ich ohne jede Schwierigkeit aus der Form bekam, ohne sie zu beschädigen. Ich befürchtete ja Schäden der Gipsform an den schmalen Stegen, die manchmal bei den anderen, älteren Reliefs vorkamen.

Eine weitere Premiere hieß „Verbrennungen“ und fand in den Kammerspielen statt. Ein sehr schön gebautes Stück mit ödipalen Anklängen. Die Konstruktion erschien wie eine Zeichnung. Und diese strenge Form hätte man meiner Meinung nach beibehalten können. Fast wäre dieses chorische Sprechen des Vorabends hier noch passender gewesen, weil knapp und klar.

Als nächstes will ich nun noch den Abguss des zweiten Reliefs machen und eine Besichtigung des Commerzbankhochhauses vornehmen. Aber Feiertage, Reisen und andere Termine entwickeln ihre eigene Dynamik.

Nordwind | Geflecht

Schnell zu Fuß durch den Nordwind der Allee ins Atelier, vorbei an den neuen Tiefgaragen und den Obdachlosen im Park.

Gestern aufgeräumt, Staub gesaugt und Pappmache vorbereitet. Damit will ich heute das erste Relief abformen. Vom zweiten muss ich bald die Form bauen, denn die dünnen Tonplatten der Splitter sind nicht so stabil, lösen sich bei zu viel Nässe gerne etwas auf oder springen schnell bei Trocknung.

Habe eine 3d Datei des Kometen „Tschuri“ gefunden, der von der Raumsonde Rosetta besucht worden ist. Jetzt versuche ich das Ding auszudrucken.

Ansonsten Gartenarbeit. In den Stapeln von Gartenabfällen entstehen Wohnungen für Eidechsen, Insekten aber auch für Mäuse. Dazwischen bilde ich kleine Etagenbeete auf denen Bäumchen, Gräser und Blumen wachsen. Alles bildet ein undurchdringliches Geflecht aus Stöcken, Erde und Wurzeln. Da hinein kann ich mich, auf meinem Korbstuhl sitzend vertiefen.

Zeit für Schüler

Langsam verändern sich die Collagen, von Tag zu Tag kommt etwas hinzu. Derzeit spielen da nur die Buchmalereien eine Rolle, die im Gedenken an Schönschrift und Gewalt entstehen.

Verabredete mich für die nächste Woche im Commerzbanktower für das laufende Architekturprojekt und nehme mir heute nur Zeit für meine Schüler. Tische frei räumen, Gräser in Gläser stellen fürs Zeichnen. Vorher einkaufen und kochen…

Das Abgießen des Reliefs will ich ganz in Ruhe morgen machen, mit Sorgfalt. An die Abgüsse des ersten Reliefs mit Pappmache denke ich noch nicht.

Die Sonne steigt durch den Garten in das schwirrende Atelier. Ich will die subtropischen Pflanzen drastisch reduzieren, weil mir der Transport in das Winterquartier zu aufwendig wird. Bäume zurückschneiden, in kleinere Töpfe setzen, Pflanzen verschenken.

Relief 2 | Risse politischer Landkarten

Noch mal sitze ich mit dem Rücken zur Sonne im Garten, schreibe hier und schaue dabei auf die Sukkulenten, deren Blätter bei schwindender Sonnenscheindauer vergrößern

Gestern modellierte ich den zweiten Teil des Väterreliefs fertig und kann nach etwas Nacharbeit nun die Form gießen. Dabei muss ich sorgfältiger als bei der letzten vorgehen. Da gab es ein paar Luftblasen…

Atelierbesuch am Nachmittag, eine Kollegin mit Freundin. Ich zeigte ihnen das Väterprojekt, und wir sprachen über DDR – Familien, durch die sich die Risse politischer Landkarten zogen.

„Der Riss ist die Passage“

Splitter | Räume

Gestern arbeitete ich lange und endlich wieder konzentriert am Relief. Ein Ende der Arbeit an diesem zweiten Format ist in Sicht.

Immer wieder ertappe ich mich dabei, die Zeit zu überschlagen, die ich für diese Arbeit aufzuwenden habe. Dieser Impuls der Produktivität aber scheint mir einfach nur mechanisch zu sein. Mechanismen solcher Art aber, sollten weniger Bedeutung bekommen. Es gibt keinen Grund, mit dieser Arbeit schnell fertig zu werden, denn ihr besonderes Merkmal liegt in dem Verhältnis von ruhiger Gelassenheit und Tiefe.

Das lang andauernde Formen der Splitter, aus denen sich die Scherben bilden, aus denen sich das gerasterte Doppelportrait zusammensetzt, führt in ferne Erinnerungsräume des eigenen Lebens und vielleicht noch weiter zurück.

Auch die Buchmalereien gehören zu den pulsierenden Auslösern, die verloren geglaubte Filmschnipsel wieder zum Laufen bringen. So verdichtet sich das Geflecht und wird räumlich, dringt in die Schichten vor, die durch die Vergrößerung der Splitter und ihrer folgenden weiteren Zerkleinerung, in die Tiefe führen.

Priorität

Montag, Atelier.

Rasante Buchmalereien gestern. Danach modellierte ich Splitter, in die ich die Scherben des Väterdoppelportraits zerspringen ließ. Es sind pro Scherbe durchschnittlich etwa 50 Splitter. Und die Anzahl der Scherben beträgt 600.

Als William Kentridge annahm, dass seine Zeichnungen lediglich für die Schublade entstanden, überkam ihn Verzweiflung. Wo liegt seine Priorität – bei sich oder dem Publikum? Läge sie klar bei ihm selbst, hätte es die Verzweiflung sicher nicht gegeben.

Die neue Tanzcompany zeigte gestern ihren neuen Abend. Zunächst hatten sie „Workwithinwork“, ein Stück von William Forsythe aus den Neunzigerjahren einstudiert. Sofern aber die geistige und körperliche Ausbildung durch den Meister fehlt, kann ein solches Vorhaben nicht gelingen. Immer werde ich die Bewegungen an denen der Forsythecompany mit ihren Individuen messen. So wird aber der Kern, nach dem er gesucht hat, nicht entfernt berührt oder in Sicht gebracht, bei aller Sportlichkeit und Eleganz!

Schwerer aber wiegt der Sturz in die Belanglosigkeit des zweiten Teiles. Die großartig beweglichen Körper der jungen Leute werden allenfalls zu seichter Unterhaltung geführt. Und ein Publikum gibt es dafür immer. Der neue Ballettchef ist leider kein ernst zu nehmender Künstler!

Mäander

Zurück aus Venedig genieße ich, dass ich erst einmal keine anderen Menschen sehen muss. Alleine kann ich in meinem Atelier wieder in die Konzentration finden, die wichtig für mich und den Fortgang meiner Arbeit ist.

Neben der Biennale sahen wir natürlich auch die Stadt und spazierten an den Kanälen entlang. Die Mäander der Gassen werden durch die Brücken zwischen den Inseln zu einer nutzbaren Struktur. Auch wenn man sich weit vom Zentrum entfernt, kommt man nicht an der hochkarätigen Kunst vorbei, von der die Stadt durchdrungen ist.

Gestern durchstreiften wir noch mal die nördlichen Inselchen und betraten eine unscheinbare Kirche. Dreißig Jahre hatte dort Tiepolo an zwei riesigen Hochformaten gearbeitet, mit denen man sich genauso intensiv beschäftigen kann, wie mit der gesamten Biennale.

Im Vergleich mit der vorjährigen Architekturbiennale, war diese Kunstschau dichter, aber nicht unbedingt besser zu verkraften. Diesen Riesenangeboten an intensiven, teilweise lange entwickelten Ideen, kann man als Betrachter nicht gerecht werden. Und die Auswahl der Arbeiten, mit denen man sich näher beschäftigen will, muss man entweder vorher genau planen oder sie ist halt dem Zufall überlassen.

Ich baute eine Lampe im Saal von Olafur Eliasson und „verlor“ dort viel Zeit, die mir für Malereien, Installationen und Videos anderer Künstler dann fehlte.

Ablenkung

Ganz andere Malereien am heutigen Morgen. Bevor ich zu Ende geschrieben hatte, begann ich schon zu malen. Ein anderer Impuls – weg von der Gewalt, weg vom Schönschreiben, hin zur Malerei. Nur noch wenige Gravitationsschwünge, eher eigene Gesträuchstrukturen, Polygone und Farblänge.

Zwischendrin werde ich abgelenkt von meinem Gärtchen. Erde verteilen, höher schichten auf den Beton. Dabei die gewachsenen Bäumchen nicht zudecken oder anderweitig zu Schaden kommen lassen. Manche der Pflanzen grabe ich vorher aus zu lagere sie erstmal in einem Kasten mit Erde, damit die später wieder eingepflanzt werden können. Die Ranken werden nur noch bis zum ersten Frost halten. Dann sind sie das Stützgerüst für die Schlingpflanzen des kommenden Jahres.

Vielleicht kommen heute nur Paulo und Joana zum Ateliernachmittag. Dann kann ich vielleicht an den Reliefs weiterarbeiten. Kann auch sein dass Paulo Lust hat, mit mir gemeinsam die Form mit Pappmache auszugießen.

Das Tonrelief muss ich alleine modellieren, da kann er mir nicht helfen, glaube ich. Das ist auch eher mein persönliches Abenteuer. Ich sollte Joana mal anhalten, etwas mit Wachsreliefs zu versuchen.

Muttererde

Ein Hügel Muttererde liegt neben der Ateliertür. Damit begann ich meine Beete aufzufüllen. Zwischen der Gärtnerei, die mir die Erde lieferte und mir mit meinem Gärtchen entsteht etwas wie eine Beratungskooperation. Ich weiß nun, wie ich die Akazie schneiden soll, Kräuter vervielfältige und sie im Mauerwerk pflege. Das Gespräch darüber und ein paar Handgriffe dauerten aber nur kurz, weil meine Aufmerksamkeit von den Steuerunterlagen beansprucht wurde, die nicht vollständig sind. Ich suchte stundenlang nach einem Vertrag, als wollte ich mich kasteien.

Und heute noch mal Steuer, dann Lebensmitteleinkauf und am Nachmittag ein Gesprächstermin. In dieser Woche bin ich noch nicht richtig zum Arbeiten gekommen. Morgen sind die Kunstschüler da… Einzig am Freitag zeigt sich etwas wie ein Zeitraum, eine Lücke für die Reliefs zwischen den anderen Beschäftigungen.

Die fordernde Kontinuität der Buchmalereien hält mich aber noch bei der Stange. Sie haben heute etwas abrupt Gewaltvolles. Es tobt sich eine Wut aus in den kleinen Formaten, Düsternis, zerkratzte Schönschrift, durchtränktes Papier, sich an der Oberfläche auflösend. Farbe schlägt durch, auf die nächsten Seiten.

Das geht heute aber nicht!

In der Nacht und am Morgen Regen. Die Vorhersage behauptet, dass er in 40 Minuten beendet sein wird. Dann kommt die Erde für meinen Garten, die ich bei der Gärtnerei bestellt habe

Termine halten mich von der Arbeit ab. Langsam beginnt mir das nun doch auf die Nerven zu gehen. Hatte mir das anders vorgenommen. Nur mit der Ruhe…

Steuerunterlagen!

Mein Kopf ist leer.

Tröstlich sind wieder die Buchmalereien. Durchsichtiges Atmen, schnell gezeichnet und verwischt. Farben, Punkte und Schwünge kommen aus der Hand, die direkt an der Seele sitzt.

Ich würde gerne modellieren und abformen.

Das geht heute aber nicht!

Theater

Ein langes Theaterwochenende liegt hinter uns. In Frankfurt sahen wir „Unterwerfung“ von Michel Houellebecq mit Eddie Selge und „Die Verwandlung“ nach Kafka in den Kammerspielen. Selge, wie gewohnt souverän, spielt mit dem Publikum, eine Rampensau! Immerhin kann er sich einen Roman merken, jedes Wort und mehr! Am Ende hat er recht mit dem, was er für sich tun will: Standing Ovations! Ganz anders der Kafka in der Kammer, liebevoll, teils leise, großartig gespielt und ausgestattet. Auch sehr gut angenommen vom Publikum.

Somit hatten wir in den vergangenen vierzehn Tagen, im Schauspiel Frankfurt, einen gelungenen Saisonstart der neuen Intendanz. Darüber sind wir froh. Das ist viel versprechend.

Vorgestern in Mannheim fand die Uraufführung von Haidles „Für immer schön“, in der Übersetzung von B. statt. Die Hauptrolle wurde von Ulrike Folkerts gespielt. Ihre Fernsehpopularität lockt viele Zuschauer in dieses Nationaltheater. Ein schöner Text, der mehr Potential hat, als die Regie umsetzte. Die Textschleifen haben etwas mehr von Beckett. Die Hauptdarstellerin schlug sich tapfer, obwohl sie keine Bühnendarstellerin ist.

Interessant finde ich, dass sich Haidle dezidiert Deutschland als sein Theaterland ausgewählt hat. Und seine Heimatstadt in Michigan nimmt er nun in Besitz, indem alle seine Stücke dort spielen und die Figuren irgendwie alle miteinander, über die Stückgrenzen hinaus, zutun haben.

Fingerspitzenübungen

Wenn meine Schüler erst einmal die Technik der „Synaptischen Kartierungen“, also der Verwischung von Tusche und Schelllack raus haben und wissen, dass man andere Strukturen, die dem Fließen entgegenstehen, hinzufügen muss, dann entstehen zumeist gleich sehr schöne Blätter.

Nach längerer Zeit war Paulo wieder da und erzählt eine seiner haarsträubenden Geschichtserfindungen von verschiedenen Game Leveln, die zugleich Universen ähneln, in die man durch Risse in einer Membran wechseln kann…

In der Buchmalerei, die ich oben eingefügt habe, reservierte ich erstmalig einen Teil der Aquarellstiftzeichnung mit einer Schelllackschicht. Diese Fläche ließ sich dann mit Wasser und dem Handballen nicht verwischen.

Gestern, am Vormittag modellierte ich noch ein paar Scherben des zweiten Väterreliefs. Und am Nachmittag wurde die Form des ersten Reliefs für den Abguss fertig gemacht. Sowohl das Modellieren als auch das Abgießen mit Pappmache, wobei ich kleine Klümpchen nebeneinander in die Form presse, sind Fingerspitzenübungen.

Ton | Naturstudium

Gestern konnte ich fast vier Stunden ungestört modellieren. Das war sehr paradiesisch, ein glücklicher Nachmittag nach all den Ablenkungen der letzten Tage. Die Arbeit geht langsam etwas routinierter vor sich. Die Formen werden exakter und ich kann schneller einschätzen, mit wie viel Ton ich ein genau vorgezeichnetes Feld füllen kann.

Aber immer noch besteht die Grundmethode daraus, dass ich Tonklümpchen für Tonklümpchen nebeneinander und übereinander setze, um die entsprechende Masse und Form zu erreichen. Auch die Flächen kann man auf diese Weise schließen.

Heute sind meine Kunstschüler wieder angemeldet. Alexander will noch ein paar mehr mitbringen. Zunächst lernen sie derzeit die Techniken, mit denen wir das neue Projekt angehen wollen. Vielleicht kann ich heute mit Pappmache beginnen. Sie können Masken ausformen und bei der Gelegenheit die Herstellung und Verwendung dieses Materials kennen lernen.

Außerdem sollten noch Zeichnungen nach der Natur angefertigt werden, Diesmal sollen sie Pflanzenteile sammeln und im Atelier in ein Glas stellen, um die zu betrachten und dann zu zeichnen.

Zart

Ich fand im Netz ein 3D Modell des Kometen 76P/ Tschurjumov – Gerassimenko. Das möchte ich gerne ausdrucken… Ich sah zwei Dokumentarfilme, die sich auch mit den Beschleunigungsbahnen, den Gravitationsschwüngen um die Planeten beschäftigten.

Die Buchmalereien werden direkt von meinen Seelenzuständen genährt. Die Bilder und das Malen nähren meine Seele – durchlässig, mehrschichtig und zartfarbig. Die gezeichneten Strukturen werden von denen der Handabdrücke, der Linienlandschaften auf dem Handballen, beim Abnehmen und druckvollen Übertragen auf das nächste Format, durchwirkt.

Manchmal geraten die Farben aus den Fugen und die Linien werden zu präsent. Schönschriftschwünge werden dann geradezu gewalttätig. Und die Gravitationsschwünge der Bambusrohrgeflechte der Teppichklopfer können schönschriftzart werden.

In den letzten Tagen bin ich nicht mehr zum Modellieren gekommen. Es ist zu viel los. Das werde ich versuchen, heute etwas einzuschränken, denn es zieht mich zu meinem Relief.

Gravitationsschwünge

Die Gravitationsschwünge, die immer wieder in den Buchmalereien und anderen Arbeiten auftauchen, begegneten mir heute wieder in einer Ausstellung, die das Projekt „Rosetta“ der Esa vorstellte. Die Raumsonde, die zwölf Jahre lang auf eine Reise zu einem Kometen geschickt wurde, nahm Schwung dafür durch mehrfache Annäherungen an die Erde und andere Planeten, um durch deren Gravitation zu beschleunigen. Das Landungsmodul „Philae“ setzte dann nach über zehn Jahren und 9 Milliarden Kilometern punktgenau auf 76P/ Tschurjumov – Gerassimenko auf, sendete per Funk Daten und empfing Befehle. Der gesamte Himmelskörper wurde ausgemessen, seine Zusammensetzung und seine Reaktionen auf Sonneneinstrahlung wurden gemessen und auch bildlich festgehalten. Ein unglaublich faszinierendes Projekt.

Schon uns ferne Zuschauer ergriffen Emotionen, die mit Sehsucht und Zuneigung verglichen werden können, angesichts der ungeheueren Räume, durch die Kontakt zu dem Fahrzeug gehalten wurde, das wir, die Menschen gebaut hatten.

Die Ausstellung im Hessischen Landesmuseum Darmstadt war gut von Familien besucht. Auch eine Sammlung von Meteoriten wurde gezeigt, die teilweise Aufwirblungen von Einschlägen in andere Himmelskörper stammen.

Rekonstruktion der Toten

Wieder zurück bei mir. Das heißt im Atelier.

Wir sahen zwei Premieren zur Eröffnung der Spielzeit, trafen alte Freunde von Barbara, mit denen wir über die Aufführung von „Woyzeck“, gespielt von einer atemberaubenden Jana Schulz, sprechen konnten.

Eine Fahrt gestern nach Thüringen zu meinen alten Eltern. Ich schob meinen Vater im Rollstuhl über die Wiese, als hätte ich einen Toten, aus Liebe zur Zukunft ausgegraben.

In den Reliefs geht es derzeit um Rekonstruktion, um die Anwesenheit des nicht gekannten Großvaters Oskar Fitzner aus Breslau. Seine Abwesenheit zwang meinen Vater in eine gespaltene Rolle. Hinwendungen zur Familie galten hinfort als heilige Sache. Es ging und geht immer noch um Blutsverwandtschaft. Die Rekonstruktion des Großvaters, der nie gesehen auf den Landstraßen verschwand, setzt sich aus dem Material zusammen, das die Familie jetzt bietet. Die Auswirkungen des vergeblichen Wartens auf den Vater, zeigen sich in den Folgegenerationen. Mit meiner Zusammenführung der beiden Portraits, lässt sich nichts Rückgängig machen, nur der Status beschreiben, der allem Familiären innewohnt.

Mordgrube | Krönungsstätte

Wie so oft mit meinen Kunstschülern, entwickelte sich der gestrige Nachmittag anders, als ich es geplant hatte. Irgendwann beim Zeichnen von Natur draußen, kamen wir auf die Idee, aus dem getrockneten Grünschnitt des vergangenen Halbjahres, ein Feuer zu machen. In der metallenen Schale befinden sich nun Holzkohlenstücken und Asche. Das ist das Material. Aus dem wir in der nächsten Woche bildnerische Dinge formen wollen.

Alexander war da und Franz zu Besuch, und Jungens, die einen Vulkan aus Pappmache bauen wollten. Atelier als Station.

In der Regie von Jan Bosse sahen wir gestern „Richard III“ von Shakespeare, als Eröffnungspremiere unter der neuen Intendanz. Wir wurden mit einigem an Slapstick und oberflächlicher Artistik konfrontiert, das sich nicht dadurch verbesserte, dass die Hauptdarsteller ansonsten reichlich Fernsehpräsenz haben. Ich käme mir etwas abgespeist vor, von dem nicht enden wollenden Gemetzel, wäre da nicht das Bühnenbild gewesen, das einiges wieder gutgemacht hat. Den gesamten Raum, Bühne und Zuschauerränge, durchspannt eine bespielbare Längeachse, die quer geschnitten, im von Zuschauern umgebenen Zentrum, den Grabhügel, die Mordstätte und den Thronsaal zugleich verkörperte. Am Ende verschwindet der Herrscher lebendig, in einem Terrarium, in der Versenkung und brüllt in der Unterwelt weiter. Diese Mordgrube und Krönungsstätte, an ein und dem gleichen Ort, rettet den Theaterabend.

Stadtstrukturen | Pressungen

Beim gleichmäßigen Weitermodellieren der Reliefs, die sich zu dem großen Format zusammensetzen werden, hält sich die Spannung unter anderem durch die kleinen Formen, aus denen sich die Scherben zusammensetzen, die zum Doppelportrait führen. Es sind die Richtungen, die die Flächen anzeigen, ihre Strukturen, die von meinen Fingern dem Ton und den Modellierhölzern kommen und die Linien, die sie wie die Gassen zwischen den Gebäuden einer Stadt trennen. Die Hauptstraßen bilden die großen Schwünge, die die Kanten der Scherben umschreiben. Die kleinen Wege werden von den Binnenstrukturen gebildet.

Die geschwungenen Linien in den Buchmalereien unterliegen der gestern beschriebenen Fragmentierung. Damit entstehen Schichten, die sich teilweise gegenseitig aufheben, überdecken oder auflösen. Mir fallen in diesem Zusammenhang die Gesteinsschichten ein, die durch langsame Pressungen und Verschiebungen, wie Teig geknetet und ausgewalzt wurden. Der Vorgang, den ich aus einem Buch über Geologie in den Alpen in der Wiener Wohnung fand, in der ich zwei Monate am Handprint dieser Stadt arbeitete, begleitete mein zeichnerisches Denken eine Weile, fand sich wieder auf der damaligen Transparentrolle im Zusammenspiel mit den Stadtwanderungsstrukturen, die denen der heutigen Reliefs ähneln.

Unter meiner Acrylglasscheibe des Zeichentisches liegt unter anderem der Stadtplan von Venedig mit einem Handabdruck von mir, in dessen Umriss alle Sträßchen und Kanäle nachgezeichnet sind.

Mehr Tiefe

Nach den Korrekturen der Vorzeichnung, habe ich nun mit dem Modellieren des zweiten Reliefs begonnen. Ich fange mit einer Scherbe im Zentrum an und arbeite mich dann langsam vor bis zu den Rändern. Die Arbeitsvorgänge sind ruhig, konzentrationsaufwendig und meditativ. Auf den Scherben gehe ich den Netzen der Kartierungen der Suche nach den Vätern nach. Es sind die Spuren der Gedanken, Phantasien und der Seelenwanderungen.

Die Buchmalereien bekommen mehr Tiefe, wenn ich die konkreten Linien der Schwünge der Schönschreibübungen über teilweise feuchte Papierareale schicke. Dann bleiben beim Verwischen nur die Segmente sichtbar, die vorher in Berührung mit Wasser gekommen sind. Die anderen Strukturen werden verwischt. Ihre Farben gehen in denen, der anderen in Wasser gelösten Töne auf. Damit lässt sich nun weiterexperimentieren.

In Verbindung mit Biergenuss habe ich mir nun noch mal die Wandmalerei in der Kaschemme angesehen, die ich vor einem Jahr gemacht habe. Sie hat an ihrem Ort eine nachhaltige Wirkung hinterlassen, wie ich von den Gästen zu hören bekomme.

Ohne Produktionsdruck in zeitlicher Hinsicht, werde ich nun gleich beginnen, am zweiten Relief weiterzuarbeiten. Der einzige Druck, den ich akzeptieren kann, ist der einer qualitativen Verbesserung. Es geht dabei um klarere gleichmäßige Linien und Flächen.

Relief 2

Für das zweite Relief von 16 des Väterprojektes, fertigte ich gestern die grobe Vorzeichnung an. Heute kann ich die Schwünge glätten und die Abstände zwischen den Scherben gleichmäßiger und genauer einrichten. Alles, was ich jetzt nicht korrigiere, lässt sich später nur noch schwerer verändern. Dann wird es heute mit der schönen Tätigkeit des Modellierens losgehen. Weil das Liniengeflecht nicht so dicht ist, wie beim ersten und weil bei diesem Relief größere Freiflächen zwischen den Rasterpunkten des Doppelportraits vorhanden sind, wird die Arbeit auch schneller vorangehen.

Die Bilder, die wir 2010 in den Höhlen von Ajanta gemacht haben, schaute ich mir in Vorbereitung einer erneuten Reise dorthin genauer an. Sie sind meist unscharf. In der Dunkelheit war damals nicht mehr möglich. Grund genug, um wieder hinzufahren. Wir glauben, dass sich nicht nur die Fototechnik seit dem verändert hat, sondern auch unser Blick, mit dem wir die Dinge bald bei längerem Aufenthalt ausgiebiger erleben können.

Die Durchlässigkeit und Farbigkeit der heutigen Buchmalereien haben durchaus etwas mit dem zu tun, was von den Höhlenmalereien in Ajanta übrig geblieben ist. Schichten vager Konturen, verwischte, dennoch leuchtende Töne.

Das Gesträuch

Das Gesträuch, das ich 1976 zwischen Waltershausen und Gotha von den Waldbahngleisen aus gezeichnet habe, bildete ein Thema, das mich bis zur Gegenwart beschäftigt. Sowohl die Überlagerungssequenzen auf den Transparentpapierrollen, als auch die aufgezeichneten Stadtwanderungen, die ich „Handprints“ nannte und das Väterprojekt jetzt, sind im Grunde gezeichnete Gesträuche.

Die Durchlässigkeit der Buchmalereien zeigt eine Sehsucht, die sich aus diesem Arbeitsstrang entwickelt hat. Sie gilt einer Vielschichtigkeit, die man beim näheren Hinsehen überall entdecken und beim längeren Malen oder Zeichnen entwickeln kann. Die Lasurmalerei ist die Technik, die diese Möglichkeiten am direktesten bereithält.

Meine neuen Kunstschüler kommen aus anderen Kulturen und besitzen eine größere Neugier, als die meisten, die hier geboren sind. Mit ihnen will ich das lange Schauen üben.

Ein kleiner, zartblauer und grauvioletter Falter flog in seiner zarten Schönheit über die Wiese einem Zitronenfalter zu, der strauchelnd vom Wind geführt auf die Blüten des Sommerflieders zuflatterte. Man könnte eine Naturfotoserie machen auf diesem vergifteten Boden hier.

7 Tage | 2 Jahre

Allein mit meiner Arbeit, keine Kunstschüler heute. Kopf ist leer, flaches Morgenlicht, in dem ich die Reliefformplatte fotografierte, elf Grad draußen, drinnen warm von der funktionierenden Heizung und der Sonne.

Mit einer Schicht Gips auf der Rückseite, stabilisierte ich die Form gestern noch mal, stellte sie nun auf die Heizung zum Trocknen. Dann in der nächsten Woche werde ich sie versiegeln. Sieben Tage später, als gedacht!

Die kurdische Schülerin aus dem Nordirak wollte gestern etwas von meiner Arbeit sehen. Ich erklärte ihr das Väterprojekt und dass es bislang 2 Jahre gedauert hat, es bis zu diesem Zustand zu entwickeln. Zuvor beschrieb ich meine Beobachtungen von Greifvögeln, die so hoch stiegen, dass sie fast unsichtbar wurden und von denen der den Eidechsen am Boden, die zu ihrer Beute gehören. Aus dieser Spannung habe ich ein Blatt gemacht, das ich ihnen zeigte. Es ging um das Sehen.

Es geht auch um das Erkennen poetischer Konstellationen, die zufällig auf unseren Blättern entstehen, die wir gestern zahlreich angefertigt hatten. Graphit, Schelllack, Tusche und Fundstücke von draußen waren die Zutaten.

Gärten sprechen | Handwerk

Draußen in der Helligkeit arbeitete ich an der Reliefform weiter. Bald muss ich einen Endpunkt finden, um weiter zu kommen.

Die gestrigen Buchmalereien schweigen zu mir. Sie stecken voller Gewalt. Deswegen male ich an diesem Morgen anders. Es sprechen andere Dinge – die Wiese, die Gärten und die Vögel. Ein Schwarm Stare bereinigt den Raum, indem er alle Tauben einzeln angreift und verscheucht. Dann erst machen sie sich über die roten Beeren der Ebereschen her. Das Licht wird noch vom Nebel verschleiert. Die Köchin des Nachbarrestaurantes gärtnert schon wieder, statt in der Küche zu stehen.

Soweit es ging, habe ich gestern das Atelier aufgeräumt, damit meine Neuankömmlinge heute Platz haben, zum Zeichnen und Collagieren.

Die Skepsis der Künstler der neuen Generation gegenüber den herkömmlichen Techniken und Handwerken, war gestern wieder in der Schirn, in der Ausstellung „Peace“, zu sehen. Die Hinwendung zum Wort wird deutlicher, wie bei Vinzenz im Hamburger Bahnhof. Bei ihm allerdings ist diese Neigung definitiv nicht auf mangelndes künstlerisches Handwerk zurück zu führen. Geht es bei seinen Texten aber auch um Handwerk?

Strukturverbindungen

Für meine Form muss ich etwas mehr Geduld aufbringen. Sie trocknet langsam und für die Nacharbeit muss mehr Zeit und Mühe aufgewendet werden, damit mehrere Abgussvorgänge unbeschadet überstanden werden können. Unbeabsichtigte Hintergriffigkeiten, die dafür sorgen können, dass beim Herauslösen der abgegossenen Exemplare feine Stege herausgerissen werden können, müssen durch Schneiden und Glätten beseitigt werden. Die nächsten Arbeitsgänge verschieben sich so nach hinten.

Der Faktor Zeit, das heißt die Vorstellung davon, wie lange ich für das ganze Werk brauche, darf keine wesentliche Rolle mehr spielen. Das setzt aber einen Befreiungsschlag voraus: Entkopplung von Eile und Disziplin.

Beim Schreiben schaue ich auf die „Stadtpläne“ in den Umrissen der einzelnen Scherben, aus denen sich das inkarnierte Doppelportrait der Väter zusammensetzt. Denn das befindet sich unter der Acrylglasscheibe, auf der das Buch liegt, dessen leere Seiten ich fülle.

Vielleicht verbinden sich diese Strukturen des Väterprojektes mit denen der Wanderungen, die für das neue Museumsprojekt „Landmarken“ notwendig werden, das in diesen Tagen begonnen hat. Morgen kommen meine neuen Schüler ins Atelier.

Koexistierende Bewegungen

Auf meinem Fußweg ins Atelier bin ich bei Franz Konter vorbeigegangen. Wir sprachen über die collagierten Ausschnitte von Druckwerken innerhalb seiner Malereien, die Stolpersteine für mein Auge sind. Wie redeten auch eine Weile über mein Langzeitprojekt und unsere unterschiedlichen Herangehensweisen. Dann sind wir noch zum Niklas Klotz gegangen, der an großen Schichtenholzreliefs arbeitet. Die machen sehr schöne Höhenlinien, die zu Wanderungen einladen. Je weiter man in die Landschaften hineinzoomt, umso abstrakter wird alles. Dann muss man es nicht mehr bemalen.

Ich arbeitete gestern noch weiter an der Form, stabilisierte die Standfläche. Muss sie auch heute noch weiter reinigen, um dann die Trennmittel auftragen zu können. Dafür muss sie aber auch ganz trocken sein, was noch eine Weile dauern wird. Somit sollte ich schon mit dem nächsten, dem zweiten Relief beginnen.

Nach einem Vormittagstermin vervollständigte ich das Tagebuch, das ich zu Hause geschrieben hatte, mit den Malereien hier im Atelier. Koexistierende Bewegungen, Ergänzungen als Kontrapunkt zu den Scherben. Die zarten Farben, die vorsichtigen Schwünge und die rabiaten Verwischungen.

Produktionsrituale

Das fertig modellierte Relief ist nun abgeformt. Das habe ich schon am Freitag gemacht, nachdem ich die letzten Scherben modelliert hatte. Die Platte ließ ich bis heute trocknen, weil die letzten Gipsschichten durch allzu langes Glattstreichen nicht richtig fest geworden sind. Nun werde ich mich an die Nachbearbeitung machen. Das heißt, dass ich Formen und Linien, wo nötig glätte und dem ganzen Block eine bessere Standfestigkeit verleihe, damit sich die Abformungen leichter anfertigen lassen.

Kalter Morgen und die Heizung läuft nicht. Mein Mobiltelefon hat sich selbst schnell entladen. Das ist kein Wochenstart, wie ich ihn mir wünsche. Mir käme der Arbeitselan abhanden, wenn ich nicht meine täglichen Produktionsrituale hätte, mit denen der Tag beginnt.

Die Buchmalereien haben Turbulenzen hinter sich. Am Sonnabend waren sie sehr emotional, stark farbig und bewegt. Gestern fielen sie sperrig aus und ungelenk. Heute strahlen sie Ruhe aus, mit gedeckten Farben und subtilen Anspielungen an Schönschrift und Gewalt. Diese Bilder spiegeln meine Zustände.

Von den roten Früchten einer Eberesche wird ein Schwarm Stare angezogen. Grüngelbe Finken durchstreifen mein Gärtchen. Gestern saßen wir hier in der Sonne.

Raumverschiebung

Gestern beim Modellieren hatte ich das Gefühl, Tonscherben zu formen. Wenn das erste Relief abgegossen habe, kann ich auch einzelne Scherben ausgießen und diese kleinen Objekte dann vervielfältigen und bearbeiten. Auf ihnen befinden sich dann die Stadtpläne mit den Aufzeichnungen der Suchwege.

Die „Kooperationsgärtnerei“ hat mir 6 Kubikmeter Erde in Aussicht gestellt. Damit kann ich dann ab November mein Gärtchen gründlich auffüllen. Vielleicht gibt es ja auch noch ein paar winterharte Pflänzchen, die ich hinzu stecken kann, damit es ein wenig mehr blüht.

Bei meinem Enkel Armin bin ich bildlich auf dem neuesten Stand seiner Veränderungen. Auch kamen gestern und heute Bilderlawinen von Vinzenz aus dem Hamburger Bahnhof.

Die Generationen nach mir gewinnen an Raum und Präsenz und mein Vater nimmt ab.

Zersiedelt

Drinnen halte ich den Ton feucht. Draußen unablässiger Regen. Blüten neigen sich schwer zum Boden.

Eine Leselampe, die erste weiße Seite des neuen Buches mit dem ersten Datum, immer in der Nähe der Monatsmitte, seit siebzehn Jahren.

Die Tuschezeichnung der Scherben unter der Acrylglasplatte, des wieder zusammengesetzten Doppelportraits, mit den Wegen der Väter auf den Stadtplänen ihrer Verstrickungen, im Joch eines Plattenwagens mit großen Speichenrädern, eine Generation weiter, im Rhythmus der Partei, vorwärts zu Sieg des Sozialismus.

Modellierhölzer auf der linken Seite des Zeichentisches. Ich versuche das erste Relief in dieser Woche fertig zu bekommen. Keine längere Strecke für Konzentration, die ganze Woche zersiedelt.

Es ist still. Nur auf dem Bahndamm die S-Bahnen, die Pfiffe der Rangierloks, das Rauschen des Wassers auf den Dächern, dem Beton und der Holzterrasse.

FAMILIE

Familie als Begriff definiert sich für mich zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich. Jetzt ist es der problematische Strang der Väter, von dem die Beschäftigung mit der Verwandtschaft ausgeht.

Strapaziöse Fahrten nach Thüringen. Unterwegs atemberaubende Himmel, bevor ich über die Schwelle der geriatrischen Klinik gehe. Es riecht nach Essen und Exkrementen. Aus den Zimmern röcheln die einsamen, zusammengerollten Bündel. Kinderzeit kommt zurück mit der Scheiße und der Hilflosigkeit.

Ich schaue auf die Buchmalereien der letzten Tage und denke dabei an meinen Besuch bei Gil Schlesinger vor über dreißig Jahren, der mir sein schönes Bild „Fleurs du mal“ zeigte. Die Freiheit der kleinen Bildwelten in den Büchern ist ganz groß. Jede Seite eine gestische Erinnerung. Drei solche Bewegungen am Tag reichen eigentlich.

Doch da gibt es noch das Relief. Seine plastischen Werte variieren so, dass zwischen den einzelnen „Stadtplänen“ auf den Scherben Spannungen aufgebaut werden. Das findet alles in Millimeterbereich statt.

Es gibt ein biometrisches Passbild von meinem sechswöchigen Enkel, mit dem er nun seine FAMILIE in die Schweiz begleitet.

Alle Zeit der Welt

Montag.

Endlich wieder im Atelier.

Twintowertag. Der Expressaufzug auf die Aussichtsplattform des WTC. Ich habe sogar noch die Eintrittskarte.

Nun habe ich einen Tag frei, um in Ruhe zu arbeiten. Ansonsten Familienangelegenheiten.

Unter der Acrylglasscheibe des Zeichentisches liegt die Zeichnung „Reinkarniertes Doppelportrait“. So werde ich täglich vertrauter mit den Stadtplänen auf den Einzelscherben, die nun zu modellieren sind. Die letzten acht Scherben dieses ersten Teilreliefs wollte ich eigentlich in dieser Woche schaffen. Mit dieser schönen Arbeit könnte ich mir aber auch alle Zeit der Welt nehmen. Das Ende des Projektes muss nur noch in meine Lebenszeit fallen. Aus meiner Familie interessiert sich niemand für diesen Zyklus, außer Vinzenz.

Der hat ab morgen in Hamburger Bahnhof seine Show. Dafür drücke ich ihm die Daumen.

Geheimschrift

Es kreiseln die Linien Löcher in die Wände, durch die die Mäuse in die rechteckigen Behausungen fallen. Aus den Löchern im Zeitraum springen Energiewirbel. Sie bestehen aus den Framestapeln der Zukunft.

Gestern habe ich wieder modelliert, wie schon die ganze Woche, wie ich es heute wieder tun werde und die nächsten Jahre… Die Nähe zur Schwäche des Vaters erzeugt eine neue Arbeitsintensität. Vielleicht ist es auch ein Druck, Zeitdruck.

Die Stadtpläne auf den Scherben der Totenbücher gehen mir durch den Körper. Ich wandere mit den Modellierhölzern durch die Labyrinthe der Suchbewegungen, mit denen sich die Väter umkreisten.

Aber der weise Enkel Armin spielt Himmel.

Keine Schönschrift heute, dafür wieder Joanas Geheimschrift, mit der sie nachher wieder Gedichte von Uwe Gressmann übersetzt.

Auslöser | Verknüpfungen

Neue Worte kommen hinzu, andere entschwinden. Rechteck, giftspeiende Schlange, Maskenbaum. Die Buchmalereien beruhigen sich, Schönschrift wird verwischt, Rohrgeflechte gebannt.

Ich modellierte bis zum Abend. Scherbe um Scherbe reihen sich die Umrisse mit den einzelnen „Stadtplänen“ der Suche der Väter, nach einander, nach Auswegen und Verantwortlichkeiten, nebeneinander. Könnte sein, dass ich das erste Teilrelief in der kommenden Woche schaffe. Mit dem Fortgang der Arbeit stellen sich immer neue Überlegungen ein, wie ich dann mit einem großen zusammengesetzten Format weiter verfahren könnte.

Beim Entwerfen des neuen Projekttextes geht es wieder darum, dass die teilnehmenden Jugendlichen aus meinen persönlichen, biografischen Projekten Ideen für sich entwickeln sollen. Auch die damit zusammenspielenden Materialien sollen Auslöser für die Entdeckung eigener, haptischer Vorlieben sein.

Diesen Text will ich heute vom Tisch haben, damit ich wieder ungestört am Relief bleiben kann, das sich nun mit den Krankenhausaufenthalten meines Vaters verknüpft.

Menschenmaske für eine Kröte

Die menschliche Maske eines Krötenschädels steht auf dem hohen Tisch in meinem Gärtchen, zwischen den Bonsaibäumen der Sukkulenten von den Kanaren. Ein speiender Kopf.

Ich stelle mir Masken vor, die ich mit den Rasterabbildungen verschiedener Tiergesichter versehe. Hinter der grinsenden Pappmachefassade befindet sich das Grauen der Reptilien. Die gespaltenen Zungen, die Zahnreihen und die kalten Augen. Der Speichel der Giftkröte tritt aus dem Mundspalt und verätzt das Gegenüber.

Schleppend verlief die Weiterarbeit am Relief. Zu viele Ablenkungen der letzten Tage drängten sich in den Vordergrund. Die Konzentration wird zur Disziplinübung.

Auch die Buchmalereien gerieten aus den Fugen. Draußen lärmten während der Arbeit daran Jugendliche einer französischen Schule. Sie liefen mit geschlossenen Augen geführt und langsam über das Gelände und hörten die Sirenen der Rangierloks, das Plätschern meiner Gartenbewässerung, die Lüftungsanlagen, die vorbeidonnernden Güterzüge und vor allem den Lärm der eigenen Stimmen.

Keine Keilschrift

Schon jetzt am Morgen legte ich die Werkzeuge für die Weiterarbeit am Väterrelief bereit. Gestern modellierte ich den ganzen Tag locker und gleichzeitig konzentriert. Eine Meditation.

Die Handhabung der Werkzeuge für Keilschrift ging mir durch den Kopf. Gleichzeitig begann ich Modellierhölzer so zu bearbeiten, dass ihre Kanten besser zu den Strukturen passten, mit denen ich zutun habe.

Die Struktur der Keilschrift allerdings lässt sich nur bedingt anwenden, weil ich ja über das vorgezeichnete Liniengeflecht modelliere und das Muster nicht in eine vorher glatt gezogene Fläche eingrabe.

Manchmal quaken aufgeblasene Gastfrösche aus der Nachbarschaft. Die gepresste Modulation lässt aufgestaute Beschimpfungen frei, die durch den Seiteneingang, schräg von unten, in den Konzentrationsraum drängen.

Unterste Schublade – Tür zu – weiterarbeiten!

Bewanderung

Der Umgang mit Worten, wie ihn Vinzenz betreibt, ist von seiner Art, den Stein zu bearbeiten geprägt. Ohne Umschweife gräbt er sich in den vor ihm liegenden Block. Mit knappen Stößen oder sanftem Drängen prägen sich die Wortkombinationen in spannungsgeladene Paare oder Kraftkolonnen. Handwerklichkeit, wie sie derzeit verpönt in Nischen wartet, lebt von der Bewanderung, auch in den Wortwäldern.

Lichtraum am Morgen, als leuchtet das Atelier selber im flachen, kalten, östlichen Licht.

Leichten Fußes folgte ich, wie ein Tier, meinem Spürsinn ins Atelier. Das Rolltor bleibt zunächst unten, bis die Wärme in die ersten Zentimeter des Betons auf dem Platz eingedrungen ist, rückstrahlt und die kriechende Kälte der Nacht ersetzt.

Die letzten Wochen waren mit vielen Unterbrechungen perforiert. Nun hoffe ich auf einen etwas konzentrierteren Monat, den ich den neuen Projekten und dem Relief widmen kann.

Sind wir auch im Dilletantismus bewandert?

Zeitklang

03.09. 2017

Wenn ich die Ornamente der Buchmalereien nur teilweise in einen feuchten Grund schreibe und sie danach mit einer frischen Wasserspur verwische, dann bleiben die Linien nur dort vollständig stehen, wo sie in das nasse Papier gezeichnet wurden. Somit habe ich eine neue Arbeitsweise für mich entdeckt, die sich in die umfangreiche Beschäftigung mit Fragmenten einreiht.

Auch die hellen freien Flächen zwischen den Rasterpunkten der Väterportraits sind Terrains, die im Kopf ergänzt werden können. Jetzt stellt sich die Frage, ob ich sie zunächst gar nicht modelliere und anstatt dessen in dem glatten Charakter belasse, den der Untergrund aufweist.

Die ägyptischen Reliefs im Neuen Museum auf der Berliner Museumsinsel, die ich vorgestern erneut sah, weisen auch diese glatten Fehlstellen auf, zwischen die die Splitter des fein bearbeiteten Kalksteins gesetzt sind.

Die neu entstehende Verbindung zwischen den Buchmalereien und der Reliefarbeit im Fragmentarischen, erweitert sich auch auf die Atmosphäre des Vorläufigen und Nebulösen, wie es als Klang der Zeit in dem sanierten Museumsgebäude im Zusammenwirken mit den Reliefs entsteht.

Landkarten der Suche

Nach einem Treffen mit Alexander jetzt im Atelier. Vor zwei Tagen starb sein Vater. Gerade war er wieder in die Schule gekommen. So hatten wir unser Thema erneut auf dem Tisch. Es waren bestimmt nicht die letzten Worte, die wir für unsere Väter miteinander gefunden hatten.

Schlaf meines Vaters seit der Narkose. Ungewisses Erwachen – keine Nachricht…

Im Gärtchen sammelte ich ein paar Ringelblumensamen ein und verstreute sie auf die verschiedenen Etagen meiner Pflanzungen.

Gestern modellierte ich weiter am Relief. Diese Tätigkeit wird in der kommenden Zeit bestimmt immer weniger erwähnenswert, weil sie alltägliche Arbeit sein wird. Die Linien, die ich forme, sind jetzt die Landkarten der Wege, die wir auf der Suche nach uns zueinander und voneinander weg gegangen sind. Bewegungen der Väter und Söhne.

Mich interessiert, dass sich der Großvater seiner Verantwortung entzogen hat. Sein Freiheitsdrang oder die Notwendigkeit unterwegs den Unterhalt für sich alleine zu verdienen, in Beziehung zu der Wichtigkeit familiärer Zusammenhänge zu dieser Zeit. Seine Rigorosität findet sich später in der männlichen Linie immer mal wieder.

Endlich ohne Verstellung

Wieder im Atelier.

Durchtränkt von zwei Tagen Mutter, bekannter Bettzeuggeruch. Besuche bei meinem Vater in der Zentralklinik Bad Berka.

Jetzt merke ich, wie der Text von Franz Konter nachwirkt.

„… am Rande des Schlafs Scherbengerichte innen und außen …“

Jetzt wird die Säge am Brustkorb angesetzt. Der Blick fällt auf das freigelegte Herz. Endlich ohne Verstellung.

Verstopfte Autobahnen auf der Rückfahrt. Feuerwehren, Blechplastikmotorenläm, Ausweichkurse durch Umleitungen, in denen das Fließen auch schon stockt. Melancholie der Polizeifeuerwehrsanitäter.

Mein Garten war erstaunlich frisch an diesem Morgen nach der ganzen Wärme. Ein heimlicher Regen scheint gefallen zu sein.

Geburtstag meiner Tochter …

Immer so weiter

Am Zeichentisch höre ich schreiend videografierende Jugendliche vor dem Boxcamp, die vorbeisummende S-Bahn, Ostwindstartbewegungen der Flugzeuge über der Stauwärme auf dem Tevesbeton.

Passend zu den Familienverwirbelungen rund um Herzkranzgefäße, Hüftgelenkersatz und Krankentransporte, arbeitete ich gestern weiter am Relief des Väterdoppelportraits. Geduld der Modellierhölzer. Finger graben sich in die Erinnerungsschächte. Geruch der Speisekammer, der Schreckenskammer mit dem Züchtigungsgeflecht am Nagel.

Franz schreibt, dass das Lasso geworfen ist und die Verflechtungen der Teppichklopfer gelöst sind. Er sieht voraus, schreibt herbei, was er fand und sah. Hilfreich, wenn es ernst wird!

Die Buchmalereien stellen immer neue Fragen nach danach, wie es weitergeht. Immer so weiter.

Weg, weg, weg!

Ein paar Tage im Vakuum der Nordpfalz. Kleines Haus einer Schneiderin aus dem 18. Jahrhundert, in einem kleinen Weiler oder einem Hof, wie man dort sagt und Stille rundherum.

Von Franz Konter ein freundliches Schreiben zum Nachklang meiner Väterarbeit bei ihm. Ein paar Strukturen daraus haben in seinen „Baumhaustexten“ einen Klang gefunden.

Die Väterarbeit wird nun von den aktuellen Ereignissen überrannt. Operation und Herzinfarkt meines Vaters. Meine räumliche Entfernung zu den Geschehnissen, verlangsamt die Reaktion. Ich beobachte mich dabei, wie ich den Abstand halte.

Vor meinen Augen tritt ein handschriftlicher Text auf, Blau auf vergilbtem Papier, in dem mir mitgeteilt wird, dass meine Eltern ab sofort den Kontakt zu mir abbrechen. Das war die Reaktion auf den Antrag auf Ausreise, den ich 1983 gestellt hatte.

AUSREISEANTRAG

Und im Ohr poltern die Treppen von schweren Koffern. Ausbruchsversuch meines Vaters, der seinen Vater nicht kannte. Weg, weg, weg! Und meine Erleichterung!

Fotos

Die vergilbten kleinen Fotos mit den Zackenrändern sortiere ich manchmal um. Sie stehen neben mir hintereinander in Kopfhöhe vor den Büchern im Regal, ganz hinten in meinem künstlich erleuchteten Arbeitsalkoven. Einschulung, Kinderspiel, kein Asphalt, unverstellte Landschaft und kleine alte Häuser, barocke Wirtschaftsgebäude des Klosters Gerode. Verkleidungen, mal als Tiroler, mal Clown oder vor dem Weihnachtsbaum mit Modellflugzeugen meines Polizeionkels und Abschnittsbevollmächtigten Horst, dessen schweren Revolver ich schon mal in der Hand halten durfte.

Die Modellierarbeit am ersten Rechteck des Väterreliefs beginnt sich in den täglichen Rhythmus einzugliedern. Meine Geschicklichkeit nimmt zu. Aber die disziplinierte Konzentration der handwerklichen Kleinmotorik gelingt noch nicht den ganzen Tag über. Die einzelnen Scherben des zersplitterten Doppelportraits sind unterschiedlich groß. Außerdem sind ihre Binnenstrukturen, die Stadtplänen ähneln, auch in ihrer verschachtelten Dichte verschieden. Eine lange, unaufgeregte Arbeitsstrecke liegt vor mir.

Hier in meiner Rückzugswelt entdecke ich kleinere Materialien, Fundstücke auf dem Boden, wie beispielsweise die Feder einer hölzernen Wäscheklammer. Während das Holz schon reichlich verwittert und nur noch unvollständig vorhanden ist, scheint die Metallspirale rostfrei verzinkt zu sein. Mir geht eine „nutzbringende“ Anwendung durch den Kopf. Irgendwann wird sie ihre Funktion zwischen den Schlingpflanzen, Muschelketten oder Kleininstallationen gefunden haben.

Sommnerstagnation

Mein rechter Oberarm stößt, während ich am weißen, runden Tisch in meinem Gärtchen sitze, an eine gewachsene Holzstange, die zu dem Geheck gehört, das eine Grenze zur betonierten Umgebung bildet. Die aufgeschüttete Erde darunter verströmt noch die feuchte Kühle des vergangenen Gewitters.

Der Schienenverkehr auf dem Bahndamm hat sich, nachdem ein neues Gleis und neue Oberleitungen verlegt wurden, wieder normalisiert. Die Schirme der Restaurantterrasse werden für die Gäste, denen heute Königsberger Klopse angeboten werden, aufgespannt.

Weil wir gestern überraschend Gäste bekamen, kam ich nur zu den Variationen der Buchmalereien, den dazugehörigen Texten und der Collage fürs Netz. Diese Arbeitsvormittage verlaufen ruhig und gleichmäßig. Das private Universum dehnt sich still und langsam aus.

Zwischendurch kann ich, gemeinsam mit den Eidechsen, in der Morgensonne meditieren oder mit meinem Blick den Schlingpflanzen folgen von Blütenstandstation zu Blütenstandstation. Diese befinden sich im Übergang zur Samenproduktion für das kommende Frühjahr. Die Kapseln sind aber auch ein Wintervorrat für den Meisenschwarm, der mich täglich besucht.

Ein Prozent

Gestern begann das Modellieren am großen Väterrelief. Durch das Wachsen von plastischen Werten, von Zwischenräumen und handgreiflich rhythmisierten Landschaften innerhalb der Scherbenumrisse, spürte ich die neue Qualität dieses Arbeitsschrittes deutlich. Aus den vagen Zeichnungen auf dünnem Transparentpapier entstehen Materialvolumen, also Gegenstände. Sie kann ich auch einzeln abformen, um mit ihnen weiter zu bauen, ähnlich wie mit den Einzelblättern des Scherbengerichtes.

Als ich merkte, wie aufwendig es ist, das architektonische Innenleben von nur einer Scherbe zu modellieren, rechnete ich die Zeit, die ich für die ganze Arbeit benötige, in etwa hoch, und mir wurde es etwas mulmig.

Gestern schaffte ich sechs Scherben – ein Prozent!

Plötzlich tauchen die Götterfiguren aus dem Himalaja vor mir auf und verbinden sich mit den Ornamenten auf Rolle 6. „Schönschrift und Gewalt“, ein buddhistisches Thema.

Die vielen aufgefädelten Muscheln, die mich im Atelier und im Gärtchen umgeben, haben einen Einfluss auf mein Gemüt und nun vielleicht auch auf meine plastische Arbeit. Könnte ich ihre Strukturen in den Ton drücken? Was ergibt sich daraus für die Väter?

Musik

Steinharten Ton weichte ich gestern ein und knetete ihn zu einer gleichmäßig modellierbaren Masse. Damit kann ich nun beginnen, den ersten Teil des Reliefs zu modellieren. Ich machte das draußen, unter einem nun nachlassenden Sommerlicht.

Die Mikrokosmosfragmente meines Universums, die ich kürzlich auf Rolle 6 gezeichnet habe, stellte ich mir als vervielfältigte Einzelreliefs aus Pappmache vor. Sie könnten bemalt werden, vielleicht mit Rasterbildern aus der Arbeit der letzten Jahre.

Die Wellenform von Licht und Ton, die Bewegung der kleinen Materieteilchen, das Schwirren der Bausteine, findet seine gefügte Form auf meinem Papier. Diese Rhythmen strukturieren das zeichnerische Geschehen. Das ist die Musik, die mir gehört.

Die Schattenspielfiguren aus Thailand bestehen aus feinem, dünnem Leder, fast aus Pergament. Bei feuchter Witterung rollen sie sich ein wenig zusammen und werfen andere surreale Schatten, als ursprünglich beabsichtigt. Sie sind wegen der Maßverhältnisse sehr schön. Einen Umriss habe ich vorhin auf Transparentpapier gezeichnet, wo er etwas Comicartiges bekommt. Übertage ich ihn auf Rolle 6, verbindet er sich mit den verdichteten Mikrokosmosstrukturen, gerät er also in die Mühlen der Vervielfältigung, Verdichtung und Fragmentierung, wird er auch zur Nahrung des sich ausdehnenden Zeichnungsuniversums.

Ausdehnung

Montag. Garten, Sonne auf meinem Rücken, Blick auf die Eidechsen auf den dunklen Steinen unter der Acrylkuppel ihres Zentralbaus. Oben auf dem Dach, auf einer Ziegelscherbe, leuchtet die kleine Messingskulptur eines Krokodils, die wir in Indien gekauft haben, wodurch die mehrstöckige Anlage, aus verschiedenem Gestein, etwas von einem Echsenheiligtum bekommt.

Viele Freunde kamen gestern zu einem Grillabend unter dem Vordach neben dem Atelier. Die Gespräche drehten sich häufig um die Documenta 14 und was wir von ihr gelernt haben. Erstmalig war Franz dabei. Zu fortgeschrittener Stunde zeigte ich ihm die Väterarbeit, die ihm gut gefallen hat. Um meine Arbeit nicht zu beschädigen, sollte ich sie ab und zu jemandem zeigen und ein richtiges Maß dafür finden, meinte er etwas rätselhaft.

Die Zäsur eines Zwischenstadiums dieser Arbeit bilden die letzten mikrokosmischen Muster, die ich aus einer Vergrößerung des inkarnierten Doppelportraits herauszeichnete und auf Rolle 6 verdichtete. Sie werden bei näherem Hinsehen stärker, wie ich gestern beim Zeigen des Ausdehnungsprozesses dieses Universums spüren konnte. Eine eigene, persönliche Kosmologie nannte es Franz.

Bevor die Arbeit wieder unterbrochen wird, kommt es auf den Entschluss an, nun endlich mit dem Modellieren zu beginnen und alle Vorbereitungen dafür zu treffen. Erst dann kommt der entscheidende Schritt, mit dem das nächste Kapitel beginnt. Andere Entwicklungen finden mehr oder weniger kontinuierlich auf Rolle 6 statt.

Texte und Gestein

Mit meinen Portraitmalereien bin ich nicht weiter gekommen. Sie stagnieren, weil mir derzeit ihre Notwendigkeit nicht klar ist. Ich lasse sie dennoch auf der Staffelei stehen, damit ich sie, falls es doch zu einem Impuls kommen sollte, weiter malen kann.

Hans Zitko hat eine Textsammlung geschrieben, die er unter dem Titel „Kunstwelt Mediale und systemische Konstellationen“ veröffentlichte. Täglich könnte ich darin einen kleinen Absatz lesen und ihn, ähnlich wie bei Aleida Assmann, direkt auf meine Arbeit beziehen. Heute zog ich das kleine, dicke Bändchen aus dem Regal und legte es auf den Zeichentisch.

Nehme ich seine Ausführungen über Verdrängungsprozesse bei der Produktion, als auch der Rezeption von Kunst und ihre Herkunft, so lande ich gleich in den Erinnerungswelten, mit denen ich mich seit Jahren nun schon beschäftige. Bildlich erscheinen Formen der Erinnerung, die beispielsweise aus der Auferstehung der ländlich- klösterlichen Stille und durch eine Konzentration im Rückzug entstehen. Daraus wachsen Reihen von Zeichnungen und Buchmalereien, die sich aufeinander beziehen, sich voneinander ernähren.

Im Kloster Gerode, in dem ich einen Teil meiner Kindheit verbracht habe, kannte ich fast jeden seiner profanen Kalksteine in den Mauern und im unregelmäßigen Pflaster, mit dem Wegstücke befestigt waren. Es gab aber auch das heilige Sandgestein, das in Gesimse und Figuren verwandelt war. Ich kann mich kaum an die Winter dort erinnern, umso intensiver aber an die sommerliche Wärme, die lange in den Steinen gespeichert blieb.

Mulmig

Die vergrößerten Scherbenfragmente des inkarnierten Doppelportraits der Väter, die ich von der Vorzeichnung für das Relief auf Rolle 6 zeichnete, sind nun verdichtet. Sie folgen jetzt einer eigenen Dynamik. Das ist eine erneute Befreiung von ihrer Herkunft. Sie können eigenständige Ausgangspunkte für neue abstrakte Bilderfolgen sein, die durch ihre Reihung Geschichten erzählen könnten.

Es ist schon früher Abend nach einem zersiedelten Tag. Ich sah Anne Imhof bei ihrem Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Frankfurt. Susanne Pfeifer, die Kuratorin des Deutschen Pavillons war ebenfalls da. Na und dann traf ich alle, die ich bei solchen Gelegenheiten immer treffe. Etwas mulmiges Gefühl.

Bin froh über meine neuen Buchmalereien, weil sie vielfältiger auf immer andere Elemente der Vergangenheit zurückgreifen. Ihr Dreierrhythmus verführt dazu, sie nicht voneinander unabhängig sehen zu wollen. Das liegt auch an den gemeinsamen Farbigkeiten und Elementen die mehrfach in den verschiedenen Formaten auftauchen, mit dem feuchten Handballendruck übertragen.

Mikroklima

Wie geplant, arbeitete ich auf Rolle 6 an den einzelnen geometrischen Figuren weiter, die sich aus den Mustern der vergrößerten Scherben des Väterdoppelportraits ergeben haben. Diese geometrischen Fragmente vervielfältigten und verdichten sich wieder durch die bekannten Überlagerungen. Dadurch baut sich Spannung auf. Wohin sie führen wird, ist unbekannt – kann dazu nichts denken, nur zeichnen.

In den Trocknungspausen, wenn die Tusche vor der nächsten Runde des Zusammenrollens des Transparentpapiers noch feucht ist, nutze ich die Zeit für die Gärtchen. Die Rosenhecken müssen immer wieder im Zaum gehalten werden, damit sie die Kletterkünste der Morning Glory im Götterbaum nicht bedrängen. Mit einer Teleskopheckenschere begegne ich diesen Tendenzen, indem ich die viele Meter langen, stacheligen Triebe zurückschneide. Manchmal hänge ich atlantische Fundstücke in die Gesträuche.

Die Buchmalereien werden von den starren Mustern der polygonalen Linienkonstruktionen befreit. Sie schaffen eine eigene Umgebung, die nicht landschaftlich, eher atmosphärisch und horizontlos erscheint. Mit lokalen Wetterlagen ist es vergleichbar, als schüfe ich ein Mikroklima auf den Buchseiten.

Montag

Mein kurzer Gang durch den Garten gilt den Eidechsen, die sich von den ersten Sonnenstrahlen auf Jagdtemperatur bringen lassen. Und Anlässe, um Reaktionsschnelligkeit und Renntempo anzuwenden gibt es genug, denn es ist hohe Zeit aller Insekten, Asseln und Würmer.

Windstille lässt den Wechsel der Startrichtung der Flugzeuge erwarten. Noch weht laue Luft aus Ost, wegen eines nordöstlich kreisenden Hochdruckkernes. Aber bald wird es stiller und kühler.

Die Buchmalereien drehen sich immer wilder um sich selbst, haben den Kontakt zu den Vätern und zum dem kommenden Landmarkenprojekt verloren. Die Fotografieausstellung im Städelmuseum hat mich allerdings in diesem Vorhaben, in dessen Mittelpunkt das Forsterhochhaus stehen soll, bestärkt. Ein paar Arbeiten stellten Gebäude aus verschiedenen Blickrichtungen und großen Entfernungen ins Zentrum. Die Vordergründe, die Umgebung des Standortes also, verbanden sich immer neu mit der anvisierten Architektur. Ein Aspekt, der mir in seiner Tragweite erst während der Arbeit aufgegangen wäre.

Heute etwas Organisation, Einkauf und dann Rolle 6.

Außerhalb der Kontexte

Auf den neuen Gleisen des Bahndamms kriecht eine monströse Maschine hin und her. Durch all das Grün, das den Hochsommer krönt, sind davon nur gelbe, vorüberziehende Fragmente sichtbar. Das wird vom Geräusch einer steigen, trockenen Brandung begleitet, die Kalknebelgischt aufschleudert. Der Bassbariton des Diesels wird vom metallenen, reibenden Ruf einer rhythmisch arbeitenden Bremse, der dem Schrei eines tropischen Wasservogels ähnelt, begleitet.

Mit dem nur halbhochgezogenen Rolltor halte ich die wenigen Sonnenmomente des grauen, warmen Morgens fern. Morningglory wirft sich zu üppig blühenden Bildern auf, die das karge, gestapelte Trockengesträuch des Vorgartens überwuchern.

Durch meine Erinnerung treiben noch die Bilder der Documenta. Weil ich sie ihren Entstehungskontexten und denen, in die sie gestellt wurden, entnahm, befreite ich mein Schauen auf die Strukturen, Materialien und Erzählungen.

Auf Rolle 6 zeichnete ich einen Ausschnitt des inkarnierten Doppelportraits der Väter – fünf Scherben davon. Die Arbeit, die nun folgt, sind Vereinzelungen der Binnenstrukturen, neue Überlagerungen davon, die sie anders füllen werden und erneute Vergrößerungen. Ja – und dann das Modellieren.

Religion und Forschung

Gestern Abend Rückfahrt aus Kassel, wo wir und zwei Tage lang die Documenta 14 anschauten.

Das Ganze hinterließ einen beängstigenden Eindruck bei mir. Politisch korrekte Illustration wechselte sich mit indigenen Volkskunsttraditionen, die wiederum von den Kuratoren nicht als Kunst sondern als Gegenstand einer bestimmten Gegend und aus einer bestimmten Tradition gezeigt wurden. Es ging nicht um künstlerische Qualität, was den Standort des Kurators wiederum als rassistisch entlarvt. Die „edlen Wilden“ können flechten, was sie wollen, es ist authentischer als das, was in europäischer Tradition entstand. Die Darstellung religiöser Ästhetik wird als gegenwärtige Kunst gezeigt, in ihrer emotionalen Wirkungsweise überhöht und erkenntnisorientiertem Arbeiten vorgezogen. Vielen Tendenzen unterstelle ich einen gewissen Fanatismus, der dazu in der Lage wäre, traditionelles Kulturgut zu zerstören.

Eine angenehme Ausnahme bilden die Arbeiten des amerikanischen „Künstler-Künstlers“ David Schutter, der sich in seinen zarten Zeichnungen neu entdeckten Arbeiten von Liebermann annimmt. Mit einem Forschungsgestus widmet er sich dem Material und macht eine eigene, abstrakte Zeichnungsserie daraus. Eine solche Haltung bestärkt mich in dem, was ich mache. Sie trägt einen Anteil an meiner Entscheidung, an das große Väterrelief doch heran zu gehen.

Geheck

Der Schatten des Rolltores, das ich nicht weit hochgezogen habe nur dass ich unter ihm hinweg auf den Weg blicken kann der auf mein Atelier zuführt, wird gleich die hellen Seiten meines Buches erreicht haben. Außen in die Birke an der Atelierwand hängt der Schlauch, aus dem wenig Wasser rinnt, auf die schnell wachsenden Weiden und das, was ein Gesträuch aus Ahorn, Eichen, Buchen, Haselnuss und Robinien werden wird, ein Geheck, wie die alten Grenzbefestigungen im Rheingau hießen. Damals ging es um folgenschwere Überfälle marodierender Heerhaufen. Bei mir geht es nur um die Blicke der allzu neugierigen Eidechsenfeinde oder Mittagsgäste, die hungrig in Gruppen dem Restaurant zustreben.

Der Sonntag gestern verging mit einem Taunusspaziergang und mit etwas Zeit im Gärtchen. In meinem Korbstuhl zwischen den Regalen suchte ich nach Ruhe, die ich dort nicht fand – erst jetzt beim Schreiben.

Meine Ateliernachbarn sind nun alle unterwegs. Ich könnte ohne schlechtes Gewissen laute Gitarrenriffs probieren.

Zeitknappheit

Zwei Monate vor seinem Tod hielt Heiner Müller die Laudatio zum Büchnerpreis von Durs Grünbein. Das Sprechen machte ihm Mühe, nicht das Denken. Zeitknappheit erzeugt Dichte.

Verdichten.

Die Maskengestaltung gestern ging fehl. Ich benutzte die falschen Werkzeuge. Aber die Unterbrechung dieser Arbeit gab wieder vielen anderen Varianten Raum. Welche Maske benutze ich überhaupt? Vielleicht doch die von Kali mit der roten herausgestreckten Zunge? Und welches Motiv kann auf die weiß neutralisierte Fläche projiziert werden?

Die verwöhnten Pflanzen meines Gärtchens lassen sofort die Blätter hängen, wenn die kühle und regenreiche Zeit von der nun wieder einsetzenden Wärme unterbrochen wird. Und gleich tue ich meine Pflicht, mit der Gießkanne in der Hand.

Ich habe aufgehört, die Eidechsen zu zählen, die mir allenthalben um die Füße sind, Höhlungen von mir aufgeschreckt zum Schutz aufsuchen im kleinen Scheinparadies.

Kein sicherer Gang

In dem Moment, wo ich innerhalb der Buchmalereien die Verwischungen gegen Wasserverläufe und Handballenabdrücke eintausche, entstehen konkretere Formen, die sich leicht mit gegenständlichen Figuren verbinden lassen. Das kann störend werden.

Die Folienzeichnung für die Projektion ist fertig gestellt. Und die Hälfte davon ist auf die Grundplatte für das Modellieren übertragen. Die Arbeit geht zögerlich voran. Eigentlich wollte ich mit dem Zeichnen der Projektion schon fertig sein. Es ist kein sicherer Gang mit dem ich diese Arbeitsschritte gehe.

Beim Pflegen der Wiese, der Pflanzen, die ich in ihrer Nachbarschaft betreue und meines Gärtchens, kann ich mich auf eine produktive Weise regenerieren. Es tut gut, das Kraut zu identifizieren, das die Wiese zuwuchert, es herauszureißen, um es später trocken zu verbrennen. Ich lenke die Kletterpflanzen und beobachte die stark zugenommene Population der Eidechsen. Schotterhügel eignen sich für ihre Kinderstuben.

Zwischendrin werde ich eine weitere Honigsammlermaske mit einem Rasterportrait bemalen, und Joana kommt heute, um an ihren Skulpturen oder Schriften weiter zu machen.