Dunkelheit

Auf meine veränderte Handschrift schauend beginne ich den Faden der letzten Woche wieder aufzunehmen. Die Existenz des ersten kleinen Reliefs, das ich für den Entgoldungsfries angefertigt hatte, entging mir. Also habe ich bereits 5 von 9 Vergoldungsumrissen des Porzellanreliefs in Entgoldungsobjekte umgewandelt. Die Farbigkeit hat sich bei der Weiterarbeit verändert. Das will ich auf die ersten 3 Reliefs erweitern.

Carola Hilmes erzählte ich gestern, während eines Taunusspazierganges, von diesem Projekt und bemerkte, wie anstrengend das für mich ist. Es gleicht zunehmend einem Abstieg in den Braunkohlenkeller der DDR. Das Atmen wird schwerer. In diesem Zusammenhang scheint mir eine weitere Eindunklung der Reliefs folgerichtig. Mit Tusche, Graphit und Holzkohle, was ich alles mit Schellack mische, werde ich vorsichtig weiter lasieren.

Gedanken schweifen ab in das lichte Spiti – Tal. Ich werde das Skizzenbuch der ersten Himalajareise dorthin mitnehmen, weil darin noch viel Platz ist. Manchmal denke ich mir die tibetischen Berggötter in die Landschaften hinter den Tempelwänden, die ihre Schreine beherbergen.

MEHR

Gestern wurde die Bemalung des 4. Entgoldungsreliefs fast fertig. Es dauerte danach eine Weile, bis ich mich davon erholt hatte. Das gelang mir aber in der Hängematte in meinem Dschungel, wo ich mit Aleida Assmanns Intervention zur Erinnerungskultur zum Schluss kam. Davon brauch ich noch mehr! Und endlich habe ich nach Berlin berichtet, wo die Arbeit nun angelangt ist.

Deutliche Veränderungen gibt es nun die Werktagscollagen. Mit dem gesamten Material gehe ich nun freier um, füge kräftige Dunkelheiten ein und verwandele die Reliefbemalung in eine changierende Schicht. Vielleicht sollten die Buchmalereien etwas mehr in den Hintergrund treten.

Die Arbeit am „Entgoldungsfries“ strengt sehr an. Manchmal kann ich die Stasitexte nicht mehr sehen. Auch ihre Verwandlungen in Stasi-DADA drängen mich in das Fühlen meiner letzten DDR-Jahre. Im Spiegel, dachte ich, schaue ich mir beim Zeitreisen zu.

Zorn

Gestern beendete ich die Tuscheuntermalung des aktuellen Entgoldungsobjektes. Erforderlich ist eine disziplinierte Arbeitsweise, um die Wirkung der Miniatur auf der Transparentpapierrolle in eine größere Form zu bringen und sie dennoch nicht schwächer werden zu lassen. Die Unsicherheit des Strichs kann dabei hilfreich sein.

Das wirklich Schöne an dieser Arbeit kommt aber erst jetzt. Es ist die Schichtenmalerei mit Tusche, wenigen Wasserfarben und Schellack. Das ist eine Lasurtechnik, die das innere Leuchten der Bilder ermöglichen kann, indem ich immer tiefer in die Dunkelheit der Erinnerungen hinabtauche.

Aber wo bleibt der Zorn? Findet er sich nur in der Geste des Entgoldens, in der Gegenüberstellung der banalen Porzellandekoration mit den Schichten der Aufdeckung von Verantwortungen meines Mentors Heinz Werner alias „Lutz Lange“? Weil ich die Arbeit in erster Linie für mich mache, versäume ich es, den Kuratorinnen im Humboldtforum davon zu berichten. Das muss aber getan werden.

Akribie

Der Versuch von Akribie bei der Tuscheuntermalung auf dem neuen Relief, schlug fehl. Zu sehen ist die Bemühung, etwas von den Schreibmaschinentypen der Tonbandprotokolle in die unebene Landschaft zu übertragen. Aber auch der Tonfall der Berichte zeugt von Unsicherheiten und von Vorsicht. Da wollte mir jemand vielleicht nicht allzu sehr schaden.

Zwischendrin habe ich eine der großen Papprollen, die ich lange aufgehoben habe, in einen Bottich mit Wasser gestellt. Sie soll sich so langsam von unten her auflösen und zu Pappmache werden. Damit will ich an der Kraftfeldform weitere Versuche starten.

Gestern hatte ich einen langen Abend mit Franz. Mitten auf den Platz vor dem Atelier stellten wir den Grill und das Feuerfass, das ich schon vor Wochen mit klein geschnittenem, trockenem Holz gefüllt hatte. Es war auch genügend Wein da, dass wir es lange aushielten. Er meinte, dass auch meine Rachegefühle meinem IM „Lutz Lange“ gegenüber Platz in meinem Projekt haben sollten. Mit Blick auf die Fortführung der „Entgoldung“, ist das ein bedenkenswerter Aspekt. In den letzten Wochen schwebte mit eher eine Versöhnungsgeste vor. Vielleicht gehört aber die andere Seite mit dazu.

Dialog mit einem Toten

Zum dialogischen Erinnern fehlt mir mein Partner Heinz Werner, der schon vor ein paar Jahren gestorben ist. Deswegen lasse ich die Kunstgesten und Schriftzeugnisse aufeinander treffen: seine Vergoldungen auf meine Entgoldung. Sie stützt sich auf seine Tonbandberichte, die mir für die Zwiesprache reichen müssen.

Das nächste Objekt dieser Reihe, gleicht in seinem, vom Porzellanrelief abgenommenen Umriss, einer Sprechblase. Textfragmente der Tonbandprotokolle und Liniengeflechte sind teilweise schon von Rolle 10 übernommen worden. Bei diesem Arbeitsschritt nähere ich mich eher der Tuschzeichnung auf dem Transparentpapier, lasse Freiräume, die für den Zusammenklang der Schichten des Kraftfeldes und der Protokollfragmente zur Entgoldung hin, notwendig sind.

Ich möchte der Wirkung dieser Arbeit als eine Abrechnung mit meinem IM entgegenwirken. Somit muss dem Dialog der Kunstwerke eine größere Bedeutung zukommen. Indem ich versuche, seine Perspektive als Künstler einzunehmen, kann ich versuchen, mit dem Toten in diesen speziellen Dialog der Erinnerung zu kommen.

Vor 50 Jahren

Durch meine Erinnerungskonstruktionen entsteht das Gebäude, in dem die Wahrnehmungen wohnen, die die eigenen Prognosen bilden. Die Erwartungen, die ich an das Klassentreffen hatte, das das 50. Abiturjahr feiern sollte, kamen aus der Verfestigung bestimmter Wortwechsel, die vor 20 Jahren in der gleichen Runde stattfanden.

Wenige Jahre nach der Wende waren damals noch viele Wunden offen, deren Schmerzen mir, als einem von 2 Wessis in der Runde, überreicht wurden. Ich war plötzlich der Kolonisator, war mitschuldig an den Brüchen, die die Biografien meiner Mitschüler durchzogen. Und das nur, weil ich schon 5 Jahre vorher die DDR verlassen hatte und auf der anderen Seite der Grenze wohnte. Davon war nun Vorgestern keine Rede mehr.

Vielmehr erinnerten wir uns an das vielleicht wichtigste Ereignis unserer wenigen gemeinsamen Jugendjahre, einer Meuterei in einem Lager der vormilitärischen Ausbildung. Weil ein Mitschüler aus politischen Gründen von der Schule verwiesen worden war, formierten wir einen Protestzug als Schweigemarsch rund um den Exerzierplatz des Militärgeländes. Das war eine heikle Situation, auch für unsere Ausbilder, die in diesem Fall unsere militärischen Vorgesetzten waren. In unserer Berufsschule wurden wir dann festgesetzt, nicht mit Nahrung und Getränken versorgt und einzeln verhört. Unsere Mitschülerinnen versorgten uns mit Lebensmitteln, die sie uns in den offenen Fenstern des zweiten Geschosses zuwarfen. Dieser ganze Vorgang, der nun 50 Jahre her ist, hätte alle Zutaten für den Gründungsmythos einer Vereinigung zur Aufklärung dieses und ähnlicher Vorfälle von staatlicher Willkür in der DDR.

Byzantinisch

Auf der Wiese sprach ich mit einem türkischen Liedermacher, der gerade seine Heimat verlassen hat. Dann hörte ich, während der Buchmalereien, seine Lieder im Netz. Zu den durchgedrückten Linien des Vortages entwickelten sich Konturen von Resonanzkörpern, die zu Saiteninstrumenten gehören könnten. Die Zwischenräume rückten dann in den Vordergrund, wie der musikalische Klang.

Die Weiterarbeit an der Bemalung des „Entgoldungsreliefs“, führt in die Formensprache byzantinischer Mosaiken. Der Moment ist gekommen, an dem die lang ersehnte Wiederaufnahme der Lasurmalerei beginnt. Die Folge ist, dass der Akt der Entgoldung keine Dekonstruktion mehr beinhaltet, sondern eher eine Aufwertung der vergoldeten Partien des Porzellanreliefs. Das Blattgold allerdings, wird ersetzt durch das Schreinergold Schellack, das sich mit den Fragmenten der MfS-Tonbandprotokolle und den Linien des Kraftfeldreliefs zu einem dialogischen Erinnerungsparcour schichtet.

Was die Verdichtungen dieser Arbeitsphase noch zutage fördern werden, wird dann bei der Bearbeitung des „Geheimalphabets“ aufgehoben. Morgen fahre ich, passend zur gegenwärtigen Beschäftigung, zu einem Klassentreffen nach Thüringen.

Verschiedene Zielrichtungen

Der durch das Kuratorinnenteam abgesteckte Erinnerungsrahmen im Bezug auf das Projekt „Der Palast der Republik ist Gegenwart“, löst bei mir entgegengesetzte Zielrichtungen aus. Zunächst verengt sich der Blick auf das Porzellanrelief im Humboldtforum und dort auf die Gestaltungsanteile meines IM „Lutz Lange“, die Vergoldungen. Ich spiegele ihre Umrisse und versehe die Oberfläche dieser eigenen Reliefs, die aus dem Projekt „Kraftfeld“ stammen und sich mit dem Porzellangegenüber vermischen, mit einer Schicht der Verarbeitung der Tonbandprotokolle des MfS.

Schon dieses Spiel ist dialogisch und fügt der eigenen Erinnerungsperspektive den Blick auf eine zweite hinzu. Weitere Drehungen der Perspektivrichtungen ergeben sich aus der Veröffentlichung des künstlerischen Forschungsmaterials. Hier kann sich zeigen, ob diese Verbildlichung des Erinnerungs- und Verarbeitungsvorgangs verallgemeinbar sein kann. Das ist der Beitrag meines Projektes „Entgoldung“ zur kollektiven Erinnerung der sich gegenüberstehenden Gruppen.

Die Malerei, die ich gestern fortgeführt habe, bleibt davon unberührt. Vorsichtig begegne ich der eingegrenzten Farbpalette von Schellack, Graphit und Tusche mit Blautönen, die aus den Buchmalereien auf die Reliefs hinüberwechseln.

Zögern

Im Netz sah ich ein Interview und eine Podiumsdiskussion mit Aleida Assmann zum Thema der Erinnerungskultur. Parallel dazu lese ich in ihrem Buch weiter, nehme mir Zeit, nach den langen Monaten der Produktion, die Inspirationskammern wieder mit neuen Verknüpfungen aufzufüllen.

Die Arbeit an einem der kleineren Reliefs, die bereits mit Aquarellfarben bearbeitet worden sind, habe ich gestern fortgeführt. Mit Schellack vermalte ich zunächst die Graphitschraffuren zu kompakteren, geschlossenen Flächen. Danach fügte ich noch mehrere Lasuren des „Schreinergoldes“ (Schellack) hinzu.

Es geschieht nun also, dass sich die verschiedenen Techniken aus den Buchmalereien und den Transparentpapierrollen, auf den Reliefs vermischen. Das lange Zögern hatte seine Gründe, weil sich die Techniken nicht so leicht verbinden lassen. Nun geht es aber langsam wieder hinein in die verdichteten Schichten.

Mehr Experimente!

Die Situation, in der ich erinnere oder das Erinnerte durch meine Arbeit sichtbar wird, beginnt eine zunehmende Rolle zu spielen. Die Leistung eines Betrachters, sich der bildgewordenen Rückschau zu nähern, anonym im Netz oder in einer geografisch rückkoppelnden Umgebung, beeinflusst den Entwicklungsprozess dieser Forschung. Das habe ich zuvor viele Jahre lang ausgeschlossen.

Tobias Kruse hat sich gemeldet, um mich für das PdR-Projekt im Humboldtforum zu fotografieren. Er möchte das mit Naturlicht in meinem Atelier machen. Ich glaube, dass er einen Umgang mit Strukturen entwickelt hat, der der Ateliersituation mit der aktuellen Arbeit zugute kommen wird. Ich würde mich freuen, wenn ich ihn dazu inspirieren könnte, Teile der Reliefs mit aufzunehmen.

Am Morgen begann ich auf einem Exemplar der Reliefs, das ich schon begonnen hatte mit Farben zu bearbeiten, mit Graphit zu schraffieren. Das möchte ich danach noch mit Schellack vermalen und mit anderen Techniken vermischen. Es bedarf noch mehr an Experimenten.

Fragen nach Struktur

Meine Überprüfung der Arbeitsstruktur, richtet sich nach innen. Von dort aus kann die Blickrichtung gewechselt werden. Dieser Wechsel ist das Entscheidende, das der Struktur einen produktiven Energiekern verschaffen kann.

Ein Beispiel dafür ist die Beschäftigung mit den Tonbandprotokollen des MfS. Sie berühren eine Verfassung, die sich aus der persönlichen Enttäuschung über den Verrat eines Vertrauten entwickelte. Das ist die Bewegung nach innen, die auf Rolle 10 zu finden ist. Ihre Umkehrung besteht in der Konfrontation der beiden Reliefs im Humboldtforum („Entgoldung“) und die Überführung der eigenen Erinnerungsperspektive in eine dialogische und letztlich kollektive Erinnerung. Das empfinde ich als meinen Beitrag zum Projekt „Der Palast der Republik ist Gegenwart“.

Mit der Frage nach Struktur taucht die der Arbeitsgeschwindigkeit auf. Ich habe den Wunsch sie zu senken. Wenn ich das manchmal tue, treten in den Buchmalereien Verknappungen auf aus deren zurückhaltenden Gesten eine gewisse Eleganz herrührt. Sie sind dann aber schon ausgereizt und lassen sich, beispielsweise auf den Transparentpapierrollen, nur noch schwer weiterentwickeln.

Neue Entgoldung

Ganz nebenher entstand eine neue „Entgoldungsarbeit“. Ich fuhr mit meinen Farbstiften, die wasservermalbar sind, durch die Vertiefungen eines grundierten Reliefvierecks mit einer Kantenlänge von etwa 20 cm und ging mit einem nassen Pinsel hinterher. Die veränderte Farbstimmung führte auch zu einer anderen Zeichenstruktur. Sie kommt zwar immer noch von den Durchzeichnungen der Tonbandprotokolle auf Rolle 10, erscheint nun aber etwas lichter und freundlicher.

Die Autoren meiner derzeitigen Lektüren sind Aleida und Jan Assmann. Die Texte, die um Schriftkultur und Erinnerung kreisen, ergänzen sich und haben direkt mit meiner derzeitigen Arbeit zutun. Ihre Erkenntnisse beeinflussen die Entwicklung der Projekte. Der Begriff des Erinnerungsdialogs konturiert meine Inhalte neu. Die Begegnung der Reliefs entwickelt sich auch dadurch für mich spannend.

Die Buchmalereien blieben heute etwas schütter. Ich würde die Strukturen der Handballenabdrücke gerne weiterentwickeln, ihnen eine größere Bedeutung zumessen. Auch die Reliefs können durch die Berührungen der farbbenetzten Haut gewinnen.

Freundlicher Blick

Sehr zeitig habe ich heute die Buchmalereien abgebrochen, weil es mir um die Figurationen, die am Beginn der Arbeit auftreten und dann von den folgenden Schichten abgedeckt werden, leid tut. Außerdem finde ich die sparsamen Kompositionen manchmal reizvoller, als die starken Verdichtungen.

Von der Arbeit an der Rekonstruktion des Kraftfeldes, die in das Projekt „Entgoldung“, die Beschäftigung mit dem Palast der Republik und meiner Stasiüberwachung, übergegangen ist, habe ich mich in den letzten Tagen erfolgreich fernhalten können. Das hat zur Folge, dass mich die Bemalungen der Reliefs jetzt schon etwas freundlicher anschauen. Das beruht aber auf Gegenseitigkeit.

Ich denke darüber nach, wie ich die kleineren Relieffragmente der „Entgoldung“ mit den großen Tafeln der Rekonstruktion so verbinde, dass die Teile wieder leicht voneinander lösbar bleiben. Es müssten kleine Halterungen aus Pappmache gebastelt werden, in die man die Reliefs einhängt. Morgen beginne ich ein neues Tagebuch. Das ist Nummer 161.

Tove-Projekt im Schauspiel Frankfurt

Amseln holen sich Erde aus meinem Gärtchen. Mit Klumpen davon fliegen sie davon. Das ist rätselhaft. Manchmal pfeife ich mit ihnen. So unterhalten wir uns. Sie singen auch gerne zur Klaviermusik von Glenn Gould.

Im Schauspiel Frankfurt sahen wir gestern das „Tove-Projekt“. In der anspruchvollen Hauptrolle arbeitete Sarah Grunert schwer und erfolgreich. Der unaushaltbaren Weite der Bühne, hatte sie nur die Behauptung ihrer künstlerischen Existenz als Figur und als Schauspielerin entgegenzusetzen. Zwischen den Rollen der Ehefrau, der Schriftstellerin und der Mutter, zerrieb sich der sensible Charakter, hin und her geworfen. Eins schöner Abend, mit ein paar Längen, aber mit einer großen Schauspielerin.

Mal wieder sehne ich mich nach einer feuchtwarmen Luftströmung aus Südwesten, mit Schauern, Gewittern, dampfenden Wäldern und schwirrenden Insekten überall. Das ortsfeste Hoch beschert uns aber stetig trockenen Ostwind. Ich kann nur mein Gärtchen wässern und ein paar besondere Pflanzen auf meiner Wiese mit der Gießkanne versorgen. Und wir haben im vergangenen Jahr unseren Energieverbrauch um ein Drittel gesenkt!

Schichtungen

Mir fiel ein, dass ich die Reliefs des Entgoldungsfrieses direkt mit einem großen Kraftfeldexemplar kombinieren könnte. Da sie aus derselben Gipsform abgegossen worden sind, können die deckungsgleichen Stellen übereinander geschichtet werden. Das ist eine weitere Variante neben der Reihung der Objekte in einem waagerechten Fries.

Die Freude bei dieser Arbeit beizubehalten, ist eine der Herausforderungen des Projektes. Allzu oft pralle ich vom Anblick der Reliefs zurück, werde von den Buchstaben abgestoßen. Hier steht mir mein Streben nach Kontinuität im Weg. Ein wenig mehr Mut zur Pause oder zur Abwechslung wäre gut.

Ein Rinnsal Wasser plätschert in einen der Bottiche des Gärtchens. Durch die offenen Tore zieht die Sommerluft. Samen der Kräuterwiese, auf der ich als Kind Ski fuhr, gehen in meinen Frühbeeten auf. Ich werde sie später auf meine Wiese setzen.

Entgolden

„Entgoldungsfries“ ist der etwas sperrige Arbeitstitel, der die Reliefs umfasst, die ich derzeit anfertige. Das „Entgolden“ bezieht sich auf die Vergoldung des Porzellanreliefs, das im Humboldtforum hängt. Was bisher entstand ist noch etwas steif, als müsste ich erst warm werden mit dieser Arbeit. Als Teil des Prozesses lasse ich diese ersten 3 Reliefs aber gelten.

Ganz anders geht es in den Buchmalereien zu. Dort interessiert mich eher die kosmische Gravitation. Paralleluniversen entstehen als Wiederholungen. Manchmal wird das Geschehen von einem Kulissenteil eingerahmt und wird so zu einer Bühnenszene. Würde ich den „Entgoldungsfries“ zu einer Bühnendekoration machen, könnte ich den szenischen Prozess der Nutzung der Strukturen, vom Zuschauerraum aus beobachten. Ich wäre nicht der Akteur, sondern Bühnenbildner. Das Publikum kann zwischen den Kulissen umhergehen, die vom Regisseur aufgestellt worden sind. Er hat freie Hand, damit umzugehen. Ich lehne mich zurück.

In diesem Sinne schaue ich auch auf die Entwicklung des „Geheimschriftfrieses“ (auch so ein Arbeitstitel). Dessen Buchstaben werden nun noch auf Rolle 10 weiterentwickelt. Eine Arbeit mit weit offenem Ausgang. Ich muss nur die Entwicklungsarbeit aufrechterhalten.

Staub

Die Bemalung der Reliefs hat begonnen. Die unterschiedlichen Strukturen, d.h. die dreidimensionale Oberfläche und die Zeichnungen von Rolle 10, dabei übereinander zu bekommen, ist etwas mühsam. Es hat sich bewährt, die Schichten zuvor im Rechner übereinander zu legen.

Die Erinnerungsarbeit konsequent fortzuführen, ist anstrengend. Es ist, als würde diese abgelagerte Trockenheit der Stasiakten, auf meinen Körper übergehen. Ein anhaltendes Durstgefühl entsteht. Der Staub ist mit der DNA der Schreibtischtäter kontaminiert, die sich die Maßnahmen zur „umfangreichen Aufklärung des Persönlichkeitsbildes“ ausdachten und solche, die mir das Leben schwer machen sollten. Sie betonierten damit allerdings, mein festes Vorhaben, die DDR zu verlassen, umso mehr.

Nun möchte ich in dieser Auseinandersetzung eine Veränderung der Herangehensweise herbeiführen. Das soll geschehen, indem die Malerei einfach Spaß macht. Ich möchte die Materialien genießen und somit immer wieder gerne an dieses Thema herangehen können.

Unterhaltungen I Friese

Die Tage sind still. Es gibt das Gespräch mit den Buchmalereien, mit dem Werkzeug, beispielsweise einem Bossierpinsel aus der Porzellanmanufaktur Meißen und mit meiner rechten Hand. Unterhaltungen gibt es auch mit Eidechsen, mit den vielen Vögeln, den Schwebfliegen und Wildbienen. Es bleiben aber nur wenige Worte zwischen uns.

Die erste Umrissform der Vergoldung des Porzellanreliefs, die mein IM entworfen hat, nähert sich mir. Diese kleine Reliefscherbe ist der Ort, auf dem die Auseinandersetzung mit meiner Überwachung zur Energie wird. Nur ein paar Linien und Zeichen sind darauf unterzubringen, die sich mit den Strukturen des Kraftfeldes schneiden werden. Außerdem sind noch 5 weitere, größere Vergoldungsfiguren abzuformen, damit der Fries vollständig wird.

Danach widme ich mich dem „Geheimalphabet“. Es ist noch nicht klar, wie es mit den anderen Arbeitsschichten verknüpft wird. Aber einen Satz des MfS – Tonbandprotokolls, möchte ich damit schreiben und mit der Kraftfeldform einen Objektfries daraus herstellen.

Archäologie

Mit dem Boot kehrte ich zum Ort meiner Unterwasserarchäologie in der Nidda zurück. Langsam lernt mein Blick, viel versprechende Steinmetzarbeiten aus der Gründerzeit unter der Wasseroberfläche und dem Schlamm, der Details überdeckt, zu erkennen. Mit den Fingern durchdringe ich dann die Schlammschicht und ertaste die Oberfläche des Gesteins: Fugen, Hohlkehlen, rechte Winkel, Blattformen, Kugeln usw.. So nehme ich einen direkten Kontakt mit den Handwerkern dieser Zeit auf.

Dann startet der Versuch, das schwere Material näher an die Oberfläche zu bugsieren, wodurch sich die Eignung des Blocks für den Transport klärt. Ist er mit der Kraft meiner Hände ins Boot zu hieven und reizt mich seine Gestalt, nehme ich ihn mit. Die ursprüngliche Funktion der 2 Steine, die ich gestern ins Atelier trug, will ich noch näher erforschen.

Diese Fahrt hat mir so gut getan, dass ich dachte, gleich heute wieder aufs Wasser zu gehen. Das hängt etwas von der Kraft und der Arbeit ab. Gestern arbeitete ich kaum, was ich mir ausdrücklich vornehmen und dann durchhalten muss. Heute ist es anders.

Überwindung

Auf dem Weg ins Atelier traf ich Mujdat Albak vergnügt vor seinem Theater. Gedämpft erklärte er mir, dass drinnen eine Kindervorstellung läuft. Endlich, nach 20 Jahren, etwas Richtiges. Ich soll das aufschreiben!

Jetzt sitze ich am Tisch vor den geöffneten Rolltor und trinke beim Schreiben Kaffee. Schwebfliegen halten Wache in ihrem Revier, die Dachdecker auf der Baustelle singen Balkanlieder, die sich mit den Rufen der türkischen Schauspieler mischen.

Gestern formte ich den nächsten Goldumriss des Porzellanreliefs mit eingeweichter Pappe in der Kraftfeldform ab. Die ausgeschnittenen Umrisse sind eher nachempfunden als maßstabsgerecht dupliziert. Mich kostet die Herstellung dieser Objekte etwas Überwindung. Es ist, als würde ich meinem persönlichen IM Heinz Werner einen Gefallen tun. MfS – DADA, Goldkitsch und Geheimschrift, mit Schellack, Tusche, Graphit, Wandweiß, Tapetenleim und Pappe – kaum Materialkosten!

Spannung zwischen Faktischem und Nachfühlen

Am Nachmittag, als die Schüler gegangen waren, las ich über Erinnerungskultur bei Aleida Assmann. Diese Lektüre hilft mir über manche Phasen stockender Produktion hinweg. Der emotionale Druck, unter dem ich diese Arbeit mache, wird über die Zeit hinweg deutlicher spürbar. Die Empfindungen beim längeren Abschied von der DDR, vor meiner Ausreise 1984, während der Arbeit im Atelier, im Dresdner Schauspiel oder beim Zusammenarbeiten mit Freunden, werden wieder aufgerufen.

In der „Geheimschrift“ findet die bildnerische Bearbeitung dieser Zeit ihre bisher stärkste Abstraktion. Wenn ich es schaffe, diese Buchstaben im Liniennetz des Kraftfeldes wieder zu finden, oder sie mit Ihm verbinden kann, erreiche ich eine nochmalig verdichtete weitere Schicht.

Es wird deutlich, dass die Spannung der Erinnerungsarbeit zwischen dem Faktischen, das sich in den MfS-Tonbandprotokollen zeigt, und dem Nachfühlen dieser Zeit, wächst. Entscheidend bleibt für mich die Form, in die sie eingegossen wird.

Titel finden

Die ersten 4 Exemplare der neuen Reliefreihe sind abgeformt und einmal grundiert. Um mir die abermalige Beschreibung der komplizierten Vorgänge zu sparen, sollte ich Titel finden, mit denen ich die einzelnen Reihen des Projektes bezeichne. Es sind Umwandlungen durch Verschmelzungen und Spiegelungen von Erfahrungsgedächtnissen. Das IM-Gold auf dem Porzellanrelief wird vom Kraftfeld des Zielobjekts absorbiert. Das schafft die Energie, die in die Zukunft reicht.

Durch die Verbindung der Erfindung meines eigenen „Geheimalphabets“ aus den Tonbandprotokollen des MfS, mit den täglichen Collagenerarbeitungen, ist der Tagebuchprozess vorübergehend um eine Schicht reicher geworden. Morgen werde ich fertig damit sein. Dann sind alle Buchstaben des deutschen Alphabets mit einem neuen Zeichen versehen.

Heute kommen meine Schüler, um die Reliefs zu bemalen, die sie beim letzten Treffen abgeformt haben. Dann endet unsere gemeinsame Zeit zunächst. Ich hoffe, dass ich einige von ihnen im Herbst wieder sehen werde.

Reliefgeflecht und Schriftfragmente

Die Füllungen der Goldbemalungsumrisse des Porzellanreliefs, die auf Rolle 10 aus den verschiedenen Phasen der Tonbandprotokollverarbeitungen entstanden sind, bilden das Ausgangsmaterial für die Bemalung der Pappschablonen ebendieser Umrisse, die ich nun in die Kraftfeldform gedrückt habe. Das Reliefgeflecht, das die Form bietet, verbindet sich dadurch mit den Schriftresten und Figuren.

In Gedanken zeichnete ich außerdem die äußeren Linien meiner „Geheimbuchstaben“ hinter die letzten Porzellanfigurationen auf die Transparentpapierrolle und füllte sie mit dem vorausgegangenen Material. Was aus allen Ideen werden könnte, bleibt spannend, auch wenn sie nicht alle umgesetzt werden.

Die Hoffnung auf Erlösung durch Erinnerung, auf gemeinsames, vertrauensvolles Wenden und betrachten der Geschehnisse aus den Perspektiven von Tätern und Opfern, im Zusammenhang mit der Arbeit an „Der Palast der Republik ist Gegenwart“, erzeugt diese Form von Selbstverpflichtung, die ich mir auferlegte. Mit der Bearbeitung der Zeugnisse meiner Überwachung durch mich als Betroffener, übernehme ich auch einen Teil der Erinnerungsarbeit aller Täter.

3 Gestaltungslinien

Nun habe ich endlich begonnen, mich mit den Abformungen zu beschäftigen, die mit den Umrissen der Porzellanbemalungen auf die Kraftfeldform treffen. Die Reliefs entstehen nicht aus Pappmachemasse, sondern aus ausgeschnittenen Flächen, die ich einweiche und in die Form drücke.

Es hat mich etwas Überwindung gekostet, das Material der so sehr verschiedenen Reliefs in dieser Weise zu konfrontieren. Nun ist es verwoben und vermischt und ich fühle mich dadurch erlöst. Das spornt mich an, daran weiter zu arbeiten.

Während dieser Auseinandersetzung mit meiner MfS-Überwachung, sind verschiedene Gestaltungslinien entstanden: die Verbindung des Fluchtvokabulars der ukrainischen Jugendlichen mit den Worten der IM-Tonbandprotokolle, die Schriftfragmente, die sich zu meiner eigenen „Geheimschrift“ entwickelten und die Begegnungen der Reliefs in den Abformungen.

Macbeth

Gestern sahen wir „Macbeth“ im Schauspiel, in der Inszenierung eines Russen, die Bezüge zum gegenwärtigen Krieg gegen die Ukraine aufwies. Eine alte Übersetzung, eine solide Regiearbeit und ein sehr begabter junger Darsteller in der Hauptrolle. Zweieinhalb Stunden ohne Pause gingen schnell vorüber, keine Löcher, keine Langeweile.

Nun will ich beginnen, die Pappen mit den Umrissen der Porzellanreliefbemalung aus dem Humboldtforum, herzustellen. Die Arbeit an diesem Thema ruhte eine Woche. Das wirkt sich zwiespältig aus. Das regelmäßige Arbeiten erzeugt eine Stabilität im Alltag, aus der eine Energie erwachsen kann.

Ich stelle mir die Zeichen, die ich gefunden habe, auf Rolle 10 vor. Wohin die Arbeit mit ihnen führen könnte, kann ich mir nur vage vorstellen. Es erinnert mich an die Scherbengerichte des Väterprojektes, an dem ich sieben Jahre arbeitete. Die Zeichen können sich mit den Fragmenten der Tonbandprotokolle verbinden…

Ausgangspunkt

Die Texte, die zu meiner Person gesammelt wurden, sind nun der Ausgangspunkt für eine neue Schrift oder für einen Figurenfries. Der Stasitext ist also kein Endpunkt, sondern stellt Material zur Verfügung, mit dem ich Bilder in die Zukunft hineinformen kann.

Die Arbeitsweise von Elfriede Jelinek, in deren Textflächen Wortimpulse vorhanden sind, die in eine andere Zeit- oder Handlungsschicht führen, hilft mir, die Arbeit auf den Transparentpapierrollen in einer ähnlichen Weise weiter zu führen. Immer wieder treffe ich dabei auf dieselben Bilder, die sich aber langsam verändern. Ich versuche sie zu verdichten, vielleicht in räumliche Gestaltungen zu verwandeln. Die neuen Sinnzusammenhänge, die so entstehen, müssen mit dem Ausgangsmaterial nichts mehr zutun haben.

Es entsteht eine neue Energieform, schwarze Skulpturen, die Schrift sein können, aber auch Unterwasserlebewesen in einem der Ozeane der Jupitermonde.

Zeichenskulpturen

Jedem, der aus den MfS-Tonbandprotokollen entwickelten, Zeichen kann ein Buchstabe des deutschen Alphabets zugeordnet werden. Sie werden in Ton als Relief oder als Vollplastik modelliert. Von jedem wird eine Form gegossen. Aus dem, auf diese Weise vervielfältigten, neuen Alphabet werden dann Sätze zusammengestellt, die aus den IM-Protokollen stammen. Wie z.B.: „Er lebt so ein Künstlerleben in den Tag hinein.“

Das Grün meines Gärtchens wird undurchdringlich. Auf den Regalbrettern neben meiner Korbsesselnische, liegen die Sachen, die mich inspirieren: geschmolzenes Glas mit Einschlüssen von Holzkohle, eine handgemalte Porzellanscherbe, stark verwitterte, gesägte Knochenstücken, Schnur, Muscheln, Federn, geschlemmter Ton in einem Blecheimer, rote Lavasteine, Lochziegel, Dornenverzweigungen, Tontöpfe mit Samen, ein Handfeger und ein altes Frotteehandtuch in einem Weidenkorb, Sägeblätter, Arbeitshandschuhe, Gießkannen, Schraubdeckelgläser – alles durchsetzt von einem feinen Gespinst.

Eigenständige Buchmalereien vom Morgen. Ich benutzte den Aquarellkasten, Bambuszeichenfedern, Stifte, Haare, Holznadeln, Pigmentstaub. Kratzen, wischen, schraffieren, Handkantenstempel, Umrisszeichnungen… Dann der richtige Zeitpunkt für den Schluss.

Swing-By

Bisher fand ich 9 Zeichen auf Rolle 10, die ich bereits in die Collagen eingefügt habe. Sie sind die vorläufige Essenz aus der Beschäftigung mit den MfS-Tonbandprotokollen. Ich stellte sie mir auf den Kraftfeld-Relieffragmenten, die Umrisse der Porzellanreliefbemalungen meines IM haben, als große, schwarze, über die Reliefstruktur hinweg ausgebreitete, fremde Buchstaben vor.

Hier finden sich die Schichten der beiden Reliefs zusammen, überlagern sich, verschmelzen womöglich miteinander zu einem Erinnerungsgegenstand. Sein Sinn klärt sich erst später. Mit den handwerklichen Möglichkeiten der Verschränkung von Materialien und des Wachstums in den Raum, werden hoffentlich neue Perspektiven eingenommen werden können.

Die Begegnungen mit den auftauchenden Themen empfinde ich oft wie die Begegnung mit Planeten, die meinen Raumsondenflug mit ihrer Gravitation beschleunigen und lenken. Dieser Vorgang heißt bei den Raumflugexperten „Swing-By“. Und es gibt komplizierte Gleichungen, mit denen man die Bahnen der künstlichen Flugkörper auf diese Weise vorbestimmen kann.

Intimität und Monumentalität

Die kleinen Zeichen, die ich gestern und vorgestern inmitten des Gesträuchs der Tuschelinien auf Rolle 10 gefunden habe, stellte ich mir als überdimensionierte, freistehende Skulpturen vor. Diesem Reiz der Gegensätze von Intimität und Monumentalität, begegnete ich in meiner Arbeit schon mehrmals. Aus winzigen Details entwickeln sich Reihen neuer Motive.

Für die kommende Woche habe ich mir die Pause vorgenommen, die schon seit einiger Zeit als notwendig anstand. Lediglich das Arbeitstagebuch, die Collagen und vielleicht noch ein paar Zeichen aus dem Sta-DA-si-DA – Gesträuch sollen eine Rolle spielen.

Jetzt achte ich auf die Bremsgeräusche der landenden Maschinen und auf die Musikalität der sich überlagernden Rückwärtsgangsignale von der Baustelle. Von meiner Nische im Gärtchen aus beobachte ich seit einiger Zeit eine Wildbiene, die sich im Boden unter meinen Holzstapeln eingerichtet hat. Auf den Begrenzungssteinen, die nach Südosten ein Mäuerchen bilden, sonnen sich 5 Mauereidechsen.

Regen und Feuer

Wenn Ich meine Handkante auf das farbfeuchte Papier meines Tagebuches presse, spüre ich, wie meine Haut das Ultramarin oder Ocker aufsaugt, damit es in die vorhergehende oder nächste Malerei übertragen werden kann. Die Farbkrümel, die beim Anspitzen der Stifte anfallen, bilden auf dem Papier mit Wasser und Handballenabdrücken, schöne Wolken. Wenn ich das auf die Bemalung der Reliefs übertrage, muss ich das an die Grundierung und auch an den Gesamtklang anzupassen. Vielleicht muss ich auch die Grundierung verändern.

Beim Einrichten der heutigen Collagen entstand eine Arbeitsweise, mit der ich die Zeichen finden kann, die in den vergangenen Wochen bei der Beschäftigung mit den Stasitexten entstanden sind. Mit den 3 ersten sind die heutigen Collagen schon angereichert worden. Sie sind aus einer Tuschezeichnung vom 9.5. von Rolle 10 entnommen. Es könnte sein, dass ich alle Zeichen aus diesem größeren Liniengesträuch entwickle.

Die Schüler haben gestern ihre Reliefs aus der Form geschält und grundiert. Dann sind wir raus gegangen, um den Gartenschnitt, der sich den Winter über angesammelt hatte, in der Feuertonne zu verbrennen. Weil es regnete machte das Anzünden etwas Mühe. Dann aber wurden die Flammen und das Blech so heiß, dass die fallenden Tropfen schon in einiger Entfernung verdampften. Wir merkten in der Hitze nicht, wie uns der Regen durchnässte.

Überrollt

Die Umrisse der Goldbemalungen des Reliefs aus Meissner Porzellan, aus dem Jahr 1974, das jetzt im Deli Humboldt hängt, sind nun vom Geflecht der Bearbeitungen der IM-Tonbandprotokolle der Jahre 1982/1983, die ich in den vergangenen Wochen hergestellt habe, auf Rolle 10 überrollt worden. Dabei sind 9 Elemente entstanden.

Nun kann das Experiment mit diesen Umrissen beginnen, die ich zunächst für vergrößerte Pappschablonen nutze, beginnen. Die werden in die Kraftfeldform gedrückt. So begegnen sich die Reliefs aus Meißen und aus Frankfurt. Es sollen Objekte entstehen, die einen skulpturalen Charakter haben werden.

Mir kommen auch die eingeritzten Buchstaben aus Ellis Island in den Sinn, aus denen ich dreidimensionale, digitale Objekte gemacht habe. Ähnliches geht mir durch den Kopf, wenn ich an die Weiterverarbeitung der Bilderschrift denke. Diese, schon vollständig gescannt, muss aber erst gesichtet werden. Dann entstehen Umrisse davon, die auf Rolle 10 eine Verwandlung erleben werden.

Zäsur

Mitten im „Futur II“ sitzend, dem Experimentalaufbau, in dem unterschiedliche, voneinander entfernte Areale der Rolle 10 übereinander gelegt werden können, sehe ich dieselbe transparente Schichtenkonstellation, wie schon einmal am 14.04.. Gestern aber zeichnete ich andere Teile des Tonbandprotokolls vom 24.05. 1982 in die Umrisse durch.

Nun sollen Stellen der Übergänge vom Tonbandprotokoll zur Bilderschrift in die Goldumrisse des Porzellanreliefs gelangen. Dann wird das Ganze vom fortlaufenden Zeichnungsgeschehen überrollt. An dieser Stelle auf Rolle 10 angekommen zu sein, ist eine Zäsur.

Nun werde ich an die Bemalung der Reliefs gehen, die ich schon die ganze Zeit vor Augen hatte. Außerdem mache ich das, was ich mir vor etwa 4 Wochen vorgenommen hatte: “Wenn ich eine Struktur aus der Vergangenheit in die Markierung in der Zukunft eingefügt habe, werde ich mich, dort angekommen, anders an diese Struktur erinnern.“ Das ist nun so. Dieser Kreis hat sich geschlossen. Ich sehe die entstandenen Bilderschriften nun anders!

Die Annäherung an die Goldumrisse des Porzellanreliefs, die ich am 11.04. auf der Rolle weiter hinten, also platzierte, kommt nun an den Punkt, wo sich die Strukturen des aktuellen Voranarbeitens mit denen aus der Vergangenheit, die in die Zukunft transferiert waren, begegnen. Zuvor kann ich noch, mit dem Aufbau der Konstruktion „Futur II“ wenige Übergangselemente der Bilderschrift aus der Vergangenheit in die Umrisse zeichnen.

Die breit angelegte Experimentalstruktur hinterfrage ich mit Blick auf ein effektiveres Vorgehen. Kann ich schneller auf den Punkt kommen oder sind die entstehenden Materialmengen notwendig, den Prozess möglichst ergebnisoffen zu halten.

Dem Objektcharakter der bemalten Relieffragmente, widme ich mehr gedankliche Aufmerksamkeit. Es geht um die Größe der Porzellanumrisse, die wenn sie dem Original ähnelt, einen Prozess des Wiederkennens begünstigt. Geht es mir darum? Wird der Prozess des Erinnerns dadurch eher angestoßen?

Aus der Drehung

Das thematische Motiv der Gravitation oder einer Kraft, die alles Gedachte und Gezeichnete verdichtet, zieht weitere Experimente nach sich. Die Begegnung der zwei Reliefs beispielsweise, die sich gegenüberliegend umkreisen und ihre Grenzen verwischen, wenn die Geschwindigkeit zunimmt. Dann kommt es zu einer Neuordnung der Formen. Die goldenen Porzellanteile ordnen sich beispielsweise aus ihrer luftigen Verteilung zu einer strengen Zeile, auf der sie das Innere umkreisen. Die Bildschrift, die sich aus den Tonbandprotokollen entwickelte, findet sich durch die beschleunigte Drehung auf den Oberflächen der Kraftfeldfragmente wieder und verbindet sich dort mit den Porzellanformen.

Ich komme nicht dazu, alle gedachten Vorgänge vollständig parallel zu verwirklichen. Es stehen sich verschiedenen Arbeitsweisen gegenüber. Es gibt das freie Fahren in den Gewässern des Erinnerns, was oft genug zu überraschenden Ergebnissen geführt hat. Es gibt die fokussierte Weiterentwicklung des Forschungsfeldes, durch weglassen unnötiger Arbeitsschritte. Beides steht sich gegenüber, wie die beiden Reliefs.

Die Arbeitsweisen kommen, je nach Perspektive, zur Anwendung und sollten sich ergänzen. Es wäre sicherlich auch richtig, das konkrete Ziel der bemalten Reliefs, mal wieder aus den Augen zu verlieren. Der Nachmittag wird zeigen, wohin es mich aus der Drehung verschlägt.

Ein Wirbel

Die Buchmalereien sind besinnungslos, schnell und rhythmisch entstanden. Sie wachsen alle 3 zugleich und sprechen dabei miteinander. Die sich überlagernden Zeichen nähern sich der Gestalt der Transparentpapierrollenarbeit, den Buchstabenbildern. Die Schriftzeichen könnten von der Rolle auf ein Rollsiegel übertragen werden. So entwickelt sich die nächste Verdichtung, wenn das ganze gedachte Material zusammengeschmolzen wird.

Das Zusammentreffen der beiden Reliefs aus Meißner Porzellan und aus Pappmache sollte eine Fusionsenergie bereitstellen, die die Verflechtung der Linien und die Schichtung der Flächen in eine Rotation versetzt, die mit zunehmender Geschwindigkeit immer neue Bilder erstellt.

Der Loop greift auf die Sprengung und den Wiederaufbau des Schlosses, den Bau und Rückbau des Palastes der Republik und die Erstellung des Kraftfeldreliefs, seine Zerstörung und seine Rekonstruktion zu. In diese Rotation wird nun das Porzellanrelief mit hineingezogen. Die Kraft dieser Gravitation kann noch mehr an sich ziehen und somit verwandeln.

Pausieren als Kraftakt

Meisen schwirren im Gärtchen, baden im Seerosenbottich und jagen sich. Aus meinem Wintergarten stellte ich den letzten Pflanztopf raus. Es gibt nur wenige Insekten, nachdem die Wildbienen ihre Nester fertig gebaut haben. Und die Mauereidechsenpopulation scheint sich auch verkleinert zu haben.

Durch die Arbeit mit den Schülern ist meine eigene Produktion ins Stocken geraten. Heute will ich an der Form noch einige, kleinere Reliefs ausformen. Auf diesen Untergründen probiere ich dann, das auf Rolle 10 entstandene, Material aus. Dennoch wäre etwas mehr Abstand zu den Erinnerungsthemen gut, denn es macht sich eine gewisse Müdigkeit breit.

Das Unterbrechen der selbstverordneten gleichmäßigen Arbeit, die aus den Arbeitstagebüchern und Transparentpapierrollen resultiert, ist ebenfalls ein Kraftakt. Er ist aber notwendig.

Spartenübergreifend

Die ukrainischen Schüler und Schülerinnen haben gestern Relieffragmente ihrer Wahl ausgeformt. Ich unterbrach meine Arbeit an Rolle 10 und war wieder mit der Kraftfeldform konfrontiert. In den nächsten Tagen werde ich ein paar kleinere Teile abformen, die schon mit den Formen des Porzellanreliefs zutun haben werden.

Am Vormittag hörte ich ein 3 Berichte von Künstlerinnen, die am Projekt „YOU&EYE“ mitarbeiten. Jede konnte auf ihre Weise mit den Teilnehmern tief in das Material ihrer speziellen künstlerischen Entwicklungen eindringen. Teilweise arbeiten sie sogar spartenübergreifend. Genau so hatte ich mir immer unsere Arbeit vorgestellt.

Ich habe nicht mehr das Gefühl, dass ich solche Arbeitsweisen initiieren muss. Vielleicht werden ja auch die Kooperationsprozesse auf diese Weise selbstverständlicher, die wir schon in kleinerem Maß begonnen hatten.

Zwei Reliefs

Trotz meines Vorhabens, die Figurenumrisse von gestern spannungsvoller auf die Transparentrolle zu übertragen, gerieten sie mir zu gleichmäßig. Aber nun sind die Flächen erreicht, die sich auf die Goldbemalung meines IM`s „Lutz Lange“ beziehen. Im fortlaufenden Geschehen kündigt sich ein Höhepunkt in Form des Zusammentreffens meines verwandelten MfS – Protokollmaterials mit den Porzellanrelieffragmenten an.

Dafür möchte ich eine weitere Verdichtung erreichen, indem ich das Ausfüllen der Umrisse erweitere und das ganze Material, auch um die Figuren herum, durchzeichne, ihre Grenzen damit sprenge. Ein weiterer Schritt dahin kann das Durchzeichnen im Zurückrollen von Rolle 10 sein, wenn die Porzellanumrisse ausgefüllt sind. Aktuelle Ergebnisse werden auf diese Weise in die Vergangenheit transferiert und überlagern die bis dahin entwickelte Struktur. Vergangenheit verändert sich dadurch in diesem Experiment.

Mehrere Varianten der Bemalung und Ausformung des Kraftfeldreliefs erscheinen mir nun möglich. Eine davon ist es, die Blütenformen, die der Blätter und Goldbemalungen, als äußere Begrenzung von Relieffragmenten anzuwenden. Damit kann sich die Rekonstruktion des Kraftfeldes direkt auf das andere Relief beziehen. Ich stelle mir eine Reihe von Blattformen vor, in der die Einzelteile losgelöst sind vom Bildzusammenhang der beiden Vorgängerreliefs.

Zeichnen und schreiben zugleich

Die Umrisse der Handkantenabdrücke, das Gewicht der Farben in ihren Zwischenräumen und die fehlende Spannung der Flächengrößen, die entstehen kann, wenn ich so besinnungslos vor mich hin male, beschäftigten mich am Morgen. Bei einer Übertragung auf Rolle 10, muss ich Flächen zusammenfassen und teilen, um den Mangel zu beheben.

Die Buchmalereien sind aber nur Teil des Prozesses, der mit dem Anfüllen der Umrisse aus dem, fortgeführt wird. Die Strukturen, die aus den Kopien der Tonbandprotokolle entstanden sind, mischen sich mit den Geflechten der Umrisslinien. Die Arbeit ist dann zeichnen und schreiben zugleich. Es gibt fließende Zeilen und Felder mit geometrischen Gebilden, die alle zusammenhängen.

Die Arbeit auf der Rolle fortzuführen, bis ich bei den Porzellanformen des Reliefs aus dem Palast der Republik angekommen bin, hält quälend lange an. Immer noch einen Schritt weiter und noch einen, um die Überwachungstexte möglichst gründlich in Zeichen zu übertragen, die sich aus der Enge der DDR-Vergangenheit befreit haben.

Von der Rolle zum Buch

Zeichen entstehen ohne Nachdenken, ohne Bezug zu einem Gegenstand, sie bilden sich wie von selbst. Dieser Vorgang im Buch ist ein anderer als auf der Rolle, dennoch folgt er ihm. Von der Rolle zum Buch. Holzhaarnadelgravuren drücken sich von der Seite des Vortages auf die heutige durch. Durch Schraffuren werden sie sichtbar. Über mehrere Arbeitsvorgänge hin, können sie zu Bildzeichen werden. Die Entzifferung folgt erst nach der Erfindung. Es ist der umgekehrte Vorgang, wie bei der Verbilderung der Schreibmaschinentypen der Tonbandprotokolle.

Die Räume zwischen den hervorgehobenen Umrisslinien in den Buchmalereien, können zu eigenen Motiven werden. Aus einem leeren Raum wird dann eine Figur der Abwesenheit. Ich stelle mir eine Musikalische Komposition vor, die nur aus Pausen anderer Musikstücke besteht. Man hört nur das Ausklingen des Tones, nicht den Anschlag. Ein Stück aus lauter Zwischenräumen.

Mir wird es nun wichtiger, dass die Phase der Zeichenentwicklung auf der Transparentpapierrolle abgeschlossen wird. Es sind noch etwa 70 cm bis zu den Goldumrissen, die ich vor ein paar Wochen aus dem Porzellanrelief herausgezeichnet, und in einer Reihe an dieser Stelle der Rolle platziert habe. Vielleicht erreiche ich diesen Vorgriff noch in dieser Woche, kann diese Felder ausfüllen und bin dann im Besitz des Materials, mit dem ich die Reliefs des Kraftfeldes bemalen werde.

Vom Buch zur Rolle

Ohne Zögern setzte ich die Umrisse der gestrigen Malereien vergrößert gleich auf Rolle 10 und begann sie auszufüllen. Die Verbilderung der Schrift der Tonbandprotokolle betreibe ich nun zielgerichteter und versuche ganze Passagen ohne abzusetzen zu zeichnen, sodass der Vorgang dem Schreiben von Schreibschrift ähnelt. Bis zur Hälfte, also etwa 40 cm weit bin ich mit dem Ausfüllen gekommen, wieder ein Stück näher an die Goldumrisse des Porzellanreliefs im „Deli Humboldt“.

In den heutigen ersten zwei Collagen legte ich die Federzeichnungen der Rolle etwa deckungsgleich über die Ausschnitte der Buchmalereien, die ich gestern dort einfügte. Wenn sich Aquarell und Zeichnung überlagern zeigt sich der Prozessschritt vom Buch zur Rolle.

Die heutigen Malereien sind etwas verspielt, fast kindlich. Der Start bestand aus einem hufeisenförmigen Kringel in der 2. Malerei, der sich von gestern durchgedrückt hatte und von Farbschraffuren sichtbar gemacht wurde. Ich wiederholte ihn viermal mit unterschiedlichen Farben in allen 3 Formaten.

Schiftbilderschriften

Der erste Schwarm Mauersegler kreist unter den Regenwolken über dem Atelierdach. Alle Bäume im Gärtchen treiben Blätter, Blüten gehen auf und die Wiese wächst durch den ganzen Regen in einer Vielfalt, wie noch nie.

Durch die Buchmalereien komme ich aus der Ferne wieder in meinen Arbeitsprozess. Die Denkpause ist vorüber und ich stelle mir alle drei Buchmalereien in Umrissen schon auf Rolle 10 vor. Eine Schlängellinie von rechts oben nach links unten, taucht dreimal auf. Dadurch wird die Weiterverfolgung des Themas der sich in unterschiedlichen Rhythmen wiederholenden Motive möglich.

Es ist als würden sich rituelle Erinnerungen in verschiedenen Zeitabständen und somit in unterschiedlichen Situationen, wie die Motive der Buchmalereien mit denen der Schriftbilder und Bilderschriften auf Rolle 10, immer wieder neu begegnen. Mich erinnert das an Musikstrukturen der Technoszene, in denen sich die Themen mit verschiedenen Wiederholungsgeschwindigkeiten, neu überlagern.

Goldblätter

Das Defilé der Figuren, die aus Papiergravuren und Handkantenabdrücken entstehen, sind nicht nur Bühnendarsteller, sondern kommen auch aus anderen Zusammenhängen, wie Straßenszenen, Domportalen, Rokokogemälden oder Traumsequenzen.

Gestern übertrug ich die Umrisse aller drei Buchmalereien auf die Transparentpapierrolle. So reihten sich 11 Figuren auf, von denen ich bereits 8 mit den Zeichenfragmenten und Strukturgesträuchen der Vortage angefüllt habe. Es geht schneller vorwärts als ich dachte. Noch anderthalb Meter bis zu den Goldblättern meines IM „Lutz Lange“.

Mit einer spitzen Rohrfeder krakele ich das nach, was aus dem Untergrund der Transparentpapierschichten heraufsteigt. Dann schaue ich es mir aus etwas Abstand an, entdecke einen schwebenden Engel aus einem meiner Holzschnitte zum Kloster Bebenhausen. Noch mache ich mir keinen Reim darauf, will aber den jetzigen Zustand der fragmentierten Zeichen, in Teilen schon in die Goldblätter einfügen. Vorher sollte ich sie mit Schellack, dem Gold der Schreiner, beschichten.

Umdeutung

Die kleinen Gesten haben im Atelier die Oberhand. Emotionen teilen sich mit Trippelschritten durch Tusche auf Papier mit. Es ist ein ameisenhaftes Gewusel durch die Gesträuche der Zeichen.

An einem bestimmten Punkt kehrt sich der Vorgang der Abstraktion der Buchstaben der Tonbandprotokolle um. Irgendwann entstehen gegenständliche Bezüge, die den ursprünglichen Inhalt umdeuten. Ich frage mich manchmal, ob ich es zu weit treibe, mich verstricke und wünsche mir einen Befreiungsschlag. Der kommt aber erst, wenn ich so lange dran geblieben bin, bis ich einen neuen Level erreicht habe.

Die Buchmalereien von heute verbinden sich in ihrem reduzierten Erscheinen schon mit den fortlaufenden Zeichnungsreihen der Transparentpapierrolle. In der Folge will ich den Vorgang der Übertragung von Motiven von einer zur anderen Malerei und zurück aus meinen Büchern, auf der Rolle sichtbar machen. Dazu sollte ich die Umrisse aller drei Bilder von heute nacheinander übertragen. Die Wiederholungen des Durchzeichnens innerhalb der Umrisse verbinden sich so mit denen aus den Malereien.

Bilderschrift

In Wroclaw sah ich deutsche Inschriften, die an Häuserfassaden mit Meißelhieben unkenntlich gemacht wurden. Vor mir auf dem Zeichentisch wird die Transparentpapierrolle, die dort mäandernd aufgerollt steht, von der Sonne durchschienen. In den Zeichenfragmenten wird die schwankende Tektonik der oft durchgezeichneten Schreibmaschinentypen deutlich. Der Inhalt wird verschliffen und löst sich auf.

Die entstehenden expressiven Zeichen übertragen die Widersprüchlichkeit der Bewahrung durch das Auslöschen, des Auslöschens durch Bewahrung und des Erinnerns durch das Vergessen. Die sich verändernden Perspektiven, aus denen wir den Zeitraum durchschreiten, bestimmen die sich wandelnden Inhalte.

In der Beobachtung dieser Vorgänge schleicht sich die Gefahr der Ungenauigkeit des Blickes ein. Deswegen muss bei der Verwandlung der Schreibmaschinentypen in abstrakte Zeichen, Genauigkeit walten. Während ich die Buchstaben wieder und wieder, leicht verändert durchzeichne, werden sie Gegenstände. Es entsteht eine Bilderschrift.

Aushub I Unkenntlichkeit I Geduld

Im Erdaushub der benachbarten Baustelle, der allenthalben auf unserem Gelände landet, finde ich Scherben aus den zerbombten Haushalten des 2. Weltkrieges. Neben meinem Buch, in das ich schreibe, liegt ein handbemalter Tellersplitter mit einem indigofarbenen Rankenwerk, das mich an romanische Ornamente der Bildhauerei erinnert.

Auf der Rolle 10 entwickeln sich meine Zeichen weiter. Langsam und vorsichtig lasse ich die Unkenntlichkeit wachsen, die aus den IM -Tonbandprotokollen hervorgeht. Dabei warte ich auf die neuen, erweiterten Bedeutungen, die aus ihnen entspringen, wenn sie auf die Reliefs übertragen werden.

Kann sein, dass dieser Prozess mehr Zeit benötigt, als meine derzeitige Geduld hergibt. Aber die Arbeitsergebnisse sind nicht erzwingbar. Schon leuchten die Umrisse der Reliefgoldbemalung des Pozellanreliefs meines IM`s durch die Schichten der Transparentpapierrolle. Nach etwa 2 Metern werde ich dann mit der aktuellen Arbeit an dieser Stelle, die ich am 11.04. gezeichnet habe, angelangt sein. Ich schätze, dass das in zwei Wochen sein wird.

Abstraktion

Auf den Transparentpapierrollen entwickle ich meine Formen des Erinnerns und des Vergessens. Das Durchzeichnen der Tonbandprotokolle des MfS vereint beide Vorgänge. In den Federzeichnungen entstehen, durch das wiederholte Kopieren stetig wachsender Unschärfen, Fragmente, die Auswirkungen auf den Fundus der Bilder zwischen meinen Synapsen haben.

Die Intensität der Beschäftigung mit den Berichten des IM „Lutz Lange“, lässt Emotionen schwinden. Die Wut macht der Neugier Platz und die Enttäuschung der Tendenz zum Vergeben. Die fragmentierte Schrift erzeugt Zeichen, die das Geschehen verdichten und in eine übergeordnete Form transformieren. Aus diesem Material entstehen dann, in Verbindung mit den Reliefs, Bilder allgemeiner Gültigkeit.

Gestern zeichnete ich den Umriss der zweiten Buchmalerei vom 19.04. auf ein Stück Transparentpapier. Die Entstehung dieser Figuren unterliegt einem Abstraktionsprozess. Er stellt das heraus, was für die Weiterverwendung auf Rolle 10 notwendig ist. Bei der Übertragung auf die Rolle gibt es weitere kleine Veränderungen. Dieser Prozess wird sichtbar, wenn die Buchmalereien mit ihren Umrisszeichnungen in den Collagen zusammentreffen.

Trennungen und Wanderschaft

Meine Art der Erinnerung wird durch meine Bewegung durch die Welt und durch die Bewegung der Menschen um mich herum beeinflusst. Assoziationen, die aus den Erinnerungszeichen migrantischer Gesellschaften erwachsen, suchen nach vergleichbaren Figuren im eigenen Erleben. Um die Ecke befindet sich ein Restaurant mit dem Namen „Mogador“, der verschiedene Bedeutungen haben kann. Orte, Schiffe oder levantinische Erzählungen sind mit dieser Insel der Erinnerungen verbunden.

Ein marokkanisches Geschichtsnetz trifft auf meine preußisch – schlesischen Prägungen. Der wandernde Schreiner Fitzner, der mit einem Modell des Breslauer Domes auf einem Plattenwagen mit Holzspeichenrädern in Deutschland unterwegs war, ist mein leiblicher Großvater, der sich in Berlin bald aus dem Staub gemacht hat. Dieses Abschneiden von familiären Bindungen, Verpflichtungen und die Rigorosität, mit der solche Entscheidungen durchgezogen werden, ist Teil meiner Prägung. Ich erinnere die Trennungen und die Wanderschaften, ohne sie erlebt zu haben.

Familien, die sich an diesen Ramadanabenden im „Mogador“ versammeln, haben eine sehr patriarchale und traditionelle Ausstrahlung. Die Frauen tragen Kopftücher, die Männer Bärte und die kleinen Töchter sehen aus wie Prinzessinnen. Alkohol wird grundsätzlich nicht ausgeschenkt. Ich denke an meine Reisen durch Südspanien und Marokko, denke mir meinen Großvater mit seinem Modell in Tanger…

Dynamisches Perspektivnetz

Die Gruppe von Menschen, die zum Themenkreis „Palast der Republik“ interviewt wurde, ist offensichtlich sehr uneinheitlich und kann sich innerhalb noch einmal in Sektionen gruppieren. Wenn ich mir die Ausrichtung der verschiedenen Erinnerungsperspektiven als zweidimensionales Netz vorstelle, an dessen Kreuzungspunkten die unterschiedlichen Haltungen aufeinander treffen, sich vielleicht verknoten und somit richtungsmäßig abgelenkt werden können, zeigt es eine dynamische Struktur.

Kommt eine dritte Dimension hinzu, vielleicht in Form eines schwerwiegenden Ereignisses, das mit seinem Gewicht in dieses Netz fällt, werden die Knotenpunkte auf die Probe gestellt, verrutschen oder reißen gar. Das Kontinuum der kommunizierenden Perpektivschnüre wird gestört und würde sich danach neu ordnen. Dieses Bild des Perspektivnetzes lässt viele weitere Gedankenexperimente zu.

Auf Rolle 10 zeichnete ich mit dem Umriss der dritten Buchmalerei von gestern weiter. Die Texte der Tonbandprotokolle des MfS fragmentieren sich langsam und bekommen die Struktur, die die inhaltliche Entzifferung schwieriger werden lässt. Langsam entstehen so die Formen, mit denen ich auf den Reliefs weiter arbeiten kann.

Kollektives Erinnern

Während der Arbeit mit den Erinnerungen an den Bau des Palastes der Republik tauchte ein neuer Aspekt auf. In den Veröffentlichungen zum Thema auf der Seite des Humboldt Forums, fällt die Verschiedenheit der Wertungen auf, die je nach Perspektive eine Identifikation oder eine Ablehnung der Funktion dieses Gebäudes beinhalten. Dabei kommen Emotionen auf, die sich aus dem jeweils Erlebten speisen. Das Vorhaben der Ausstellung will, soweit ich das überblicke, all diese Haltungen zur Geltung bringen. Handelt es sich dabei schon um eine kollektive Erinnerung, die in die Zukunft getragen werden soll?

Durch meine Abkommandierung zum Bau, bin ich 1974 dem Dienst an der innerdeutschen Grenze entronnen. Somit stand meine dortige Tätigkeit unter einem glücklichen Stern, auch wenn ich keine emotionale Verbindung zum Volkspalast aufbauen konnte. Die eine Seite meiner individuellen Erinnerung ist also durch die Arbeit an der Errichtung des Gebäudes geprägt.

Ein anderer Aspekt, wurde durch das überraschende Auffinden des Porzellanreliefs im Deli Humboldt sichtbar. Die Installation eines Kunstwerkes, das ein ehemaliger IM mitgestaltet hat, der über mich und meine Arbeit Berichte für das MfS verfasst hat, sowohl im Palast, als auch im Humboldt Forum, stieß eine intensive künstlerische Beschäftigung mit diesem Fall an. Im Nachhinein ist meine Abneigung dem Haus und seiner Repräsentativfunktion gegenüber dadurch noch einmal bestätigt worden. Das soll sich nun mit dem neuen Schloss nicht wiederholen.

Weiterzeichnen

Mit einer großen Stehleiter habe ich gestern meinen Experimentalaufbau für „Futur II“ hingestellt. Ich platzierte sie so auf dem Arbeitstisch, dass der Transparentpapierstreifen von Rolle 10 über die Sprossen umgelenkt werden kann. So können alle Motive, die voneinander entfernt auf der Rolle entstanden sind, übereinander gelegt und ineinander gezeichnet werden.

Die Figurenumrisse, die mit Teilen des Tonbandprotokolls angefüllt sind, sind 4 Meter in die Zukunft gewandert. Dort finden sie sich in den Goldbemalungsumrissen des Pozellanreliefs wieder. Aus meiner derzeitigen Perspektive erscheinen mir die Ergebnisse dieses Zusammentreffens mit dem Wort „Auswurf“ gut umschrieben.

Ich merke, dass mich das Nachdenken über meine Erinnerungsperspektiven allein nicht weiter bringt. Nur mit dem Weiterzeichnen, der anhaltenden Wiederholung der Schreibmaschinenprotokolle, in Verbindung mit meinen täglich auftauchenden neuen Figuren und dem Porzellanrelief, kann ich zu einem vorläufigen Endergebnis kommen.

„Futur II“

„Futur II“ ist die Zeitmaschine, die aus Rolle 10 und einem Umlenksystem besteht. Mit ihr kann ich zeichnend auf dem Zeitstrahl hin und her wandern und die Geschehnisse voneinander entfernter Zeitpunkte übereinander legen. Die Goldbemalungsumrisse des Porzellanreliefs, mit denen ich eine Stelle irgendwo in der Zukunft markiert habe, kann ich nun mit unterschiedlichen Erinnerungen füllen. Sie können aus Fragmenten der Tonbandprotokolle und Geflechten der Figurenumrisse bestehen.

Wenn ich eine Struktur aus der Vergangenheit in die Markierung in der Zukunft eingefügt habe, werde ich mich anders an diese Struktur erinnern. Werde ich mich anders erinnert haben, fallen die weiteren Markierungen dadurch in der ferneren Zukunft verändert aus. Diese Experimente können nur mit der zeichnerischen Praxis vorankommen.

Gestern nahm ich mir ein Tonbandprotokoll meines IM vor, das vom 24.5. 1982 stammt. Teile davon zeichnete ich in den Umriss der ersten Buchmalerei vom 12.4. 2023. Als nächstes werde ich dieses Material mit meiner Zeitmaschine in die Markierungen, die 4m entfernt sind, eintragen. Dazu kommen dann die Rückbaustrukturen des Palastes der Republik. Bin ich mit der fortlaufenden Arbeit an dieser Stelle auf dem Streifen angelangt, sollte sich ein Kreis geschlossen haben, eine Erzählschleife.

Vor und zurück

Die Goldumrisse des Porzellanreliefs im Deli Humboldt, die wahrscheinlich von Heinz Werner stammen, habe ich auf Rolle 10, vier Meter in ihre Zukunft, verschoben und dort neu aufgereiht. Es ist derselbe Abstand, um den ich mich vorgestern in die andere Richtung orientierte, um die Strukturen vom 3. März dieses Jahres aufzunehmen und in die Umrisse, die ich einen Tag zuvor gezeichnet habe, einzufügen. Mit der Linie, die die erste Buchmalerei von gestern umschreibt, begann ich mich langsam auf die 4 Meter entfernte Zukunft zu zubewegen.

In diesem Feld mische ich nun die stark fragmentierten Stadasida-Elemente und neue durchgezeichnete Tonbandprotokolle des IM „Lutz Lange“. Mit Rück- und Vorgriffen wird das 4 Meter entfernte Szenario eingeholt, bzw. jetzt schon mit Splittern der Gegenwart bespielt. Damit unterwandere ich die zeitliche Kontinuität der Transparentpapierrolle noch einmal.

Blicke ich durch die Struktur des 3. März auf die Umrisse, die von dort aus etwa 8 Meter entfernt leer liegen, hoffe ich die Blickachse spiegeln zu können. Somit nähme ich eine Rückblickperspektive in der Zukunft ein. Das gelingt aber zunächst nur auf dem gedachten Zeitstrahl der gezeichneten Rolle.

Annäherung an eine Zukunftsperspektive der Erinnerung

Auf Rolle 10 arbeitete ich mit den Umrissen der Goldbemalung des Porzellanreliefs im Humboldt Forum weiter. In mehreren Lagen legte ich den Transparentpapierstreifen übereinander, indem ich ihn mit mehreren Papprollen umlenkte. So konnte ich Motive, die ich vor mehreren Wochen gezeichnet hatte, in die Umrisse übertragen. Damit ist die Kontinuität der sich gleichmäßig wiederholenden Motive unterbrochen. Der Rückgriff beachtet das Material, das dazwischen liegt nicht.

Ein symmetrischer Vorgang würde auf der Zeitachse entstehen, wenn die Umrisse um dieselbe Strecke in die Zukunft wandern und dort, entfernt auf der Rolle, wiederholt würden. Sie werden dann von der langsam fortgeschriebenen Arbeit eingeholt. Vor einiger Zeit machte ich das schon einmal mit den Porzellanblattumrissen. Ob sich dieser Vorgang aber tatsächlich einer Zukunftsperspektive der Erinnerung annähern kann, werden nur weitere Experimente untersuchen können.

Die gestrigen Zweifel an der Textarbeit haben sich relativiert, weil meine Rezeptionsvorlieben keine Vorschriften für die Betrachter meiner Arbeit auf meiner Seite sein können. Der Zweck dieser Aufzeichnungen ist es beispielsweise auch, der Übertragung der Ergebnisse von malerischer, zeichnerischer und gedanklicher Entwicklung, auf die Reliefs zu ermöglichen. Das wird durch die Texte vorbereitet.

Erklärungen

Obwohl Lennie Tristano seit vielen Jahren zu meinen Jazzfavoriten zählt, las ich bisher nichts über ihn. Seine Voraussetzungen, Ideale, Grundsätze seiner Lehrtätigkeit und was ihn antrieb, erfuhr ich erst an diesem Morgen bei Wikipedia. Seine Abneigung der Kommerzialisierung der Kunst gegenüber, sein Beharren auf der Freiheit der künstlerischen Entwicklung, stimmt mit meinen Meinungen weitestgehend überein. Das habe ich in seiner Musik schon lange gespürt.

Hier deckt sich ein Widerspruch auf, dem ich bisher nicht so klar begegnet bin. Ohne Wissen von der Entstehungsgeschichte und dem Umfeld, konnte ich die Bedeutung des Musikers für mich erkennen. Ähnlich geht es mir beim Betrachten von Bildern anderer Künstler. Ich komme zumeist ohne Erklärungen aus. Was ich aber täglich mit meinen Texten produziere, sind Erklärungen der Entstehung meiner Bilder.

Schon öfter in den vergangenen Jahren nahm ich mir vor, das zu ändern, also eine andere Textform zu finden, die sich von der Beschreibung der Vorgänge in einer Weise entfernt, die der Erweiterung der Inhalte zuträglich ist, ohne etwas vorzuschreiben. Das würde die Entwicklung eines neuen eigenständigen Arbeitsstranges fordern.

Erinnerungsgesträuche

Gestern nahm ich die Arbeit an Rolle 10 wieder auf. Zunächst extrahierte ich 5 Figuren aus dem vorausgegangenen Liniengeflecht, mit dem ich mich zunächst von der Fragmentierung der Stasitexte entfernen wollte. Anschließend zeichnete ich die Umrisse der Goldbemalung des Porzellanreliefs im Deli Humboldt in einer Reihe dahinter. Die Formen rollte ich von hinten her, gegen den Zeitlauf auf und zeichnete die durchscheinenden Linien in die Goldblattfigurationen. In der Folge wurden auch die 5 Figuren, die sich von STADASIDA abgewendet hatten, von diesem Material kontaminiert.

Nun werde ich mir wieder die Tonbandprotokolle meines IM „Lutz Lange vornehmen und sie beginnen, in das Wachstum der Erinnerungsgesträuche einzubinden. Ich hoffe, mit den eigenen Tagebuchaufzeichnungen aus dieser Zeit, den IM-Berichten, den späteren Transparentpapierrollen und Buchmalereien, Vorgängen meiner Erinnerung auf die Spur zu kommen.

Ich frage mich, ob mein vertrauter Mentor, der seiner Verpflichtung, mich zu überwachen nachgekommen ist, dies später bereut hat. Bestimmt war ich nicht sein einziges Beobachtungsziel. Das systemkritische Potential meiner Arbeit sorgte ja damals für öffentliche Diskussionen in offiziellen Gremien, die mich mit Kunstwerken beauftragt hatten. Ich beharrte aber auf meinen Aussagen.

Morgengesang

Am Morgen sang ich mit Glenn Gould die Goldbergvariationen und erinnerte mich dabei an die Zeit meiner Stadtwanderung in Wien. Und dann bemerkte ich dass ich, mit dieser Musik so nahe an meinem Ohr, anders mit dem Vorgang der Buchmalerei atmete. Die aggressiven Linien des Klavierspiels prägten sich über die Holzhaarnadel in meiner rechten Hand in das Papier. Ruppige Schwünge mit scharfen Wendungen. Und die Partien, in denen das leise Klavierspiel fast anzuhalten scheint, werden von einem Bleistift aufgenommen, der die zarten Handballenabdrücke vorsichtig umrandet.

Keine Arbeit führte gestern weiter in die Entwicklung der Transparentpapierrolle. Auch die Reliefs blieben unberührt. Stattdessen ging ich wieder mit der Gartenschere an den Bahndamm, um die Brombeerranken zurück zu schneiden. Es entsteht ein kleiner Platz, der von Götterbäumen umstanden ist. Ihre großen Blätter werden ihn schirmen. Dieser Ort steht in Beziehung mit zwei anderen Stellen, an denen ich eine neue Aufenthaltsqualität schaffen will. All das findet rund um die Wiese statt.

Die kleinen Schritte, die wieder in die Arbeit führen sollen, werden einfach den formalen Faden auf Rolle 10 wieder aufnehmen. Zunächst vielleicht ohne die Fortführung des STADASIDA Themas. Das kommt dann von alleine wieder.

Kleine Schritte

In die Nische meines Gärtchens, in der der alte Korbstuhl steht, scheint die Sonne. Der weiße Tisch blendet beim Schreiben. Aber das Licht tut not. Die Methoden, neu in die Arbeit einzutauchen greifen nicht richtig. Ich sollte von der Kontinuität der Routine ausgehen, die verlässlich Neues entdecken lässt. Aber der Tod von Hans, vor zwei Tagen, forderte eine Pause. Am ehesten helfen nun kleine Schritte der Rückbesinnung, keine großen Gesten.

Das strahlend kalte, trockene Ostwetter löst die Regenwochen ab. Und ganz schnell etabliert sich die Befürchtung, dass nun wieder, wie in den Sommermonaten der vorausgegangenen Jahre, eine Dürre einsetzt.

Als ich mich gestern nicht auf die Arbeit konzentrieren konnte, ging ich mit der Gartenschere an den Bahndamm und in die Büsche, die an die Wiese grenzen. Dort schaffe ich Räume, die durch den Radius meiner Arme dimensioniert werden. Es ist, als schüfe ich eine Architektur von Aufenthaltssituationen oder Angeboten, hier einen Stuhl hinzustellen, der ein Blätterdach bekommt. Eine kleine Platane könnte auch eine Gitterkonstruktion tragen, die mit Folienmaterialien ein dichtes Dach bildet. Dann wird sie von den Ästen umschlungen.

Rotierender Avatar

Mein gedachter Avatar schwebt über der Museumsinsel und dreht sich in seiner Längsachse, mal die Horizonte, mal dem Himmel und mal die Steine unter sich vor Augen. In dieser langsamen Rotation sieht er die Zeitschichten wie Schalen um sich herum, ein nussförmiger Projektionsraum. Transformiere ich diese Figur über das Kraftfeldrelief mit seinen Tonbandprotokollen, entstehen fragmentarische Buchstabenschichten um sie herum.

Umgeben von Pappmachereliefs, zieht mich die haptische Welt in mein reales Atelier. Fest auf dem rutschfesten Industrieboden stehend, fühlt sich das Material zwischen meinen Fingern wohltuend und tröstlich an. Das entfernt mich vom dem virtuellen Traum des Schwebens und zwingt mich an die Arbeitstische.

Schon der mäandernde Transparentpapierstreifen, den ich gestern mit seinen durchscheinenden Tuschestrukturen aufstellte, schafft eine neue Perspektive auf den Verlauf der Erinnerungsvorgänge. Das soll auf den Reliefs ebenfalls sichtbar werden.

Abkürzungen

Auf eine Fläche im Atelier platzierte ich Rolle 10 stehend und ließ den Streifen zwischen den aufgerollten Enden um Küchenpapierrollen mäandern. Um diese Installation kann man herumlaufen, wie um eine Skulptur. Und die immer neuen Blicke darauf zeigen die, sich auf verschiedene Weise wiederholenden, Motive. Von dieser Situation machte ich mehrere Fotos und ein Video. Beides will ich zusammen mit Scans von der Rolle nach Berlin schicken.

Schon gestern sah ich die Buchmalereien unter dem Aspekt des Weiterzeichnens auf Transparentpapier. Es bleibt nun abzuwarten, wie sich die Arbeit nach den neuesten Entwicklungen weiter gestaltet. Zunächst bekomme ich im Zusammenhang mit STADASIDA Lust auf Abkürzungen, wie PdR (für Palast der Republik), R 10 (für Rolle 10) und WT (für Werktagebuch). Es sind Begriffe, die immer wiederkehren.

Nun soll die Arbeit nicht zielgerichtet auf eine bestimmte Präsentationssituation ausgerichtet werden. Vielmehr will ich frei davon das Material so entwickeln, dass sich ein eigener Arbeitsblock zur Rekonstruktion des Kraftfeldes entwickelt.

Geschichte des Ortes und STADASIDA

Nach der Reise nach Berlin, komme ich erst an meinen Arbeitstischen im Atelier wieder richtig zur Besinnung. Am Morgen versuchte ich, die Gemeinsamkeiten zwischen den Arbeitsweisen der Kuratorinnen vom Humboldt Forum / Geschichte des Ortes und meinen zu rekapitulieren. In einem intensiven Gespräch erörterten wir Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Ich stellte die Zusammenhänge zwischen Buchmalereien, der Transparentpapierrolle und der Rekonstruktion des Reliefs „Kraftfeld“ dar, und wie das alles mit den Palast der Republik zusammenhängt. Mir wurde die Intention der Ausstellung, sich mit dem Thema Erinnerung im Bezug auf den Palast auseinander zu setzen und vieles andere, dargelegt.

Gemeinsam arbeiten wir kontinuierlich daran die Diskontinuität von Erinnerung sichtbar zu machen. Wenn wir das durch die Veränderungen der Perspektiven, Blickachsen und Raumbeziehungen zeigen können, haben wir uns an das Ideal angenähert, das mit der Schönheit der Wahrheit zutun hat.

Gestern fotografierte ich noch einmal das Porzellanrelief im Deli Humboldt, das Heinz Werner mitgestaltet hat. Ich legte mein Augenmerk insbesondere auf die Goldbemalung, die er als Spezialist für Dekor am ehesten verantwortete. Deswegen will ich mich im nächsten Arbeitsschritt mit diesen Details auf Rolle 10 beschäftigen. Ich kann die Umrisse, mit Schellack gefüllt, weiter hinten auf der Rolle in einer Zeile aufreihen. So gehe ich in der Zeit auf dem Transparentpapier voraus und fülle dann die Lücke mit der weiteren Entwicklung von STADASIDA. Diese Fragmente treffen dann auf die Umrisse und füllen sie.

Das Grauen im Slapstick

In den Kammerspielen sahen wir „Mein Lieblingstier heißt Winter“ nach einem Text von Ferdinand Schmalz. Das war ein erfrischender und engagierter Abend eines jungen Teams, in dem wieder die Kunst im Mittelpunkt stand. Das ist hoffnungsvoll. Auch die Abgründe des österreichischen Autors und seinen Humor nutzte die Inszenierung für das Grauen im Slapstick.

Auf dem Müllfeld hinter den einfallenden Baracken, hier auf dem Tevesgelände, fand ich vorgestern einen kleinen schwarzen Koffer. Als ich ihn öffnete, war zwar kein Geld drin, aber eine schöne Schreibmaschine. Nun steht sie auf einem meiner Arbeitstische und wartet darauf benutzt zu werden.

Auf der Premierenfeier in der Theaterkantine erinnerten wir uns wieder an unsere eigene gemeinsame Theaterzeit. Aber wir stellten fest, dass es genau für uns richtige war, diese abgeschlossene Welt zu verlassen, um andere Arbeitsbereiche kennen zu lernen, und dort der eigenen Kreativität mehr Raum zu geben.

Stadasida

Am Vormittag haben wir Künstler, die wir gemeinsam mit Jugendlichen arbeiten, uns im Anna – Freud – Institut getroffen. Für mich ist es immer angenehm, die Leute zu sehen und mit ihnen über die Dinge zu sprechen, die wir mit unseren Schülern erleben.

Nun warte ich, entgegen meiner Erwartung, wieder mit den Textfragmenten der Tonbandprotokolle des IM „Lutz Lange“ zu arbeiten. Die Bemalung der Reliefs mit diesen Buchstaben hat eine Dada-Anmutung, ist aber Stadasida. Die kleinen Reliefs haben das richtige Format für diese Schrift. Das ist stimmig. Nun will ich das auch für die großen Reliefs hinbekommen.

Gerade lernte ich einen Kulturanthropologen kennen, der mit Gestaltungsprozessen im öffentlichen Raum arbeitet. Wir hatten uns sofort eine Menge zu erzählen. Außerdem ist er Schreiner, wie ich. Wir sprachen über Hausbegrünungen mit Gittern in Form von Zeichnungen und über einen großen Tisch auf den Gustavsburgplatz.

Materialstapel

Seit längerer Zeit bin ich wieder auf den Altkönig gestiegen. Die knorrigen, vom Wind klein gehaltenen Bäume tragen an ihren Stämmen und Ästen Moosflechten wie Kleider. Berührt man sie mit seinen Händen, ist es als hielte man einen Körper. Die 300 Höhenmeter fielen mir leicht. Ich will das nun wieder einmal in der Woche steigen.

Die Sammlung von Arbeitsmaterial, das ich in Berlin zeigen will, soll meine Vorgehensweise zeigen. So fotografiere ich Arbeitstische mit dem teilweise gestapelten Material. Beim Durchsehen der Collagendatei dieses Jahres, war ich überrascht, wie aussagekräftig sie mir erschien. Das kann natürlich an meinen Erinnerungen liegen.

Mein Arbeitsrhythmus, der mir ansonsten eine verlässliche Richtschur für jeden Tag ist, ist nun unterbrochen. Das lässt mir Zeit, um während der Sichtung der letzten Arbeitsphase, Abstand zu den Bildern zu bekommen. Das ist eine Voraussetzung, um die Produktion noch einmal zu verändern.

Himmel über der Insel

Bei der Sichtung der Transparentpapierrollen, unter dem Aspekt des Rückbaus des Palastes der Republik, stoße ich auf spannende Überlagerungen oder Kombinationen. Es gibt Blumenornamente, die ich in Indien gesehen habe, die sich mit dem Stahlskelett verbinden. Ein Hochbunker in Wien, ein Flakturm aus dem 2. Weltkrieg, ist ebenfalls mit dieser Struktur ausgefüllt. Und immer wieder gibt es Ballettfiguren, ethnologische Figurenzitate und Buchmalereiumrisse, die Verbindungen mit der Stahlkonstruktion eingehen.

Immer übte der Ort, an dem ich monatelang in meiner Uniform Ziegelsteine abgeladen habe, ein Richtfest mitfeierte und in täglich im Gleichschritt in der Marschkolonne zum Essen in das Ahornblatt lief, eine Anziehung auf mich aus. Wenn ich in der Stadt bin, will ich zumindest einmal dort sein, um den Himmel über dieser Insel zu sehen.

Mein Arbeitskonzept, das die Geschehnisse verschiedener Zeiten und Orte als Schichten übereinander legt, erscheint mir dem Ort, an dem nun das Humboldt Forum steht, angemessen. Wenn die Kuratorinnen, die ich in der kommenden Woche treffen werde, das auch so sehen, kann man über ein weiteres Zusammengehen nachdenken.

Der große Bogen

Den Nachmittag verbrachte ich gestern ausschließlich draußen und pflegte die Wiese, in dem ich Brombeerranken entfernte, ging mit der Gartenschere ins Gärtchen und an den Bahndamm, hielt mich so von der Arbeit fern, um mich etwas zu regenerieren. Das wollte ich eigentlich die ganze Woche durchhalten. Nun aber habe ich eine Mail bekommen, die das ändert.

Auf meinen Bericht, dass ich seit ein paar Monaten zum Thema „Der Palast der Republik ist Gegenwart“ arbeite, wurde ich nun zur Sichtung dieser Arbeit in das Humboldt Forum eingeladen. Zwei Kuratorinnen werden sich mit mir treffen.

Dafür will ich nun Material zusammenstellen, das die Zusammenhänge zwischen den Einzelthemen deutlich machen kann. In erster Linie soll das die Transparentpapierrolle leisten, weil sie den laufenden Arbeitsprozess festhält und das Material entwickelt, das letztendlich auf den großen Relieftafeln eine Rolle spielen wird. Der große Bogen „Keramik“ verbindet die Ziegelsteintransporte auf die Baustelle des Palastes mit dem Porzellanrelief im Deli Humboldt, seine Meißner Porzellanblüten mit den Stasiprotokollen des IM „Lutz Lange“ und die Stahlkonstruktion des Rückbaus mit den Fluchtvokabeln der Ukrainischen Jugendlichen. All das wird im neuen Kraftfeld sichtbar.

Tribut

In dieser Woche soll eine Arbeitspause stattfinden. Dabei wird die Tagebucharbeit vollständig weiter geführt. Alles andere soll heruntergefahren werden. Wenn es gelingt, wächst die Energie, die für die Fortführung der Dinge notwendig ist, die anstehen.

Schon die Buchmalereien folgen einem anderen Rhythmus, einem Takt von Eingebungen, der sich beschleunigt, abgebremst wird, pausiert und wieder Fahrt aufnimmt. Manchmal werden das Tempo und die Färbungen auch durch Musik bestimmt. Die Anker für das Ausharren in leichtem Wellenschlag sind derzeit Messian, Ravel und Weill.

Gestern wurde der alte Zitronenbaum, der seit 30 Jahren, seit er in Griechenland in einem Joghurtbecher aus einem Kern spross, nur Ärger gemacht hat, stark zurückgeschnitten. Äste und Wurzelwerk sollen zu einem Bonsai reduziert werden. Der Tribut dafür ist eine Wunde am rechten Daumen, die ich mir mit der Gartenschere beibrachte und deswegen das Werk bis jetzt auch nicht beenden konnte.

Strömungsabriss I Mantelmodell

Der Abbruch des Stromes von mustergefüllten Figurenumrissen ging in den Versuch über, möglichst viele dieser leeren Umrisslinien übereinander zu zeichnen. Auf Rolle 10 ist ein etwa 30 cm langer Streifen entstanden, der nun wieder unzählige Figuren durch die Überschneidungen der Linien in sich trägt. Solche Neuanfänge erlebe ich als Veränderung des Experimentalaufbaus und Anfangs einer kleinen neuen Schöpfung.

Trotzdem möchte ich die großen Reliefs mit den Erinnerungsthemen noch fertig stellen. Aber dabei beziehe ich mich auf bereits entwickeltes Material, das eingefügt werden soll. Seine genauere Sichtung auf Rolle 10 steht noch aus. Sie kommt während der Produktion immer zu kurz.

Rateb habe ich das Müttermantelprojekt vorgestellt. Bevor wir aber beginnen, den Stamm auszuhöhlen, wollen wir ein Modell herstellen. Dafür suchten wir ein Stück Holz, das wir jenseits des Bahndammes fanden, wo vor einiger Zeit eine Eiche stark zurückgeschnitten wurde. Die Reste blieben liegen, wie ein 30 X 10 cm großes Aststück, das wir entrindeten und es anfingen zu behauen.

Schwebend

Die Kontinuität der Gleichförmigkeit, die das Neue nur langsam wachsen lässt, wurde gestern unterbrochen. Auf meinem alten Grafikschrank, der mein Gesellenstück aus den Achtzigerjahren ist, liegen die Transparentpapierbögen mit den Bleistiftumrissen der Buchmalereien übereinander. Aus diesen Schichten treten neue Formen hervor. Und ein paar Tuscheflecken auf Rolle 10, die ich mit Schellack auseinander fließen ließ und dann zusammenrollte, sind ein weiteres Ereignis, inmitten des disziplinierten Zeichnens, das eine neue Phase der Arbeit einläutet.

Das löst ein schwebendes Gefühl aus, als würde der feste Boden, auf dem ich in den letzten Monaten gestanden habe, weggezogen. Gleichzeitig verschwinden die Buchstaben der Stasitexte und werden unwichtiger. Auch die Themen um den Palast der Republik werden blasser. Dieser Moment fühlt sich wie eine Befreiung an.

Mein afghanischer Schüler Rateb arbeitet gerne etwas handfester. Mit Meißeln, Hohleisen und Stechbeiteln, die er mit Gummihammer, Fäustel oder Klüpfel in die verschiedenen Materialien treiben kann, kommt er seinem Bedürfnis körperlicher Ausarbeitung näher. Es gibt ja den Pappelstamm, der nun trocken ist. Er könnte mir helfen, ihn auszuhöhlen, um den Umhang einer Mantelmadonna zu formen.

Das zu erwartende Neue

Auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, die Buchmalereien voranzubringen, versuche ich die Muster alter Gesten zu durchreisen. Dabei geht es weniger um die entstehenden Bilder, als um die Erkundung der damaligen Stimmungen. Chunqing, mit der ich mich gestern getroffen hatte, meinte man müsse mehr malen und weniger denken.

Die Umrisse der ersten Malerei vom 13.03. sind auf Rolle 10 vollständig von den zurückliegenden Strukturen angefüllt. Das anziehende dieser Arbeitsweise des Durchzeichnens von mehreren Schichten gezeichneten Materials, ist das zu erwartende Neue in der stets gleich bleibenden Tätigkeit.

Dabei bleiben die Schrifttafeln, über die es zur Gestaltung der großen Reliefs kommen soll, liegen. Skulpturale Weiterentwicklungen des Reliefmaterials erscheinen als ein weiterer logischer Arbeitsschritt. Aber auch ein Ausbruch aus der anhaltenden Kontinuität kann produktiv sein…

Sprünge

Ab und zu kommt der Gedanke auf, Rolle 10 nicht nur mit der Schwärze der Tusche zu bearbeiten. Sie mit der bernsteinfarbenen, auflösenden Tendenz des Schellacks zu konfrontieren, könnte die Beschäftigung mit den Tonbandprotokollen der Staatssicherheit aus den Achtzigerjahren in den Hintergrund verschieben.

In die heutige Buchmalerei floss die Gesträuchrhythmik meiner Zeichnungen der Siebzigerjahre ein. Taucht eine Anmutung davon auf der Transparentpapierrolle auf und mischt sich mit den Schellackwolken und den Schriftfragmenten, ist das ein Grundstein für neue Bildfindungen. Sie werden durch die Sprünge in die verschiedenen Jahrzehnte möglich.

Die Strauchstruktur ist mit den Handkantenlinien verwandt, die bei dem analogen Duplizieren von Figurationen in den Malereien entstehen. Die Verstärkung dieser hellen Striche mit Holznadelgravuren oder mit dunklen Aquarellstiften führt zu den körperlichen Strukturen, die letztlich auch in der Motorik des Zeichnens zu finden sind.

Zustimmung

Dem Gedankenfluss folgend fügte ich die Federzeichnungen der Transparentpapierrolle in die Collagen von vorgestern ein. Heute wurden sie mit den neuen Buchmalereien beschichtet, deren Umrisse nun wieder auf die Rolle gezeichnet werden. Welle auf Welle erreicht somit das Ufer und formt es langsam um.

Als ich meinen Schülern unser Vorhaben, dessen Inhalt sich während der letzten Monate konkretisierte, am vergangenen Donnerstag noch einmal vortrug, fragte ich sie nach ihrer Zustimmung zu unserem Vorgehen. Insbesondere meinte ich damit die Gemeinsamkeit, die es zwischen uns gibt. Sie besteht aus der Nachwirkung der Sowjetzeit auf unsere unterschiedlichen Leben. Sie begriffen es und stimmten zu.

Die Umrisse auf Rolle 10 füllen sich mit dem sich langsam verändernden Material. Am interessantesten ist die verbogene und fragmentierte Schrift. Der Fortgang der Arbeit vergrößert den Abstand zu den Geschehnissen, die mit der Überwachung meiner Person zutun haben. Dadurch kann ich sie besser beurteilen.

Surfen

Der Sprung von den Buchmalereien zu Rolle 10 hat eine Produktionsdynamik, die einer Surfwelle ähnelt. Dabei stellt die Übertragung der Umrisse auf das Transparentpapier die Wasserbewegung dar. Wenn die später gefüllten Tuschefiguren in den Collagen wieder auf die Buchmalereien treffen, von denen sie herrühren, überschlägt sich die Welle, um jener Platz zu machen, die am nächsten Morgen mit der Herstellung der neuen Buchmalereien wieder heranrollt.

Die Umrisse der ersten Malerei von gestern sind nun schon teilweise auf Rolle 10 von den Strukturen der Tuschzeichnungen der Vortage gefüllt. In den heutigen Collagen überlagern sich die deckungsgleichen Figuren mit ihren unterschiedlichen Innenleben.

Auf der Transparentpapierrolle finden sich alle wesentlichen Arbeitsschritte zum Gesamtkomplex des Palastes der Republik, mit den Rückbaustrukturen, Wanderungsspuren, den Stasitexten im Zusammenhang mir dem Porzellanrelief und den Fluchtvokabeln der Schüler. Sie ist leicht transportierbar und eignet sich deshalb am besten, um die Arbeit in Berlin zu zeigen.

Gemeinsamkeiten

Umrisse mit der Rohrfeder zu zeichnen, dauert etwas länger als mit den Farbstiften. Dadurch verändern sich auch die Charaktere der Figuren. Es ist, als hätten sie die Kostüme gewechselt und damit auch ihre Haltung. Der Meister dieser Verwandlungen auf unserer Schauspielbühne, ist für mich Christoph Pütthoff. Er ist ein Vertreter des stetig ruhigen Spiels, auch wenn er laut wird.

Die Schüler arbeiteten gestern weiter an der Bemalung der Reliefs. Sie stimmten mir zu, dass wir Gemeinsamkeiten in Bezug auf das Erleben russisch – sowjetischer Beeinflussungen unserer Leben, zum Gegenstand unserer Arbeit machen sollten. Die Mädchen beschrifteten ein größeres Relief mit ihren Fluchterinnerungen. Es soll den dunklen Gegenpart zum stark farbigen Relief von Mark bilden. Die Jungs begannen eines der großen Reliefs zu bearbeiten. Wir nähern uns einer konkreten Ausformung von Teilen unserer gemeinsamen Erfahrungen.

Ein Figurenfries von über einem Meter Länge kam in der vergangenen Woche auf Rolle 10 hinzu. Es wurde deutlich, wie sehr die Bühnenfiguren, die ich im Schauspiel erlebe, diese Formationen beeinflussen. Mit ihrem Innenleben weisen sie aber darüber hinaus. Indem die Verbindung zum Erleben der realen Alltäglichkeit, durch das Auffüllen ihrer Umrisse mit den vorausgegangenen Mustern von der stetig weiter gezeichneten Rolle hergestellt wird, werden sie zu den Trägern fortlaufender, vergangener und zukünftiger Zeugnisse des Geschehens um mich herum.

Kostüme

Die Bühnengesten in den Buchmalereien werden durch die Kostüme verstärkt. In ihnen kann sich niemand verstecken. Sie betonen die Körper oder ziehen wallend die Gesten zu großen skulpturalen Vorgängen zusammen. Es gibt Schauspieler, die das mit der Art ihrer Bewegungen besonders gut bedienen können.

Im Gärtchen fand ich ein paar Lehmbrocken, die aus einer geologischen Kernbohrung zur Untersuchung des Baugeländes in der Nachbarschaft stammen. Der Regen hat sie aufgeweicht, wodurch sie formbar werden und in meinen Händen gleich zu einer Figur werden wollen.

Aus neu entstandenen Szenen auf Rolle 10 entnahm ich einen 4 cm hohen Streifen aus der Hüfthöhe der Figurengruppe und zeichnete einen ersten Kassiber auf Transparentpapier. Ich schmuggle ihn auf Rolle 2 in das Jahr 2007 und warte dann auf Antwort. Diese führt dann zum weiteren Verschwinden der Stasitexte, die jetzt in einem Auflösungszustand sind, in dem sie gut auf das Stahlgerüst des Palastes der Republik, auf die großen Reliefs, projiziert werden können. So wird das Gebäude noch einmal aufgelöst.

Gruppenumrisse

Die Figur in der ersten Malerei von heute, die ganz rechts steht, nahm meinen Zeichnungsrhythmus der Siebzigerjahre, in dem ich mich wohl und zu Hause fühlte, auf. Eigentlich steht sie nur ganz vorne an erster Stelle, aber die drei Bilder eines Tages entstehen parallel im Tagebuch.

Am Ende des gegenwärtigen Zeichnungsverlaufes auf Rolle 10, steht nun ein Figurengruppenumriss aus einer gestrigen Buchmalerei. Diese Versammlungen kommen mir öfter wie Schauspielergruppen auf der Bühne vor. Die Weiterentwicklung folgte dem üblichen Verfahren, dessen Methode weiter vertieft werden soll.

Maya kam gestern mit dem Relief ins Atelier, das unser gemeinsamer Schüler Mark stark farbig bemalt hat. Er tat das mit großem Aufwand in mehreren Schichten. Nun fehlt noch das Gegenstück, das düster die Erinnerungstexte der geflüchteten Schülerinnen enthalten soll. Mit Maya sprach ich auch über die Amtssprachen der Kunsträuber, Stasispitzel und der Beteiligten an der Mordmaschinerie der deutschen Nazis.

Kassiber

Eine Bildforschung zum Thema „Kassiber“ ging mir durch den Kopf. Sie lässt sich mit den Zöglingsportraits verknüpfen und mit dem Gefühl der Gefangenschaft, das mit meiner Kindheit im Jugendwerkhof Gerode begann. Das Behütende der Klostermauer wechselte in das Beengende, als die Fischteiche, Gärtnerei, Apfelplantage und die Kirchruine des ehemaligen Klosters nicht mehr reichten und sich das ganze Land wie ein Gefängnis anfühlte.

Kassiber auf Transparentpapier werden, in die Vergangenheit geschickt, ihre Nachrichten wir Testsonden platzieren und die Strukturen mit aufnehmen, die zu dieser Zeit, beispielsweise auf Rolle 2, sichtbar sind. Zurückgekehrt fügt sich das aufgenommene Material auf Rolle 10 in die Gegenwartsmuster ein.

Einen Figurenumriss der ersten Malerei von gestern, bildete eine Gruppe von Figuren, die die Projektionen der Vortage annahmen. Sie erschien auch erwartbar in den Collagen, in denen sich die Bilder mehr und mehr in Einzelteile auflösen und vermischen, ähnlich wie es mit den Handballenabdrücken in den Malereien passiert.

Übergänge

Die Morgenmalereien kamen noch aus dem Halbschlaf, formierten die Nachtfiguren erst im Tageslicht, als drängte sich die Finsternis in die wachsende Helligkeit. Die Deutung dieses Vorgangs und der Figurationen bleibt aus. Manchmal sind es waldartige Formationen, die Wiederholungen in sich tragen, wie genetische Muster, die von den Vortagen vererbt wurden.

Auf der Transparentpapierrolle werden die vagen Figuren der Buchmalereien dann konkreter. Die Tuschelinien verlangen klare Entscheidungen für die Umrissformen der Übergänge zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion. Diesen Vorgang der Verwandlung möglichst deutlich sichtbar werden zu lassen, ist ein Ziel der gegenwärtigen Arbeit.

Auch die Fragmentierungen und Auflösungen von Texten, Worten und Buchstaben entsprechen diesem Vorgehen. Manchmal läuft das ganz unbewusst ab. Dann aber kann das spätere Betrachten dieser Bilder zu Erkenntnissen und Interpretationen führen, die während der Entstehung und kurz danach noch nicht deutlich sein konnten.

Traumnovelle

Ganz langsam beginnt es zu regnen. Vielleicht wird die kalte, trockene Ostluft von feuchtwarmen südwestlichen Schwällen abgelöst. Früher war die Freude weniger, wenn es wochenlang regnete…

Gestern sahen wir die Premiere einer Dramatisierung der Traumnovelle von Arthur Schnitzler, in der Regie von Sebastian Hartmann. Dem, was wir unter Traum verstehen, ist das Ensemble sehr nah gekommen. Der künstlerische Mut war deutlich spürbar und ist in seiner Kompromisslosigkeit auch sehr anzuerkennen. Allerdings führte das auch zu Begegnungen von Musik und Choreografie, die sich gegenseitig illustrierend, die Energie nahmen.

Wir trafen wieder Chunqing mit ihrem Mann. Ich spreche gerne mit ihr, fühle mich auch künstlerisch mit ihr verbunden. Schade, dass die Premierenfeiern immer so laut sind und man sich deswegen so schwer versteht.

Unsere gemeinsamen Worte

Die Weiterentwicklung der Schrifttafeln mit ihren aufgelösten Sinnzusammenhängen, den abstrakten schwarzen Flächen, Strukturen und den tiefliegenden Linien wird zur wichtigsten Arbeit in diesen Tagen. Die meiste Arbeitszeit fließt in den Arbeitstagebuchkomplex, der sich auch auf Rolle 10 ausweitet. Das aber sind letztlich alles Vorbereitungen der Bemalung der Relieftafeln.

Die Farben und Muster in und zwischen den heutigen Figuren erzählen die Atmosphären der Räume außerhalb der Körper. Graubraun fegt der Kaltwind in der zweiten Malerei aus RechtsOsten. Von einer senkrechten Kraft wird er etwas abgelenkt, kann aber dem widerständigen gelben Leuchten der Figur nichts anhaben. Die Personen am rechten Rand von 3 sind in die Wirbel des farbigen Luftstromes verwickelt. Es ist, als würden sie die kreiselnden Bewegungen der Farbstifte auslösen.

Der schnell ziehende Hochnebel spielt mit der Sonne, die ihn bald auflösen wird. Erst kommt Licht in die Sache und dann lösen sich die Textwolken auf! Die Verbindung der Erinnerungsworte der Schülerinnen und Schüler mit meiner Arbeit an der Aufarbeitung der Überwachung durch meinen IM „Lutz Lange“, schafft eine generationsübergreifende, allgemeingültige Aussage über die Auswirkungen der Sowjetzeit. Die Worte vermischen, den Sinn fragmentieren und alles neu zusammensetzen. So sollten wir es machen!

Wie von allein

An jedem Morgen geht die Beschreibung dessen, was die Arbeitsergebnisse des Vortages waren, in die aktuelle Produktion und ihre Erläuterung über. Jetzt fällt die Tendenz zur Einbindung von Figurengruppen auf, sowohl auf Rolle 10, als auch in den Buchmalereien. Indem die durchgedrückten Linien des Vortages durch Schraffuren aktuell hervorgehoben werden, setzt sich in den Büchern das Thema des Vortages fort. Eine dieser Formationen vom 26.02. wiederholte sich bis heute in Variationen und Veränderungen.

Nun hängt das zweite große Relief mit der hervorgehobenen Stahlkonstruktion auf gleicher Höhe, eng neben dem ersten. Und eine größere Schrifttafel ist begonnen. Das kommt nun ganz einfach zustande, weil viel abgeformtes und grundiertes Material im Atelier herumliegt, das ich mit vornehmen kann. Dann nimmt es, wie von alleine, die Themen auf, die sich gerade im Raum bewegen.

Heute, am Donnerstag kommen wieder die Schülerinnen und Schüler. Der geänderte Rhythmus dieses Tages und die Begegnung, machen aus ihm einen besonderen in der Woche. Die eigene Arbeit verbindet sich intensiv und selbstverständlich mit der der jungen Menschen. Nach der Tagebucharbeit wird der Arbeitsraum für diese Situation vorbereitet. Gegen 13 Uhr kommen die ersten und die letzten gehen etwa 15.30 Uhr. Rateb, aus Afghanistan, bleibt meistens die ganze Zeit. Zwischendrin spielen wir manchmal Frisbee auf der Wiese.

Schmaler Grad

Die Produktion läuft. Morgens die Malereien, Texte, Scans und Collagen, in die ich Schrifttafeln der letzten Woche einfügte. Der Umriss einer Gruppe aus einer Malerei vom 10.2., die aus 7 Figuren in 2 geschlossenen Formationen besteht, fand seinen Platz auf Rolle 10, hinter den Textscherben der Stasiberichte. Die ersten 3 Figuren füllten sich mit dem fragmentierten Überwachungsmaterial, was Eingang in die heutigen Collagen fand.

Am späteren Nachmittag wurde ein kleines grundiertes Relief Träger von Buchstabenkonstellationen und Tuschekonstruktionen, die von den Scherben auf Rolle 10 stammen. Mehr malerische Struktur bekam die Arbeit durch Graphitschraffuren, die mit Schellackschichten angelöst werden können. Auch die Tusche löst sich darunter an. Mehr dieser Experimente müssen noch gemacht werden, bevor es an die großen Reliefs geht.

Eine Zusammenfassung der Arbeitsvorgänge für die Kuratorinnen des Humboldt Forums begann gestern zu entstehen. Das fällt nicht so leicht, weil die Prozesse im Formieren und im Wandel sind. Und die Arbeitstagebucheinträge sind zu spontan, als sie dafür übernehmen zu können. Beschreibungen der Vorgänge der Entstehung von Bildern gehen auf einem schmalen Grad zwischen Entzauberung und Illustration.

Schrifttafeln

Weitere kleine Schrifttafeln sind entstanden. Wortfragmente, verbogene Buchstaben und abstrakte Strukturen übertrage ich mit Tusche auf die grundierten Pappmacheabformungen. Dabei schaue ich auf das, was in den letzten Tagen auf Rolle 10 entstanden ist. Bislang bleiben diese Experimente noch sehr grafisch und deswegen etwas DADA-verbacken. Abhilfe können ein paar Schichten Schellack und verwischte Tusche schaffen, etwas mehr malerischer Raum also.

Noch keine der letzthin entstandenen Buchmalereifiguren sind bisher nach den Stasitextscherben auf Rolle 10 erschienen. Ihr Zusammenspiel mit dem Schriftmaterial würde eine weitere Schicht bilden, die ich verarbeiten kann. Aber auch die malerischen Atmosphären, Abdrücke und Verwischungen der Malereien sollten in die anderen Materialien überführt werden, mit denen ich auf den Reliefs arbeite.

Eines der Flüchtlingsmädchen wird demnächst von einen Fernsehteam aufgenommen. Ihr Weg würde auch in mein Atelier führen. Es soll gezeigt werden, was sie bei mir macht. Ich war mir zunächst nicht sicher, ob ich da mitmachen sollte. Nun habe ich aber Sendungen der Redaktion zu diesem Thema gesehen und habe keine Bedenken mehr.

Gedankenlos

Am kleinen, runden, weißen Tisch schreibe ich in der Sonne, windgeschützt vor der Ateliertür. In den Buchmalereien, die ich drinnen machte, entwickelten sich viele Figuren. Sie gehen Verbindungen mit gegenstandslosen Motiven ein, existieren in einer Zwischenwelt, die sich weiter ausdehnt. Das geschieht gedankenlos, wie von allein, durch handwerkliches Ausprobieren.

Veränderungen im Daumen meiner rechten Hand, ziehen ein anderes Schriftbild in den Büchern nach sich. Wenn das Schreiben schmerzlich wird, verliert es an Ästhetik. Vielleicht verändert sich dadurch auch der Inhalt. Beim Betreten des Ateliers am Morgen, überraschte mich die Arbeit, die auf den Tischen liegt. Ich hatte sie am Wochenende in Marbach und Heidelberg vergessen. Heidelberg erschien mir etwas fade so voll von jungen Menschen auf der Suche nach Vergnügen. Im Literaturarchiv in Marbach hingegen, habe ich mit Zuneigung und Interesse die Ausstellungen angeschaut, die in dem schönen Bau eingerichtet waren. Schillers Handschrift wieder!

Im Gärtchen möchte ich die Weide zurückschneiden, die mir im vergangenen Sommer fast vertrocknet wäre. Ihre Wurzeln, die sie durch einen Spalt im Beton getrieben hat, reichten irgendwann nicht mehr bis zum Grundwasser, das auch durch die tiefen Baugruben, in denen ein Stahlwald von Kränen wächst, abgesenkt wurde. Nun hoffe ich, sie dennoch retten zu können.

Scherben von Schrifttafeln

Über 20 weitere Scherben entstanden auf der Transparentpapierrolle. Innerhalb einer musikalischen Komposition sind sie wie kurz angeschlagene Töne mit denen das Thema langsam verschwindet. Neben den schwarzen Tuscheflächen, zerfließt die Schrift und gibt langsam ihren Geist auf.

Auch die Buchmalereien werden destabilisiert. All zu deutliche, banale Teile überlagere ich mit weniger eindeutigen Strukturen. In den Collagen kommt es zu einer Choreografie von Einzelteilen zweier zuvor getrennter Gruppen. Sie singen in der Bewegung immer die gleiche Sequenz und vermischen sich so. Man muss sich die Handlung zusammensuchen.

Auf einer kleinen Relieftafel begann ich mit meinen zerflossenen Stasitexten zu improvisieren. Das entwickelt eine neue Welt oder eine weitere Schicht. Die Schüler, die heute mit ihren Erinnerungstexten weiter arbeiten werden, sollen sich daran ein Beispiel nehmen. Aus unseren Schrifttafeln entwickelt sich dann die Gestaltung der großen Reliefs.

Abhanden gekommene Sinnzusammenhänge

Aus den Strukturschichten der Rolle 9 extrahierte ich die ersten 9 Scherben mit Schreibmaschinentypen, Figurenumrissen und Porzellanformen. Wegen der langen Beschäftigung mit den Scherbengerichten des Väterprojektes und dem Vertrauen das ich zu diesem Prozess aufbauen konnte, fühle ich mich in diesem Arbeitsschritt sehr zu Hause. Die abhanden gekommenen Sinnzusammenhänge der Stasitexte durch Buchstabenverzerrungen und Zersplitterungen, ironisieren den Überwachungsvorgang etwas. Das schafft den Abstand, den ich zur Deutung der Zusammenhänge benötige.

Das Kraftfeldrelief kann nun die Spannung zwischen den Erlebnissen der Flüchtlingskinder und meinem Erleben des Sowjetsystems aufnehmen. Die Form, in der sich diese verschiedenen Ebenen übereinander lagern habe ich noch nicht vor Augen.

Wenn ich beginne, kleinere Fragmente des Kraftfeldreliefs mit den fragmentierten IM-Tonbandtextstellen zu versehen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie Inhalte und Materialien zusammenspielen, kann das ein Vorbild für die Arbeit der Kinder sein, wenn sie ihre eigenen Worte auf das Relief schreiben. Diese poetische Arbeitsweise soll uns weiter helfen.

Schreddern?

Das Zeugnis, das mir mein IM „Lutz Lange“ ausstellte, strahlt auch zurück auf ihn. Durch die Fragmentierungen, die ich auf Transparentpapier zeichne, schärft sich das Bild der Gesamtsituation. Interessant wäre, die näheren Umstände der Beauftragung des Gestalterkollektives der Porzellanmanufaktur Meißen, mit einem Relief für den Palast der Republik zu kennen. Die Entwürfe müssten zur selben Zeit entstanden sein, als ich, gemeinsam mit 4 anderen Soldaten, per Hand Ziegelsteine für den Bau des Gebäudes ablud und im Lustgarten stapelte. Der hierarchische Abstand zwischen Spitzel und der Person, die Ziel der Beobachtung war, würde deutlich.

Die Umrisse einiger Porzellanblütenblätter, die ich weiter hinten auf Rolle 10 platzierte, habe ich nun beim Voranzeichnen mit den Text- und Figurfragmenten der Tonbandprotokollbearbeitungen erreicht. Die zerstückelten Sinnzusammenhänge und verschwimmenden Buchstaben beschreiben die Vorgänge der Verarbeitung dieser Geschichte.

Nun steht der nächste Schritt hinter meinen Augen bereit. Es wird darum gehen, dass sich aus den Überlagerungen der verschiedenen Umrisse aus Figuren, Blütenblättern und Schreibmaschinentypen, ein neues Scherbengericht formiert. Die weitere Vorgehensweise ist ungewiss. Schreddern?

Verwischter Text

Montag, Sonne, Atelierpflanzen im Gegenlicht, gießen, warm geblendet. Julia war da, um mich zu fragen, was ich am Tag ihrer Geburt, dem 2.4. 2014 gemalt habe. Ich zeigte ihr die Verwischungen und sprach über die GPS-Wanderungen, die ich in diesen Tagen auf der Ackermannwiese zwischen den imaginären Zwangsarbeiterbaracken gemacht habe.

Auf der Leiter steige ich mit der Wasserkanne ganz hinauf bis zu den Spinnenweben der Atelierdecke, unterhalb der, auf einem Regalbrett ein Ficus, japanischer Klee und viele Sukkulenten vor der Glaswand nach Südosten stehen. Draußen davor, im Gärtchen, wachsen aus den geflochtenen Weidenringen die hellen Kätzchen.

Ich stelle mir verwischte Texte vor, die ich vorlese. Die Lücken zwischen den Buchstaben oder Worten werden gezischt, Sätze im Wind. Das wächst sich zu einem Schweigen aus, das ein Sehnsuchtsort wird. Darin flackert ein Blätterschatten auf dem Sammelsurium aus Pflanzenresten, eingeweichter Pappe, Gips, Schellack. Wieder von vorn beginnen.

Zusammenspiel

Während meines kurzen Vortrags heute im Anna Freud Institut über die derzeitigen Inhalte meiner Arbeit, wurde mir der Zusammenhang zwischen den Erinnerungsworten der Schüler zu ihrer Flucht und den Worten aus den Abschriften der Tonbandaufzeichnungen meines IM „Lutz Lange“ noch einmal deutlicher.

Weitere Interpretationsschichten werden durch den kürzlich wieder gefundenen Text von Susanne über das Kraftfeld aufgedeckt. All dies kann nun in den wiederholt abgeformten Reliefs gezeigt werden. Eine Entdeckungsreise in immer anders neue Welten.

Mark und Rateb schrieben gestern ihre Fluchterinnerungsworte mit Graphit auf weiche graue Pappe. Dies bildet nun das erste Archiv der Vokabeln, die dann in den Umriss des Rückbaustahlgerüstes des Palastes der Republik geschrieben werden. Außerdem füllten sie die vertieften Linien innerhalb dieser Figur mit Tusche, so dass sie sich nun deutlich vom hellen Hintergrund abhebt.

Thematischer Zusammenhang

Die sich auflösenden Stasitext-Porzellansplitter auf Rolle 10 kommen nun zu einem Zusammenspiel mit den abgeformten Scherben des Kraftfeldes. Sowohl die Tonbandprotokollabschriften meiner MfS-Akte, als auch die Fluchtroutenstationen meiner Schüler, finden Platz zwischen den jeweiligen Liniengeflechten auf dem Transparentpapier und auf den Reliefs. Die Bezüge von Volkspalast, Bespitzelung und Umsiedelung bilden einen thematischen Zusammenhang. Die alte Sowjetunion, im Ukrainekrieg ins Visier genommen, baut den Palast noch einmal ab.

Das Thema bekommt also vor dem Hintergrund der russischen Expansionsbemühungen eine besondere Brisanz. Mir kommt die DDR-Parole: “Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen!“ in den Sinn. Die Identifikation mit dem Bau und dem Erhalt des Palastes erscheint mir umso problematischer. Auch die Versatzstücke, mit denen das Humboldt Forum sich schmückt, sind mir zunehmend suspekt.

Aber das Kraftfeld ist dafür da, sein Labyrinth für einen Ausweg zur Verfügung zu stellen. Die Schüler können nun die Stationen ihrer Flucht in den Umriss der Palaststahlkonstruktion schreiben. Diese Politisierung des Rekonstruktionsprojektes, die mir schmerzlich ist, scheint für die Freisetzung der Energie des Kraftfeldes ein notwendiges Übel zu sein.

Abzweigung

In Bezug auf meine Arbeit am Kraftfeld schrieb Susanne: „Das Handwerk versetzt dem Nachdenken große Schübe…“. Ich lese ihre Sätze aufmerksam noch einmal, jetzt nach etwa 10 Jahren. Dann gehe ich an die Bemalung des Reliefs mit Schellack, zunächst auf weißem Grund. Dann immer mehr Schichten, auch von weißen Höhen dazwischen, die irgendwann leuchten sollen, als helle Wegzeichen im Raum. Später kommen dann Graphit, Tusche und die Kinderschrift, in orientalisch-arabisch-kyrillischen Buchstaben, hinzu. Ein Gekritzel des Gedenkens an die Fluchtstationen, die Namen der Zurückgebliebenen und Toten.

„Die Zeit kann auf der Pergamentrolle verändert werden, es gibt Möglichkeiten zu Diskontinuitäten, um einen Zeitstrahl mit einem Element zu verbinden, das erst später in Entstehung kommt.“, heißt es im Kraftfeldtext. So habe ich die Blütenblätter des Porzellanreliefs behandelt, sie vor ein paar Tagen weiter hinten auf die Rolle gezeichnet, wo sie jetzt von den Stasitexten aus dem Jahr 1982 eingeholt werden. Dort zerbröselt alles zum Ornament des vorzeitigen inneren Rückbaus des Palastes der Republik.

Die Reliefs erleben nun in eine neue verdichtende Phase der Rekonstruktion. Das geschieht auch mit dem alten aufgefundenen Text. Es wird auch eine Verbindung zur Arbeit „Mein Leben in Deutschland“ gezogen, die ich in den Neunzigerjahren auf Packpapier auf Nessel gemalt habe. Dieser Bezug zur Fortsetzung der Arbeit im Kraftfeld, bildet nun eine Abzweigung auf meinem Weg zur Rekonstruktion. In einer Schleife geht es dann zurück zum Weg, der steil auf den Pass führt.

Susannes Text

Vor ein paar Tagen fand ich in einer Hängeregistermappe 2 Blätter mit der ausgedruckten Reihe des Kraftfeldes. Dabei lag eine sechsseitige Beschreibung des Frieses. Alle Einlassungen sind mit der Kenntnis meiner Biografie und meiner Arbeitsweise verfasst. Es ist der Text von Susanne Winnacker, den sie in der Kälte des alten Holzlagers, eingepackt auf einem Stuhl sitzend formulierte. Ein Glücksfall für mich, dass ich dieses Schriftstück, das mich wieder sehr berührt hat und funktioniert wie ein Gravitationsfeld, nach langer Zeit wieder gefunden habe.

Gestern arbeitete ich an den zwei rekonstruierten Relieftafeln, die insbesondere das Stahlgerüst, das fortlaufend in einer Endlosschleife von einem in das nächste Format hinüber wächst, hervorheben. Sie werden ein einziges Bild, dessen Rapport einen Rhythmus vorgibt, der zu einer Beschleunigung führt.

Susannes Worte erlauben mir, meine Arbeit wieder aus einem anderen Blickwinkel betrachten zu können. Selbst die Möglichkeiten, Zeitkontinuitäten auf der Transparentpapierrolle, auf der ich den Fries entworfen habe, außer Kraft zu setzen, hatte sie damals schon gesehen. Jetzt leuchten mir die weiteren Möglichkeiten, die das Liniengeflecht bietet, ein. Übermorgen werde ich versuchen, die Schüler mit dieser emotionalen Beschleunigung anzustecken.

Ufo

Das Treffen mit Mario Venzago gestern und sein Konzert mit dem Frankfurter Museumsorchester in der Alten Oper, waren wie eine Ufolandung in dem Garten unserer Zurückgezogenheit. Er ist stetig in der ganzen Welt, die verschiedensten Orchester dirigierend, unterwegs und ist fünf Jahre älter als ich! Am Pult verkörperte er die Musik skulptural, mit seinen Armen, seinen Händen und mit seinem Blick. Er schuf für die Kompositionen von Webern, Mozart und Brahms Räume, in denen sich die Klänge verdichteten. Wir konnten das gut sehen, weil wir seitlich hinter dem Orchester saßen. Das gemeinsame Essen danach war vergnüglich und ziemlich lang.

Figuren festigen und bündeln die auseinanderstrebende Energie in meinen Buchmalereien. Ihre Beziehung zu den Strukturen und untereinander führen zu erzählenden Szenen. Ich möchte sie nicht aufschreiben, weil sonst die Energie der Bilder geschwächt wird, die ich noch benötige.

Zum Beispiel für die weitere Bearbeitung der Reliefs. Sie kommt zum Sonnenlicht hinzu, das das ganze Material im Atelier durchdringt. Das belebt meine Lust, mich mit den unzähligen Relieffragmenten zu befassen, die überall herumliegen. Aber wichtiger sind mir jetzt die zwei großen vollständigen Reliefabformungen, die ich mit den Schülern und ihren Wanderungsgeschichten gestalten will.

Stationen

Die Schüler begannen gestern Stationen ihrer Flucht mit dicken Graphitstiften auf ein Stück graue Pappe zu schreiben. Kabul, Taschkent, Rostow usw., in ihren jeweiligen Schriftsprachen. Sie bekamen die Aussicht, dass dieses Relief, an dem wir gerade arbeiten, ein Bild mit ihren Erinnerungen wird. Leider waren die Mädchen bei Hannah zu einem Tanzworkshop. Aber das kann ja ein Grundstein für eine Kooperation werden.

Ich begann die Stahlkonstruktion innerhalb des Liniengeflechtes hervorzuheben. Weil sie das Format auf der rechten Seite verlässt und auf der linken wieder hereinragt, benötigt es zwei abgeformte Formate, um den vollständigen Ablauf der Konstruktion in ihrem Zusammenhang wahrnehmen zu können.

Einen Stasitext zeichnete ich noch auf Rolle 10 durch. Je öfter ich dieselben Worte Runde für Runde, beim Zusammenrollen des Transparentpapiers mit Tusche nachziehe, umso unkenntlicher werden die kleinen Buchstaben. Das liegt auch an dem Gewicht meiner rechten Hand, das bei dieser Arbeit zunimmt. Hinzu kommt eine Zersplitterung durch die wechselnden Konturen der Buchmalereien und der Porzellanblütenblätter, die zu füllen sind.

Abgelegte Energie

Die Verknüpfung der Tonbandprotokolle meiner Stasiakte mit den Figurenumrissen auf Rolle 10, schließt eine neue Dimension auf. Sie beginnt sich zu erweitern und meine Arbeit entsprechend zu beeinflussen. Das wird in den Collagen sichtbar. Gestern zeichnete ich mit schwerer Hand diese Schreibmaschinenzeilen auf das Transparentpapier. Dabei ist mir, als würde das Gewicht aus mir heraus dort als kinetische Energie liegen bleiben. Dieser Speicher kann nun zum Aufladen genutzt werden.

Einige der MfS-Kopien liegen auf der Kraftfeldform. Dort gehen sie Verbindungen mit den Linien ein, die Wanderungssymbole umschreiben. Heute kommen die Schüler, mit denen ich an dem Wanderungsthema weiterarbeiten will. Es soll um Wege und Erinnerungsworte gehen, die wir in den jeweiligen Sprachen auf Pappe schreiben können.

Verschiedenes Material, bemalt, bedruckt oder anderweitig bearbeitet, in die Form zu pressen, ist ein neuer Arbeitsschritt. Das Kraftfeld bekommt dadurch andere Wirkungsrichtungen.

Alte Strukturen

Mit lauter anderen alten Menschen sahen wir gestern die Chagall Ausstellung in der Schirn. Für diese etwas altmodische Veranstaltung kauft man sich nicht einfach eine Eintrittskarte, sondern einen Zeitabschnitt für den Aufenthalt, der von grobschlächtigen Naturen misstrauisch begutachtet wird. Es sind die Bilder eines, trotz der Schrecknisse seiner Zeit, freundlich gebliebenen Malers.

Auf Rolle 10 zeichnete ich zwei weitere Figurenumrisse und begann die Leerflächen in den anderen Gestalten mit weiteren Texten aus meiner MfS-Akte zu füllen. Die gewisse Schwere, die beim Nachzeichnen der Schreibmaschinentypen auf mir lastet, schwindet mit jedem Strich etwas.

Auch die Buchmalereien kehren in diese Zeit zurück. Die Strukturen der Haut des Handballens, werden zu den Gesträuchen, in denen ich damals meine Räume und Figuren gefunden habe. Die Rückkehr dahin geschieht aber mit dem Material im Rücken, das in den vergangenen 40 Jahren entstanden ist. Das Warten auf die Neuerung, die daraus erwächst, wird schnell belohnt.

Überspringen

Eine zeichnerische Struktur aus der fernen Vergangenheit begann sich am Morgen der Buchmalereien zu bemächtigen. Sie verdrängte die Versuche mit Konturen und deren Verwischungen aus den letzten Tagen. Es entsteht der Impuls, dieses Bauen, Verflechten und Krakeln in die Zukunft zu projizieren.

Auf Rolle 10 kann ich ein paar Meter leeren Raum überspringen, um dahinter ein paar Umrisse von heute zu platzieren. Somit ließe ich die Stasiblütenblätter erst einmal hinter mir. Gestern wiederholte ich den Umriss mit den Struktur- und Textfüllungen. Somit kamen die Porzellanblütenumrisse näher und können nun mit diesem Material ausgefüllt werden.

Spätestens während des Fototermins, der mir vom Kuratorinnenteam des Humboldt Forums angekündigt worden ist, werde ich meine Beschäftigung mit dem Stasithema kundtun. Dann bin ich gespannt, wie die Reaktion ausfällt.

Anschlüsse

Die Schüler, die allesamt Fluchten hinter sich haben, könnten Spuren der Wege in die Vertiefungen der Reliefs projizieren. Auf den Höhen dazwischen erscheinen die Erinnerungsworte vom Unterwegssein, vom Verlassen ihrer Welt und von dem, was dann kam. Ich frage mich, ob es möglich ist, diese Worte gemeinsam in einem Sprechgesang zu rezitieren, um sie dann innerhalb des Reliefs auf die Stahlkonstruktion des Palastes zu schreiben.

Die Umrisse auf Rolle 10 sind weiter mit Stasitextfiguren gefüllt. In einer Wiederholung desselben Motivs werde ich die verbliebenen Lücken mit Texten des Ministeriums für Staatssicherheit füllen. Dann trifft dieses Material im weiteren Verlauf des Transparentpapierstreifens auf die Porzellanblüten des „Schöpferkollektives“ der Staatlichen Porzellanmanufaktur Meißen.

Die Buchmalereien führen mich nach dem Wochenende wieder Schritt für Schritt, Kontur für Kontur, mit Verwischungen, krakeligen Papiergravuren, Schraffuren und Handballenabdrücken, in den Anschluss an die Arbeit der vergangenen Woche. Mich interessiert der Wechsel zwischen den aufrechten, kurvigen Linien, den Räumen dazwischen und ihren Strukturen als ein Gestaltungsmittel, mit dem ich weiter fortfahren will.

Alter Rhythmus

Am Morgen entfernte ich das zweite Relief, mit einem vieleckig-unregelmäßigen Umriss, aus der Kraftfeldform. Das Objekt trage ich nun im Atelier herum, platziere es an verschiedenen Stellen, um herauszubekommen, wie ich mit ihm weiter verfahre. Wenn ich ein drittes in dieser Weise abforme, kann ich einen Dreiklang herstellen, dessen Dynamik den Prozess intensivieren wird.

Den Umriss der ersten Buchmalerei von gestern begann ich auf Rolle 10 mit den Stasitextfiguren, die in den vergangenen Tagen entstanden sind, auszufüllen. Die Schüler haben begonnen, ihre großen Reliefs mit Schellack zu bemalen. Damit werden die Vertiefungen in mehreren Schichten ausgefüllt, bis ein solider Grund entstanden ist. Dann werden die Höhen mit Weiß noch weiter angehoben. Ich könnte mich nun dafür entscheiden, dass sie das Stahlgerüst des Palastes, das beim Rückbau hervorkam und einen Teil des Kraftfeldgeflechtes bildet, mit einem Schellack-Tusche-Gemisch hervorheben.

Die zweite Malerei von heute ist ein Berlinmotiv, das aus der Zeichnung vom Dach des Palastes, die ich 1974 machte, herrührt. Der grafische Rhythmus, dem ich folgte, stammt auch aus dieser Zeit. Auch in der ersten und dritten Malerei verbindet er sich mit den Linien, die durch die Handballenabdrücke entstanden. Bekomme ich diese Arbeitsweise in die Bemalung der Reliefstreifen, schließt sich der Kreis.

Überdruss

Bei der Übertragung der Schreibmaschinentypen einer Tonbandabschrift vom 21.04. 1982, die ein Gespräch mit dem IM „Lutz Lange“ über mich betraf, auf das Transparentpapier von Rolle 10, kamen mir Zweifel an meiner Vorgehensweise, was den Effekt dieser Arbeit für mich angeht. Vielleicht lässt sich der Stellenwert dieser Bildforschung später abschätzen.

Wegen der Ermüdungserscheinungen und einem gewissen Überdruss gegenüber dem Gegenstand, sollte ich den Aufbau des Experimentes verändern. Dafür brachte ich einen Teil des Reliefs, das ich mit den Schülern abgeformt hatte zu Maya, um die Strukturen des Objektes mit der Buntheit ihres Ortes zu konfrontieren.

Auf Rolle 10 überlagerte ich die Porzellanblütenblätter durch das Zusammenrollen und im Durchzeichnen von hinten her, gegen den Uhrzeigersinn, also aus der Zukunft zurück in Richtung Gegenwart. So bewegen sich diese Formen meinen jetzigen Figuren entgegen, die sich von jetzt nach rechts in die Zukunft ausbreiten. Buchmalereien, Reliefstreifen und Transparentfiguren sind die Grundelemente, die sich immer enger miteinander verzahnen.