Monochrom?

Gestern am Nachmittag wurde die neunte Form des großen Väterreliefs gegossen. Nach den Buchmalereien und den Texten, bereitete ich den Arbeitsplatz dafür vor, Werkzeuge, Materialien und Raum zum bewegen. Von etwa 2 bis 5 Uhr arbeitete ich, stetig gießend und veränderte verschiedene Arbeitsschritte, weil es in der Vergangenheit manchmal Probleme beim Trennen von Form und Modell gab.

Jetzt am Morgen löste ich die seitlichen Verschalungshölzer von der Gipsplatte und bin ungeduldig, das Ergebnis zu sehen. Ich muss aber den Trocknungsprozess noch eine Weile abwarten. Die Wärme aber beschleunigt den Vorgang.

Am Abend entstanden noch ein paar Scherbenobjekte. Dabei werden nur Teile der Form, z.B. ein zersplitterter Rasterpunkt oder andere Fragmente abgeformt. Diese Exemplare liegen nun im Garten mit der Form in der Sonne und trocknen. Dann gehen die Gestaltungsexperimente mit ihnen hoffentlich in eine neue Phase.

Monochrom?

Sämtliche Arbeitsplätze sind nun wieder mit dem Väterprojekt besetzt. Das Gefühl, dass die Produktion läuft, setzt wieder ein.

Die Entführung des Frühlings

Mir träumte, ein Kettenfahrzeug schleppte meinen Garten ab, hinterließ nur die blanken Betonplatten, auf denen ich Erde aufgeschüttet und Pflanzen angesiedelt hatte. Es war eine Kreuzung von Panzer und Bulldozer, die meine Insel hinter sich her schleppte. Ich wollte „nein“ schreien, aber das Wort blieb mir im Halse stecken.

Am Morgen dachte ich an die Niederschlagung des Prager Frühlings und daran dass mein Traum von der Entführung des Grüns ein Gleichnis war.

Die Entführung des Frühlings.

Es hat eine Woche begonnen, die ich ganz für meine Arbeit zur Verfügung habe. Auch den Nachmittag mit meinen Schülern in „Mimetischen Kosmos“ zähle ich dazu. In den vergangenen Tagen habe ich mehrere Reliefs abgeformt. Nun möchte ich mich um die weitere Entwicklung der Scherbenobjekte kümmern. Das Material bekommt durch das Tränken mit Schelllack eine größere Festigkeit. Das kommt der Bearbeitung entgegen. Mit dem Objektgedanken, der an das Scherbengericht anschließt, bekommt die Arbeit eine neu ausgeformte Ebene, die weitere Wege weisen kann.

Außerdem kann ich mich dem Formenbau vom 9. Relief widmen.

Neue Schüler

In den letzten Jahren hörte ich öfter Songsammlungen mit Aretha Franklin, die gestern gestorben ist. Sie kam mir immer hochprofessionell vor, sie war kein Hippie, auch als jüngere Frau nicht. Dafür sang sie zu nah am Jazz.

Gestern war meine neue Schülergruppe erstmalig im Atelier. Sechs Kinder und Jugendliche aus aller Welt, die sich gegenseitig auch noch nicht kennen und kein Deutsch sprechen. Als wir begannen, Masken mit Pappmache abzuformen, kam mir die Idee, damit eine große Wand zu gestalten auf der sie wie Punkte einer entsprechend gerasterten Abbildung funktionieren. Wenn’s gut geht, werde ich mit ihnen ein ganzes Jahr verbringen. Darauf kann ich mich freuen.

Nach all den Ablenkungen ist das Atelier nun aufgeräumt und ich kann mich auf meine Themen konzentrieren und mich auch etwas ausruhen. Das beginne ich am besten im Gärtchen. Manche Pflanztöpfe benötigen etwas neue Erde und Dünger. Manches muss etwas zurück geschnitten werden.

Morgen veranstalten wir ein Grillfest mit Freunden hier am Atelier. So klingt der Sommer langsam aus.

Eröffnung „Landmarken“ im DAM

Eine schöne und erfolgreiche Ausstellungseröffnung von „Landmarken“ gestern. Viele Leute waren da, jedenfalls im Vergleich zu den vorigen Anlässen ähnlicher Art im Architekturmuseum. Ein paar kleine Reden, Brezeln und viel Austausch.

Von dort aus fuhr ich direkt ins Atelier, um den heute beginnenden ersten Workshop zum Projekt „You§Eye“ vorzubereiten. Dabei dachte ich an den Arbeitstitel, der unserer verbalen Unterbelichtung, die Kinder sprechen kein Wort der hiesigen Landessprache, Rechnung trägt. Weil wir durch Kopieren, Nachahmen und der dem vorausgehenden Beobachtung unsere gemeinsame Sprache lernen, werden wir in einen „mimetischen Kosmos“ eintauchen.

Dafür habe ich Pappmache eingeweicht und werde noch Formen vorbereiten, die damit abgegossen werden sollen. Außerdem stelle ich Transparentpapier und Graphit zur Verfügung, um Dinge durchzeichnend und frottierend vervielfältigen zu können.

Am Abend arbeitete ich an Rolle 6 weiter und zeichnete die Linienstruktur einer der letzten Buchmalereien darauf durch. Mit dieser Grundlage ging’s dann weiter. Es war ein Versuch, wieder in meine eigenen Arbeitsstrukturen zurück zu finden.

Mimetischer Kosmos

Die Landmarkenausstellung wird heute im DAM eröffnet. Wir machen das am frühen Nachmittag, damit Alexander mit weiteren Schülern daran teilnehmen kann. Den Aufbau beendete ich gestern Nachmittag und verbrachte nur einen kurzen Arbeitstag im Atelier. Und der galt eher meinem Gärtchen, als der Arbeit.

Morgen beginnt das neue Projekt „You & Eye“. Es kommen Flüchtlingskinder zu mir, die kein Wort Deutsch sprechen. So müssen wir beginnen, die Bilder sprechen zu lassen. Ich habe mir die Aufgabe gestellt, eine Kommunikationssituation aufzubauen, die auf der bildnerischen Arbeit basiert. Eine völlig neue Situation, die mich vor nicht gekannte Aufgaben stellt. Das Transparentpapier wird helfen, den mimetischen Kosmos zu entwickeln, aus dem die neue Sprache wächst.

Dann aber, werden meine eigenen Arbeitstische wieder wichtig. In der kommenden Woche kann ich vom 9. Relief eine Form bauen und mich um die Gestaltung der Scherbenobjekte kümmern. Diese Dinge sind in den vergangenen Tagen zu kurz gekommen.

Ausstellungsaufbau

Heute begann ich die Ausstellung „Landmarken“ aufzubauen. Mit dem Techniker richtete ich das gleichseitige Dreieck ein und spannte die Schnur in 2 Metern Höhe nach unserer Konstruktion. Sie führt aber auch noch durch mehrere Ösen, dass sie an einem Stück ebenfalls das Dreiecksgitter in der Mitte hangend hält. Dadurch das Gewicht spannt die Stahlskulptur die Schnur, an der die Transparentpapierarbeiten aufgehängt sind. Schon jetzt sind die zarte Ästhetik und klare Konzeption zu sichtbar. Sie verlangen eher nach Reduktion, nach weniger gehängten Blättern. Bis jetzt ging der Aufbau komplikationslos und machte geradezu Spaß.

Heute Abend habe ich noch Texte zu suchen, Fotos auszudrucken etc.. Dieses Material werde ich auf einen Tisch legen, um den Hergang des Projektes und den Arbeitsprozess brav zu dokumentieren.

Ein schönes Plakat ist gedruckt und eine Einladungsflyer für den digitalen Versand hergestellt. Am Mittwoch ist Eröffnung.

Endlich kam wieder etwas Wasser vom Himmel. Wiese und Garten strecken ihr Grün, die Luft ist angenehm und die Müdigkeit lässt nach. Meine eigene Arbeit ruht in dieser Woche. Nur die Buchmalereien haben ihre Kontinuität und erinnern mich daran, dass es noch ein paar andere Ebenen gibt, die zu Bildern werden sollen.

Kunst ist nachgeordnet

Die Frequenzen tibetischer Gesänge entspannen meine Schultermuskulatur beim Modellieren. Während längerer Arbeitsphasen hatte sie sich gern etwas verkrampft.

Falls ich heute, trotz mehrerer Termine noch zur Arbeit am Relief Nummer 9 komme, werde ich es abschließen können.

Merkbar ist, dass diese lang anhaltende Konzentration auf ein Thema, mich nun ganz erfasst. Dass ich mir diese Ausschließlichkeit, mit kleineren Unterbrechungen erlauben kann, ist keine Selbstverständlichkeit. Daraus erwächst die neue Fragestellung nach dem Stellenwert der Beschäftigung mit seiner eigenen Geschichte. Es geht nicht mehr um die Wichtigkeit der Kunst, und ihre Einordnung in den täglichen Gang der Dinge. Sie ist nur das Medium, in dem nachgedacht werden kann.

Mit den Linien oder Volumina, die den Reflektionen über Väter, Mütter, Töchter und Enkel folgen, lassen sich Formationen ausmachen, die in der Zukunft weiter existieren werden. Das Streben nach Unabhängigkeit, kann in Kunst münden. Die aber ist dem Impuls, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen und die Auswirkungen zu studieren, nachgeordnet.

Wie früher

Der Nachmittag gestern bestand nur noch aus Überweisungen, Dem Schreiben von Rechnungen, dem Blog, Verabredungen einrichten und Terminkalender aktualisieren. Es wird deutlich, dass der Sommer, zumindest im Kalender, dem Ende zugeht.

Ich schaue nun den letzten Zügen der Modellierarbeit des 9. Reliefs entgegen und seinem Formenbau.

Der Ausstellungsaufbau im Architekturmuseum in der kommenden Woche, hat an Brisanz verloren. Wenn das Material da und das Konzept stimmig sind, kann nicht mehr viel passieren. Da entsteht dann Freiheit in einem abgesteckten Rahmen.

Über ihren Rahmen hinaus, bewegen sich derzeit öfter die Buchmalereien. Auf den zwei Seiten, die ich mir für jeden Tag einrichte, schwindet der Platz für die handschriftlichen Notizen. Ab dem Jahr 2000 wurden die, damals noch gegenständlichen, Zeichnungen in den Büchern immer kleiner, schrumpften auf Briefmarkenformat. Nun also die entgegengesetzte Bewegung. Am Ende mache ich wieder Aquarellblätter, wie früher.

Verabredungen

Im Architekturmuseum besprach ich die technische Seite der Landmarkenausstellung. Das ging reibungslos, ohne Komplikationen und erfreulich schnell. Die Materialien, die ich für den Aufbau benötige, sind im Haus vorhanden, mein Konzept ist klar und einfach.

Ich sah dort das Modell einer Brücke von Olafur Eliasson und zeichnete einen Kommentar, den ich oben in die Collage eingefügt habe.

Gestern modellierte ich lange am 9. Relief des Väterdoppelportraits. Nun kann ich das Ende schon anvisieren. Im Museum erklärte ich das Konzept des großen Reliefs und seiner Vervielfältigung in verschiedenen Varianten. Ich kam wegen eines großen gedruckten Reliefs, das auch in Rechtecke eingeteilt war und an einer der Wände hing, darauf. Meine Technik ist hingegen etwas anachronistisch, scheint mir aber dem Thema zu entsprechen. Das traditionelle Modellieren, der Formbau mit Gips, das mehrfache Ausformen mit Pappmache und die anschließende Bemalung, haben ihren Ursprung in frühindustrieller Produktion.

Jetzt am späteren Nachmittag schrieb ich Mails und Rechnungen, machte einen Interviewtermin und verabredete mich für morgen mit einer Dezernatsmitarbeiterin. Man merkt, dass der Sommer nun langsam zur Neige geht.

Weiß, erträglicher

Eine weiße Taube nähert sich mir zutraulich und meinem morgendlichen Gartenwasser. Ich stelle ihr einen Gipsbecher mit Wasser hin, den sie aber nicht bemerkt hat.

Kleine weiße Friedenstaube“, dieser Jungpionierschlager fällt mir dabei ein und „Imagine“ von John Lennon, das ihn später ablöste, gespielt an einem weiße Flügel. Ob da auch weiße Tauben dabei waren, weiß ich nicht mehr, würde mich aber nicht wundern.

Durch das Hörbuch habe ich Annes Roman „Leinsee“ noch mal im Kopf und verschränke Atmosphären und Figurenbeschreibungen mit meinem Erleben.

Ich modellierte gestern den ganzen Nachmittag bis in den Abend. Dabei hilft das Sonnensegel, weil es im Atelier eine mildere Atmosphäre schafft. Auch der heiße Tag heute wird dadurch etwas erträglicher.

Los geht`s!

Inzwischen bin ich von einer Berlinreise zurück. Bei Anne habe ich mir das Hörbuch zu ihrem Roman „Leinsee“ erbettelt. Gestern verschaffte ich mir einen Höreindruck davon. Zunächst entfremdete mir die harte und klare Stimme des Schauspielers Franz Dinda den Text. Aber das ging vorüber. Manchmal werden die Worte durch seine Artikulation sogar eindringlicher.

Wie die andauernde Hitze, begleitete mich wie ein Gewicht, das sich in meinem Körper befand, durch den Morgen. An dem kleinen Tisch im Schatten des Gärtchens versuche ich es zu verlieren.

Neben der kontinuierlichen Arbeit breitet sich manchmal, in ihren Randbereichen, eine Lethargie aus. Ewig wartete beispielsweise die neue Atelierküche darauf, fertig eingerichtet zu werden. Die ganzen Monate voll der grellen Sonne vergingen, ohne dass ich das schon längst gekaufte, dreieckige Sonnensegel aufgespannt hätte. Immer schiebt sich die nicht enden wollende Arbeit in den Vordergrund. Alles andere im Alltag scheint nicht so wichtig zu sein.

Schluss damit! Leiter, Bohrmaschine, Schrauben, Dübel und das Sonnensegel. Los geht`s!

Leder und Kalk

Nach dem Wochenende hatte ich 2 ganze Tage Workshops mit Schülern. Sie werden von mir meistens davon überzeugt oder gezwungen etwas zu schaffen, das überhaupt nicht dem Klischee der „Kinderkunst“ entspricht. Sie verstehen manchmal nicht so recht, was sie da machen, aber die Ergebnisse sind sehenswert.

Jetzt aber noch mal zurück zu den Dingen, die sich in der vergangenen Woche entwickelt hatten und eine Verdichtung des Väterprojektes ermöglichen. Ich hatte einzelne Scherben des Reliefs ausgeformt. Die so entstandenen Objekte begann ich mit weißer Wandfarbe, mit Schelllack, Tusche und Ölfarben zu bemalen. Der ruhige Vorgang des Herausfindens von Möglichkeiten der Weiterverarbeitung, spiegelte Arbeitsweisen aus den Achtzigerjahren. Damals entstanden in meinem Dresdner Atelier Lasurmalereien in denen ich Naturstudium und das Studium des Materials verband. Vorsichtig und langsam wuchsen die Bilder Schicht um Schicht.

Die Scherben haben jetzt die lederartige Oberfläche und Farbigkeit einer Mumie. In den Falten liegt trockener Kalk.

Wenn ich meine Buchmalereien anschaue denke ich manchmal an meine Besuche bei Gil Schlesinger. Er malte ähnliche Motive, vielleicht noch etwas pflanzlicher, auf große Leinwände.

Malerei | 2. Scherbengericht

Nun entdecke ich die Malerei für die kleinen Scherbenobjekte. Es ist der Augenblick, in dem ich die Verbindung dieses zweiten „Scherbengerichtes“ zu den gegenwärtigen Buchmalereien, aus der Theorie in die Praxis überführt habe.

Aus meinem Hang zur Lasurmalerei entstehen nun Weißhöhungen und Schellacklasuren mit Ölfarbe gemischt. Das ist der Beginn. Mir verschafft dieser Schritt Energie, die ich auch für das Weitermodellieren nutze. Diese Rückkopplung trifft den Arbeitsvorgang der Herstellung eines plastischen Splitters. Seine Beschaffenheit kann ich nun in Abstimmung mit meiner Malereierfahrung, nach dem Abguss seiner Form, besser einschätzen.

Die bemalten Scherben scheinen von Ausgrabungen im Industal zu stammen und tragen abstrakte Muster, die man als Stadtpläne oder Angebote für die Erfindung neuer Gegenstände betrachten kann.

Den ersten Schritten der Etablierung einer Malerei, die sich den Scherbenobjekten und den plastischen Rasterpunkten widmet, wird nun hoffentlich eine Arbeitsphase folgen, die diese Gestaltungsmöglichkeit vervollkommnet und vielfältige Ergebnisse schafft. Das ist eine Motivation für die Weiterarbeit, die mir nun gerade recht kam.

Ausprobieren

Außer mir, ist niemand auf dem Gelände. Die Kaninchen hoppeln auf der Wiese, die ihre Weide ist, herum und halten die wenigen Kräuter, die der Trockenheit trotzen, kurz.

Wegen der Hitze, die die Temperatur gegen zehn Uhr im Atelier schon auf 30°C ansteigen ließ, habe ich meine Schüler abbestellt. Sie sollen lieben an einen Badesee fahren.

Die einzelnen Scherben aus mehreren Splittern oder Rasterpunkte aus mehreren Scherben, die ich als Fragmente des ganzen Doppelportraits abgegossen hatte, tränkte ich gestern mit Schelllack, so dass die Objekte nun für die weitere Bearbeitung stabiler sind. Der dunkle, bersteinfarbene Ton, den das Pappmache angenommen hat, würde sich für die erhabenen Flächen der Splitter eignen. In die Tiefen der Gravitationsschwünge und Splitterkanten, könnte ich einen helleren Ton hinein reiben. Ich würde also die ganze Fläche mit einem flüssigen Weiß einstreichen, um es dann gleich von den Höhen wieder abzureiben. Aber was soll das ganze Theoretisieren. Ich kann es ja gleich ausprobieren.

Wohlbehalten zurück von einer längeren Reise mit seinen Eltern, wird mein Enkel Armin heute ein Jahr alt. Die Zeit in Gedanken an ihn, hat mich stärker verändert, als es das Leben normalerweise tut.

Für wen?

Modellieren bis in den Abend, Splitter um Splitter, Scherbe um Scherbe, Rasterpunkt um Rasterpunkt. Ich muss aufpassen, dass ich nicht bis zum Widerwillen arbeite, kleine Pausen mache, damit ich mich auf die Weiterarbeit freuen kann.

Am Nachmittag in der Hitze möchte ich heute lediglich das Atelier für die kommenden Workshops vorbereiten. Das heißt nur aufräumen, Staub saugen, Materialien ordnen und zurechtlegen, Tische aufbauen, damit gleich mit der Arbeit losgelegt werden kann.

Einem Gast habe ich den Zusammenhang zwischen den Buchmalereien und dem Väterprojekt erklärt. Beim Reden entstehen Erkenntnisse, die ich vorher nicht so klar hatte, oder die immer mal wieder in Vergessenheit geraten. So beispielsweise der Zusammenhang zwischen den Gravitationsschwüngen innerhalb der Reliefs und der Buchmalereien. „Schönschrift und Gewalt“, „Scherbengericht“ und „Totenbuch“ gehören zusammen und insgesamt zum Väterprojekt.

Später kann ich das ja alles mal etwas ordnen.

Nur für wen?

Vorübergehend

An diesem Morgen grub ich die Gravitationsschwünge nicht mit der afrikanischen Holzhaarnadel in das Papier, sondern zeichnete sie mit einem weichen, schwarzen Aquarellstift. Diese, dadurch entstandene Linienpräsenz, erzeugte einen gefährlichen Klang in mir. Das, was ich mit verwischen und übermalen zum Verschwinden bringen wollte, stand wieder auf und lärmte. Die fast erreichte Abwesenheit, war lediglich eine vorübergehende Behauptung. Oder die erneute Anwesenheit ist nicht von Dauer.

Am 9. Relief modellierte ich weiter. Splitter setzen sich zu Scherben zusammen, Scherben zu Rasterpunkten und die zu dem überlagerten Doppelportrait meines Vaters und seines Vaters.

Handwerklich läuft es nicht so gut, weil ich irgendwie falsch begonnen habe. Normalerweise beginne ich in der Mitte zu modellieren und arbeite mich gegen den Uhrzeigersinn voran. Das begründet sich damit, dass ich so die rechte Hand beim Arbeiten auflegen kann, ohne dabei schon fertig modellierte Flächen in Mitleidenschaft zu ziehen.

Die Konzentration lässt nach einigen Stunden nach. Deswegen denke ich darüber nach, sowohl am Vormittag, als auch nachmittags ein paar Stunden zu modellieren. Heute allerdings hatte ich Besuch von einer Stadtbesichtigungsgruppe und bin auch früher für die Mittagspause verabredet.

Auf dem heißen Beton

Montag

Ein Goldammer und eine Ratte, die Leichen des Wochenendes, liegen auf dem heißen Beton. Ich warte auf das Rabenpaar, das am Wasserloch der Kräuterspirale, auf der Wiese, in den letzten Monaten getrunken hatte. Vielleicht räumen sie die Kadaver ab. In der Nacht aber kommen die Wesen der Finsternis, der große Igel und die Waschbären zum Mal.

Solange die Sonne an den Vormittagen ins Atelier kommt, steigt die Temperatur. Erwartet wird eine Hitzewelle. Vielleicht kann ich meine Arbeitszeit etwas verlagern und am Abend länger im Atelier bleiben, um die Produktion aufrecht zu erhalten.

In den kommenden Tagen geht es um das Modellieren der Reliefs, um die Vorbereitung der Ausstellung „Landmarken“ und um einen zweitägigen Workshop am Montag und Dienstag. Dann ein „You&Eye“ -Treffen im Dezernat und eine Reise nach Berlin.

AUF | AUF

Gerade hatte ich Besuch von einer Stadtführung – Anuschka Wojciechowski ausschließlich mit Männern, die nach meinem Tun fragten. Das hat mich etwas

aufgemöbelt“

(alte Worte fallen mir manchmal ein, ihr robuster Charme weckt Erinnerungen an eine Zeit, in der man sich nicht so häufig und intensiv mit sich selbst beschäftigt hat).

Die Askese in meiner Einsiedelei erfordert ein gewisses Standvermögen darin, sich stets selbst ausgeliefert zu sein. Nachdem ich nun etwa 15 Minuten über meine Arbeit gesprochen habe, fällt mir wieder eine alte Zustandsbeschreibung ein, die jetzt für mich zutrifft.

aufgeräumt“

Der Eidechsennachwuchs traut sich nur selten aus der Deckung des Efeus auf meinem Hügel, den ich gerade wegen der anhaltenden Trockenheit mit einer Tröpfchenbewässerung behandele. Sie sind sehr scheu beim Einüben ihrer kalten Grausamkeiten.

Am Nachmittag modellierte ich. Ich befinde mich währenddessen manchmal im inneren Dialog mit meinen Eltern. Meine Schüler hatten gestern andere Dinge zu tun, als mit mir im Atelier Objekte zu entwerfen. Also habe ich etwas Arbeitszeit geschenkt bekommen.

Zwischen den Ereignissen

Sauerstoff im Hirn…

Gleich, wenn mein Arbeitsrhythmus außer Tritt kommt, gerät die Produktion nicht in die Bahnen, die sonst Ergebnisse zur Folge haben, die auf dem vorigen Tag wirklich aufbauen. Die Konzentration verfliegt etwas, Blick zur Uhr, das Gärtchen dürstet.

Einkäufe gestern… Verabredungen.

Am Nachmittag modellierte ich dennoch. Das geschah aber eher an der Oberfläche. Die Erinnerungen des Morgens waren verflogen, auch wenn ich mich an dieser Arbeit festhalten und versuchen kann, die vergangenen Gefilde zu bereisen.

Die Malereien fanden sich heute in kleinen, etwas vereinzelten, unspektakulären Formen wieder. ICH finde mich darin wieder. Die Kompositionen sprechen von den Räumen zwischen den Ereignissen.

Die Sache | Sauerstoffmangel

Auf einem winzigen Foto unter der Acrylabdeckscheibe meines Zeichentisches befindet sich der Aufseher im Jugendgefängnis und späterer Erzieher im Jugendwerkhof, im Sakko mit Parteiabzeichen, Baskenmütze auf dem Kopf. Eine Pose, die einen jungen „Revolutionär“ illustriert, einen Zweiundzwanzigjähriger, auf Linie gebracht, mühsam ausstaffiert für den Sieg der „Sache“. Ein Begriff, der es auf den Punkt bringt. Eine „Sache“ – die der Partei, die einer Revolution, die fortgeführt werden sollte, bis zum Sieg des Sozialismus.

Gestern modellierte ich die fünfundsiebzig Splitter, in die ich die ersten drei Scherben des 9. Reliefs zerschlug. Ich erinnere mich an die Dreidimensionalität der Tuschelinien auf den sechshundert Blättern des Scherbengerichts, die vom Schelllack noch weiter betont und aufgeworfen wurden. Das erzeugte die Vorstellung einer Notwendigkeit von mehr Plastizität. Langsam wächst nun der Raum, der diese Bewegung in Gang halten soll, und erscheint, wie viele Grundrisse von Häusern einer antiken Stadt, die durchzogen ist, von den Gravitationsschwüngen ihrer Straßen.

Ich lese „Der fliegende Berg“ von Christoph Ransmayr. Weil wir uns derzeit mit Westtibet befassen, Landkarten studieren, Reise- und Kunstbücher lesen, kommt mir der Stoff sehr schnell nahe. Die Dämonen der Höhe, wie sie in den buddhistischen Schreinen auftreten, verbinden sich mit meiner Vorstellung von Bildern, die durch zu wenig Sauerstoff in der Luft, im Hirn entstehen.

Verlagerung

Die Projektionszeichnungen für die Reliefs 9 – 12, habe ich gestern, wie ich es mir vorgenommen hatte, fertig gemacht. Der Start in die zweite Hälfte des überlagerten Doppelportrait – Reliefs von Vater und Großvater, lädt sich erneut mit Bedeutung für mich auf. Ich spüre die lange Vorbereitungszeit mit den Totenbüchern, dem Scherbengericht und dem anschließenden Jahr Reliefarbeit, wie einen gewichtigen Block, der mir von den Schultern schwindet. Die Summen der Schichtungen verlagern sich. Ich kann besser atmen.

Mein Vater erkundigt sich, mit seiner schütter gewordenen Stimme, nach dem Fortgang des Projektes. Wenn ich ihm sage, dass die Arbeit am Relief noch ein Jahr dauert, seufzt er.

Der Pappelstamm, der unter dem Dach trocknet, wartet auf die nächste Phase der Beschäftigung mit der Vergangenheit. Die Risse, die er durch das Trocknen bekommt, sind mir nicht unrecht. Bei der Bildhauerei kann ich mit den Spalten umgehen. Sie bilden jetzt schon eine Bedeutungsschicht, die das den löchrigen Schutz aufdeckt, auf den kein Verlass ist.

Mir gehen Geschichten meiner Familie vom Kriegsende durch den Kopf, die die Russen im hoffnungsvollen Licht der geöffneten Luftschutztüren zeigen. Das revolutionäre Russland, als Zwangspartner für ein fast halbes Jahrhundert, wurde auf diese Weise, durch die sich fokussierende Erinnerung, verbrämt.

Varianten

Es ist ungewohnt, am Nachmittag zu schreiben.

Am Morgen, als ich wie unter einer Last aufgestanden war, vergaß ich, ein neues, leeres Buch mitzunehmen.

Vor einem Jahr begann ich über das Relief des Doppelportraits nachzudenken. Und als ich heute begann, die Vorzeichnungen für die Reliefs 9 – 12 zu machen, fiel die Schwere von mir. Nach anfänglichen ungelenken Schwierigkeiten, fing das Zeichnen an, Spaß zu machen. Heute will ich damit fertig werden.

Einzelne Scherben, die ich in Pappmache abgegossen habe, liegen im Atelier und sind unter Beobachtung. Ich stelle mit ihre Weiterverarbeitung vor. Manchmal stelle ich mir opakes Schwarz vor, manchmal Blattgold, manchmal farbige Punkte und manchmal gegenständliche Malerei. Vielleicht wird es diese Varianten alle geben.

Auge in Auge

Ein ungestörter Morgen. Auf dem Markt kauften wir ein paar Lebensmittel, Käse handwerklicher Produktion aus den Bergen, von Ziegen-, Schafs- und Kuhmilch.

Auf meine Wiese habe ich einen Rasensprenger gestellt, den ich ab und zu verrücken muss, ihn aus- und dann wieder anstelle. Das wechselt sich mit der Arbeit an den Buchmalereien ab.

Mit meinen Schülern versuchte ich gestern die Gestaltung der Gitterskulptur voranzubringen, die wir ins Zentrum der Ausstellung hängen wollen. Zufrieden bin ich damit noch nicht. Vielleicht wird sie von innen beleuchtet, sodass die Transparentpapiere in mehreren Schichten sichtbar bleiben. Bei den dort verwendeten Zeichnungen handelt es sich um die Verarbeitungen der Ansichten des Commerzbank Towers selbst aus verschiedenen Perspektiven in der Stadt. Am schönsten sind die Fließränder der Tusche- Schelllackmischungen, die wie baumbestandene Bergkämme aussehen.

Gestern versuchte ich das Zeichnen eines Selbstportraits mit Worten zu beschreiben, die Auswahl des Abstandes zum Spiegel, wie weit muss ich mich von mir entfernen um mich so wahrhaftig wie mölich zeichnen zu können? Was bedeutet ein großer Abstand oder der nahe Blick Auge in Auge?

Langsamlangsam

Etwas abgelenkt.

Bei meinem Nachbarn ist eingebrochen worden. Die Polizei ist da. Ein Paar, von dem man meint, sie alle beide schon gesehen und gesprochen zu haben. Im Nachbaratelier ist nichts verwüstet, wahrscheinlich nichts gestohlen. Es wollte sicherlich nur jemand übernachten. In meinem Regal hat er nach Handschuhen gegen die Dornen, die das Fenster versperren gesucht.

Die Polizistin besichtigte begeistert mein Atelier – das alte Muster.

Der Druck von Obdachlosen, die nach Übernachtungsmöglichkeiten suchen, nimmt zu. Sie bilden Lager unter dem ruinösen Torhaus, das den Eingang zum Tevesgelände bildet, produzieren Berge von Müll, zwischen dem sie leben.

Heute am Nachmittag kommen Joana und Paulo. Wir wollen an der Gitterskulptur für das Architekturmuseum arbeiten.

Ein richtiger Arbeitstag wird das heute aber nicht mehr. Immerhin bereitete ich gestern die vier Reliefbretter vor, auf die ich als nächstes die Entwurfslinien projizieren will. Das wird aber sicherlich erst in der kommenden Woche soweit sein.

Langsam, langsam – muss ich zu mir selbst sagen.

Vereinigung | Zugehörigkeit | Tornado

Für die nächsten vier Väterreliefs zeichnete ich gestern eine zusammenhängende Projektionsfolie aus den Splittern und Scherben des neu zusammengesetzten Doppelportraits meines Vaters und seines Vaters, die sich nie begegnet sind. Es ist die „Nordostecke“ des späten Vereinigungsbildes, sehr detailreich und arbeitsaufwendig.

Näher aber und deshalb derzeit wichtiger ist mir, was innerhalb der Buchmalereien stattfindet. So entspricht mir die zweite von heute, von der ich die linke Seite oben in die Collage einfügte, ziemlich genau. Beim Betrachten entsteht ein starkes Zugehörigkeitsgefühl von mir zu der Malerei. Die Flächenstrukturen, die Facetten der Grautöne und der Zusammenklang der in das Papier des Buches gravierten Gravitationsschwünge, die auch Rohgeflechte sind, das alles bin ich. Es ist also nicht viel, was dazu gehört, mich mit mir selbst zu verständigen.

Während wir in der Pfalz in der vergangenen Woche am Rand eines großen Gewitters durch die Hügel am Donnersberg fuhren, konnten wir am Rand des großen Wolkenwirbels die Entstehung eines Tornados beobachten. Ein besonders dunkler Teil einer Wolke senkte sich weit hinab, während ihr von unten rotierendes Material entgegen wuchs. Kurz nach der Vereinigung zu einer Säule, fiel sie wieder zusammen, während auf der anderen Seite der Straße, der Blick auf die Sturzbäche des Gewitterzentrums ging.

Ende der Überlagerungen?

Zum Eingewöhnen zeichnete ich gestern Strukturen aus den aktuellen Buchmalereien auf Rolle 6. Die Sequenz besteht aus Tuschelinien und Schellackverläufen, wie sie innerhalb der Synaptischen Kartierungen entstanden sind. Sie lösen die Tusche teilweise auf. Diesmal zeichnete ich keine Überlagerungen.

Und heute Vormittag habe ich das Gefühl, dass die Zeit der Linienüberlagerungen bald zu Ende gehen kann.

In der Stadt sind Erledigungen zu machen, weswegen ich in der ersten Tageshälfte wieder nicht richtig an die letzten Arbeitsgänge zum Väterprojekt anknüpfen kann.

Für die Ausstellung liegt ein, aus Armierungsstahl geschweißter, Kubus auf dem Atelierboden. Er soll mit Transparentpapier bezogen werden. Dann werden Collagen aus Zeichnungen und Schellackeinschlüssen von trockenen Pflanzenteilen eingearbeitet. Das Ding muss eine ruppige Dichte bekommen, sonst wird es Architekturkitsch.

Mehr Freiheit

Montag, Atelier.

Nach einer Auszeit versuche ich mich wieder auf mein Väterprojekt zu konzentrieren.

Durch die täglichen Buchmalereien reißt ja die Verbindung zu den Arbeitsthemen nie ganz ab. Immer noch spielen die Rohrgeflechte der Teppichausklopfer hierbei die entscheidende Rolle für die Ausgangssituation. Die Kreuzungspunkte sind die Startpunkte für die Bewegungen der Verbindungslinien, deren wachsende Konstruktionen Räume bilden.

Eine Zeitachse wird durch die Farb- und Strukturabdrücke des Handballens mit den eingravierten Rohrschwüngen in die Kindheit geschlagen. Durch die anhaltende Beschäftigung mit dem Väterthema, das sich auch durch die Buchmalereien zieht, erringe ich mehr Freiheit.

Nun stehen die nächsten Reliefs an.

Workshopwoche

Alexander hat das Pfauenauge aus dem hintersten Raum des Ateliers herausgeholt. Das war die dritte oder vierte Rettungsaktion. Das Tier bringt es auch fertig, sich direkt vor das Maul einer großen Eidechse zu setzen, um die Flügel auf und zu zu schlagen. Weil ich aber einen standorttreuen Schmetterling schön in meinen Garten finde, muss ich in solchen Situationen einschreiten.

Nach einer Workshopwoche mit Schülern zum Landmarkenprojekt, fühle ich mich sehr wohl. Faria, die zu Hause keine Musik hören darf, zeichnete musikalische Strukturen, die wir zu sinfonischen Hochhäusern zusammenfügten. Es sind bestimmt über sechzig Blätter entstanden. Aus den über hundert Architekturblättern können nun diejenigen, die für die Ausstellung taugen, ausgewählt werden.

Zum Abschluss grillten wir unter der Schatten spendenden Weide, neben dem Atelier des Holzbildhauers. Der beansprucht diesen Platz allerdings nun für sich allein. Demnächst müssen wir fragen, wenn wir dort was unternehmen wollen.

Alle Schüler haben sich auf ihre Weise für die Woche bedankt. Weil es manchmal ein wenig zwischen uns hakte, habe ich mich darüber besonders gefreut. Und Alexander hielt die Gruppe zusammen – mit Geduld, Essen, Trinken und Einfühlsamkeit. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.

Partitur | Architektur

Mit Joana, meiner langjährigen Schülerin, arbeitete ich gestern weiter am Landmarkenprojekt, bzw. an der Ausstellung, die am 15. August eröffnet werden soll. Dann wird unsere mehr als fünfjährige Zusammenarbeit in lockere Treffen münden, die nur noch monatlich, gemeinsam mit Paulo, stattfinden sollen. Es fällt mir nicht leicht, diesen Endpunkt zu setzen. Es ist aber auch in ihrem Interesse, das gelernte nun ins Leben außerhalb des Ateliers zu tragen.

Landmarken“ werde ich dann mit anderen weiterführen. Das werden wieder Kinder sein, und ich hoffe, dass auch manche von ihnen lange bei mir ausharren.

Auf Rolle 6 führte ich die Übernahme der Linien der täglichen Buchmalereien in der Weise fort, dass ich sie nun fortlaufend, wie eine lange Zeile von sich überlagernden Schriftzeichen behandle. In die Umrisse der entstehenden Figuren, zeichne ich im Zusammenrollen des Transparentpapiers alles, was auf der Rundung durchscheint. So entsteht eine sich verdichtende lange Zeile einer Partitur oder eines zersplitterten Totenbuches.

Die Arbeiten, die gestern zur Ausstellung entstanden sind, führen die Zeichnungen, die im Commerzbank Tower entstanden sind, weiter. Die Begrenzungen der Gebäude werden gesprengt, die Dächer öffnen sich und lassen Wolken einer Architektur aus anderen Medien wachsen. Es ist als würden sich Gase oder Flüssigkeiten zu einer bewohnbaren Struktur verfestigen, die in die Höhe strebt.

Bleistift und Tinte

Vorläufigkeit ist ein Faktor, der mich auf dem Weg meiner Suche begleitet. Oft sind gefundene Formen, Strukturen oder Arbeitsweisen, nur der Anfang von etwas Neuem, das dann wieder weiterverwendet wird.

Beschäftigt mit dem Blühen im Ateliergärtchen, scheinen es die Farben dann in die Buchmalereien zu schaffen. Dort drängen sie die Strukturen der Gewalt, ins Papier gegrabene Rohrgeflechte und Gravitationsschwünge, in den Hintergrund. Blattformen entstehen und Kuben, die Grundlagen für die Sequenzen auf Rolle 6 sind. Es fehlen noch die Schönschriftübungen. Für sie benötige ich ein anderes Material.

Jetzt noch fühlbar ist die raue Lederinnenseite meines Schulranzens. Im Winter rodelten wir manchmal auf diesen Taschen die Hänge hinab. Dann drang seitlich natürlich Schnee ein, die blaue Tinte wurde verwischt und das Schönschreibheft verdorben. Dann folgten Strafen.

Einzig die Geometrie war beständig, weil sie mit Bleistift gezeichnet war.

Für die Schönschriftübungen auf Rolle 6, sind also Schulmaterialien geeignet. Bleistift und Tinte.

Licht | Schlaf | Licht

Wenn der Schlaf behelligt wird, wächst das Licht mit seiner zunehmenden Dauer zur Last. An diesem klaren Tag kommt mir jeder Wolkenschatten als wandernde Oase entgegen. Einem Schritt nach vorne, drei zurück.

Am Vormittag noch bereitete ich den Formenguss von Relief 8 vor. Dann, am Nachmittag, war er meine Hauptarbeit. Daneben zeichnete ich noch eine Überlagerungssequenz der gestrigen Linien der drei Buchmalereien auf Rolle 6. Der Formenreichtum, der durch diese meditative Übung geschaffen wird, erzeugt die Dynamik, die für die Fortführung von „Schönschrift und Gewalt“, notwendig ist. In der Collage oben wird deutlich, wie Buchmalereien und Überlagerungssequenzen auf Transparentpapier zusammenspielen.

Die vielen Sonnenstunden verstärken die Parallelität der verschiedenen Arbeitsthemen, durchleuchten die Schichten und projizieren sie in die Prozesse des Frage- und Antwortspiels bei den Bildfindungen.

Dann kommt schnell Müdigkeit, die in zu wenig Schlaf mündet.

Schönschrift und Gewalt | Müttermantel

Eine Sequenz aus Linienüberlagerungen, die ich aus den Buchmalereien vom 16.06. auf Rolle 6 verdichtete, setzte ich in die heutige Collage. Immer noch kann ich einen Teil einer heutigen Malerei hinzu setzen, wenn es die Arbeit irgendwie voranbringen kann. Das tat ich dann auch. Sie sind kräftiger als die gestrigen, die sich nicht so recht aus der Reserve locken ließen.

Indem ich die Arbeitsvorgänge des Morgens beschreibe, kommt die Zeit durcheinander. Auch die Texte werden collagiert und, Zeitsprünge nach hinten und vorne einkalkulierend, ergänzt. Für das bildnerische Arbeiten ist ein solcher Prozess von Vorteil und dem Zeichnen oder der Malerei zugehörig.

Am Vormittag, also gleich, will ich beginnen, das achte Relief abzugießen. Hatte gestern nicht mehr die Konzentration dafür, hielt mich an Rolle 6 fest, um überhaupt etwas zustande zu bekommen. Dann Müdigkeit, Garten und viel Helligkeit am Abend.

Jetzt wünsche ich mir, die Arbeit zu „Schönschrift und Gewalt“ fortzuführen. Innerhalb der Buchmalereien ist das Thema schon beendet. Ich könnte mir vorstellen, dass es sich aus Rolle 6 gut weiterentwickeln ließe. Ich bin nicht fertig damit. Es ergänzt das Väterprojekt und bereitet die Arbeit am „Müttermantel“, der großen Holzskulptur, vor.

Disziplin | Dreieckshorizont

Konzentration und Kontinuität. Dieses Begriffspaar scheint eines der wichtigsten innerhalb meiner Arbeit der letzten Jahrzehnte zu sein. Es begann nach meiner Theaterzeit, nach der ich meinen eigenen Dingen ganz gehörte, seinen Platz einzunehmen.

Manchmal verwildern die Buchmalereien etwas. Das tut ihnen gut, denn die erneute Rückkehr zur Disziplin, schafft dann einen Abstand zu dem, was vorher passiert ist. Natürlich bleibt das Maß der Veränderungen relativ gering, denn ich bleibe beim selben Material und Format. Aber innerhalb dessen sind die Spielräume nicht begrenzt.

Nachdem ich nun das achte Relief fertig modelliert habe, kann ich ein rein quantitatives Bergfest feiern. Ich habe immer noch nicht geschaut, wann ich eigentlich mit der Modellierarbeit begonnen habe. Vielleicht vor einem Jahr?

So kann ich an die Ausstellung denken, die in zwei Monaten eröffnet wird, an die Ferienworkshops, von denen der erste in der kommenden Woche beginnt und an das Dezernatsprojekt, das im August beginnen soll.

Es gibt zwei Dreiecksgitter-Stahlskulpturen, die während der Arbeit an „Biografie, ein Haus“ entstanden sind. Ich möchte sie ins Zentrum des Ausstellungsraumes des Architekturmuseums stellen. Sie sind der Dreh- und Angelpunkt des Dreieckshorizontes.

Reihenfolgen | Pflanzenstauden | Licht

Gestern sind zwanzig Blätter entstanden, die den Grundstock für die nächste Ausstellung im Architekturmuseum bilden. Somit habe ich eine Veranstaltung, während der das Dezernatsprojekt „you&eye“ vorgestellt wurde genutzt, um für das Landmarkenprojekt zu arbeiten, indem ich während meiner der Herstellung der Blätter den Vorgang kommentierte. In der etwa fünfzehnfachen Wiederholung war das etwas anstrengend, aber produktiv.

Im Dschungel meines Gärtchens sitzend, erkenne ich das Muster des Güterverkehrs auf dem Bahndamm. Der Wechsel der Kesselwagenzüge, der Schüttwagons und Containerreihungen, teilt meinen Tag ein. Die aufgeklebten großen Figurenzeichnungen sind alte Bekannte und rollen in unterschiedlichen Reihenfolgen, die auf dem Güterbahnhof eingerichtet werden, vorbei.

Der Grund meiner Wiese ist gut durchfeuchtet. Nun kann ich die großen, wuchernden Pflanzenstauden, die mich stören, leicht herausziehen. Der Himmel zeigt einen leichten Widerschein der Sonnenscheibe hinter seiner Trübnis. Ein erholsames Licht.

Heute findet wieder ein Ateliernachmittag mit meinen Schülern statt. Wir werden weiter an der Ausstellung „Landmarken“ arbeiten. Und ich komme vielleicht auch noch zum Modellieren am Relief 8 des Väterprojektes.

2000. Eintrag | Preise

Ich bin froh, dass das außergewöhnlich produktive Ehepaar Aleida und Jan Assmann den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels bekommen haben. Beide haben durch das, was ich von ihnen über Erinnerungskultur und Religionen gelesen habe, einen großen Einfluss auf meine Arbeit.

Aber auch Ivana Sajko hat mit ihrer Übersetzerin Alida Bremer den Internationalen Literaturpreis vom Haus der Kulturen der Welt für das Buch „Liebesroman“ bekommen. Weil wir beiden sehr verbunden sind, haben wir uns auch darüber gefreut.

Mit dem Modellieren des 8. Väterreliefs habe ich gestern einen Großteil des Tages zugebracht. Es ist gut, dass ich trotz der Ablenkungen durch „Landmarken“ und „you&eye“, da noch mal rangekommen bin. Es ist weniger aufwendig als die vorangegangenen Reliefs. Deshalb ist es möglich, dass ich damit in der kommenden Woche fertig werden kann. So bleibe ich in meinem Zeitplan.

Nibelungen | you&eye | Väter

Ein schön gemusterter Schmetterling besuchte mich gestern im Atelier. Weil er sich nach der Sonne orientierte, steuerte er die geschlossenen Scheiben unter der Decke, in über 4 m Höhe an, ohne hinaus zu finden. Meine Versuche, seiner Suche eine andere Richtung zu geben, versetzten ihn nur in Panik. Irgendwann aber, fern meiner Aufmerksamkeit, hat er es scheinbar doch geschafft. Das ist lehrreich!

Gestern fand eine Pressekonferenz zum Projekt „you&eye“ im „Atelier Frankfurt“ statt. Nachdem sich alle teilnehmenden Künstler und Institutionen vorgestellt hatten, gab`s noch einen Fototermin.

Schon habe ich nun das Brett für das 8. Relief des Väterprojektes zurechtgelegt, den Ton noch mal angefeuchtet und mich innerlich bereit gemacht, weiter zu arbeiten. Die Pause war den anderen Themen geschuldet.

Öfter blättere ich in den Malereien und Zeichnungen, die ich während der Theaterproben zu „Nibelungen“ in Dresden gemacht habe. Ich kann mich aber nicht dazu entschließen, mit diesen Strukturen heute noch was anzufangen. Auch sie müssten, um an ihren Kern zu gelangen, zunächst dekonstruiert werden. Sie entstanden kurz vor der Ausreise nach Westdeutschland, im Jahr 1984. Wenn ich das Material heute anschaue, ist es mir in Teilen fremd, aber vielleicht lässt es sich auch wieder anverwandeln.

Durs Grünbein | Dekonstruktion von Erinnerung| Karlheinz Braun

Das Väterprojekt beginnt auch bei den „Landmarken“ eine Rolle zu spielen. Mit meinen Schülern ergänzte ich die durchgezeichneten Hochhauscluster mit Frottagen der Splitterstruktur der Reliefformen. So lösen sich die strengen Strukturen nach oben hin explosionsartig auf. Gleichzeitig bereiten sie den Boden für die Fliessbewegung der Tusche-Schellackmischungen, die durch das Zusammenrollen der Formate gepresst und in die Länge gezogen werden.

Das kaleidoskopische Stadtbild, das die sich spiegelnden Hochhausfassaden dem Blick aus dem 22. Stock der BHF Bank boten, vermochte Durs Grünbein bei der Lesung seines eigenen autobiografischen Erinnerungs-Kaleidoskops, nicht einzuschüchtern. Mitten in diesem Schimmern klang sein Bericht von der grauen Schäbigkeit Dresdens, in der seine Jugend unter inneren Bedrängnissen stattfand, wie eine Erinnerung aus ganz fernen Zeiten, die man nur von Hörensagen kennt.

Mich interessieren die Dekonstruktion von Erinnerung und ihre neue Zusammensetzung, aus deren Bild der Kern sichtbar wird.

Am Sonnabend, bei der Preisverleihung an Lola Arias, traf ich Karlheinz Braun und konnte ihm eine Weile zuhören, als er von seinen Buchprojekten erzählte, die Theater, Autoren und seiner Zusammenarbeit mit ihnen, gewidmet sind. Die Preisträgerin wurde für ihre spartenübergreifende Arbeit geehrt. Wir sahen einen Ausschnitt eines Filmes von Ihr, der auf der Berlinale gezeigt wurde. In ihm ging es um Kriegsveteranen aus dem Falklandkrieg. Ziemlich beeindruckende Persönlichkeit.

Hey Joe | Rundhorizont

Auf einer kleinen Bühne bei den „Rosisten“ in einer Schrebergartenkneipe, sang ein alter Mann „Hey Joe“ in einer lateinamerikanischen Version von Willy De Ville. Eine rührende Szene während der Geburtstagsfeier von Barbara Neu gestern Abend. Niki Stein zeigte mir auf seinem Handy Szenen aus seinem neuesten Film und stritt sich mit uns über den Film „Unterwerfung“ von Eddi Selge. Aber Film und Theaterabend müssen unterschiedliche Aussagen haben. Wir sahen nur die Aufführung am Schauspiel Frankfurt.

Mit Joana und Paulo arbeitete ich gestern lange und konzentriert am Landmarkenprojekt. Es sind einige schöne Transparentblätter entstanden aus Durchzeichnungen, Frottagen und Tusche-Schelllackverläufen. Heute will ich mit den anderen Schülern daran anknüpfen. Aus diesen Blättern wird sich ein Rundhorizont zusammensetzen im Ausstellungsraum. Ich stelle mir vor, dass die Blätter Gradangaben der Himmelsrichtungen bekommen, damit sie, in den Rundblick vom Commerzbanktower aus, eingeordnet werden können.

Am Abend liest Durs Grünbein im 22. Stock der BHF Bank aus seiner Autobiografie, die in Dresden spielt. Ich freue mich darauf, ihn wieder zu treffen.

Innerhalb meiner heutigen Buchmalereien konnte ich den Schritt, den ich gestern gegangen bin, nur bedingt weiter verfolgen. Manchmal spielen beim Malen, schon die Kombinationsmöglichkeiten innerhalb der Collage, eine Rolle in meinem Kopf. Ich bin dann nicht mehr so frei. Das sollte ich anders hinkriegen.

Cellosuiten | Tanz

Mitten wir im Leben sind / Bach 6 Cellosuiten“ hieß der Tanzabend von Anna Teresa De Keersmaeker, den wir gestern im Mousonturm sahen. Die Cellosuiten wurden auf der Bühne an verschiedenen sehr sorgfältig ausgewählten Stellen von Jean Guihen Queyras gespielt. Seine gefühlvolle Interpretation ging sehr auf den Tanz ein, der manchmal die Komposition illustrierte, sich aber zum richtigen Zeitpunkt auch von ihr entfernte und ihr vorausging.

Auf dem Tanzboden waren Kreise aufgezeichnet, von deren Schnittpunkten geometrische Figuren (Sterne) ausgingen. Die Arbeitsweise erinnerte mich in mehreren Ebenen an meine Verdichtungen und Überlagerungen auf den Transparentpapierrollen und vor allem an meine derzeitigen Buchmalereien. So konnte ich die zwei Stunden, verbunden mit dem Geschehen, intensiv mitgehen.

Wir waren glücklich nach einer langen Durststrecke wieder richtigen Tanz gesehen zu haben. Es ließe sich noch viel über die reifen Antworten der Choreografie auf die Musik und ihre Konstruktion sagen, über die Wiederholungen, die immer auch Variationen sind, über den Wechsel der Führung zwischen Tanz und Cellospiel und über das Musizieren des großartigen Solisten überhaupt.

Für die Ausstellung im Architekturmuseum sind gestern Prototypen von Transparentpapierstreifen entstanden, die im Raum hängen sollen. Ihre Gestalt wird immer konkreter und spielt ebenfalls mit den Variationen für Linienstrukturen.

Mönchsportrait | weiche Umrissformen

Die blauvioletten Kelche meiner Kletterpflanzen, die ich nun das dritte Jahr habe, und die sich nun von alleine in meinem Gärtchen zwischen dem Gesträuch aussäen, beginnen sich zu öffnen. Ich versorgte sie in diesen heißen und trockenen Frühsommertagen mit viel Wasser, wofür ich nun farbigen Dank ernte.

Vormittags begann ich gestern ein paar Dinge für die Ausstellung im Museum zusammen zu stellen. Ich sichtete, was schon alles für das Projekt „Landmarken“ entstanden ist und probierte Präsentationsmöglichkeiten aus.

Auf Rolle 6 zeichnete ich dann, aus einem meiner Tagebücher, ein Portrait eines Zisterziensermönches der Abtei Bebenhausen durch. Ich las, was ich 1987 über das mönchische Leben dachte. Verschlungene Linien gesellten sich nun, auf dem Transparentpapierstreifen, zwischen die konstruktiven Flächen meiner gegenwärtigen Tagebucharbeit. Auch in den heutigen Buchmalereien finden sich weichere Umrissformen.

Am Nachmittag fand eine Organisationssitzung für das Projekt „You&Eye“ im Kulturdezernat statt. Dabei wurden eine Pressekonferenz am Montag und eine Show für die teilnehmenden Schüler vorbereitet. Es wurde deutlich, wie verschieden die Arbeitsansätze der Künstler sind.

Endogene Formen

Durch Schichtungen, Verwischungen und Wiederholungen stürzen die Buchmalereien in graue Finsternis. Wie vor einem Schiff bauen sich Nebelbänke auf. Jeder Meter ist ein Schritt auf der Suche nach dem nächsten weißen Fleck unentdeckter Küstenstreifen. Hirngespinste von endogenen Formen spielen im wabernden Dunst. Manchmal ist nicht klar, ob es sich bei den verschwommenen Linien vielleicht doch um unbekannte Inseln handelt.

Die Form des siebten Reliefs ist nun versiegelt. Immer die gleichen Arbeitsgänge. Ein paar Fehler habe ich konserviert: Kratzer, Fehlstellen und Unebenheiten. So wird es nicht so langweilig.

Auf der Suche nach einer Zeichnung aus den Achtzigern, die ich gestern in den Tagebüchern entdeckt hatte und in Rolle 6 einfügen wollte, ist mir ein Gedicht meiner Tochter in die Hände gefallen. Sie schickte mir dann noch eine ganze lange, reich bebilderte Geschichte, die sie mir zum 33. Geburtstag geschenkt hatte. In den Wirren dieser Zeit ist das alles in Vergessenheit geraten. Umso schöner, es heute wieder zu entdecken.

In der Nacht hatte es wieder auf dem Gelände gebrannt. Die Kripo war gerade da. Die Feuer kommen immer näher – eine bedrohliche Situation.

Weißer Fleck

Auf Rolle 6 ist eine Sequenz entstanden, in der ich die Linien von sechs Buchmalereien nebeneinander gezeichnet habe, um sie dann durch das Zusammenrollen des Transparentpapiers übereinander zeichnen zu können. Die so entstandene Verdichtung, die ich mit Bleistift und Schelllack anreicherte, hat mich gestern noch zu keinem anderen Stern geführt. Somit begann ich eine erneute Sequenz aus drei Zeichnungen, die ich mit alten Motiven aus den Achtzigern anreichern will.

In den kommenden Tagen liegt die Ausformung vom Relief 7 an. Ich spüre, wie schwer es mir fällt alle Projekte parallel zu entwickeln. Dazu kommen Termine, die aus meiner Sicht nicht notwendig sind, aber auch solche, die uns weiter führen, wie z.B. ein erneuter Besuch des Commerzbank Towers zum Schauen, Entdecken und Zeichnen.

Die heutigen Buchmalereien fielen etwas wilder aus, als sonst, als wollten sie gestisch und emotional ein Terrain zurückerobern, das sich aus der Pause des Väterprojektes wie ein weißer Fleck ausbreitete.

Nun stehen in den kommenden Wochen eine Ausformung des 7. Reliefs und das Modellieren von Relief 8 des Väterportraits an.

In Bewegung

Wenn ich in Bewegung bin, fällt mir mehr ein. Die Vernetzungen meiner Erinnerungen werden durch das Gehen vermehrt. Es ist deshalb anders, wenn ich zu Fuß ins Atelier gehe und mit den Buchmalereien beginne, als wenn ich mit dem Auto komme.

Mit der Arbeit, die sich innerhalb der Rolle 6 auf die Linien meiner Buchmalereien bezieht, komme ich voran. Die Verdichtungssequenzen haben immer eine eigene Dynamik, die mich stetig anzieht. Auch die zunehmende Zersplitterung der Väterscherben folgt auf dieser Rolle ihrer eigenen, anziehenden Kontinuität.

Nach einem Wochenmarkteinkauf am Morgen habe ich Niklas in seinem Atelier einen Kurzbesuch abgestattet. Wir fachsimpeln immer etwas über Facetten der Dreidimensionalität von virtuellen Zeichnungen, und deren Weiterverarbeitung nach dem Druck auf Papier. Gleichzeitig geht es aber meistens auch um 3d Ausdrucke von verschiedenen Dateien.

Im abgekühlten Gärtchen gibt es nun viel Feuchtigkeit und Wachstum, dem man zuschauen kann. Das mache ich auch gerne und ausführlich.

Überlagerter Dreiklang

Auf Rolle 6 verwendete ich gestern wieder die Linien der Buchmalereien, die ich am selben Morgen gemacht habe. Damit wird der Dreiklang der Formen zugunsten eines verdichteten Streifens in den Hintergrund gedrängt. Bei genauerem Hinsehen bleibt er sichtbar, nicht aber als deutliches Triptychon, eher in der Abfolge von Motiven.

Vinzenz stellte eine solche Zeichnung von mir in seine Instagram Sammlung ins Netz. Daraufhin meldete sich Olafur Eliasson und markierte die Stelle mit einem: „Mir gefällt das.“ Ich hatte das Transparentpapier mit der Zeichnungssequenz im Gegenlicht aufgenommen, wodurch sich eine besondere Atmosphäre einstellte, die mit den Nebelskulpturen von Eliasson ein wenig zutun hat.

Die Gipsplatte des siebten Reliefs lege ich draußen in die Sonne, damit sie schneller trocknet und sich stabilisiert. Dann folgt das gleiche Prozedere, wie bei den 6 vorangegangenen.

In der zweiten und dritten Buchmalerei stellte sich heute ein Zeichen ein, das den Grabplattengravuren bei Noia in der Nähe von Santiago de Compostela, ähnlich sieht, oder den Zeichen die wir beim Nordwestausblick von Commerzbank Tower im Stadtbild gefunden haben.

Rolle 6 | Relief 7 | anonym

Beim abnehmen der Form vom Modell des Reliefs Nummer 7 gab es Schwierigkeiten. Ein Teil des Gipses blieb einfach an einigen glatten Stellen des gespachtelten Untergrundes, auf den ich modelliere, kleben. Dass so etwas passieren kann, ist der Grund meiner Nervosität bei diesen Arbeitsgängen. Ich konnte die Fehlstellen aber ganz gut ausbessern.

Zuvor arbeitete ich an Rolle 6. Ich nahm mir die Linien der drei Buchmalereien von gestern und zeichnete sie als einen Streifen nebeneinander. Dann erstellte ich eine kleine Überlagerungssequenz, in dem ich das Transparentpapier zusammenrollte und die Linien in die Umrisse der Figuren durchzeichnete, die aus den unteren Schichten sichtbar waren.

Das ist dieselbe Arbeitsweise, die ich auch bei den Zersplitterungen der Scherben des „Doppelväterportraits“ anwandte. Dazu gesellten sich noch Bleistiftzeichnung und Schelllack, der die schon trockene Tusche noch einmal etwas anlöst. Somit wird die harte Zeichnung etwas weicher.

Vinzenz schickte einen Link zu einem Artikel über eine Aktion, während der er sich ins Meer neben eine Figur von Anthony Gormley stellte, als zweite Figur. Niemand wusste den Namen dieses Unbekannten. Ein anonymes Kunstwerk. Das gefiel mir gut.

Kleist | die 7. Form | das Unaufhörliche

Die Form des siebten Reliefs ist gegossen. Die Platte liegt noch im Ton. Ich weiß also noch nicht, wie der Guss gelungen ist.

Es ist etwas mehr Zug in den Buchmalereien. Weiß nicht wo das Ruppige herkommt, das sich in letzter Zeit eingeschlichen hat. An den Wochenenden sind sie das einzige, was ich bildnerisch mache. Sie sind das Unaufhörliche, das jeden Morgen an den vorherigen anknüpft und somit die anhaltende Konzentration schafft, die der Grund und Motor dieser Dynamik bleibt. Gleichzeitig ist das kraftraubend, denn es hält seit fast zwanzig Jahren an.

Ein ähnlicher Prozess entsteht bei der Arbeit an den Transparentpapierrollen. Hier aber schafft die nur Form des langen Zeichnungsbandes den Eindruck des Unaufhörlichen. Tatsächlich unterbreche ich die Arbeit daran manchmal sehr lange.

Ich las gestern in Ruhe in der Kleistbiografie von Peter Michalzik. Manchmal lachte ich laut über Zitate von Zeitgenossen, die den Charakter des Dichters beschreiben. Seine eruptive Überspanntheit ist schon beim Lesen anstrengend. Dieser unverschämte Schnorrer hat aber großartige Stücke geschrieben.

Splitter | Nordwestschrift

Mit mehr Grau versuche ich farbliche Zurückhaltung bei den Buchmalereien. Die Lautstärke des krachenden Grüns, neben dem quäkenden Gelb und dem gurgelnden Violett ist mir zu groß und der Klang zu grell.

Weitere Zersplitterungen der Scherben des Väterreliefs habe ich auf Rolle 6 gezeichnet. Der Mikrokosmos aus eigener Hand.

Die geheimen Buchstaben aus dem Stadtbild im Nordwesten, die Nordwestschrift, übernahm ich erneut auf die Transparentpapierrolle und verband sie diesmal mit den Schwüngen von Magnetismuslinien. So kam zum harten Schwarz noch etwas sanftes Graphit hinzu. Mehr Verbindung zwischen den Splittern und der Schrift kann ich mit einer nächsten Schicht erreichen, die ich aus den Synaptischen Kartierungen entnehme, also Tusche und Schelllack mische und verwische indem ich sie feucht zusammenrolle.

Die Schwarzen Hautabdrücke meiner Hand in den Buchmalereien sehen manchmal Holzschnitten ähnlich oder Frottagen von Rinde.

Heute sollte ich das siebte Relief abgießen. Sein sich auflösender Untergrund zwingt mich zum Handeln.

Schriftzeichen

Joana und ich haben gestern in der Zeichnung der Stadtsilhouette von Aleksandra, weitere Schriftzeichen einer fremden Sprache gefunden. Es handelt sich bei dem Motiv auf dem Transparentpapierblatt, um einen Blick aus dem Commerzbanktower nach Nordwesten, von einem Negativ einer Fotografie durchgezeichnet. Innerhalb des Ausstellungsgrundrisses würde sich dieser Ausschnitt aus dem Panorama, etwa gegenüber dem Eingang befinden. Dort könnte man also das Thema der versteckten Schrift in der Stadt ansiedeln. Mit Aleksandra will ich heute daran weiterarbeiten. Es handelt sich also um eine Erweiterung der bloßen Abbildung des Gesehenen. Mit der gefundenen Schrift könnte man dann eine neue Stadt „schreiben“.

Beim Nachdenken über die Farbigkeit des Väterreliefs, komme ich auf eigene Experimente mit Pappe, Schelllack und Acrylfarben. Mir gehen auch die Drucke durch den Kopf, die ich bei einer Künstlerin gesehen habe. Sie bearbeitete Pappe mit Holzleim und ölte die verbliebenen Stellen ein. Das Ganze rieb sie dann mit Ölfarbe ab und druckte es mit einer Tiefdruckpresse. Mal sehen, ob ich aus dieser Technologie einen Teil für mich nutzen kann.

Die Form von Relief Nummer 7 ist noch zu gießen. Ich kam da nicht ran, weil ich dafür einen ungestörten Nachmittag benötige. Den sollte ich aber in der kommenden Woche haben.

Jean-Michel Basquiat

Aus kleinen Fragmenten von Architekturzeichnungen einer Schülerin sind Hieroglyphen entstanden. Ich reihte sie in die fortlaufende Erzählung von Rolle 6 ein. Dort treffen sie als Schwarm auf die letzte, etwas sterile Sequenz aus Splittern des Väter-Doppelportraits. Das erzeugt eine Konstellation, die mehr kompositionelle Spannung verspricht. Für das Landmarkenprojekt bedeutet dieser Schritt vielleicht eine neue Ausrichtung, in der es weniger um Stadtansichten, als um die Wandlungen des Blickes beim Anschauen der gebauten Landschaft geht.

Eine etwas andere Art von Spannung erlebten wir gestern in der Schirn Kunsthalle. Eine Ausstellung von Jean-Michel Basquiat gefiel mir wegen der frischen Kraft der Zeichnungen, Collagen, Malereien und der Filme. Dort erscheinen die Achtzigerjahre in Manhattan für ihn mit ähnlichem Material angefüllt, wie die Sechziger für Bob Dylan. Basquiat allerdings, Taucht dazwischen eher wie eine „natürliche“ Großstadtexistenz auf, weniger von der Inszenierung übermalt. Alte Meister, musikalische Kontraste und der Rhythmus der Stadt gingen in sein Werk über. Für mich war das ein Erlebnis.

Abends, nach dem Besuch der Ausstellung trafen wir Barbara Walzer auf der Straße. Sie sehe ich oft mit ihrer Kamera in den verschiedenen Veranstaltungen, zu denen ich von der Stadt eingeladen bin. Sie gehört dazu.

Kein Weiterkommen

Die Arbeit an Rolle 6 brachte gestern noch nicht das erwartete Ergebnis. Eine Überlagerungssequenz, aus der ich einen Teil oben in die Collage eingefügt habe, blieb steril. Ich muss mich etwas auflockern, vielleicht eine kleine Pause einlegen, damit ich aus den Überlagerungen mal ausscheren kann. Ich komme mit den Schichtungen nicht weiter. Ein Sprung bleibt aus, der notwendig wird, um einfach nur weiter zu kommen. Auch die Buchmalereien scheinen, seit vielleicht drei Tagen, zu stagnieren.

Das siebte Relief muss abgegossen werden. Vielleicht ist das der Arbeitsgang, der mich aus dem Kreislauf herausholt.

Oder ich kümmere mich um die nächste Ausstellung im Haus im Haus, die im August eröffnet werden soll. Die Schüler zeichnen Details von den Blicken aus dem Commerzbanktower auf die Stadt, die noch weiter entwickelt werden müssten. Dafür muss ich ihnen Vorlagen bieten, an die sie sich halten können.

Auch mein letzter Arbeitsschritt auf Rolle 6 benötigt noch eine weitere Umdrehung, die mit anderen Dingen zutun haben müsste. Die Verbindung mit einer „Synaptischen Kartierung“, das heißt einem Fließen von Schelllack und Tusche, würde der Starre einen Kontrast befügen.

Übersetzterfest

Pfingsten, das Fest der Übersetzter, ist vorbei.

Wir sahen die Rubensausstellung im Städelmuseum und die Uraufführung eines neuen Stückes von Marius von Mayenburg, in seiner eigenen Inszenierung. Beide Ereignisse ließen mich seltsam kalt. Sowohl die auf eine berechnete Wirkung hin gemalten Perfektiosen, als auch die Textkonstruktion im Schauspiel.

Carola habe ich gestern mein Väterprojekt gezeigt und darüber gesprochen. Ich versuchte auch die Verbindungen zwischen den Reliefs und den Buchmalereien zu erklären. Die werden mit der zunehmenden Kontinuität und Masse immer wichtiger.

Gestern vergaß ich mein schwarzes Tagebuch mit den Malereien, vom kleinen weißen Tisch im Gärtchen ins Atelier zu bringen. Das tat ich als ich ankam, worauf es nach fünf Minuten begann zu regnen und den ganzen Vormittag anhielt. Wäre ich eine halbe Stunde später gekommen, hätte sich die bisherige Arbeit an diesem Buch vollständig aufgelöst. Es wurde  deutlicher, wie wichtig sie für mich ist.

Demnächst bin ich zehn Tage allein. Da hoffe ich wieder auf größere Konzentration auf das Väterprojekt, auf die kommende Ausstellung im Museum und auf die weiterführenden Möglichkeiten auf Rolle 6, der Transparentpapierrolle, auf der ich manche der Ideen konzentrieren und weiter entwickeln kann. Das vernachlässigte ich in den letzten Monaten.

Ausstellungskonzept

Mit Joana und Paulo habe ich die Ausstellungskonzeption „Landmarken“ für das Architekturmuseum besprochen. Sie hatten die Aufgabe, das Dreieck, das den Grundriss des Foyers des Commerzbanktowers umreißt, in seiner Nordausrichtung, auf die Lage des Quadrattes des Ausstellungsraumes, zu projizieren. Das heißt, dass dieses Dreieck, maßstabsgerecht verkleinert, schräg im Quadrat des Hauses im Haus liegt. Das war etwas schwierig zu konstruieren. Daraus soll das gespannte Dreiecksgitternetz entstehen, das einerseits die gläsernen Zwischendecken des Turmes zitiert und andererseits als Aufhängekonstruktion für das gestaffelte Panorama aus Transparentpapierzeichnungen funktionieren soll. Das heißt, dass zum Quadrat und Dreieck, auch noch konzentrische Kreise hinzukommen, die ein Labyrinth von Landmarkenzeichnungen bilden werden. So weit sind wir mit der Konzeption gekommen, was nicht heißt, dass wir mit der Konstruktionszeichnung des Ganzen schon fertig wären. Es bleibt noch viel Arbeit.

Heute kommen die Schüler, mit denen ich an ihren Panoramazeichnungen weiterarbeiten möchte. Dafür sollen Zeichnungsteile vergrößert werden, um sie auf neue Blätter zu übertragen und mit anderen Elementen zu verbinden.

Mit dem 7. Relief bin ich fast fertig, und die Buchmalereien lassen mich immer noch in der Schwebe. Angenehmer Zustand!

Langatmigkeit des siebten Reliefs

Lange modellierte ich gestern in den Abend hinein. Im Blick die ziehenden Wolken, die wachsenden Schatten und die Splitter des Väterportraits. Hätte ich in den kommenden zwei Tagen keine Schüler, würde ich mit dem 7. Relief noch in dieser Woche fertig. Aber ich habe Zeit und will die Arbeit in ihrer Langatmigkeit und Ruhe genießen.

In der Abendsonne las ich wieder in der Kleistbiografie von Peter Michalzik. Bei der Beobachtung der Lebenskrisen des Dichters stellt sich eine Beklemmung ein, dass ich meinen möchte, sie griffen auf mich über. Kleists Ausweg, das Schreiben; blieb nur eine kurze Zeitspanne offen.

Banal und naiv empfinde ich Preußischblau gegenüber dem geheimnisvollen Indigo. Die Malereien tragen mich hinweg wie ein Morgenvogel. Und von oben sehe ich das, was sich meiner wörtlichen Beschreibungsmöglichkeit entzieht. Es ist nur malbar.

Die Schwünge der Rohrgeflechte wandeln sich durch die Sehnen, die sie durchschneiden, zu Blütenkelchen, Tulpen oder Fleischfressende Pflanzen

Belebend

Der Sommerschreibplatz entsteht dadurch, dass der Tisch, der im geöffneten Rolltor steht, von Pflanzen weitgehend frei geräumt ist. Ich empfange hier die Geräusche der Stadt, die wie ein Meer das Gelände umgibt, die Außentemperatur und die Luftbewegungen.

Quellwolken reisen schnell von Osten heran, zerblasen vom Wind, der auch die Blütenblätter der kleinen Buschwindrosen mit sich trägt. Über dem feuchten Gärtchen bleibt  ein wärmender Sonnenfleck lange stehen. Der erreicht auch meinen Tisch und die Buchseiten.

Vier zehnköpfige Schülergruppen besichtigten gestern meine Arbeit zum Zwangsarbeitergedenken. Das war belebend. Ich hatte eine kleine Ausstellung arrangiert und erzählte vom Raum der immer auch Geschichtsraum ist.

Auch ein Anruf aus dem Architekturmuseum setzte eine Gestaltungsmaschinerie in meinem Kopf in Gang, die sich mit dem bisherigen Material des Projektes „Landmarken“ für eine Ausstellung beschäftigt. Ganz konkrete Installationen schweben mir vor. Die werde ich mit meinen Langzeitschülern morgen, an unserem regelmäßigen Ateliernachmittag, besprechen.

Kraftzentrum

Am Vormittag habe ich ein paar Schülergruppen bei mir, die sich mit Faschismus auseinandersetzen sollen. Dafür zeige ich ihnen meine Arbeit zum Zwangsarbeiterlager auf der Ackermannwiese. Vielleicht kann ich sie dafür sensibilisieren, dass wir alle in einem geschichtlichen Raum leben.

Gestern wurde erneut der Gründerpreis der Stadt Frankfurt mit meiner Figur eines „Schreitenden“ vergeben. Auf diese Weise bin ich nun jedes Jahr einmal im Kaisersaal des Römers vertreten, komme dort als Gestalter vor. Ich spreche mit den prämierten Neugründungen und erkläre ihnen manchmal ein wenig vom Bezug der Figur zum Mut.

Als Gestalter wirke ich in dieser Stadt allerdings viel mehr hier im Atelier. Seit über fünfzehn Jahren zeichne ich nun hier. Und ich glaube, dass sich meine Vorstellung eines Kraftfeldes, hier langsam entwickelt.

Meine Malereien sind mir heute etwas davongeschwommen. Ich versuchte sie mit ein paar klaren Linien, wieder einzufangen. Zwischen ihnen aber, fühle ich mich zu Hause.

Paradies verloren

Vorgestern beobachtete ich in meinem Paradiesgärtchen einen Eidechsenkampf auf Leben und Tod. Eine noch ganz junge, offensichtlich zugewandert, traf auf das Urexemplar dieses Areals, den großen Patriarchen, der nicht zulässt, dass andere Männchen in seinem Reich jagen, sich paaren oder sich nur sonnen. Also griff er den Neuling an, verbiss sich in seine Seite und schleuderte ihn so herum, dass der Körper aufbrach und die Eingeweide heraustraten. Als ich dazwischen ging, um das Alttier zu vertreiben, drehte das Opfer den Kopf, schaute auf die klaffende Wunde seitlich des Bauches und riss das Maul weit auf, als wollte es schreien. So verharrte es in einer Starre, bis ich es in einen der Pflanzkübel weiter entfernt trug und in den Schatten setzte. Die Hoffnung, dass es sich wieder erholen könnte, erwies sich als falsch. Nach einer Stunde, als es tot war, legte ich den Leichnam unter die Acrylkuppel zu den anderen Eidechsen, die sich mittlerweile dort versammelt hatten, um sich aufzuwärmen. Der Mörder schaute ausdruckslos auf sein zerrissenes Opfer.

So verliert das Paradiesgärtchen seine Unschuld. Die Eidechsen liegen mir nicht mehr so am Herzen… Es herrscht mein Lieblingswetter: 17°C, leichter Regen und gleichzeitig etwas Sonne.

Die Buchmalereien lassen mich über ihren Fortschritt im Ungewissen. Als würden sie sich außerhalb von mir verselbständigen, zeigen sie mir immer wieder Möglichkeiten auf, wie es weitergehen könnte. Ich kann zwischen ihnen umhergehen und mich ihnen anschließen oder nicht.

Nibelungen

So viel Privates derzeit. Zum Beispiel Kauderwelsch mit meinem Enkel Armin.

Aber vor mir liegen auch die neuen Buchmalereien, die sich veränderten. Die Durchlässigkeit der Kulissen entsteht erst in den Collagen, wenn ich die Flächen, die durch Verbindungen der Kreuzungspunkte entstehen und deren Handballenabdrücke, die sie vermehren, ausschneide. Dann staffeln sich die Durchblicke der vergangenen Tage hintereinander. Der Raum dahinter ist die mit Malerei ausgefüllte Zeit.

Durchs Grün meines Gärtchens bin ich beim Schreiben kaum noch zu sehen.

Durs Grünbein kommt zum Lesen in die Stadt. Gemeinsam sahen wir sahen wir 1983/84 den Kampf der Schauspielerinnen in ihren Nibelungenrollen zwischen den Probebühnenkulissen in Dresden. In einer Glasvitrine stand das Modell des Wormser Domes, noch unerreichbar damals. Es gibt noch schöne Fotos davon, die Hansludwig Böhme gemacht hatte. Von mir gibt es eine Reihe von Zeichnungen, die ich während der Proben anfertigte.

Wenige Wochen später reiste ich aus in die BRD, ein endgültig erscheinender Grenzübertritt. Und ich sah bald den Dom.

Getier

Für die nächste Zeit ist heute der letzte heiße Tag. Schon beim Anblick von winzigen wuselnden Ameisen werden die jungen Eidechsen nervös. Die Alten verstricken sich in Revierkämpfe. Gestern verbissen sich zwei ineinander und schleuderten sich, als wollten sie sich umbringen, um die eigene Achse, bis ich dazwischen ging. Die unterlegene flüchtete sofort in meinen Vertikalgarten, also in das aufgeschichtete und bewachsene Gesträuch, das das Gärtchen zum Platz zwischen den Häusern abgrenzt. Die andere, die zurück blieb, blinzelte mich an, fürchtete sich vor mir nicht, und in ihrem Blick meinte ich den Satz: „Was soll das!“, lesen zu können.

Dies ist auch der Morgen der Insekten, die sich umschwirren und sich an gefährlichen Stellen hinsetzen, wo sie leichte Beute sind.

Im sumpfigen Grund einer Floridapalme, baden die Meisen und schütteln sich danach im Gesträuch trocken. Auch Rotkehlchen, Spatzen, Amseln und ein Rabenpaar schätzen meine stehenden Gewässer.

Am Nachmittag modellierte ich ein paar vorgezeichnete Splitter des siebten Reliefs zu den Scherben zusammen, die irgendwann in etwa einem Jahr zum großen Doppelportrait der Väter zusammengesetzt werden können.

Heute fahre ich zur Lesung meiner Tochter, aus ihrem Roman „Leinsee“ nach Dreieich. Ich bin sehr gespannt und freue mich.

Wie immer

Gestern färbte ich die erhabenen Splitter des vierten Reliefs fertig mit schwarzer Tusche ein. Das dauerte, im vierten Arbeitsgang, bis zum Abend.

Es wurde von einem Besuch unterbrochen. Niklas war für eine knappe Stunde da. Wir erzählten uns Geschichten über Brasilien und schauten uns die trocknenden Stammstücken der gefällten, großen Pappel an.

In einem kleinen Glas, in einem der Regale, fand ich die Samen von Kletterpflanzen aus dem Garten meiner Eltern. Ich legte sie gleich in die warme und feuchte Erde meines Ateliergärtchens. Manchmal durchstreife ich es ganz langsam mit einer Gießkanne, denn es ist seit Wochen zu trocken und ziemlich warm.

Ab und zu kommen die Eidechsen durch das offene Rolltor herein auf den warmen, sonnenbeschienenen Atelierboden. Im Winter finden sie Ritzen, durch die sie auf die Gesimse hinter den Glasscheiben gelangen, um dort bequem zu überwintern. Ich versuche sie zu schützen, weil sie immer mehr zu der direkten Umgebung gehören.

Ich möchte mit dem siebten Relief beginnen. Verschiedene Anfragen und Aufgaben lenken mich noch ab. Es ist, wie immer.

Schwere Schichten

Seit ein paar Tagen hat ein Krähenpaar das Gelände im Visier und scheint die Eidechsenpopulation dezimiert zu haben. In meiner zurückgezogenen Stille des Ateliergärtchens zähle ich weniger Exemplare und auch in den Trockenmauern des Kräutergärtchens bleibt es still.

Gestern fädelte ich gerissene Ketten aus Schneckenhäusern; Muscheln und Steinen neu auf. Sie hängen in den kleinen Bäumen meines Ateliergärtchens.

Aus heutiger Perspektive erscheint mir die Anzahl der Schichten meiner Sozialisation zu wachsen. Schwer lagern sich die Nazizeit und der darauf folgende Stalinismus ab. Die Panzer gegen die Verrohung führten zu einer Starre, die bis heute spürbar bleibt. Das kann hier selten jemand nachempfinden. Und die preußischen Leitsätze eines Arbeitsbegriffes schlichen sich ein in mein Künstlerdasein.

Ein Abend im Atelier von Franz. Niklas war auch da, mit dem ich mich über unsere DDR – Erfahrungen sprechen konnte.

Ganz in Ruhe und ohne jede Aufregung bin ich bei meinen Buchmalereien. In dieser kleinen Form fühle ich mich sehr zu Hause. Sie gehört viel mehr zu mir, als die langfristigen Großprojekte, mit denen ich oft zu tun hatte und habe.

Väterkammer

Gestern waren wir, wegen des Geburtstages meines Vaters, gut fünf Stunden auf der Autobahn. Mittagessen und Kaffee in einem Ausflugsrestaurant, bei Bad Langensalza.

Mein Vater interessiert sich für mein Väterprojekt. Ich brachte Fotos mit. Meine Mutter sagte: “Schön.“

Mein Bruder war dabei, mit Lebensgefährtin. Ein Kammer – Familientreffen im kleineren Kreis. Thüringer in der Gaststube. Meistens größere Gruppen mit unfreundlichen alten Männern.

Ich erinnere mich an die Ungastlichkeit in der DDR – Zeit.

Am Abend schreibe ich im Ateliergärtchen und fertige meine Buchmalereien am Zeichentisch an. So schüttele ich die Anspannung ab.

Heute Abend Gäste zum Essen. Morgen hat Franz Konter zum Umtrunk eingeladen. Nachher habe ich meine Kunstschüler, für die ich noch etwas vorbereiten muss.

Ich sehne mich nach Konzentration, wie so oft.

Trommler

Als Kind war ich Trommler in dem Fanfarenzug meiner Schule. An jedem 1. Mai trafen wir uns um sechs Uhr morgens, in unseren dünnen Pionierhemden, den blauen Halstüchern und blauen kurzen Hosen, um weckend durch die Straßen der Kleinstadt zu ziehen. Die Leute müssen den morgendlichen Lärm an diesem Feiertag gehasst haben.

In hr 2 hat Annes Roman Leinsee sowohl als Buch, als auch als Hörbuch lobende Besprechungen bekommen. Über all die Aufmerksamkeit freue ich mich sehr.

Gestern saß ich fast den ganzen Tag im Ateliergärtchen und beobachtete die Pflanzen und das Getier im Biotop: Jagd, Wachstum Revierkämpfe und das alltägliche Gedeihen und Morden. Dabei fiel mir ein, was ich schneiden, umtopfen, säen und wässern wollte.

In den Buchmalereien tauchen neue Figuren auf, unspektakuläre Flächen hinter Verwischungen und Auflösungswolken. Farben werden zurückgenommen und etwas verdeckt, Formen zerfließen. Die harten Schwünge der Rohrgeflechte bilden mit ihren Kreuzungspunkten immer noch das Ausgangsmaterial für die linearen Anfangskompositionen. So entsteht ein täglicher Zusammenklang aus drei Malereien.

Stückentwicklungen

Gestern löste ich die ersten zwei Abgusse der Reliefs mit den Nummern 5 und 6 aus ihren Formen. Ich wendete eine andere Abgusstechnik an, indem ich eine flüssigere Pappmachemasse mit einem Spachtel in einer dickeren Schicht auftrug. Das bewährte sich nicht sogleich, weil es einige kleinere Fehlstellen in den Abgüssen gibt. Im Gesamteindruck würde das nicht weiter ins Gewicht fallen. Aber es geht auch um die Nahansicht.

Am Wochenende sahen wir zwei Stückentwicklungen im Frankfurter Schauspiel und im Bockenheimer Depot. Dabei wurde in den Proben gemeinsam ein Stoff erarbeitet, aus dem eine Geschichte oder etwas Ähnliches entsteht. Das Schauspielensemble ist bei dieser Produktionsweise viel mehr eingebunden, was sich, wie ich meine, sehr positiv auf die Spielfreude auswirkt.

Nach der Performance „OUT OF ORDER“ der altehrwürdigen britischen Performergruppe „Forced Entertainment“ sahen wir noch „Der alte Schinken“, mit Frankfurter Schauspielern, geleitet von dem Volksbühnen – geschultem Team Stuhler – Koslowski. Deutlich steht der rasante Abend in einer Tradition, die Pollesch begründet hat, als wir ihn noch auf Pfälzer Kleinspielstätten sahen.

Forced Entertainment kommt ganz ohne Worte aus, wirkt nicht weniger virtuos, aber reduzierter, allgemeingültiger und klarer. Wiederholungen werden über die Schmerzgrenze hinaus durchgehalten und führen dann zu der verdichteten Qualität, die diese Arbeit ausmacht.

Zuspruch

Auf meinem Korbsessel im Gärtchen vor dem Atelier, kann ich morgens mit geschlossenen Lidern, bis 108 die Atemzüge zählend, die Sonne begrüßen. Währenddessen zwitschern die Rotkehlchen und die Meisen in meinem Gesträuch, dem vertikalen Wald, der gleichzeitig Jagdrevier der Eidechsen ist.

Ich betrachte diese Momente als ein paradiesisches Privileg.

Gestern kümmerte ich mich noch mal um die städtischen Projekte. Joana übertrug eine ihrer Zeichnungen, die sie im Commerzbanktower gemacht hatte, auf die von mir, mit einem Horizont versehene, Transparentpapierrolle. Mit dieser gehe ich heute zu meinen Schülern, um mit ihnen daran weiter zu arbeiten.

Täglich versorgen mich meine Buchmalereien mit dem Gefühl kontinuierlich weiter zu kommen. Es ist als könne ich ohne diesen stetigen Zuspruch nicht existieren.

Am Nachmittag stellte ich aus Filzpappe und Wasser die Grundmischung für die nächsten Abformungen der neuen Reliefs her. Sicher kann ich heute damit schon beginnen.

Kontinuität | Hautfetzen

Für die drei Projekte, an denen Institutionen der Stadt beteiligt sind, habe ich die Arbeit am großen Doppelportrait unterbrochen.

Auf einem Transparentpapierstreifen ist ein 3,60 m langer Horizont entstanden, auf den ich die Koordinaten und Kompassgradzahlen der Himmelsrichtungen der 17 Landmarken eingetragen habe, die die Schüler vom Commerzbank Tower aus gezeichnet haben. Darauf sollen sie nun ihre Zeichnungen in die entsprechenden Felder übertragen.

Desgleichen kümmere ich mich um zwei weitere Projekte der Stadt.

Das alles läuft eher langsam und bremst mich aus.

Die täglichen 3 Buchmalereien und die Collagen geben mir ein Gefühl von Kontinuität und Vorwärtsschreiten. Das rettet mich. Die durchsichtigen Kulissenflächen werden von Figurationen begleitet, die aus der Vergangenheit hervortreten. Schraffuren von 1976, Spirallinien von 1996 und Handabdrücke, wie Hautfetzen von heute.

Verknappt und konzentriert

Endlich habe ich begonnen, die Horizontlinie des Landmarkenprojektes zu konstruieren. Auf ihr habe ich nun die Positionen der Gebäude eingetragen, die schon vom Commerzbank Tower aus gezeichneten worden sind. Etwas umständlich, aber lustvoll ging ich da mit Winkelmesser, Geodreieck und Lineal heran. Würde ich eine digitale Variante bei Google Earth dafür finden, ginge das sicherlich genauer und schneller. Die Prozesse aber, die haptischer verlaufen, bieten mir mehr Möglichkeiten, emotional und künstlerisch einzugreifen.

Aber erstmal geht es nur darum, einen Impuls für die Schüler zu finden, mit dem bereits erarbeiteten Material, neu umzugehen. Die Landmarken, wie der Dom, die EZB, der Henningerturm oder der „Ginnheimer Spargel“, haben nun eine Gradzahl aus der Windrose und können nun auf der Linie, die ich in 360 Abschnitte eingeteilt habe, ihren Platz finden.

Jetzt sitze ich in meiner Nische des Gärtchens auf dem Korbsessel. Ein privilegierter Arbeitsplatz ohne Bildschirm, dafür mit viel Morgensonne. Sie holt mich aus der Morgenstarre, wie die Eidechsen in ihrer Hemisphäre unter der Acrylkuppel. Meine Jagd aber, wenn ich beweglich geworden bin, sieht etwas anders aus.

Die Buchmalereien fassen heute auf eine einfache Weise zusammen, was ich in den letzten Monaten entwickelt habe. Es wird verknappt und konzentriert. Dieser Arbeitsschritt steht mir beim Väterprojekt, das ich nun kurzzeitig verlassen habe, noch bevor. Vielleicht erlaubt mir die Pause einen Abstand einzunehmen, der diesen Schritt begünstigt.

Konstruktion der Horizontlinie

Die Unterbrechung der Arbeit am Väterprojekt fühlt sich nicht so gut an. Ich bin zu sehr von ihr umgeben und durchdrungen, als dass ich mich wirklich auf andere Dinge konzentrieren wollte und könnte. Aber ich werde versuchen heute eine Horizontlinie zu entwerfen, die der Grundstein für die nächste Ausstellung im Architekturmuseum werden soll.

Vorher sauge ich Staub und räume auf, damit ich mich hier in meiner Höhle besser fühle, denn es macht sich eine kleine Lustlosigkeit breit, der ich auf diese Weise begegnen will. Auch das hochgezogene Rolltor, das in das Gärtchen führt, lenkt etwas ab.

Gestern verbrachte ich den ganzen Nachmittag damit, das Auto in eine Werkstatt am anderen Ende von Offenbach zu kutschieren. Staus, Baustellen und auf der Heimfahrt der Feierabendverkehr. Für die Wartezeit hatte ich die „Blutsbande“ zum Lesen mitgenommen. Dennoch war das keine inspirierende Situation.

Am Abend noch etwas tröstliche Arbeit im Gärtchen, auf der Wiese und in der Küche…

Unheimlich

Inmitten der Väterarbeit verliere ich manchmal, wegen der Vielzahl der Möglichkeiten, die Formen weiter zu entwickeln, die Orientierung. Auch die Lektüre von „Blutsverwandtschaft“ von Christina von Braun, hemmte mich zunächst etwas. Ist das kulturelle Konzept der männlichen Genealogie so relevant, dass ich so eine große Arbeit damit verbinde?

Das Dylankonzert vom vergangenen Donnerstag geht, wirkt bei mir noch deutlich nach. Es erschien mir, wie ein amerikanisches Echo europäisch-nordafrikanischen Gesangs. Bei der aktuellen Interpretation von „Desolation Row“ kamen Mir Brecht-Weill-Songs in den Kopf. Als ich die „Dreigroschenoper“ googelte wurde mir zusätzlich an zweiter Stelle ein Konzertmitschnitt des Dylan-Songs vom 4.4. 2018 angeboten. Beim Nachhören wurde die Verwandtschaft der Gesangsstile noch mal sehr deutlich.

Google aber, ist mir unheimlich.

Nach einem Spaziergang im „Sonntagswald“ gestern, sah ich mir ein aufwendig gestaltetes Buch mit 6 CD`s an, die die Aufnahmesessions von „Highway 61 Revisited“ dokumentieren. Sie fanden zeitlich und geografisch nicht so weit von der Blüte des Cool Jazz statt, der mir in letzter Zeit so häufig begegnet.

Schauspielstudenten

Von den Resten einer der Brandruinen auf Teves Ost, nahm ich mir einen kleinen Lochziegel mit. Er hat Durchbrüche die die Form von gotischen Spitzbögen haben. Diese Eidechsenappartementstruktur mit zusätzlich rautenförmigen Öffnungen, steht nun hochkant am Fuß des Hügels in meinem Gärtchen. Dort wird der Stein nun von der Sonne erwärmt.

Die Schauspielstudenten feierten gestern, wie angekündigt, auf meiner Wiese. Am Ende mischte ich mich unter sie, um dem Fest zu fortgeschrittener Stunde einen Endpunkt zu geben. Währenddessen spielte ich ein Kreisspiel mit ihnen. Dabei vervollständigt reihum jeder den Satz: „Ich habe noch nie…“. Das war eine Studie, aus welchen Wünschen sich die Welt der jungen Menschen speist.

Am Nachmittag habe ich zwei Schellackschichten auf die fünfte Form gestrichen und musste mich zurückhalten, nicht schon die sechste vom Modell zu lösen, denn sie war noch nicht trocken genug. Aber heute könnte das noch klappen.

Am Nachmittag fahren wir zu einem Dylankonzert nach Krefeld, und danach zum Übernachten nach Hamm.

Form 6 | suchende Linien

Die Form für das sechste Relief des Doppelportraits habe ich gestern gegossen. Alles in allem dauert das einen ganzen Nachmittag. Sicher werde ich sie nachher vom Modell lösen und dann in die Sonne zum Trocknen stellen.

Zuvor richtete ich das östlich Rolltor für den Sommer ein, indem ich das Abdichtungsmaterial entfernte und es frei räumte. Nun ist der direkte Zugang in das Gärtchen wieder da und die westliche Seitentür bleibt zumeist geschlossen. Das ändert den Blick, seine Richtung sowie die Tiefe und wirkt sich auch ein wenig auf die Arbeit aus.

Am Morgen entdeckte ich die suchend kreisenden Linien von früher wieder, die aus dem Zeichnen vor der Natur stammen. Außerdem fand ich in einem anderen Atelier eine Radiertechnik mit Pappe und Holzleim, die ich zuvor nicht kannte. Die Behandlung des Materials mit Öldruckfarben, wäre eine Option für die spätere Bearbeitung der Reliefs.

Die wilden Buchmalereien von heute habe ich in der Collage oben etwas gezähmt, „problematische“ Flächen geordnet und zu durchscheinenden Kulissen verwandelt.

Heute Abend erwarte ich Studenten der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst auf meiner Wiese. Jemand hat Geburtstag und es gibt Wein.

Hüpfender Gang

Jedes Jahr, mindestens ein Mal, denke ich an das einfache Kartenspiel „17&4“. Wir vertrieben uns die Zeit damit als Lehrlinge oder bei der Armee. Ich weiß nicht mehr, wie es geht. Gelernt aber habe ich es von meinem Vater, der ein Reservoir von proletarischem Kulturgut mit sich trug.

In Eile stellte ich gestern das 6. Relief fertig. Zunächst wollte ich mir wieder einen Vorrat an Zeit schaffen, mit dem ich mich um die anderen Projekte kümmern kann. Anderseits aber, bekommt die Produktion durch das nahe Ende eines Arbeitsgangs am Tagesende, einen Beschleunigungsschub. Außerdem war ich zu einer Lesung verabredet, die die Auftaktveranstaltung für „Frankfurt liest ein Buch“ bildete. In diesem Frühling wird „Das siebte Kreuz“ von Anna Seghers gelesen. Aufbauverlag, Schöffling und die Nationalbibliothek veranstalten die Lesereihe seit 9 Jahren mit einem Verein, der dafür gegründet worden ist und nun, nach Herrn Schöffling, von Sabine Baumann geleitet wird.

Der Sohn der Dichterin war da und erzählte zwei erinnerte Anekdoten. Eine handelte von Spaziergängen in einen Wald am Rande eines kleinen Dorfes in Frankreich. Die Mutter probierte während des Gehens Sätze aus, formulierte sie immer wieder etwas verändert und sprang dabei. Ich stelle mir eine dichtende Kommunistin mit hüpfendem Gang vor.

Zickzack

Vier Eidechsen zugleich unter ihrer Hemisphärenkuppel in der Morgensonne des Ateliergärtchens. Aufmerksam beobachten sie jede Bewegung und machen sich bereit für die Jagd außerhalb ihres Sicherheitsbereiches. Auch wenn ich nah an der durchsichtigen Acrylhalbkugel vorbeigehe, flüchten sie nicht. Im Laufe der Jahre haben sie gelernt, dass diese unsichtbare Barriere sie schützt. Jenseits dieses Schutzraumes aber, sind sie sehr scheu. Ich bewege mich deswegen langsamer, was meinen Zustand verändert.

Vielleicht bekomme ich heute und morgen das Relief Nummer 6 fertig modelliert. Dann habe ich, laut Zeitplan, den Rest des Monats für die anderen Projekte zur Verfügung.

Im Schauspiel sahen wir gestern eine solide „Emilia Galotti“. Eine hymnische Besprechung in Nachtkritik, können wir aber nicht nachvollziehen. Eine Nachmittagsvorstellung, dazu noch die erste nach der Premiere…, nicht mein Fall.

Die Buchmalereien, die einzige Arbeit, zu der ich mich am Wochenende bereit fand, bewegen sich fort von den Kulissenarchitekturen hin zu Zickzacklinien, die die Schnittpunkte der Gravitationsgeflechte verbinden. Manchmal gleichen sie einer steifen Schrift.

„Blutsbande“

Mit dem Namenszug „Gertrud“ schlich sich wieder das Mütterthema in meine morgendliche Malerei. Ich schrieb den Namen in Schönschrift in das dritte Format. Die Collagen für meine Texte, bestehen aus den durchbrochenen Kulissen mit ihrem Durchblick zurück bis auf die Oberfläche von Vorgestern.

Der Ateliernachmittag mit den Schülern gehört nicht zu den Zeiten, an denen ich konzentriert bei meiner Arbeit bleiben kann. Außerdem war gestern das Wetter dermaßen paradiesisch, dass es mich immer wieder hinauszog ins Gärtchen und auf die Wiese, die heute von kräftigem Regen gegossen wird.

Zugunsten der anderen Vorhaben, muss ich die Arbeit an den Reliefs demnächst mal unterbrechen. Ich bin aber gut Im Zeitplan. Es gibt das Landmarkenprojekt für das Architekturmuseum und ein weiteres mit dem Namen „You & Eye“, das vom Kulturdezernat angeschoben wurde. Außerdem wird wieder der Gründerpreis von der Wirtschaftsförderung vergeben, für den ich die meine Figur mehrfach ausdrucken lassen muss.

Das Buch „Blutsbande, Verwandtschaft als Kulturgeschichte“, von Christina von Braun, habe ich heute ins Atelier getragen. Hier soll es mich bei der genaueren Betrachtung der Mütter und Väter unterstützen.

Probebühnenaufbau

Oben fügte ich ein Kulissenmotiv der ersten Buchmalerei von heute ein. Mich inspirieren die improvisierten Aufbauten für Schauspielproben, weil sie in ihrem Zustand der Markierung von noch zu bauenden Bühnenbildteilen, viele Durchblicke ermöglichen, die dann spätestens bei der Generalprobe geschlossen sind. Das heißt dass die Umkehrung der Wandfunktion, durch ihre Durchlässigkeit, Durchblicke bis auf die Hinterbühne ermöglicht. Dieser Vorgang schafft nun einen erneuten Schritt aus den Ursprungsmotiven der Rohrgeflechten heraus, indem ihren Kreuzungspunkte Konstruktionsscharniere einer Architektur werden, die zeigt was sich hintern den Kulissen des Erziehungstheaters in meiner Familiengeschichte befindet.

Von den morgendlichen Buchmalereien, mit denen ich nun fast immer den Arbeitstag beginne, bekomme ich meistens einen Energieschub. Während der Arbeit feuern mich die Möglichkeiten des Materials, meiner Hände und der Kombinationen der Motive an.

Am späten Nachmittag verließ mich, beim Modellieren des 6. Reliefs, die Kraft. Ich legte mich in meinen Schlafalkoven zwischen die Felle und war sofort für eine Stunde weg.

Danach nur noch Sichtung und „Sicherung“ der Arbeit des Tages, Lebensmitteleinkauf und Feierabend!

Plastische Auflösung

Mit der fünften Form, die ich oben teilweise in die Collage eingefügt habe, muss ich vorsichtig umgehen, weil sie noch weiter trocknen sollte. Dafür, dass das schneller geht, steht sie nun schon auf einem der Heizkörper. Im Seitenlicht einer Schreibtischlampe, bekommen die durchwirkten Formen eine besonders plastische Wirkung, die meinen Puls beschleunigt. Am manchen Stellen sind kleine Splitter, beim Aufgießen des zähflüssigen Modellgipses, etwas verrutscht. Dadurch entsteht ein Eindruck des sich Auflösens der großen, wieder zusammengesetzten Gesamtform. Diesen Vorgang kann ich für die Weiterbearbeitung des Reliefs bei seiner Bemalung nutzen.

Das Relief Nummer 6 ist nun etwa schon zu einem Viertel modelliert. Während der langen, unterbrechungsarmen Arbeitstage, geht es gut voran.

Immer mal fällt mir die Transparentrolle 6 ins Auge. Sie steht auf ihren zwei Rollen mit dem quer gespannten, aufgerollten Ausschnitt, in meiner Computerarbeitshöhle direkt vor mir. Das reizt mich zum Weiterarbeiten. Aber erst will ich meinen Reliefarbeitsplan soweit eingehalten haben, dass ich mir diesen Arbeitsausflug zeitlich leisten kann.

Ein kühler Morgen, mit Regen, den meine Wiese braucht.

Rekonstruktion

Der weiße Saft mancher Sukkulenten aus meinem Garten ist giftig. Die Guanchen, Ureinwohner der Kanaren, haben ihn zum Fischen benutzt, indem die das Wasser damit getränkt hatten, um die Fische zu benebeln. Meine Hände waren gestern und vorhin damit etwas klebrig benetzt, weil ich im Gärtchen mit diesen Pflanzen hantiere. Vorsicht also!

Gestern goss ich die Form von Relief Nummer 5. Vorhin habe ich es vom Modell getrennt und war erleichtert, dass keine Fehlstellen durch Blasen im Gips entstanden waren. Das ist immer eine spannende Arbeitssituation.

Mit einem neuen Ton begann ich dann gestern das Modellieren von Relief Nummer 6. Da ist weniger Sand drinnen, er ist heller, bleibt länger geschmeidig und lässt sich viel besser bearbeiten. Es war eine Freude, bis in den späten Abend damit zu arbeiten.

Aus Anlass eines zufälligen Besuchs von zwei Studentinnen der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, die sich auf das Tevesgelände verlaufen hatten, erklärte ich mein Väterprojekt. Während ich sprach kamen mir die wieder Eigenschaften der Männer der Familie als ein Sammelsurium in den Kopf, aus dem ich den verschollenen und nie gesehenen Großvater rekonstruieren könnte. Vielleicht ist das ein wesentlicher Motor für das Weitermachen.

Unter Beobachtung

Ich habe bis neun Uhr geschlafen heute. Aus der Perspektive preußischer Tugenden, eine Katastrophe!

Innerhalb des dritten Formates der heutigen Buchmalereien, habe ich den Handballenabdrücken nichts mehr hinzugefügt. Meistens war ich mit dem Hinzufügen von Linien oder Verwischungen bei dieser letzten Malerei eines Tages eher vorsichtig. Aber dass nichts mehr ansonsten hinzu kommt ist selten.

Gestern warf ich noch mal einen Blick auf das fünfte fertig modellierte Relief, das nun abgegossen wird. Dann stellte ich mir das Brett mit der Vorzeichnung des sechsten auf die Staffelei, um sie unter Beobachtung zu haben. Es scheint in seiner Kleinteiligkeit nicht so aufwendig zu sein, wie das vorige. Ich hatte mir ja vorgenommen, pro Monat ein Relief fertig zu stellen. Diesen Zeitplan möchte ich, möglichst ohne Druck, einhalten können.

Die Pflanzenregale, die den Winter über vor den Fenstern stehen, habe ich nun, wie in jedem Frühjahr, mitsamt den Töpfen rausgestellt. Gestern beschäftigte ich mich den ganzen Sonntag im Gärtchen. Das ist meine Lieblingsbeschäftigung derzeit.

Betriebstemperatur

In einer zusammenhängenden Konzentration von vier Tagen habe ich nun das Relief 5 fertig modelliert. Es ist eine Wohltat, wenn ich so arbeiten kann. Vielleicht ist es möglich, an diesem Wochenende die Form zu gießen und mit dem Relief 6 zu beginnen.

Jetzt erstmal sitze ich aber wieder in der Morgensonne des Gärtchens und tue es den Eidechsen gleich und wärme meinen Körper auf, damit ich in eine geschmeidige Schnelligkeit komme, die aber auch in eine Ruhe führen kann, je nach dem, wie ich’s gerade brauche.

Hier draußen fallen mir andere Dinge ein, die zu tun sind. So müssen so langsam alle Pflanzen rausgestellt werden. Sie benötige im Frühjahr zunächst schattige Plätze, die ich mit Tischgestellen ohne Platten und Schilfmatten herstellen werde.

In den verschiedenen Etagen meines aus trockenen Stangen gestapelten Gesträuchs, befinden sich verschiedene kleine Biotope aus Erde, Gras und anderen keimenden Pflanzen. In diesem Jahr werde ich das Wachstum der kletternden Blühpflanzen ihnen selbst überlassen. Ich beobachte, wie sie jetzt in den wärmenden Sonnenstrahlen ihre Samen auf die Erde fallen lassen. Dort sollen sie nun von selbst keimen.

Die Buchmalerei und die Herstellung der oben eingefügten Collage, folgten den erprobten Arbeitsgängen. Dennoch ist es an jedem Morgen wieder neu.

Fruchtbare Böden

In einem Nachrichtenbeitrag der ARD, wurde gestern von Kindern berichtet, die in der DDR zwangsadoptiert wurden. Ihre leiblichen Eltern müssen bis heute darum kämpfen, diese Kinder wieder zu finden und Kontakt zu ihnen aufnehmen zu können.

In dem System, das die Praxis unliebsamen Bürgern die Kinder wegzunehmen, ermöglichte, war mein Vater Jugendgefängnisaufseher, Erzieher und im Zenit seiner Karriere Leiter des Kinderheims „Junge Garde“.

Während der Verflechtung faschistischer Gesinnung und militaristischer Überzeugungen im „Dritten Reich“, wie dann ebenfalls in den DDR – Jahrzehnten, fielen die preußischen Erziehungsmethoden auf fruchtbaren Boden. Auch dieser Geschichte ist mein Väterprojekt gewidmet.

Ich modellierte gestern bis in den Abend. Die Konzentration lässt sich erhalten, wenn ich pro Stunde fünf Minuten Pause mache. Heute werde ich voraussichtlich mit dem Modellieren des fünften Reliefs fertig werden.

Jetzt aber sitze ich noch in der Sonne des Gärtchens und erwarte, dass die Eidechsen ihre Köpfe aus ihrem Appartement stecken, um sich unter der Acrylkuppel aufzuwärmen und dann auf die Jagd zu gehen.

Ich esse die Väter!

Wenn ich merke, dass ich eine Zeichnung nicht zu Ende machen kann, habe ich oft keine Zeit, das zu denken oder auszusprechen. Es fehlt mir dann das Ende und ich weiß nicht, wann die Arbeit an diesem Bild vorbei ist.

Ich lese von anderen Verwandtschaftskonzepten als denen, die mich geprägt haben. Deutlich wird, wie sehr die Art und Weise dieser menschlichen Familienbande von kulturellen Prägungen abhängen.

Ferne archaische Gesellschaften ernähren sich von den Früchten der Felder, die von den Toten der Gemeinschaft gedüngt werden. So verleiben sie sich die Elemente ein, die durch den Tod zerstreut wurden und die Körper fragmentierten.

Mich speisen derzeit die Splitter des Väterdoppelportraits. In der Wiederherstellung durch das Modellieren, filtere ich die Nährstoffe für mich heraus.

Ich esse die Väter!

Die Mütter müssen warten, bis der dicke Pappelstamm getrocknet ist, und ich sie durch die Bildhauerei des Schutzmantels verspeisen kann.

Platz für den Sommer

Nachdem ich gestern knapp drei Stunden am Relief Nummer 5 modelliert hatte, war ich müde, legte mich auf die Schaffelle und schlief sofort ein.

Am Vormittag scannte ich alle Buchmalereien, die ich seit dem 28.03. gemacht hatte. Wenn ich unterwegs bin, komme ich mit dem Scannen der täglichen drei Bilder etwas ins Hintertreffen. Scannen heißt aber auch, dass ich reinigende Korrekturen einfüge und die Abbildung in ein vorbereitetes, immer gleiches Format, möglichst mittig, einfüge.

Es waren einundzwanzig Malereien, an denen ich die langsamen Veränderungen verfolgte. Immer schaue ich mir mindestens die Bilder vom Vortag noch mal an, bevor ich mit den neuen am Morgen beginne. Überschaue ich aber einen längeren Zeitraum, so entdecke ich auch Schwächen, unnötige Schritte und Rückentwicklungen.

Manchmal beginne ich, mitten in der Arbeit zu frieren, als würde alle Energie in die Bilder fließen oder in die Splitter, die ich modelliere.

Immer mal trage ich nun ein paar Blumentöpfe auf schattige Plätze im Garten, leere somit die Regale vor den durchsichtigen Rolltoren und schaffe nun Platz für den Sommer.

Kulissenflächen

In Berlin sahen wir die Ausstellung „Ivring Penn Centennial – der Jahrhundertfotograf“. Mich erinnerte die Modefotografie mit ihrer bruchlosen, selbstironiefreien Inszenierung an Haltungen der indischen Oberschicht. Sehr schön, eine Serie von Kleinhändlerfiguren. Auch die Portraits der berühmten Zeitgenossen zeigen einen eigenwilligen Blick auf die Personen.

Im Frankfurter Schauspiel besuchten wir einen Kafkaabend. Der Roman „das Schloss“ war in einer Dramatisierung und Regie von Robert Borgmann zu sehen. Abgesehen von dieser gut eingerichteten Vorlage, waren die Schauspieler zu einer soliden Teamleistung geführt worden. Wir hatten das Glück in der Mitte der ersten Reihe zu sitzen, wodurch die Direktheit des Spieles noch einmal gesteigert war.

In dieser Intendanz hat das Schauspiel für uns eine sehr erfreuliche Entwicklung gemacht. Wir gehen oft beglückt von dort wieder nach Hause.

Im Atelier wartet nun die Arbeit an den Reliefs. Die Buchmalereien entwickeln sich nun stärker hin zu den Kulissenflächen oder zeichenhafte Figurationen. Die Veränderungen dauern sehr lange.

In Berlin traft ich Anne und Vinzenz. Gestern war Volker mit seinem Sohn Matthis zu Besuch. Schriftstellerinnen, Künstler, Dirigenten und Musiker so viel Kultur in der Familie – ein Glücksfall.

Ehrbegriff

Was sich aus dem preußischen Ehrbegriff an Handlungsmaximen ableiten ließ, liest sich wie eine Anleitung für meine Erziehung. Ludwig von der Marwitz fasst es so zusammen:

Entsagung jedes persönlichen Vortheils, jedes Gewinstes, jeder Bequemlichkeit, ja, jeder Begehrlichkeit…“

Ich denke an ein Vorhaben meines Vaters, mich in eine Kadettenanstalt zu schicken, ganz in der Tradition, nur unter proletarisch-sozialistischem Vorzeichen.

Natürlich modellierte ich gestern noch bis zum Abend. Mit dem Feuchthalten der dünnen Tonschicht muss ich vorsichtig sein, weil sie schnell ganz aufweicht und dann die Form verliert. Bei den vielen Scherben und ihren Splittern, ist das fünfte Relief ein hartes Stück Arbeit.

Morgen fahre ich nach Berlin. Ich sehe meine Familie.

Farbverhältnisse|Theater|Entdecker

Gestern fertigte ich die Buchmalereien im Licht des sonnigen Gartens an. Ich nahm mir Zeit und genoss die zarten Farben, spürte ihre vagen Verhältnissen zueinander auf, klärte und verwischte sie gleich wieder.

Im Schauspiel sahen wir „Romeo und Julia“ in einer Übersetzung von Marius von Mayenburg – auch in seiner Regie. Der Text zeigte jugendsprachliche Elemente, die uns die vierzehnjährigen Hauptakteure in ihrer wilden Naivität näher brachten. Die Bühne war zweigeteilt durch eine Mauer. Was dahinter geschah, sah man nur als Video. Hier ist für die Verfeindung der Familien eine geografische Entsprechung gefunden worden. Ein starker Kunstwille durchzog die Arbeit und machte sie auf eine besondere Weise entspannend.

Langsam und gleichzeitig lese ich die Kleistbiografie von Peter Michalzik und Reinhold Messners Bericht über seine Antarktisdurchquerung mit Arved Fuchs. So grundverschieden die Märsche der Preußischen Garde in der Rheikampange mit dem Dichter Kleist und das Abenteuer von Messner und Fuchs auch sind, haben die drei Teilnehmer doch etwas gemeinsam. Es ist die Begeisterung, mit der sie sich in die Entdeckung der eigenen Seele stürzen.

Ein Frühlingsspaziergang gestern am Main, dann im Gärtchen, wo wir ein paar Dinge für den kommenden Sommer einrichteten. Ich arbeitete kaum.

Kulissen

Die neuen Schwünge der zweiten Malerei von heute haben nichts mehr mit den Rohrgeflechten zutun, die ich in den vergangenen Monaten heranzog, um neue Motive daraus zu entwickeln. Sie verbinden nur die Flächen der „Kulissen“ und transportieren diese in einen anderen Raum.

Die Kulisse, die sich in letzter Zeit vor allem in der ersten der drei täglichen Buchmalereien findet, stammt aus der Zeit, als ich in Schauspielproben gezeichnet hatte. Das begann in Dresden am Staatsschauspiel, setzte sich ab 1985 in Heidelberg im Schauspiel und Tanztheater des Stadttheaters fort und endete vorerst bei Ballettproben der Forsythecompany zu einem Stück von Georg Reischel. Gegenwärtig könnte ich mir diese Arbeitssituation nicht so recht vorstellen, schöpfe aber immer noch aus den Erinnerungen dieser, etwa vierzig Jahre andauernden, zeichnerischen Hinwendung zum Bühnengeschehen.

Weil ich mich von der Rhythmik des Zählens von Scherben, Stunden, Splittern und Monaten etwas abgelöst habe, modellierte ich gestern ganz in Ruhe am fünften Relief. Ich hörte sogar etwas früher auf, um die Küche etwas aufzuräumen, bevor ein Gesprächstermin im Atelier anstand.

Heute war ich mit der neuen Kunstschülergruppe in den Gärten des Fostertowers. Dort zeichneten sie alles, was sie in der Umgebung interessierte. Da kamen sehr schöne phantasievolle Ergebnisse zutage. Das hat viel Potential.

Größere Landschaft

Oben habe ich jetzt ein Stück des zweiten Reliefs eingefügt. Vielleicht bringt mich dieses Probieren zu einem Schritt, die Buchmalereien weiter mit dem Doppelportrait zu verbinden. Gestern erklärte ich die Verbindungen, die die Arbeit eingeht, kurz einem Nachbarn. Mir ist dabei klar geworden, wie ich versuche, die Geschichte der Familie in eine größere Landschaft einzubetten. Die besteht aus den Rheinauen der militärischen Rheinkampagne, der preußischen Wüste nordöstlich von Berlin und der sächsisch-thüringischen Staatsgebiete der DDR-Zeit. Dazu kommt ein Geist des Kadavergehorsams, des revolutionäre Proletarismus zusammen mit protestantisch- asketischem Pflichtbewusstsein. Das alles ist eine Mischung, in der ich sozialisiert bin. Kommt das Widerständische, das mich von dieser Welt abtrennen sollte, vom unbekannten Großvater, der sich allen Pflichten entzog?

Gestern sahen wir „Königsweg“, in einer Inszenierung in den Frankfurter Kammerspielen, von Elfriede Jelinek. Ich fürchte, dass sich der Abend nicht lange in meiner Erinnerung halten kann. Auch der Aufwand an origineller Wortakrobatik, farbig aufdringlich-amerikanischen Profanausstattungen und schnellem Kostümwechsel, kann die Frage nicht klären, wozu das alles gut sein sollte.

Mit mehr Ruhe modellierte ich gestern weiter am 5. Relief, das Zählen von Splittern und Stunden unterbrechend. Ich saß stattdessen öfter in der Sonne meines Gärtchens.

Unruhe

Das Zählen von Monaten, Splittern, Stunden und Scherben erzeugt eine Unruhe, der ich mich entziehen will. Mich dem schnellen Arbeiten verweigernd, kann ich mich in mein sonniges Gärtchen setzen, zu einer Teepause und etwas weiter in der Kleistbiografie von Peter Michalzik lesen. Pausieren und mich durch den Kopf gehen lassen, dass alles Eilen sinnlos ist.

Oder Ich führe die Arbeit schnell an einen Punkt, an dem ich mich zurücklehnen kann, dann wohl wissend, dass ich das, was ich mir vorgenommen hatte, in der Zeit verwirklichen kann, die ich dafür vorgesehen hatte.

Das Modellieren gestern lief weit in den Abend, bis an eine Grenze, deren Überschreitung dann, durch nachlassende Konzentration, kontraproduktiv wird.

Jetzt flutet die Morgensonne das Atelier, so dass ich mich hier zu Hause fühle. Die Wärme geht mit neuen Farben zusammen.

Vielleicht sollte ich noch mal das Hörbuch „Die Entdeckung der Langsamkeit“ von Sten Nadolny hören.

Zeit geformt

Das fünfte Relief des Väter – Doppelportraits ist nun in Arbeit. Nachdem ich die vier nächsten Formate vorgezeichnet hatte, nahm ich mir das erste gestern vor und begann zu modellieren. In knapp fünf Stunden hatte ich eine größere Scherbe von etwa dreißig, auf diesem Sechzehntel des Gesamtmotives, fertig geformt. Sie besteht aus etwa 100 Splittern. Das ganze Relief ist ähnlich aufwendig, wie das erste und das dritte, weil sie die dunkle Seite des Gesichtes umfassen. Nur auf den schwarzen Rasterpunkten und den dunklen Flächen sind die Gravitationsschwünge und die zersplitterten Scherben zu finden, die aus den vier Totenbüchern entstanden und nun alle einzeln geformt werden.

Ich zähle also wieder.

Im Atelier ist es jetzt still und ich werde in den kommenden Tagen in Ruhe arbeiten können.

Noch einmal gravierte ich die Schwünge innerhalb der Buchmalereien, aus deren Überschneidungen die Eckpunkte der Flächen entstehen, mit der spitzen hölzernen Haarnadel in das weiße Papier. In Verbindung mit den Züchtigungsrohrgeflechten oder Gravitationsschwüngen kommt mir diese Form der Abbildung schlüssig vor.

Godani – es geht immer noch schlimmer

In den Buchmalereien bin ich heute zu den reinen Verwischungen zurückgekehrt, wie ich sie seit Jahren als Grundelement meiner täglichen Arbeit benutze. Wichtiger aber ist, dass ich die Rohrgeflechte oder Gravitationsschwünge diesmal mit einer hölzernen Haarnadel in das Papier gravierte habe, anstatt sie mit einer Farbe zu zeichnen. So ist die Struktur vorhanden, aber innerhalb einer anderen Dimension.

Im Bockenheimer Depot sahen wir gestern die neue Kreation der Frankfurt Dresden Dance Company in einer Choreografie von Jacomo Godani. Obwohl ich mir immer mal vornahm, nicht so sehr von meinen Erfahrungen mit der Forsythe Company auszugehen und mich dem anderen Ballett, was wir nun in der Stadt haben, zu öffnen, ist es mir nicht gelungen über die armselige Substanzlosigkeit von Konzept, Form und Spannung hinweg zu sehen. Mir fehlen die Worte. Es geht immer noch schlimmer!

Auszunehmen ist die Company von gut ausgebildeten und trainierten Körpern. Wissen sie, was da noch alles ginge?

Ein schöner Abend fand am Freitag mit dem Jungen Schauspiel in den Kammerspielen statt. Ihr Wollen und dieses Feuer der unerfahrenen, etwas naiven und begeisterten Menschen, nimmt mich meist von vornherein für sie ein. Sie sandten ein paar Nachrichten in Form einzelner Worte in das All. Dabei waren sie artistisch humorvoll und uneitel. Eine schöne Premiere.

Kreissegmente

Geburtstag meines Freundes Andreas. Wie kennen uns seit unserem achten Lebensjahr. Entsprechend hoch ist der Grad an Übereinstimmung in der Einschätzung der uns umgebenden Situationen. Der Rest aber, kann zur entsprechenden Gelegenheit, ebenfalls entscheidend werden.

Nach dem aufwendigen Einbau der neuen Küche will ich nun wieder ganz bei den Arbeitsdingen bleiben, die mich mit der Inspiration versorgen, die eine stete Produktion von immer weiter suchenden Linienbewegungen möglich macht. Die Kreissegmente führen nun vielleicht auf Rolle 6 zu neuen Figurationen.

Die Reinigung der vier Modellierbretter für die neuen Reliefs, war etwas aufwendig. Nun aber habe ich ein Mittel gefunden, das den Vorgang beschleunigt. Und so werde ich am Nachmittag beginnen können, die nächsten vier Teile des großen Väterportraits vorzuzeichnen.

Ich kann die Auftritte meiner Tochter Anne auf der Leipziger Buchmesse etwas verfolgen. Das macht mich stolz!

Erfolg | Langsamkeit

Aus der Form sprang heute das perfekt abgebildete vierte Väterportrait-Relief. Die Mühe und Ruhe hat sich also auf die Qualität ausgewirkt! Ein Erfolg.

Meine Tochter Anne fährt heute mit ihrem Roman „Leinsee“ und ihrer Familie zur Leipziger Buchmesse, um eine, vom Diogenesverlag organisierte, ziemlich dichte Veranstaltungstrecke für den Erfolg der neuen Autorin zu bedienen. Ein großer, wichtiger Moment in der Zusammenarbeit!

Auf meinem vollgeladenen Zeichentisch liegt das Smartphone mit einem Video von Vinzenz. Reflektionen auf einer schwarzen Wasserfläche –ein weißes Rauschen.

Ich musste mich wieder dazu ermahnen, etwas langsamer zu machen. Der Waschtisch muss angeschlossen und die große Projektion für die nächsten 4 Reliefs soll nun gezeichnet werden. Gestern waren wir fast den ganzen Tag in Familienangelegenheiten unterwegs…

Die Fläche des neuen Reliefabgusses nah vor Augen, habe ich Lust zu einer Malerei auf diesen Scherbensplittern.

Klang der Schritte

Auf dem Zeichentisch, vor mir im Sonnenlicht, liegt die Projektionsfolie, die ich gestern für die nächsten vier Reliefs des Doppelportraits der Väter von dem Original auf Transparentpapier durchzeichnete. Die Zeichnung umfasst die 154 Scherben des zweiten Scherbengerichts – so, wie ich sie wieder zusammengesetzt habe.

Diese Arbeit beginnt einer langen Wanderung zu ähneln. Die Schritte des Vortages gehen in die auf dem heutigen Weg über. Die Horizontlinien der Landschaften überlagern sich, der Klang der Tritte erinnert an die Bodenschichten der durchstreiften Areale und empfängt deren Echos im Brustkorb.

Windfelder, Trockenhimmel und Eis.

Derweil schreitet die Auflösung der kreisenden Linien, innerhalb der Buchmalereien, voran. Sie werden vom Wasser und den Wischbewegungen verschluckt. Auch die Flächen, die aus Kreissegmenten bestehen, beginnen sich aufzulösen. Diesen vagen Erscheinungen treten, wie in letzter Minute, harte, aber noch helle Bleistiftlinien entgegen. Bloß nicht aufgeben und alles verschwinden lassen!

Erziehungstradition

Die Kleistbiografie von Peter Michalzik ist für mich auch ein Geschichtsbuch, das mir Teile der die Traditionen meiner Erziehung noch einmal vor Augen führt. Die vielen Verweise auf Ereignisse dieser Zeit und Beschreibungen der Verhältnisse in denen sie stattfanden, verorten auch die Figur des Dichters, sowie seine dramatischen Figuren in einer konkreten Schicht, die vom Biografen freigelegt wurde.

Das Relief Nummer 4 ist nun erneut abgegossen. Die Masse ist noch sehr feucht und benötigt bestimmt noch 48 Stunden, um vollständig durchzutrocknen. Die Beschleunigung des Vorgangs durch Wärmezufuhr, vermindert die Qualität der Scherben- und Splitteroberflächen, die stets neue abstrakte Figurationen bilden. Deswegen lasse ich die Fläche in Ruhe ihr Wasser verlieren.

Die Bögen der Rohrgeflechte oder anders gesagt, der Gravitationsschwünge, sind bei den heutigen Buchmalereien fast völlig verschwunden. Eine Überlagerungssequenz auf Rolle 6, die sich mit den Bögen und den daraus entstehenden Flächen beschäftigte, scannte ich gestern auch noch ein. Es gibt einen Bilderordner in meinem alten Computer, der Rolle 6 heißt.

Meine Tochter Anne ist nun mit der Öffentlichkeitsarbeit des Diogenes Verlages für ihren Roman „Leinsee“ beschäftigt. Lesungen Interviews etc. auf der Leipziger Buchmesse, während Literaturfestivals und anderen Veranstaltungen bestimmen ihre nächste Zeit. Das gehört zum Erfolg dazu!

Mit Vinzenz tauschte ich heute, an seinem Geburtstag, ein paar Gedanken, über Schach, abstraktes Denken und „Seven Days of Falling“ aus. Wir treffen uns bald alle in Berlin.

Unangemessener Verdruss

Heute stellten sich die Formen, die sich in den Buchmalereien aus den Gravitationsschwüngen entwickelten, abgetrennt vom vorausgegangenen Geschehen dar. Oben sind die Schwünge an der Peripherie noch sichtbar. Jetzt sind sie weg. Es sind ja auch die Bögen von Rohrgeflechten, die bei den Teppichausklopfern zu blumigen Ornamenten wuchsen und nach der Züchtigung Muster auf der Haut hinterließen.

Der Arbeitsrhythmus wird immer mal unterbrochen. Darunter leide ich normalerweise. Selbst das Einkaufen von Arbeitsmaterial weckt in mir eine Unzufriedenheit, weil mir Zeit zum Arbeiten abhanden kommt. Das ist eine unangenehme Haltung, die mir oft genug Verdruss verschafft.

Kleist und Büchner hatten natürlich keine gemeinsame Zeit in den Rheinauen, weil Büchner zu spät geboren wurde oder weil Kleist sich zu früh umgebracht hat. Aber ich denke sie gerne gemeinsam in dieser Landschaft.

Noch vor dem Wochenende habe ich etwas Pappmache angesetzt, d. h. Pappschnipsel eingeweicht, sie mehrmals durchgerührt, wodurch das Ganze nun zu einer feinfaserigen Masse geworden ist. Mit dieser, die ich dann mit Leim abbinde, werde ich am Nachmittag ein weiteres Exemplar vom vierten Relief herstellen.

Zwischen den nassen Feldern

In der Kleistbiografie von Peter Michalzik las ich, dass der Dichter kurze Zeit hier in Frankfurt gewohnt hatte. Fast noch ein Kind, nahm er an einem Feldzug der Preußischen Armee teil. Es ging gegen die Franzosen, die Mainz eingenommen hatten. Etwa zu dieser Zeit wurde Büchner geboren. Truppen zogen zwischen den Weiden der Rheinauen auf den Landstraßen um die Stadt. Ich stelle mir den kleinen Woyzeck vor, wie er zu den jungen Offizieren aufsah.

Wieder male ich während des Schreibens und meinen Beobachtungen der heutigen Malereien, an ihnen weiter. Ich ändere Farben, Rhythmen, Strukturen, Verwischungen, Schwünge, Flächen und Trocknungsränder. Das Papier wird strapaziert und immer wieder angefeuchtet. In die nassen Felder senke ich kräftige farbige Linien.

Der Vorschlag von Franz, die Arbeit größer anzulegen, geht mir wieder durch den Kopf. Ich denke an Reispapier – ?

Der erste Abguss des vierten Reliefs gelang nur mit abstrichen. Die Schelllackschicht war offensichtlich noch nicht ganz durchgetrocknet, als ich sie mit Trennwachs einrieb. Die Folge war, dass sich das getrocknete Pappmache nur schwer herauslösen ließ. Ich habe zu schnell gearbeitet, was nun mehr Zeit und Kraft kostet.

Klare Flächen

Franz meinte kürzlich, dass er meine Buchmalereien gerne mal groß sehen würde. Er meine sicherlich keine digitale Vergrößerung, sondern die der Arbeitsweise, mittels anderer Materialien und Formate. Ich überlege schon seit einer Weile, ob das im Zusammenhang mit der Väterarbeit, also mit dem großen Relief, eine Option wäre.

Gestern arbeitete ich zeitweise an der Überlagerungssequenz auf Rolle 6 weiter. Weniger wichtig wird die Verdichtung zu den Gesträuchen der Tuschelinien, sondern welche klaren Flächen aus den neuen Konstellationen entstehen. Bei diesem Prozess scheinen sich auch die heutigen Buchmalereien einzufügen. Schwünge verschwinden zugunsten von neu entstehenden Flächen.

Eine ähnliche Tendenz zeichnet sich bei der Ausformung der Reliefs ab. Zum einen sind die recheckigen Formate in sich schon Fragmente, weil sie nur ein Sechzehntel des ganzen Formates abbilden. Wenn ich dann nur unregelmäßig umrissene, durch die „Schnittmuster“ geformte Teile abgieße, diese dann auch nur teilweise mit schwarzer Tusche einfärbe, sodass wieder neue Formen entstehen, finden sich Zusammenhänge zwischen den Buchmalereien, der Rolle 6 und der Väterreliefarbeit.

Es sind fast immer mechanische Arbeitsgänge, die zu einer Vertiefung und Erweiterung der Motive und Strukturen führen. Und das wirkt sich dann wieder auf die Buchmalereien und andere Bildfindungen aus.

Buchmalereistrukturen auf Rolle 6

Die Linienstrukturen der vorgestrigen Buchmalereien übertrug ich auf Rolle 6. Nacheinander zeichnete ich alle drei Formate auf eine Höhe des Transparentpapierstreifens. Dort stehen die Figuren wie in einer fließenden Buchstabenabfolge. Dann rollte ich das Papier in der bewährten Weise zusammen, sodass sich alle Linien übereinander schoben und ein Dickicht bildeten. Ein Streifen Schelllack, den ich darüber rollte, löste die Tusche teilweise an und führte dadurch zu teilweise weicheren Konturen.

Diese Arbeitsweise ist die der Herstellung einer Überlagerungssequenz. Aus ihr entstehen neue Formen, die ich in weiteren Verlauf hervorheben kann, indem ich sie mir Tusche dunkel einfärbe.

Die neue Gussform des Reliefs 4 strich ich mit den Trennmitteln ein und füllte sie sogleich mit Pappmache aus. Ich denke über die fragmentarischen Abgüsse nach, die ich so zueinander ordnen kann, dass ihre unregelmäßigen Ränder zwischen sich neue Flächenumrisse bilden können. Diese Zwischenräume befinden sich auf der Wand, an denen die Reliefs hängen.

Das Exemplar, das ich gestern abgegossen habe, will ich extra langsam trocknen lassen, damit sich die Pappmacheschicht nicht vorzeitig von der Form löst und Fäden zieht.

Arbeitsfluss

Die vierte Reliefform habe ich nun vom Modell gelöst. Es kommt dabei auf den richtigen Zeitpunkt an. Gestern konnte ich den Ton noch gut aus dem Gips herauslösen, weil die Trocknung noch nicht so weit fortgeschritten war. Nun steht die Form auf einem Heizkörper und trocknet vollständig durch, damit ich das Pappmache mit kräftigem Druck, zur Herstellung der abgegossenen Reliefexemplare, einarbeiten kann. Vorher habe ich sie noch etwas nachgearbeitet, Grate entfernt, Linien begradigt und das Ganze soweit gereinigt, dass ich nun Schelllack als Trennmittel auftragen kann.

Seitdem ich die drei Buchmalereien eines Tages zusammenhängend anfertige, entsteht zwischen ihnen naturgemäß ein intensiverer Zusammenklang, sowohl farblich, als auch im Rhythmus der Handballenabdrücke und Linien. Heute arbeitete ich ohne irgendwelche Themen im Kopf zu haben. Zu bemerken ist, dass sich seit drei Wochen kaum mehr ein Schönschriftornament zeigte. Ich habe auch nicht vor, es künstlich wieder einzuführen. Das sollte sich, wenn überhaupt, einfach so ergeben.

Bevor ich nun die Vorzeichnungen für die Reliefs von den glatten Modellierflächen wieder entferne, habe ich sie auf einzelne Transparentpapierbögen übertragen. So kann ich innerhalb der Rolle 6 oder anderswo mit den Strukturen weiter arbeiten. Der Arbeitsfluss ist in Gang.

Zusammenklang

Zum 200. Todestag von Kleist schrieb Durs Grünbein in einem Essay vom Aufbau der Träume, als die schönsten Momente in den Texten des Dichters, bevor sie von den Menschen zerstört werden. Mein Aufwachen trifft auf das Chaos der Orientierungslosigkeit, das durch den Verlust des Bodens, der vier Wände und der Decke hereinbricht. Nichts schützt mehr vor dem Blick auf das Universum, das sich allerdings in ein paar Milliarden Jahren bis zur Unkenntlichkeit ausgedehnt haben wird.

Ihren Zusammenklang erfahren die heutigen Buchmalereien aus dem dramatischen Fragment „Schrecken im Bade“ von Kleist, dem „Yellow Shark“ von Frank Zappa und der gerade aufgegangenen Hibiskusblüte in der Sonnenwärme hinter den Scheiben des Ateliers.

Das Verschwinden der Rohrgeflechte, aus denen die Figuren hervortreten, schafft Raum für Reaktionen auf das alte Gesträuch, das ich 1976 zwischen Gotha und Waltershausen neben den Gleisen der Thüringer Waldbahn zeichnete.

Gestern legte ich schon mal die Buchmalereien unter das Transparentpapier der Rolle 6, als Erinnerung daran, wie es heute an dieser Stelle weitergehen könnte.

Form 4

Ein Formenguss, wie gestern, ist immer etwas aufregend. Es gilt ja, die Arbeit eines längeren Zeitraumes aufs Spiel zu setzen und sie gleichzeitig durch die Möglichkeit der Vervielfältigung zu konservieren. Das Risiko, dass etwas schief geht, ist nicht gering. Das Original wird zugunsten dieses Gewinns, zerstört. Das ist immer auch ein schmerzhafter Moment.

Also, das vierte Relief ist abgegossen!

Der Zeichentisch ist aufgeräumt und bereit für Rolle 6.

In den kommenden Wochen bereite ich die nächsten vier Reliefs vor. Diesmal möchte ich die Vorzeichnungen auf alle vier Modellierflächen zugleich projizieren, um die Übergänge der Linien zwischen den Formaten versatzlos hinzubekommen.

An diesem Morgen, an dem die Sonne fehlt, ist es noch winterlich kalt. Deswegen höre ich die, von Glenn Gould 1984 eingespielten Goldbergvariationen, koche mir Kräutertee, auf das mich dies alles wärmt.