Licht kommt

Am Nachmittag fuhr ich mit Rückenwind an den Main, um dort etwas spazieren zu gehen und um auf dem Weihnachtsmarkt einen heißen Apfelwein zu trinken. Alleine ist das für mich eine besondere Situation des Sichtreibenlassens, der Menschenbeobachtung ohne sich abstimmen zu müssen. Es ist neu, hat manchmal eine gewisse Leichtigkeit aber ohne die Freude, die man nur gemeinsam haben kann.

Bis dahin will ich noch etwas an Rolle 6 arbeiten die „Zuckertütensequenz“ (das ist doch eine nette Bezeichnung) weiter verdichten. Ansonsten macht sich bei mir so etwas wie eine Ferienstimmung breit. Ich habe Zeit vom Olivenbaum, den ich hereingestellt habe, die Blattläuse herunter zu lesen, die ein Völkchen von Ameisen, die in seinem Bottich leben zu züchten versuchen. Dann höre ich Orgelmusik von Bach, zumeist Partiten und Kanons. Das läuft so im Hintergrund und kündigt mir das Licht an, das jetzt kommen wird.

Expressives Mittelalter

Die expressive Strömung in der Skulptur und Malerei am Anfang des sechzehnten Jahrhunderts, ist eine Herausforderung für meine Sehgewohnheit. Ich sah gestern diese kleinere Ausstellung im Städelmuseum, die mir zu eng war. Diese quasi explodierenden Formate benötigen viel mehr Raum. Die gesteigerte Verschlungenheit von Figuren, und von Gegenständen unterschiedlicher Stofflichkeit, die extrem gedehnten Glieder, die filigranen Hände und die gebauschten Gewänder kommen sich in die Quere. Innerhalb der Drastik, gibt es viel Hässlichkeit aber auch Farbigkeit zu entdecken. Manchmal erinnerte ich mich an die bunten Tempel von Madurai und anderen Orten in Indien. Beim Durchwandern der Räume überkam mich eine etwas beklommene und gedrückte Stimmung, die eindeutig von den Motiven ausging. Eine Figur des Heiligen Sebastian wand sich geradezu tänzerisch vor den heransurrenden Pfeilen. Er dehnte und verbog seine Glieder, als stamme seine Figur aus einem Ballett von William Forsythe. Auch in den Keuzigungsszenen geht es um gebrochene und verrenkte Glieder, besonders bei den Schächern, die neben Christus gekreuzigt wurden. Das beeindruckt alles sehr, aber ich war froh, dass die Veranstaltung nicht noch größer war, genoss dann meinenWein im Café mit Blick auf die erleuchteten Hochhäuser.

Danach ein schönes Essen im Bahnhofsviertel.

Zu Hause hatte ich noch eine Flasche Grauburgunder und genoss den hoffnungsvollen Abend.

Langsames Spazieren

Kanarisches Licht heute am Morgen. Eine Wohltat nach all den finsteren Tagen an denen man sich nur darauf freute, dass es endlich ganz dunkel wurde. Und im nassglänzenden Kunstlicht der Mainzer Landstraße ging ich am Abend lange spazieren, nur um unter Menschen zu sein. Dabei bemerkte ich einige Männer, die, wie ich ziellos herumschweiften, Kneipen von außen ins Visier nahmen, die Hände hinter den Rücken verschränkt, Mützen auf den Köpfen, wie ich.

Gestern Abend schaute ich mir im Netz eine Dokumentation zum Leben von Bob Dylan an und hörte etwas Musik von ihm.

Künstlerisch geschah außer den täglichen Zeichnungen und der Collage aus einem Ausschnitt von Rolle 6 und der allmorgendlichen Produktion nichts. Auch mit der Tagebucharbeit komme ich nicht in dem gewohnten Zeitraum zurecht. Alles passiert etwas langsamer, träger, wie in zähflüssigem Sirup eingeschlossen.

Verabredungen zu Weihnachten mit meinen Eltern.

Grauer Sturm

Die Hindemithkinder sind heute schon in meinen Arbeitsvormittag gekommen, weil heute die Ferien begonnen haben. Sie brachten Dinge zum Naschen mit, arbeiteten ein wenig mit Holz und Farben und waren froh, dass sie nun eine Weile frei sind. Ich erklärte ihnen noch mal unser neues Projekt, das hoffentlich für das kommende Jahr bewilligt wird.

Dann zeigte ich ihnen mein Einschulungsfoto, das was ich daraus gemacht habe und erzählte ihnen warum ich das tat. Allerdings ist die Verdichtung der Sequenz heute nicht weiter gediehen.

Erstmalig seit vielen Jahren gehe ich heute nicht mehr zu meinen Freunden auf den Markt. Das grausige Wetter mit Wind und Dauerregen macht es mir diesmal leichter.

Ich überlege mir etwas Wein zu kaufen für diesen Abend. Dann höre ich etwas Radio, wie ich es nun meistens am Abend mache. So gehen die Tage vorbei, dahin mit der Zeit, in der ich versuche etwas zustande zu bringen.

Die Finsternis ist kompakt grau. Selbst am hellen Tag scheint es nur zu dämmern. Das spiegelt die Umstände wieder, ihr graues Gewicht, die Gleichgültigkeit von Stürmen im fahlen Licht.

Materieausbrüche | Mandorla

Als ich gerade die heutige Collage aus den täglichen Zeichnungen und den Strukturen der Einschulungssequenz aus Rolle 6 zusammenstellte, dachte ich daran, dass Protuberanzen Ausbrüche von Materieströmen auf der Sonne sind. Gleichzeitig stoße ich ein Tuscheglas um, das eine ähnliche Form auf meine Blechschachtel mit den Aquarellstiften gießt.

Währenddessen versuche ich meine Erinnerungen zu schärfen. Nicht nur Süßigkeiten in der Zuckertüte, sondern auch nützliche Schulsachen. Fahnenappelle erinnere ich mit Gesängen: „Bruder lass den Kopf nicht hängen“ – da klappt der Kopf eines älteren Mitschülers in den dörflich aufgestellten Klassenreihen nach vorne. Das ist der erste vorwitzige Protest, an den ich mich in dieser durchpolitisierten Welt erinnere. Es herrschte noch Stalinismus, obwohl Stalin schon acht Jahre tot war.

Auch die Zöglinge im ehemaligen Kloster Gerode gingen in Reih und Glied. Blaue, dreieckige Halstücher, Wimpel und das Fackelzeichen der Jungen Pioniere. Große ernste Gesichter dieser eingesperrten Ansammlung von Menschen, die im sozialistischen Systemfokus auffällig geworden sind.

Ich erinnere einen Zug von Rechen, Mistgabeln, Schaufeln und Spaten, die am Fenster vorbei getragen wurden, wie in einer Prozession zu Ehren der Marienfigur in Mandorla, einer „Lichtprotuberanz“ über dem Eingang des Haupthauses.

Protuberanzen | Schultüte

Protuberanzen würde ich die Ausstülpungen nennen, die sich derzeit auf den täglichen Zeichnungen etablieren. Nach dem Wischvorgang der zumeist von Links nach Rechts verläuft, bleibt neben der verwischten Fläche mit den aufgefächerten Farben zumeist eine Lache Wasser stehen, aus deren Pigmentansammlung und Farbvermischung ich Wasserfäden auf die angetrocknete Seite ziehe. Wenn nun der Handballen noch einmal über diese Strecke fährt, legt er die darunter liegenden Farbschichten linear frei. Ich zeichne das mit einer Feder, die ich zuvor in Wasser getaucht habe.

Auf Rolle 6 begann ich die Schuleinführungsabstraktion übereinander zu zeichnen, um daraus wieder eine Sequenz entstehen zu lassen, die sich mit der vorigen, der Kreuzzugssequenz verbinden kann. Was sich an Potential darin verbirgt, kann ich nicht wissen. Der Erinnerung an meine Schultüte und deren Inhalt folgen die Erfahrungen, die mich danach zu einem Schulhasser gemacht haben. Die Süßigkeiten, die ich annahm waren der Preis dafür, dass ich die meiste Zeit der folgenden zwölf Jahre unter dem Eingezwängtsein in den engen Holzschulbänken, dem Geruch nach Kindermassen und Bohnerwachs litt. Der Kreidestaub legte sich auf meine Seele, als ich in der zweiten Klasse, nach einem Umzug in eine neue Klasse kam. Als Fremder wurde ich täglich von den anderen Schülern auf dem Heimweg verfolgt und verprügelt.

Das Kloster Gerode, in dem ich mit meinen Eltern und den Zöglingen eines Kinderheims wohnte, war das Paradies aus dem ich vertrieben war. Prügel gab es auch dort, aber nicht täglich.

Raster

In einigen Arbeitsschritten stellte ich mehrere Varianten meines Einschulungsfotos her. Konturenzeichnungen, Punktraster und weitere Reduktionen dieser Verfremdungen sind nun das Material, mit dem ich mich zunächst auf Rolle 6 auseinandersetze. Das sieht derzeit ziemlich unspektakulär aus, kann sich aber noch entwickeln.

Zur Ausstellung zum Zwangsarbeitergedenken habe ich einen Sachbericht zu verfertigen. Der ist überfällig und in der letzten etwas chaotischen Zeit vergessen und verdrängt worden. Ich hatte einfach keine Kraft, mich um dererlei Dinge zu kümmern. Das ist jetzt anders.

Ich überlege nun über die Rolle 6 hinaus andere Blätter mit den Rastermotiven zu verfertigen. Vielleicht kann ich Strukturen und die Farbigkeit probieren mit der ich dann das große Bild weitermalen kann. Rolle 6 eignet sich nur für andere, grafischere Herangehensweisen.

Die Adventszeit schreitet voran, das Jahr endet nun Gott sei Dank bald. Ich frage mich, wie ich auf diese Zeit zurückschauen werde. Jetzt überwiegt das Gefühl, ganz neu zu beginnen. Der Jahresanfang 2015 ist dafür die richtige Zeit. Fast alle Zeit bin ich nun alleine, was mir meistens ganz gut tut.

Farben | Spaziergang | Verschieben

An diesem Montagmorgen bleiben die Lampen ausgeschaltet. Die gerade aufgegangene Sonne sendet ein Streiflicht über die Dreiecksreliefs, die mir gegenüber stehen. Erinnerung an produktivere Zeiten.

Im Netz suchte ich noch einmal den Vortrag von Heinrich Detering zum siebzigsten Geburtstag von Bob Dylan und fand ihn nicht mehr. Das ist so eine Sache mit dem Netz hier im Atelier. Es lenkt etwas ab.

Gestern zog ich mir ein Paar leichte Wanderstiefel an und machte einen längeren Spaziergang von hier aus bis in die Stadt zu einer Verabredung im „Urban Kitchen“ in der Kaiserstraße.

Die Zeit vergeht wie ein Alltag im Zwist mit mir selbst. Fehler bleiben Fehler und können nicht rückgängig gemacht werden. Spaziergänge sind gut. Weite Flächen erweitern die Sinne. Am Nachmittagshimmel schimmerte Apricot zwischen leuchtendem Wolkenblau. All das spiegelte sich im Main auf dem Wasser vor der Molenspitze des Westhafens. Ein Schwan am Ufer steckte seinen Kopf unter den Flügel.

Ein eigenartiger Montag ist das. Ich erwarte von mir einen Aufbruch in eine neue Arbeitsphase und denke gleichzeitig, dass ich vielleicht erst mal in der Küche etwas aufräumen sollte. Ich verschiebe.

Trödelig

Ein leichter Morgen mit etwas mehr Durchlässigkeit und Licht als in den letzten Tagen. Der Sonntag vergeht etwas trödelig. Gestern dachte ich in der kommenden Woche etwas kürzer zu treten. Ich werde Zeit für meine Arbeit haben und dafür, mich an die Erinnerungen heran zu machen, die meine täglichen Reaktionen und Taten bestimmen.

Oft schaue ich mir Urlaubsfotos an und versuche mich anhand dieser in Stimmungen zu versetzen, die uns damals umgaben oder aus uns kamen. Auch diese Erinnerungen werden in der nächsten Zeit eine wichtigere Rolle spielen.

Vielleicht kann ich morgen beginnen, das Einschulungsbild zu rastern. Dieser Einstieg könnte auch auf Rolle 6 geschehen.

Gestern im Theater hier auf dem Gelände ein schönes traditionelles Konzert mit Laute, Bockflöte und einer dieser großen flachen orientalischen Trommeln. Ich sah und hörte das letzte Musikstück.

In der Nacht beschäftigte ich mich dann mit Bob Dylan, hörte einen Vortrag von Heinrich Detering, dessen Buch über Dylan ich schon gelesen hatte. Der Vortrag war sehr kompakt und gefiel mir wegen seiner vielen Echos vorangegangener Textpassagen oder Selbstverweise. Ich könnte das glatt noch mal anhören.

Wendungen

Sonnabend- Regen und Finsternis, langer Schlaf nach einer anstrengenden Woche.

Gestern sind die Hindemithkinder schon gleich nach der Schule gekommen und dann aber trotzdem bis Vier geblieben. Wir haben Fahrstuhlmusik gehört, Erdnüsse geröstet, gemalt und geschnitzt. Und dann musste ich sie rauswerfen!

Kleine Besetzung am Weinstand. Gespräche über Wendungen, über Verhaltensweisen und Gruppendynamiken.

Danach im Laden von Liaquat die Vereinssitzung mit neuen Mitgliedern. Das war schon ein anderes Gefühl. Die Arbeit dort wird sich verändern, wie sich auch meine Bezugspunkte verstreuen, verschieben und sich anders neu konzentrieren.

Die künstlerische Arbeit schleppt sich von Tagebuchseite zu Tagebuchseite. In der kommenden Woche aber habe ich genug Zeit, wieder Fahrt aufzunehmen und um mich in die Erinnerungsthematik einzuarbeiten.

Nachher will ich trotz Regen zur Konstablerwache auf den Markt fahren, vielleicht etwas Apfelwein kaufen, was essen, Leute anschauen und ein wenig aus der Einsamkeit herauskommen.

Verkabelt

Ein windiger und eher milder Morgen. Das Rauschen der Autobahn, das aus Westen herangeweht wird, klingt wie eine entfernte atlantische Brandung. Die Klimaforscher sagen, dass die Ozeane viel Wärme in sich aufgenommen haben. Sie wird von der Luft hergetragen.

Gestern wurde mir eine Internetleitung in mein Atelier gebaut. Die Techniker hatten eine Menge Kabel zu verlegen, Löcher durch Wände zu bohren und richteten mir auch alle Segnungen der Telekommunikation auf meinem Rechner ein. Nun bin ich mit einem Festnetztelefon und schnurlosem Internetzugang ausgerüstet. Das erzeugt ein neues Gefühl in meiner Eremitenklause, das nicht nur angenehm ist.

Schon telefonierte ich mit meinen Eltern und mit Annes Anrufbeantworter. Das Inseldasein wird weniger hermetisch. Das ist ein Zeichen für einen Neuanfang.

Gestern trat ich vor das große Bild und stellte mir das gerasterte Einschulungsfoto auf verschiedene Weisen einmontiert vor. Ich erinnere mich noch an die Zuckertüte und dass ganz unten in der Spitze ein dicker Pappbleistift steckte, der wohl mit Süßigkeiten gefüllt war.

Außerdem arbeitete ich an der Kreuzzug Sequenz auf Rolle 6 weiter. Es sind lauter kleine Zeichen für etwas Neues, das nun kommen kann.

Schwarzes Leuchten

Kaffee leuchtet schwarz an diesem Morgen weil ich vergaß Milch zu kaufen. Mit etwas mehr Zucker und einem Glas Wasser geht es auch so.

Gestern am Morgen hätte ich beinahe meinen Arzttermin versäumt. Nachdem ich ab vier Uhr Tagebuch geschrieben hatte, legte ich mich noch mal hin und bin wieder fest eingeschlafen.

Dann transportierte ich die letzten Dinge aus dem Museum ins Atelier und fuhr mit dem Auto gleich bei meinem Vermieter vorbei, um mir schriftlich die Erlaubnis zum Kabelverlegen für heute zu besorgen, was auch klappte. Jetzt müssen nur noch die Monteure beikommen, wie angekündigt.

Am Abend, während der Eröffnung sagten viele Menschen sehr nette Dinge über mich und begeistert zeigten die Jugendlichen ihre Ausstellung. Allen tat die Zuwendung gut und die Stimmung war sehr aufgeräumt. Nun wollen wir unser Projekt noch für ein weiteres Jahr verlängern und somit einfach unsere Freitage fortsetzen.

Aus der Finsternis des Waldes heraustreten können, um gemeinsam auf freiem Feld zu gehen, auszuschreiten mit der Lust auf Bewegung, Raum und Fahrtwind.

Gewissheit

Die Finsternis nimmt wieder zu. Böiger Wind aus westlichen Richtungen bringt Regen heran, der in den Gebirgen zu Schnee wird. Am Morgen etwas wackelig auf dem Fahrrad, Augen tränten in der kalten Luft.

Entsprechen dunkel ist es auch im Atelier. Es gibt nur die Gewissheit, dass es in zwei Wochen wieder heller wird.

Mit einem Laser, der waagerechte und senkrechte Linien auf die Wände projiziert, konnte ich gestern im Museum die Collagen aus Zeichnungen und Fotografien gut justiert anbringen. Es ging schneller so und sieht perfekter aus. Auf einem Postament befestigte ich noch drei Figuren, die ich gemeinsam mit einer behinderten Schülerin aus der Panoramaschule anfertigte. Sie zeichnete Gesichter auf Transparentpapierzettel, tat Gras und Tannennadeln aus dem Wald mit Schelllack hinzu, ich sägte die Astgabeln zurecht und montierte das Ganze.

Heute ist die Eröffnung. Zuvor habe ich noch Material von dort zurück zu transportieren. Muss mir auch noch überlegen, was ich am Abend sagen will.

Morgen kommt nun der Internetanschluss. Zuvor benötige ich noch das Schreiben des Vermieters. Da sollte ich vielleicht heute hinfahren.

Kleine Panik

Weiß nicht, wie viele Wochen ich auf den Termin gewartet habe, an dem meine Internetleitung gelegt werden sollte. Nun meinte der Techniker gestern, das sei so aufwendig, dass es mit zwei Leuten einen halben Tag dauern würde, und deshalb müsse er nun einen neuen Termin machen. Außerdem braucht es noch eine Genehmigung des Vermieters, dass er Löcher bohren könne und die Leitung über Putz legen wird. Also wieder warten…

Am Abend wollte ich dann eine kleine Rechnung per Internet begleichen, stellte aber fest, dass die Unterlagen, die ich dazu benötige, nicht mehr an ihrem Platz lagen. Also begann ich zu suchen. Je länger das ohne Ergebnis blieb, um so mehr steigerte sich meine Unruhe. Zwischendurch fuhr ich mit dem Fahrrad zur Bank, weil ich das Material gestohlen glaubte. Das Konto war aber unversehrt. Neue Unterlagen könne ich aber nur über das Internet oder per Telefon bekommen, meinte die Dame am Schalter, dafür brauchte ich aber eine Pin. Irgendwann am Abend fand ich dann die Pinnummer an einer wirklich gut versteckten Stelle und machte mir ziemlich glücklich ein Bier auf.

Heute noch mal ins Museum, um die Fotos anzubringen.

Traummaschinen

Langer Spaziergang am Main. Eine Weile am Nachmittag schien die Sonne, dann wurde es kalt und der Westwind nahm zu. Zuvor stand ich eine Weile auf der Sandsteintreppe eines der kleinen Abgänge zum Wasserspiegel und beobachtete eine kleine Feder, die von der Strömung nach Westen und dem Wind an einer Stelle gehalten wurde, in den dunklen Wogen auf und ab schwingend.

In einer stinkenden, kalten Telefonzelle redete ich mit meinen Eltern. Sie sorgen sich, wie das Eltern so tun.

Heute soll ich nun endlich einen Telefonanschluss bekommen, wodurch ich dann auch wieder einfach ins Netz komme und an all die Informationen, Kontakte etc. die ich, nun alleine und hier im Atelier, umso dringender benötige.

In der Nacht schrieb ich mit Tinte auf einen Kontoauszug: Die Schlafmaschinen waschen die Träume und Traummaschinen waschen den Schlaf.

Eine Grundreinigung aus Erinnerung würde anstrengend sein, aber sicher gut tun.

Transport

Die Collagen, die ich gestern alle für die Ausstellung ausgedruckt habe, werde ich nicht in Streifen zerschneiden und dann noch mal collagieren, sondern werde sie so wie sie sind lassen.

Dass ich schon gestern ganz damit fertig geworden bin, schafft mit für Morgen, während ich auf meinen Telefonanschluss warte, Zeit um die Vereinssachen zu ordnen und die Dinge zusammenzustellen, die für die Fortführung des Vereins notwendig sind.

Ich hoffe dann wieder Zeit für meine Arbeit zu haben, für Rolle 6 und die Erinnerungsthemen, die sich vielleicht in der großen Malerei manifestieren können.

Es gab beispielsweise Momente, in denen ich im Osten Postkarten aus Westberlin darauf hin untersuchte, was neben den Bordsteinen liegt, wie die Welt dort wirklich aussieht. Wenn ich heute die Bilder, die kleinen Schwarzweißfotografien aus meiner Kindheit anschaue, dann interessieren mich auch die Beschaffenheiten der Dinge am Wegesrand, Zäune, Telegrafenmasten und Menschen, die Säcke auf ihren Schultern tragen.

Am Abend sah ich mir wieder Reisefotografien an. Kalkutta, Menschen und Transport auf ihren Knochen, Säcke auf den Köpfen.

Collagen

Vormittags transportierte ich noch etwas Material für die Ausstellung „Schattenboxen“ mit dem Auto in das Architekturmuseum. Dann holte ich die Hindemithkinder in der Schwalbacher Straße ab, um gemeinsam mit ihnen in der Straßenbahn der Linie 11 bis zum Willy-Brandt-Platz zu fahren. Dort zeigte Noah auf eines der neuen Hochhäuser in dem auch eine Etage des Museums für Moderne Kunst untergebracht ist und erzählte, dass seine Tante, die Architektin ist, dieses Hochhaus mitgebaut hat. Wir spazierten am Schauspiel vorbei über den Main und liefen bis zum Museum. Dort bekamen wir eine nette, kurze Führung durch das Haus, um dann nach meinen Vorgaben an der Skulptur weiterzuarbeiten.

Am Nachmittag fand im Gallustheater die Abschlussveranstaltung der Sozialen Stadt Gallus statt. Es gab diverse Wiedersehen mit Leuten, mit denen ich lange zusammengearbeitet habe.

Nun sind noch die Collagen auszudrucken, mit denen ich in der Ausstellung einen Abbildungsstreifen so an der Wand anbringen will, dass er einmal rundherum läuft. Dazu benötige ich etwa vierzig Ausdrucke, die ich hier im Atelier machen werde. Ich habe vor sie in viele Steifen zu schneiden und an der Wand noch einmal eine Reihenfolge herzustellen, die etwas von dem fortlaufenden Fugencharakter hat, der auf der Transparentpapierrolle und auch innerhalb der täglichen Collagen anklingt.

Museumsarbeit

Gestern Museumsarbeit. Der Aufbau der Kartonskulptur war ganz schön anstrengend. Das liegt aber auch daran, dass die letzte Zeit viel Substanz gefordert hat. Auch die zwei Tage am vergangenen Wochenende, an denen ich mich um die Zwangsarbeiter-Gedenkausstellung gekümmert habe, fehlen mir als Erholungszeit.

In den letzten Tagen habe ich mir überlegt, eine gründlich angelegte Erinnerungsarbeit anzugehen. Bereits ab dem 21.11. dieses Jahres habe ich begonnen, mit Fotos zu Arbeiten, die aus meiner Kindheit stammen, habe sie in die täglichen Collagen eingebaut und spüre immer, wenn ich diese collagierten Bilder anschaue, eine eigenartige innere Erregung. Der würde ich gerne auf den Grund gehen, wenn es sein muss mit fachlicher Unterstützung.

Welche Arbeit daraus entstehen kann, weiß ich noch nicht. Vielleicht schlägt sie sich erneut auf dem großen Bild nieder, dass nun wieder eine Weile in einem Zustand verharrt, der nach einer Auflösung fragt. Immer mal dachte ich schon daran, in die Punktstruktur eine dokumentarische Botschaft zu verstecken, um das Geheimnis des Bildes vielschichtiger zu machen. Vielleicht könnte das etwas in der Art meines Einschulungsfotos sein.

Heute treffen mit den Kinderchen an der Straßenbahnhaltestelle, um gemeinsam ins Museum zu fahren. Es wäre mir angenehm, wenn mir jemand die Organisationsarbeit abnehmen würde. Immer noch fällt es mir schwer, Menschen einzuladen, zusammen zu bringen oder mich mit ihnen zu verabreden, neben dem ganzen Anderen.

Fenster

Die schönen Einladungskarten des Architekturmuseums musste ich leider von der Post abholen. So hatte ich aber die Gelegenheit auf der Frankenallee unter dem Fenster hindurch zu fahren. Mein Blick geht immer hinauf zu „meinem“ Fenster, von wo aus ich sechzehn Jahre lang die Jahreszeiten und die vorübereilenden Menschen beobachtete.

Nun hier im Atelier sind die Fensterscheiben in einer Höhe, dass ich nur im stehen auf die Strasse draußen blicken kann. Und was da vorübertreibt ist bei weitem nicht so vielfältig, wie auf der Allee. Allerdings ist es hier viel ruhiger, sieht man mal von den Zügen ab, die vielleicht etwa stündlich vorüber fahren.

Mein selbst gewähltes Eremitendasein hier ist manchmal etwas einsam. Besucher verirren sich selten in die entfernte Enklave. Ich kann aber anders zu mir und zur Konzentration kommen.

Im Baumarkt kaufte ich zehn Kartons zur möglichen Vervollständigung der Installation im Architekturmuseum. Ich bin sehr gespannt und etwas aufgeregt, wie alles ablaufen wird. Heute will ich das erste Material dorthin transportieren. Die vielen, vielen Dinge, die die Hindemithkinder gebaut haben werden nicht alle unterzubringen sein.

Warten

Das Warten. Unter dieser Überschrift stand der gestrige Tag. Am Morgen wollte ich in den Baumarkt fahren, um noch Kartons zu kaufen, die ich für die Installation im Architekturmuseum brauchen kann. Die zehn Kisten, die wir haben, reichen nicht für eine gigantische Architektur, wie sie angekündigt ist.

Als ich aber das Auto starten wollte, versagte es mir den Dienst. Es half nicht, dass ich unter die Motorhaube schaute. So rief ich den Verkehrsclub an, der mit einer Pannenhilfe solcherlei Dinge aus der Welt schaffen kann. Weil das Guthaben meines Mobiltetefons nicht für die Warteschleifen, in die man geschickt wird ausreichte, telefonierte ich mit dem Festnetzanschluss des benachbarten Restaurants. Weil sich aber zwei Stunden später der Rettungsengel dort meldete, um sich anzukündigen und der, der abnahm nichts von meinem Problem wusste, entstand ein missverständliches Vakuum. Wenig später, während ich in der Küche am Kochen war, kam der Pannenhelfer tatsächlich, fand mich aber nicht auf dem Gelände und fuhr wieder davon. Weil ich aber das Auto für meine Besorgung benötigte, rief ich gleich noch mal an. Man werde sehen, hieß es dann und bis zum späten Nachmittag kam niemand mehr.

Heute stand ich frühmorgens auf, telefonierte sofort mit meinem Handy und in weniger als zwanzig Minuten stand ein großer grauhaariger Helfer vor mir, freundlich, nachdenklich und erfahren. Der hörte sich mein Problem und den Klang des Autos beim Startvorgang an und wusste sofort, was der Auslöser war, erklärte es mir auch gleich und hinterließ mich glücklich mit meiner neuen Mobilität.

Besucher | Vorträge | Gespräche

Ein Ausnahmetag gestern, viele Gespräche über die Ausstellung zum Zwangsarbeitergedenken. Anlass, dass doch einige Leute gekommen sind, war auch, dass wir unsere Präsentation mit den Frankfurter Ateliertagen zusammengelegt hatten.

Das interessanteste Gespräch drehte sich um die Vererbung von Traumata, ihre Aufarbeitung in späteren Generationen und der Bezug zu persönlichem Verhalten.

Eine Praktikantin vom Kulturamt fotografierte und war beeindruckt von der künstlerischen Forschungsarbeit. Man könnte ja auch einfach ohne Bezug zum Ort, an dem man arbeitet Kunst machen…, meinte sie.

Nun habe ich wieder etwas mehr Zutrauen gewonnen. Eine Zwischenzeit ist zu Ende gegangen, in der ich vor allem hin und her gerissen war. Vieles klärt sich und führt hoffentlich in eine neue Produktivität.

So viel über meine Arbeit zu reden, hat mir gestern erstaunlich gut getan. Jetzt aber, kurz nach Sechs muss ich mir endlich was zu Essen kaufen, etwas frühstücken und dann den Tag beginnen.

Letzter Winkel

Mit den Hindemithkindern unternahmen wir eine Lasurmalerei, die Lichtflecken auf den letzten verbliebenen Maskenhintergrund setzen sollte. Es gelang uns nur recht und schlecht.

Gestern dann Ausstellungsaufbau

vom Wegsehen und Hinsehen.

vom Vergessen und Erinnern.

Der Besucherstrom war dann eher mäßig. Das liegt aber daran, dass ich kaum Werbung gemacht habe und dass wir hier wirklich im letzten Winkel arbeiten.

Nun denke ich schon an den Aufbau der Ausstellung im Architekturmuseum. Ich will morgen noch ein paar kleinere Kartons kaufen, in die wir noch weitere Exponate einbauen können, damit das Versprechen von der gigantischen Architektur nur annähernd erfüllt wird. Objekte sind genügend vorhanden.

NICHTS

Es gibt nichts zu berichten außer Leere.

Nacht und Tag, Schwarz und Grau und brüllende Stille.

Krishnababy zeigt ins Nichts.

Die Zeit ist ein Punkt.

Abdichten

Der Morgen im Atelier ist trüb. Noch in der Nacht funkelten Sterne, dann aber setzte sich der Hochnebel davor und filtert nun das wenige Licht in ein milchiges Grau. Grau die Pappen auf den Tischen, grau ist auch der Widerschein im Körper.

Am Morgen habe ich das östliche Tor abgedichtet, von außen die Ritzen mit Zeitungspapier von innen mit Styroporstreifen, die ich auf das Gesims und die größte Schlitze legte und beschwerte. So stieg die Temperatur schon leicht an. Nun kann ich die Heizung auch noch etwas hochdrehen. Der Winter kann also kommen.

Mein künstlerischer Output geht immer weiter zurück. Ich lenke mich ab mit Kaffeekochen und räume hier und da was herum, habe das Gefühl, zwischen allen Stühlen zu stehen, finde keinen Ort, an dem ich mich orientieren kann. Deswegen versuche ich häufig alleine zu sein, um zu einer Ruhe zu kommen, die aus mir entsteht.

Dazu kommen die Veranstaltungen die am Wochenende anstehen und in der nächsten und übernächsten Woche. Dann habe ich noch die Ausstellung im Architekturmuseum aufzubauen. In der Einladung wird von einer gigantischen Architektur gesprochen. Das setzt mich natürlich unter Zugzwang. Die Hindemithkinder müssen auch noch dort hin zum Aufbau orientiert werden.

Leporello

Wie in jedem Spätherbst warte ich nun darauf, dass die hereingenommenen Pflanzen teilweise ihre Sommerblätter abwerfen, um dann später wieder neue größere zu treiben, die das wenige Winterlicht besser ausnutzen können.

Gestern rief Helga an, um mir mitzuteilen, dass unser Leporello mit dem Titel:

vom Wegsehen und Hinsehen.

vom Vergessen und Erinnern.

Gedruckt und geliefert wurde. Ich bin dann gleich zu ihr hin, um vierhundert (!) mit ins Atelier zu nehmen. Mir gefällt seine Aufmachung und schlichte Farbigkeit sehr gut. Viele Bilder, viele Informationen über unsere Forschungen zum Zwangsarbeitergedenken an der Ackermannwiese.

Jetzt bin ich dabei, zu diesem Thema für die Frankfurter Ateliertage eine Werkstattausstellung zusammenzustellen. Aus meinem täglichen Arbeitsblog werde ich Blätter ausdrucken und mit den Ausgrabungsfunden auf Tischen zusammenstellen.

Der Leporello ist fast schon ein Werk.

Oleander | Sukkulenten | Maranta

Gestern begann ich zunächst die Regale einzurichten, die alle Pflanzkübel aufnehmen sollten, damit sie den Winter im Atelier zubringen können. Bei stetem Sonnenschein war das eine angenehme Arbeit. Dann aber holte ich alle Pflanzen herein und schnitt die meisten zurück. Das löst einerseits Platzprobleme, andererseits könne sie dann wieder neu austreiben. Da ich die Leitern weit hinauf musste, um die Gesimse über meinem westlichen Tor zu füllen, manche der Kübel wirklich schwer sind, hat das Ganze einen vollen Tag gedauert. Entsprechend froh bin ich nun, alles drinnen zu haben, auch die Zitronen- und Olivenbäume, den Oleander und alle Sukkulenten.

Am Abend kam dann Gerd mit einer weiteren großen Maranta, die ich auch noch unterbrachte und die auch noch zurück geschnitten werden muss. Dazu aber stellte er mir noch einen fast neuen Kühlschrank in meine Küche, den er nicht mehr benötigte. Sehr nett und Freundschaftlich, dass er an mich gedacht hat. Er steht nun auf meinem alten und wird vielleicht heute noch in Betrieb genommen.

Die gestrige Pflanzenaktion hat mich in meinem sowieso schon knappen Arbeitsplan zurückgeworfen. Am Sonnabend muss die Ausstellung aufgebaut sein und am Donnerstag und Freitag finden im selben Raum noch Workshops statt. Irgendwie werde ich das alles hinbekommen.

Gerade rief Helga an, dass unsere Flyer gekommen sind. Ich bin gespannt und freue mich!

Wintergarten

Gestern begann ich zunächst die Regale einzurichten, die alle Pflanzkübel aufnehmen sollten, damit sie den Winter im Atelier zubringen können. Bei stetem Sonnenschein war das eine angenehme Arbeit. Dann aber holte ich alle Pflanzen herein und schnitt die meisten zurück. Das löst einerseits Platzprobleme, andererseits könne sie dann wieder neu austreiben. Da ich die Leitern weit hinauf musste, um die Gesimse über meinem westlichen Tor zu füllen, manche der Kübel wirklich schwer sind, hat das Ganze einen vollen Tag gedauert. Entsprechend froh bin ich nun, alles drinnen zu haben, auch die Zitronen- und Olivenbäume, den Oleander und alle Sukkulenten.

Am Abend kam dann Gerd mit einer weiteren großen Maranta, die ich auch noch unterbrachte und die auch noch zurück geschnitten werden muss. Dazu aber stellte er mir noch einen fast neuen Kühlschrank in meine Küche, den er nicht mehr benötigte. Sehr nett und freundschaftlich, dass er an mich gedacht hat. Er steht nun auf meinem alten und wird vielleicht heute noch in Betrieb genommen.

Die gestrige Pflanzenaktion hat mich in meinem sowieso schon knappen Arbeitsplan zurückgeworfen. Am Sonnabend muss die Ausstellung aufgebaut sein und am Donnerstag und Freitag finden im selben Raum noch Workshops statt. Irgendwie werde ich das alles hinbekommen.

Gerade rief Helga an, dass unsere Flyer gekommen sind. Ich bin gespannt und freue mich!

Neue Linien

Die Sonne trifft auf meine ungeputzten Atelierfenster und macht sie fast blind. Im Seitenlicht fotografiere ich die Masken auf den Boxenhintergründen, wo sie durch die Schatten nun gut sichtbar hervortreten.

In den täglichen Collagen spielen Figurationen eine Rolle, die dadurch entstehen, dass ich mit einer Zeichenfeder voll Wasser über die verstrichenen und getrockneten Aquarellflächen gehe. Die so entstehenden Linien wische ich wieder mit dem Handballen aus. Eine helle Umrissfigur tritt hervor und bildet das Zentrum der Zeichnung.

Am morgen maß ich minus 0,3 °C bei meinen Pflanzen. Dies ist nun das Zeichen dafür, dass ich sie herein nehmen muss. Wie alle Jahre werde ich nun die Regale aufbauen, die Töpfe alle einzeln herein tragen, um sie im Licht vor den Fenstern zu platzieren. Die Prozedur ist anstrengend, aber nicht neu. Deswegen weiß ich, dass ich langsam herangehen kann und ohne Stress fertig werde, obwohl die Anzahl der Töpfe in jedem Jahr zunimmt.

Nun habe ich mir noch Material für ein großes festes Regal besorgt, das ich noch zusätzlich für die Pflanzen bauen kann. Heute schaffe ich das aber nicht und auch nicht mehr in den nächsten zwei Wochen.

Am Abend rief Gerd an, für dessen Kühlschrank ich mich interessiere. Wir wollen ihn heute am späten Nachmittag transportieren.

Stille hier

Die Einsamkeit eines Klosterweilers in einem abgeschiedenen Tal tauschte ich nun gegen die Stille in meinem Atelier. Im Rücken rauscht die Heizung, die den Raum immerhin mit einer Temperatur von nahe zwanzig Grad versorgt.

Den Kaffee aus meiner winzigen Espressomaschine mische ich mit warmer Milch, die ich mit einem Schneebesen schäume. Vielleicht sollte ich nach einem Milchschäumer schauen.

Auf der dieswöchigen Agenda stehen die Vorbereitungen der Vereinssitzung und der Ausstellungen hier in meiner Werkstatt am kommenden Wochenende und dann im Architekturmuseum. Das Hiersein ohne jegliche Termine und Verabredungen beschert mir die Gewissheit, dass ich diese Dinge alle schaffen kann und damit eine Ruhe derer ich so sehr bedarf.

Gestern Othello in der Oper Frankfurt. Es war etwas Besonderes für mich, mal wieder im Theater zu sein.

Per Post kam heute meine Internetbox, die am achten Dezember angeschlossen werden soll. Das wird meine Situation hier grundlegend verändern, worauf ich mich freue.

Klosterfragment

Die Mauerreste, die in dem kleinen Tal zu versinken scheinen, gehören teilweise zu Ofenanlagen mit großen Schornsteinen, die nun alleine, ohne den zu beheizenden Raum und somit ohne Funktion, herumstehen. Auch hohe Giebelwände und Mauern mit Spitzbögen hielten sich.

Irgendein Blau, das eher zu einem Schatten gehört leuchtet im milchigen Lichthimmel. Drei Katzen jagen sich und schreien, wenn sie sich gegenseitig beißen und die Krallen in die dichten Felle schlagen. Ansonsten sind sie scheu.

Die Landschaft als lieblich bezeichnen zu wollen, wäre falsch. Der Bach hat an einigen stellen schroffe Hänge geschaffen und durchfließt einen sumpfigen Grund. Wasser genug um Fischteiche anzulegen, die von Schilfgürteln umstanden sind.

Einsamkeit lockt mich – das ist meine asketische Seite. Nachdenken über mich im Verhältnis zu meiner sich wandelnden Umgebung geht nur in Einsamkeit.

Wer zieht da die Strippen, frage ich mich manchmal. Krishnababy, der auf Zeilen zeigt, die es zu bedenken gilt, fehlt mir hier noch.

Hintertaunus

Irgendwo im Hintertaunus in einem Ort, der auf keiner Karte verzeichnet ist, von den Navigationssystemen nicht gefunden wird und aus den Resten eines zerfallenen Klosters besteht, scheint mir in einer Dachkammer die Spätnachmittagssonne, kurz vor ihrem Untergang von der rechten Seite her auf den Rücken. Ich verbringe hier ein Wochenende und schlage aus dieser Einsamkeit eine Brücke in die Einsamkeit meines Ateliers.

Dunstige, lichtdurchflutete Landschaften laden zu Spaziergängen ein. Allenthalben liegen Äpfel auf den Wiesen.

Mich erinnert die Stimmung an Gerode, wo ich vor etwa vierzehn Tagen ein Ganescha – Glöckchen zum Zeichen, dort gewesen zu sein, anschlug. Da aber lag kein Obst auf den Wiesen, die Gärten schienen gut bestellt. Häuser sind aufwendig renoviert worden aber ansonsten wächst der Ort zu. Sicher ist es so gewollt, damit die Meditationen vor neugierigen Blicken geschützt sind.

Hier werden die Mauern aus Schieferplatten gebaut. Vielleicht sechs Höfe stehen beieinander, Katzen gibt es und Pferde. Die braunen Kühe auf der Wiese glotzen erstaunt und neugierig, wenn man sich ihnen nähert.

Workshops

Vor Sonnenaufgang am Schreibtisch. Habe im Atelier übernachtet und gefrühstückt, der Himmel ist noch ganz klar. Vielleicht bekomme ich noch etwas Sonne, bevor sich der graue Vorhang wieder schließt.

Ich halte mich an der Kreuzzugssequenz fest, um mir Ruhe zu verordnen. Ich möchte sie nicht ganz so dicht zeichnen, wie die vorige, möchte etwas mehr von den Strukturen sichtbar lassen.

Afterworkshop gestern mit Holzarbeit und zeichnerischen Versuchen. Andreas zeigte ich eine Portraitzeichnung von Max Uhlig und ermunterte ihn, mit lockeren Linien an die Abbildung eines Selbstportraits oder an die Zeichnung eines Gegenstandes heran zu gehen. Dabei benutzte er auch den neuen Brushpen, den wir kürzlich gekauft hatten.

Heute ist der Workshoptag 2. Die Hindemithkinder müssen nun auf den Termin im Architekturmuseum orientiert werden, das muss ich irgendwie vorbereiten. Ich muss Alexander dabei um Hilfe bitten. Aber zunächst wollen wir weiter mit den Masken arbeiten, sie in verschiedenen malerischen Strukturen auf den Hintergründen untergehen lassen. Vielleicht können wir auch Stäbe für die Vordergründe einfärben – mal sehn.

Nun hat sich doch die Sonne durchgesetzt!

Starräugig

Beschlagene Zifferblätter.

Bei dem, was ich sehe kommt mir sowieso nur das in den Sinn und in die Augen, was ich sehen will.

Baumaschinen donnern wir germanische Götter bei der Erschaffung der Welt oder wie Shiva bei einem seiner brutalen Tänze.

Sag der Notarin, wie du dich fühlst. Das kann sie dann aufschreiben, abstempeln und beglaubigen, jeden Tag starräugig aus deiner Seele vorlesend.

Echnaton geriet zweitausend Jahre in Vergessenheit, weil er keine Jünger und keine Nachfolger hatte. Dann tauchte die Büste der Nofretete auf, später die Existenz einer zweiten Partnerin, die vielleicht noch mehr Einfluss auf ihn hatte. Das Licht in der Hand.

Die Tage sind immer noch mild. Mir ist ein Gespräch angeboten worden, das ich gerne annehmen will. Die Pflanzen müssen wahrscheinlich noch nicht rein. Winter wartet erst mal.

Kreuzzugssequenz

Auf Rolle 6 begann ich auf der Grundlage einer Zeichnung, die eigentlich gar keine ist, eine neue Sequenz. Es handelt sich dabei um eine Bearbeitungsspur auf der Rückseite einer Monotypie vom 18.08. 1987. Damals arbeitete ich zum achthundertfünfzigjährigen Jubiläum des Zisterzienserklosters Bebenhausen an einer Serie zum Thema Kreuzzüge. Erkennbar ist eine Ritterfigur, die einen am Boden liegenden Feind mit einem großen Schwert zweiteilt. Verschlungene Linien und konstruktive Elemente begegnen sich dabei und bilden eine ganz gute Grundlage zum Weiterarbeiten.

In einem Telekommunikationsladen habe ich mir nun einen Internetanschluss für das Atelier bestellt. In den nächsten Tagen wird mir mitgeteilt, wann die Leitung gelegt wird. Dann wird alles einfacher und dann kann ich auch mit meiner Website umziehen.

Am Nachmittag im Atelier von Franz Konter zu Besuch. Kurzes, schönes Gespräch mit ihm. Er macht Texte, von denen er mir einen in Buchform gab, der den Titel „Auf & Zu“ trägt. Der Inhalt ist konsequent, radikal und weist eine formale Kontinuität des Nichtendenwollens ohne Anfang auf. Die Abschnitte sind herausgegriffen aus seinem Bewusstseinsstrom.

Abends im Atelier. Wir hörten laut und genussvoll Musik und arbeiteten alle an unseren eigenen Dingen. Maj an ihrer Holzfigur, Julia an Zeichnungen, die mit Erinnerung zutun haben und ich an meiner Kreuzzugssequenz auf der Transparentpapierrolle. Ein netter Abend.

Nr. 1000

In der Stadt fanden wir eine Stelle, wo man schnell einen guten Chai Masala bekommen kann. Das ist auch das Restaurant, wo es günstige kleine pakistanische Gerichte mit Lamm, Huhn oder vegetarisch zu kaufen gibt.

Hier im Atelier achte ich nun etwas mehr auf Sauberkeit und auf aufgeräumte freie Flächen. Unordnung stört mich in diesem Raum, der nun auch mein Wohnraum ist, zunehmend.

In einem Telekommunikationsladen werde ich heute für mich eine Internetleitung in mein Atelier bestellen. Dazu gibt’s dann auch ein Festnetztelefon oder etwas in dieser Art, damit ich meine Kontakte leichter pflegen und die Projekte besser koordinieren kann.

Im Städelmuseum in den Kellerhallen sahen wir gestern das Informel. Diese Zeit und diese Stilrichtung hat es mir zunehmend angetan. Zwischendrin habe ich beim Sehen manchmal leichte Kreislaufschwierigkeiten. Die Ausstellungen anschauen, ist für mich zunehmend oft sehr anstrengend.

Am Abend im Atelier las ich in „Ein Tag im Jahr“ von Christa Wolf. Ich kann gut darin herumblättern und mich erinnern, indem ich nachschlage, was an diesem 27. September jedes Jahres für mich selbst wichtig war. Interessante Vergleiche.

Regen Tag und Nacht

Auf dem Bahndamm gleiten Sonntagszüge für Regenausflügler in Allwetterkleidung vorüber. Keine donnernden Güterwaggonschlangen, sondern kleine Regionalzüge.

Unser stattlicher Boesnereinkauf steht in Form von Farbflaschen, Papierrollen und Pinseln im Atelier. Die Tuschepinsel, die wie nachfüllbare Brushpens funktionieren, erlauben lange Tuschelinien, die ohne Absetzen gezeichnet werden können. Das geht sicher auch mit farbigen Tinten oder anderem klaren Material.

Normalerweise werden Materialfragen in meinen Räumen bescheiden beantwortet. Kürzlich malten wir beispielsweise wieder mit Erfolg auf Filzpappe mit nur weißer Wandfarbe, Acrylfarben und Rakeltechniken…

Regen Tag und Nacht.

Gestern im Städtchen auf der Konstalberwache beim Wochenmarkt. Menschen anschauen, die gute Stimmung genießen, Wein trinken, leckere Dinge essen.

Abends im Atelier beginnende Holzbildhauerei. Eine Technoparty bei Günes verhinderte konzentriertes Arbeiten.

Erinnerungsblick der Pensionäre

Eben beim Frühstück dachte ich noch, dass das Atelier so abgeschirmt ist mitten in der Stadt, dass ich ganz in Ruhe gelassen werde. Jetzt aber rollt durchdringender Flugzeugdonner der Starts herein.

Manchmal kommen pensionierte ältere Männer zu Fuß oder mit dem Fahrrad auf das Gelände und schauen sich in einer Weise um, dass man glaubt, sie haben hier mal bei Teves gearbeitet.

Dieser Erinnerungsblick…

Helga hat gestern einen Andruck des Leporellos mitgebracht, der den Stand unserer Arbeit am Zwangsarbeitergedenken zeigen soll. Im nächsten Schritt soll Zwischenraum e.V. als Kooperationspartner fungieren, wenn es um die Umsetzung der Idee in ein Denkmal gehen soll. Es wäre auch gut jüngere Leute mit dabei zu haben, damit auch so etwas wie ein Generationswechsel beginnen kann.

Gerne hätte ich auch Cordula und Nora dabei.

Das Wochenende verbringe ich im Atelier und vielleicht jetzt gleich auf dem Markt an der Konstablerwache. Mit dem Rad unterwegs zu sein, fühlt sich sehr frei an.

Rundhorizonte | Masken

Freitag – Workshoptag 2 – Beatles am Morgen. Ich habe hier im Atelier geschlafen, Treffe mich gleich mit Alexander Klett und gehe dann zum Boesner Farben kaufen.

Auf dem Wochenmarkt am Weinstand werden wir unsere Freunde treffen, mit denen wir gemeinsam neue Wege der Zusammenarbeit ausprobieren wollen. Sie wollen mich in meiner Arbeit unterstützen.

Die Hindemithkinder sind da und basteln mit Maj an den Boxen für das Architekturmuseum, wo wir im Dezember unsere Ausstellung eröffnen werden. Heute werden Masken auf Hintergründe montiert und so bemalt, dass sie mit dem Rundhorizont der Boxen verschmelzen. Erst auf den zweiten Blick werden die Ausstellungsbesucher sehen, dass die Masken überhaupt vorhanden sind.

Zerbrochene Sichel

Donnerstag – Workshoptag 1 der Woche – morgen Workshoptag 2 mit den Hindemithkindern, die hoffentlich wieder zahlreich erscheinen werden.

Kontaktversuche mit Alexander und mit Franz. Bei beiden fuhr ich einfach auf Verdacht vorbei, wie in den Zeiten, als ich kein Telefon hatte, man sich manchmal mit einer Postkarte ankündigte.

Die Heizung rauscht in meinem Rücken, Nebel der sich manchmal an wenigen Stellen etwas aufhellt, greift in die schütteren Farben der Baumkronen.

Mit Lust riss ich die Brombeerwurzeln heraus, die sich unserer Wiese immer weiter bemächtigen wollten. Mit Roland arbeite ich an dieser Stelle uneigennützig und ehrenamtlich ein wenig an der Pflege unseres Geländes. Dabei ist mir leider eine handgeschmiedete Sichel bei ihrer Begegnung mit einem Stein gebrochen, die ich in Indien gekauft hatte (EVERY THING IS BROKEN). Die großen Pflastersteine aus Granit dienen uns normalerweise zur Abgrenzung der Wiese gegen parkende Autos. Nur auf diese Weise ist sie überhaupt entstanden. Sie werden dann aber von solchen, denen sie im Wege sind, in hohem Bogen ins Gesträuch geworfen.

Dringend benötige ich nun einen vernünftigen Internetanschluss in meinem Atelier, damit dieses Hin und Her mit Speichermedien zwischen Wohnung und den Rechnern hier aufhört. Das kostet nur Zeit und Nerven.

BROKEN

Der Bagger in der Nachbarschaft lärmt und reißt den Betonboden auf, wie in der gesamten Umgebung, wo neue Leitungen für die neuen Wohngebiete entstehen. Nun werde ich mich daran gewöhnen müssen, denn noch weit umfangreichere Abrissarbeiten stehen im wahrsten Sinne des Wortes vor der Tür.

Alle Dinge, die passieren schieben sich in das Bedeutungsraster EVERY THING IS BROKEN. Das gilt für die Nachbargebäude, meinen Pfad im Taunus und auch für Freundschaften.

Aber all diese Dinge weichen einer Neuorganisation, ein Wohnviertel,  neue Freunde neben alten, die treu bleiben und die nun veränderte Waldarbeit. All dies geschieht zugleich und belebt.

Auch der jüngste 3-D-Ansatz den ich in Zusammenarbeit mit dem Architekturmuseum fand, passt in diese Entwicklungen. Wir haben einen 3-D-Drucker gefunden, der sich in eine CNC-Fräse und in eine Gravurmaschine umwandeln lässt. Das geschieht einfach mit den entsprechenden Aufsätzen.

Fuge | Hochnebel | Haare

Die Kunst der Fuge – Hochnebel – ich verliere Haare. Draußen beginnen die Bagger in der Nachbarschaft mit dem Aufreißen der versiegelten Erde. Das sind die Vorboten der Abrissarbeiten. Gute Bausubstanz wird dem Schnellbau von Wohnungen weichen.

Die Vereinsarbeit würde ich gerne über die engen Grenzen des Gallus hinaus erweitern. Die Vergrößerung des Gesichtsfeldes wäre vielleicht auch mit jüngeren Mitgliedern möglich. Dafür sind Veränderungen notwendig, die uns nun ins Haus stehen.

Die Recherchen zu den 3-D-Plottern gehen voran. Auch ein 3-D-Scanner ist ins Auge gefasst. Das würde bedeuten, dass nun meine Träume von 1997 so langsam wahr werden. Damals habe ich TRIXEL PLANET erfunden und das Projekt der Suche nach Wanderungsspuren und ihrer Verflechtungen.

Die Arbeit am Zwangsarbeitergedenken geht in eine neue Runde. Mit einem Leporello soll auf die bisher geleistete Arbeit hingewiesen werden.

3-D-Umbruch

Im Architekturmuseum habe ich heute das kommende Arbeitsjahr besprochen. Es sieht spannende Inhalte vor. Vielleicht kann ein 3-D-Plotter dafür in den Dienst genommen werden.

Außerdem sprachen wir über die nächste Ausstellung, die nun am 10. Dezember eröffnet werden soll. Ich freue mich auf einen langen Fotografiestreifen, der unsere Arbeit von einem Jahr dokumentieren wird.

Ansonsten wird das Ganze etwas ruppiger aussehen als vor ein paar Jahren die sehr ästhetische Ausstellung zum Handprint Frankfurt.

Für die kommende Arbeit muss der Verein gründlich umstrukturiert werden. Die Veränderungen scheinen sich in alle Sphären zu erweitern. Ein wirklicher Umbruch.

Vieles der Tagebucharbeit ist liegen geblieben und muss nachgearbeitet werden. Dadurch ist alles etwas abgespeckt und hat nichts mehr mit dem handschriftlichen Arbeitstagebuch zutun.

Volksfeste

Das fünfundzwanzigjährige Jubiläum des Mauerfalls heute. Allenthalben Volksfeste hier in der Nähe der ehemaligen „Grünen Grenze“. Menschen aus Ost und West treffen sich und erinnern alles verschieden.

In einer Zisterzienserkapelle habe ich eine Kerze angezündet, nicht für einen Toten, sondern für das Leben und die Hoffnung.

Am Tisch mit meinen Eltern stellte ich Fragen nach der Vergangenheit, oder reichte solche, die mir Maj gestellt hatte weiter. Sie wurden bereitwillig beantwortet.

Würde ich nun die alten Gespenster wieder auferstehen sehen, wäre das der wahre vorzeitige Tod, ohne Hoffnung.

Alexisbad

Alexisbad – draußen ist es bereits nach dem Kaffeetrinken zum Achtzigsten meiner Mutter dunkel. Das enge felsige Tal ist von einer langen Erzbergbautradition geprägt. Kleinteilige Industrieansiedlungen verhütteten den Bodenschatz bis in die Wendejahre.

Eine Andere Tradition ist die der Kurbäder. Die Hotels erinnern an berühmte Gäste, wie Ibsen oder Schinkel, der dort eine kleine Holzkapelle gebaut hat.

Die Landschaften kommen mir hier im Südharz rau vor. Alles erscheint mir klein, die Häuser, die Einteilungen der Landschaft, die Berge und fast glaube ich, auch die Menschen.

Der Geburtstag meiner Mutter ist ein langes Essen mit kleineren Pausen. Fröhlich am späteren Abend in der Bar.

Sieben Blätter


Gestern Abend malten wir sieben Kooperationsblätter – ein produktiver Workshop. Akribisch und gleichzeitig in naiver Manier zeichnete unser Neuzugang Gegenstände mit Tusche auf Papier. Er bringt eine zusätzliche Konzentration mit in der Donnerstagabend. Das macht mir Spaß.

Gerade hörte ich den „Doppelkopf“ vom Hessischen Rundfunk mit Barbara Henke, die Joachim Gauck interviewte. Er sagte im Zusammenhang mit der DDR-Zeit sinngemäß, dass wir uns als Dissidenten im Osten eine emotionale Härte angewöhnten, die uns geholfen hätte, die Situation weitgehend unbeschadet zu überstehen. Das kann ich sehr gut nachvollziehen und erinnern.

Die novemberne Trübnis im Himmel hat zumindest die Gewissheit in sich, dass es in anderthalb Monaten wieder heller wird.

Akkorde

Leichter Hall in den paar Akkorden, die ich im schrägen Morgenlicht des Ateliers anschlug – etwas Scream, etwas Crunch. Der Sound verleiht mir einen etwas anderen Standort für den Arbeitsbeginn des Tages, auch wenn Glenn Gould jetzt die Partita Nr. 6 von Bach spielt.

Gestern ist die Sequenz der Sonnenfigur fertig geworden, und heute muss ich mich erst einmal wieder besinnen, wie es weiter gehen soll. Gerne würde ich bei dem Material bleiben, das sich aus der Felsgravur mit der Giraffe und dem Sonnensymbol, einer Rock`n Roll- und der Sonnenfigur zusammensetzt. Sie bilden zusammen mit alten Fotos mein derzeitiges Material.

Zum Wochenende hin drängt sich einiges zusammen. Da gibt es noch Material, das ich für mein Treffen im Architekturmuseum zusammenstellen möchte, es steigt am Horizont der Achtzigste meiner Mutter im Harz auf, weswegen ich einen Termin mit Helga heute abgesagt habe.

Dieser fertige, dichte Block der Sonnenfigur verschafft mir für die folgende Arbeit eine Ausgangssubstanz, die Fundament und Fluidum zugleich ist. Die Arbeit steht auf dem hohen neuen Arbeitstisch und behauptet sich im schnell wechselnden Licht.

Luft komprimieren

Durch die Kühle der Straßen ins Atelier zu radeln, ist wie frische Luft in sich zu komprimieren. Diese Verdichtung ist Nahrung für einen ganzen Tag.

Stunden um Stunden arbeitete ich gestern an der Sequenz der Sonnenfigur auf Rolle 6. Das ging bis weit in den Abend. Dabei interessieren mich jetzt besonders die Grauwerte, die durch die beidseitigen Tuschezeichnungen auf dem Transparentpapier entstehen. Jetzt durch die fortgeschrittene Verdunklung der Gesamtsequenz treten neue Figuren hervor, neue Rhythmen, Richtungen, Flecken, die zu anderen Bildern zusammenwachsen können, wenn man dem Gehirn die Möglichkeiten dazu bereitet. Diese Möglichkeiten würde ich gerne außerhalb der Rolle gesondert ausprobieren, indem ich einen einzelnen Streifen Transparentpapier darüber lege, um die neuen Konstellationen durchzeichnen zu können.

Gestern rief Vinzenz an, um mir von seinem neuen Werk in der Neuen Nationalgalerie zu berichten. Im Rahmen einer Ausstellung von David Chipperfield organisierte Olafur Eliasson eine Beteiligung seiner Studenten vom Institut für Raumexperimente. Vinzenz verkleidete sich aus diesem Anlass in den Schöpfer der Architektur der Nationalgalerie Mies van der Rohe und mischte sich so unter das Publikum. Dabei lernte er viele wichtige Leute kennen…

Verdichtung kippt in die Dunkelheit

Rolle 6 steht rechts neben mir auf dem Atelierschreibtisch, den Rolltorfenstern zugewandt. Leicht entrollt wird die hervorschauende Sonnenfigurensequenz von hinten durchleuchtet. An ihr arbeitete ich gestern mit wachsender Begeisterung bis in den späteren Abend. Langsam nehmen die transparenten, hellen Zwischenräume ab und die dunklen, verdichteten Überlagerungen beginnen die Oberhand zu gewinnen. Dieses annähernde Gleichgewicht beherbergt einen magischen Moment, an dem die Verdichtung in die Dunkelheit kippt.

In der Frankenallee stand die Rolle mit der aktuellen Sequenz meistens vor dem Fenster auf dem Schreibtisch und wurde von Norden her durchleuchtet. Ich sah das sehr gerne, die Szenen dahinter mit den immer gleichen Figuren.

Gleich gehe ich von hier aus dem Atelier einkaufen und trage die Dinge dann auch zunächst hierher zurück. Das Leben auf dem Gelände fühlt sich langsam normaler an.

Kleine Dinge, die ich im Raum verändere, verändern meinen Blick. Ich teste so die Malereien unserer Kooperationen auf Beständigkeit und stelle sie dafür in meine Sichtachsen.

An den Tagen, an denen ich lange und allein hier im Atelier bin, erinnere ich mich manchmal an meine Dachkammer, die der erste Raum war, den ich mir einrichten konnte. Das war ein glückliches Gefühl.

Holz | Pflanzen | Ecken

Wir besuchten gestern das Archäologiemuseum. Die Sonderausstellung zum Kolosseum in Rom und über das Leben der Gladiatoren, war nicht der Anlass unseres Interesses. Eher waren wir wegen der Töpferwaren gekommen, für die Maj Expertin ist. Sie kann die handwerklichen Qualitäten der Urheber der vielen Einzelstücke aus 3 Jahrtausenden einschätzen. Mir gefielen die mannigfaltigen Silhouetten und ihr Zusammenhang mit den Stilen der Bemalungen. Eine Zwiesprache, die ich auch gern einmal probieren würde.

Während ich gestern an meinen Texten und Zeichnungen arbeitete, räumte Maj eine weitere Kramecke des Ateliers aus. Dort hatte sich im Verlauf von zehn Jahren Holz angesammelt, wie es immer wieder zum Bauen oder schnitzen gebraucht wird. So entstanden also wieder mehr Fußraum, mehr Ordnung und mehr Klarheit.

Bei diesen Räumaktionen kommt unter dem Staub manches Teil zum Vorschein, das sich in neuem Licht ganz attraktiv zeigt. So steht nun mein Pilgertotem so im Licht, dass seine Transparenz mehr zur Geltung kommt.

Mit Blick auf die Frostempfindlichen Pflanzen schaue ich immer mal auf die Wetterberichte, kann aber alles noch bis auf weiteres draußen stehen lassen. Dann aber entsteht bald wieder das Gewächshaus, das die Subtropen in den Winterraum transportiert.

Malerische Kooperationen

Auf der Finissage von Franz überkam uns die Lust ins Atelier zu gehen um dort gemeinsam zu malen. Die Kooperationen der zwei Maler, die uns einiges voraushaben, hatten uns dazu inspiriert. Aber mich verließ alsbald der Elan, weil ich die ganze Zeit dachte, dass ich etwas anderes tun müsse, als zu malen. Ich meinte das irgendwie hinter mir zu haben, es zog mich eher zur Rolle 6 oder anderen zeichnerischen Dingen, die immer mit Transparentpapier zutun haben.

Franz erzählte, dass auch er eine Phase der Reduktion hinter sich habe, aber aus dem Erlebnis einer Ausstellung russischer Maler in Schottland wieder zur üppigen Malerei gekommen sei.

Die malerischen Fähigkeiten der beiden künstlerischen Kooperationspartner sind vielgestaltiger als unsere, und ihre Persönlichkeiten sind stärker ausgeprägt, wodurch die vielen Formate die sie innerhalb einer Woche geschaffen hatten in den Liniengeflechten und Farbflächen sehr spannungsreich sind.

Am Nachmittag zuvor baute ich den Tonschlagtisch für Maj fertig. Danach machte ich mich an die vier Meter lange und einen Meter breite Palette heran, die wir kürzlich mit unseren Fahrrädern hierher transportierten. Aus ihr baute ich ein Bettgestell, das hinter die großen Regale hinter dem großen Bild passt. Dort kann man nun zur Not übernachten.

Sonnenfigur

Die Stille im Atelier – von gestern Abend liegen noch Bücher herum, in denen wir nach zeichnerischen Schraffuren und nach aztekischen Reliefs suchten. Auf dem kleinen runden Tisch, der uns ein Wohntisch geworden ist, stehen noch ausgetrunkene Weingläser, drei Blätter von Maj liegen auf dem Boden.

Tagsüber hatte ich mit meinen täglichen Notizen zutun, mit den Zeichnungen und den digitalen Collagen. Bis zum Workshop am Abend zeichnete ich nachmittags ein paar Stunden konzentriert an Rolle 6. Die Sequenz die gerade entsteht ist die der Sonnenfigur. Mit der Namensgebung werde ich ihrer in den Texten habhaft, was mir wichtig erscheint. Es ist als gebäre sie eine Sonne, die sich langsam eindunkelt. Das erinnert mich an die Gebärende im großen Tempel von Madurai, ihren butterglänzenden Körper, der immer mit roter Seide verhüllt wurde.

Erinnerung an die Double Dylans, die hier vor dem großen Bild „Forever Young“ sangen…

Zuwachs zu unserem Workshop am Donnerstagabend. Andreas ist ein eher zurückhaltender Mann, der sich mit Konstruktionsprogrammen und mit Schweißen auskennt und ganz gut zeichnen kann.

Nobel, langweilig, kokett

Portraitmalereien in der Schirnkunsthalle von einer finnischen Malerin aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Die Künstlerin hat sich 1902 zurückgezogen und malte bis 1945 irgendwo in einer selbst gewählten Einsamkeit. Ihre Selbstportraits, die sie zeitlebens gemalt hat zeichnen ihren künstlerischen Weg vom Naturalismus bis in den Expressionismus nach. Diese haben mich am meisten beeindruckt, insbesondere durch ihre Farbigkeit, die das Grau in allen Facetten kultiviert. Weniger überzeugten mich dagegen die an die Linienführung von Modezeichnungen erinnernden Portraits.

Danach der Film eines maghrebinischen Franzosen innerhalb der Reihe „Doublefeature“, ebenfalls in der Schirn. Er stellte mit einem etwas langweilig abgefilmten langweiligen Powerpointvortrag den banalen Zusammenhang von Drogengeschäftsmechanismen und Bankgeschäften her. Die anschließende Diskussion mit dem Künstler konnte der Verflachung der Kunstfilmgattung in diesem Streifen nicht entgegenwirken.

Den Stadtregen warteten wir nach dem Film in der Tablebar neben der Schirn bei einem Bier ab. Die Kellnerinnen streiften sich lasziv durch ihr gebügeltes Haar, während sie die Bestellungen aufnahmen. Auch sonst räkelten sie sich gekonnt kokett in ihren Servierschürzen. Die Beobachtungsgabe kehrt wieder zurück.

Zwei konzentrierte Stunden am Nachmittag an Rolle 6. Mir war als kämen die Geister wieder, die meiner Ruhe und Arbeit abhanden gekommen waren.

Leerer Raum

Leere im Raum – beherrschend. Alles, was ich anfasse, hat keine Bedeutung.

Das Flugzeug, das jetzt über mich hinweg fliegt, hört auch sie, in diesem Moment – jetzt, am Schreibtisch vielleicht.

Anne schenkte mir vor einer Zeit Foto CDs, die sie schön nach Zeitabschnitten geordnet hatte. Es sind alles Scans von teilweise selbst vergrößerten und entwickelten Abzügen von 1978 bis 1989. Viele stammen aus der Dresdner Zeit und haben eine stille Atmosphäre, viel Beieinandersein mit Familie und Freunden.

Habe mir einen heißen Kaffee gemacht und mich warm angezogen. An Klamotten herrscht ja nun hier kein Mangel mehr. Die Heizung war wieder ausgefallen und die Raumtemperatur fiel noch niedriger als gestern.

Die Regelmäßigkeit unserer Museumsbesuche an den Wochenenden paart sich mit der Suche nach indischen Läden und dem Stöbern nach Gewürzen für unsere Küche. Wenn ich derzeit das Atelier betrete riecht es eher nach Currygerichten als nach Farben.

Kontaktabzüge

Ganz im Hintergrund der gestrigen Collage steht ein Portrait meiner Mutter von meinem Einschulungsfoto. Die alten Fotografien haben die Magie der Seltenheit einer Aufnahme. Oft sind die Abzüge nicht größer als die Negative, sind also eigentlich Kontaktabzüge.

Ganz oben auf heute eine Sequenz von Rolle 6 mit dem Auszug einer Tagebuchzeichnung. Langsam verbinden sich die täglichen Verwischungen mit weiteren Gestaltungsexperimenten. Somit werden die Tagebuchzeichnungen etwas abwechslungsreicher.

Die Heizung im Atelier ist ausgefallen – unangenehm bei einer Außentemperatur von acht Grad. Ich könnte alle elektrischen Lampen um mich herum installieren, um mir etwas Wärme zu verschaffen, könnte aber auch schon etwas für den Winter trainieren. In Decken eingehüllt sitze ich erst mal am Schreibtisch und harre dem Heizungsmonteur.

Am Abend zeichnete ich endlich wieder an Rolle 6. Ein Gefühl der künstlerischen Kleinstbewegung, Kontinuität und der Beruhigung, die sich notwendig anfühlt. Form, Funktion und Arbeitsweise der Rollen sind ein Zeichen für gleich bleibendes langsam voranschreitendes Arbeiten.

Bin heute spät dran im Atelier, hatte mich vorher im Netz um Kommunikation zu kümmern.

Rolle 6

Ganz im Hintergrund der gestrigen Collage steht ein Portrait meiner Mutter von meinem Einschulungsfoto. Die alten Fotografien haben die Magie der Seltenheit einer Aufnahme. Oft sind die Abzüge nicht größer als die Negative, sind also eigentlich Kontaktabzüge.

Ganz oben auf heute eine Sequenz von Rolle 6 mit dem Auszug einer Tagebuchzeichnung. Langsam verbinden sich die täglichen Verwischungen mit weiteren Gestaltungsexperimenten. Somit werden die Tagebuchzeichnungen etwas abwechslungsreicher.

Die Heizung im Atelier ist ausgefallen – unangenehm bei einer Außentemperatur von acht Grad. Ich könnte alle elektrischen Lampen um mich herum installieren, um mir etwas Wärme zu verschaffen, könnte aber auch schon etwas für den Winter trainieren. In Decken eingehüllt sitze ich erst mal am Schreibtisch und harre dem Heizungsmonteur.

Am Abend zeichnete ich endlich wieder an Rolle 6. Ein Gefühl der künstlerischen Kleinstbewegung, Kontinuität und der Beruhigung, die sich notwendig anfühlt. Form, Funktion und Arbeitsweise der Rollen sind ein Zeichen für gleich bleibendes langsam voranschreitendes Arbeiten.

Bin heute spät dran im Atelier, hatte mich vorher im Netz um Kommunikation zu kümmern.

Kleinode

Am Morgen räume ich ganz gerne erst einmal etwas im Atelier herum. Ich komme gegen Acht an, schalte die Nachrichten des Deutschlandfunks ein, hänge die Fahrradtasche, den Anorak und den Schlüssel an die Plätze, die ich dafür gefunden habe. Dann gibt es Milchkaffee, dessen Zubereitung sich am Tage mehrmals wiederholt.

Malereien von Maj benötigen ihren Platz zum Anschauen, zum Verändern und Weitermalen. Die hänge ich auf, platziere immer neue an dem ihnen zugewiesenen Ort.

Es geht auf den Winter zu. Das beunruhigt mich in diesem Jahr. Ich weiß, dass es mehr Kraft kosten wird, ihn unbeschadet zu überstehen, als in anderen Jahren.

Mein Weg im Taunus bleibt vernachlässigt. Ich meide ihn, wie auf eine Anweisung hin. Er wird mir langsam fremd, fern und verblasst – eine Erinnerung. Meine Zuneigung wurde umgepflügt. Es schmerzt an die vielen Stellen zu denken, die nun verloren und verschwunden sind, die Kleinode der winzigen Landschaften am Weg.

Vorzugsweise

Ohne Sinn fiel mir das Wort „Vorzugsweise“ ein, als ich mich im Atelier an den Schreibtisch setzte.

Mit seinem Trio spielt Brad Mehldau – erinnere mich an seine Konzentration in der Alten Oper – gute Plätze weit vorne – wenn schon…

Ruhiger Herbsttag heute. Im Alten Zollamt sahen wir ein reisendes Museum einer Inderin. In handgefertigten Klappschränken lagern gerahmte Fotografien indischer Szenen.

Wir aßen in einem Imbiss einen Samosateller mit Salat und Dressing, kauften ein Minzchutney, radelten in der Stadt herum und besichtigten Galerien und Gewürzläden.

Lange war ich nicht mehr auf meinem Weg im Taunus. Je weniger ich ihn sehe, umso leichter fällt es mir ihn zeitweise zu vergessen. Ich frage mich, ob seine Zeit nun vorbei ist, ohne dass ich das geschafft habe, was ich mir erhoffte.

Ein großer indischer Gemüseeintopf und ein Lammcurry, das wir gestern kochten, werden uns über die Woche hin ernähren.

Einkäufe

Eine neue Spielstätte des Museums für Moderne Kunst befindet sich in einer Etage eines neu gebauten Hochhauses in der Innenstadt. Dort besuchten wir heute die Werke von Rosemarie Trockel, Barbara Klemm und Andy Warhol. Eine großzügige Location inmitten der Bankenwelt.

Jetzt im Atelier.

Wie trugen Einkäufe hierher, um hier zu kochen, zu essen zu trinken, zu arbeiten und einfach hier zwischen den Werken und den Büchern zu sein. Maj malt auf Papier, ich schreibe und wir hören dabei Dylanmusik.

Ich trinke Kaffee und Wein abwechselnd, habe mich beim Radfahren in der Stadt angestrengt, beim Regalbauen in der vergangenen Woche, beim Herumräumen und in den Stunden, in denen ich meiner Vergangenheit nachhing.

Das Leben ist nun auf eine grundlegende Art und Weise anstrengender geworden. Ich habe die Welt, zu der ich bis vor wenigen Monaten zugehörte, die ich, wie ich nun spüre, sehr gebraucht habe, mit eigener Energie zu ersetzen.

Die Glocken läuten ihr sonnabendliches Sechsuhrläuten. Das ist eine Kontinuität, die mich sehr anrührt.

Unlust

Freitag – ich umfuhr den Markt, mied die Quäkerwiese.

Jetzt im Atelier ein kleines Licht über dem Papier. Habe es heute mit den Lehrlingen zutun, mit ihrer Unlust.

Nebel ist herab gefallen und hüllt die Stadtsilhouette ein. Die Nacht hielt noch Sterne bereit. Der Wind, der den Herbst einlud, sich aufbäumte und die Nordsee aufwühlte, ließ nach.

Zwischen den Rolltoren, an meiner Südostwand, steht nun ein neues und großes Regal, an dem ich gestern den ganzen Nachmittag baute. Wegen des gleichen einfachen Materials und der gleich bleibenden Maße, fügt es sich in den Raum ein.

Am Abend kam Maj und wollte malen. Ich räumte lieber noch ein wenig herum, um mehr Fußraum zu bekommen, der das Atelier etwas großzügiger erscheinen lässt.

Die Veränderung meiner Lebensumstände nagt immer noch an meiner Produktivität. Das wird sich heute auch nicht ändern.

Schaufelsoldaten

Einen dunklen, alten Schrank, der noch aus den Zeiten der Islamischen Union Hessens auf diesem Gelände stammt, habe ich ausgeräumt und die in ihm gelagerten Dinge auf die freien Regalbretter getan, um ihn rauszuschaffen. Nun ist Platz für ein helles, neues, geräumiges Regal. Das habe ich gestern am Nachmittag begonnen zu bauen und am Abend half mir Maj, die Sprossen dafür zu sägen. Noch heute am Vormittag will ich beginnen, es zusammenzubauen, denn draußen wird es immer kälter, und die Pflanzen müssen bald hereingeräumt werden in ihr Winterquartier hinter die Fenster der Rolltore.

Beim Ausräumen von Lagerecken kam mir gestern eine Sammlung von Schaufeln in die Hände, die ich reinigte und nebeneinander an eine Wand stellte. Nun stehen sie da, wie ausgemusterte Soldaten einer Arbeitsarmee.

Jetzt am Morgen im Seitenlicht der frühen Sonne, höre ich die ganz alten Beatlessongs und versuche ihren Schwung mit in den Tag zu nehmen.

Vor der Tür arbeiten Schreiner an Hochbeeten, die zwar für Grün auf dem Beton sorgen sollen, uns zunächst aber in erster Linie mit ihren dunklen Holzvolumen die Sicht versperren.

Einschulung

Auf der Box sitzend, mit Blick auf die große Regalwand und im Rücken das Rauschen der Heizung, vermittelt sich Sicherheit, nachdem ich durch einen kalten Nordwestwind und Regen mit dem Fahrrad ins Atelier gefahren bin. Schon gestern fuhr ich am Abend mit voller Regenausrüstung nach Hause. Ich habe dadurch ein freieres, vielleicht auch etwas gesünderes Gefühl.

Rolle 6 habe ich mir zurechtgelegt, um wieder an die letzten Zeichnungen und Sequenzen anknüpfen zu können. Es geht etwas schwerfällig nach allen Veränderungen.

Das Licht im Atelier wechselt schnell, weil sich Wolken und Wolkenlücken schnell von Nordwesten unter der Sonne hindurch schieben.

Die täglichen Textabschnitte im Netz bekommen Lücken. Manchmal ist der gebührende und notwendige Abstand zu den nahen Dingen nicht herstellbar. Sie sind deswegen nicht rücksichtsvoll darzustellen.

Im Abbildungsstreifen befindet sich als Ausschnitt einer Fotografie meiner Einschulung das Gesicht meines Vaters. Ein persönlicher Ausgleich zum sonstigen Verstummen.

Fähre

Es macht mir ein sicheres Gefühl, dass ich nach drei Monaten Abstinenz wieder zu Dylan zurückgefunden habe. Das ist keine Ankunft, aber ein Richtungseinschlag.

Manchmal greife ich auch wieder zur Gitarre, manchmal sogar mit Maj`s Bassunterstützung zusammen.

Der Abend im Atelier gehörte den alten Dateien auf Disketten, in denen ich herumgekramt habe. Außerdem fand ich zwanzig Jahre alte Software, mit der ich damals so gut gearbeitet habe. Vielleicht kann ich sie wieder reaktivieren, um auf die alten Dateiformate zurückgreifen zu können. Auch würden mich die alten Arbeitsweisen noch einmal interessieren. Das Herumräumen, Sichten von altem Material und das neue Ordnen dessen, schafft eine Arbeitsatmosphäre für das neue Projekt, das mit den Erinnerungen während des Alterns zutun hat.

So entsteht an den gegenwärtigen Abenden im Atelier eine andere Arbeitsstruktur, die Optionen für die nächste Zeit wachsen lässt.

In die tägliche Collage mit den Dingen die mir aktuell durch Kopf und Finger gehen, habe ich nun erstmalig ein altes Foto eingefügt. Es zeigt die Elbfähre in Gauernitz bei Eisgang.

Lands`End

Später Nachmittag oder früher Abend im Atelier. Nachrichten vom Deutschlandfunk. Ich kann laut Musik hören, kann hinausgehen, wenn ich unruhig werde, kann mich bewegen, wie es mir gefällt.

Draußen vor der Tür sitzen die Türken zusammen und reden in türkischer Sprache, schon lange.

Es sind warme Tage. Man kann gemütlich an einem Sonntag im Städtchen unterwegs sein, sich Ausstellungen anschauen und in Eröffnungen geraten, wo man hoffnungslos underdressed ist.

Wie saßen am „Landsend“, schauten in die Sonnenreflexionen am Ausgang des westlichen Hafenbeckens. Maj hat die Menschen gezeichnet, ich döste in der Sonne und wechselte vom Herumlümmeln ins Liegen, schaute in den Himmel und beobachtete das aeronautische Geschehen. Als das Bier alle wurde, zog es mich weg.

Gestern verbrachte ich den ganzen Tag bis in den späteren Abend im Atelier. Mal kochte mittags einen großen Topf Suppe, den wir langsam bis zum Abend auslöffelten. Die alten indischen Gewürze tun da noch gute Dienste.

Jetzt höre ich „Oh Mercy“ vom Meister und bin ganz auf meiner Seite

Ein Zuhause

Iron Butterfly von 1968 in der Stille des Ateliers mit unbekannten Stücken, wie gemacht für einen solchen Morgen.

Gleichgültig bewölkt zieht das Himmelsgeschehen nach Osten hin vorbei, Güterzüge nach Norden.

Die Malerei von gestern Abend liegt auf dem Boden. Ich möchte für diese schönen Blätter einen Platz finden, vielleicht über meinem Grafikschrank, wo sie abwechselnd hängen können – an einem Ehrenplatz.

Ich gehe zu Bachs Englischen Suiten, von denen niemand weiß, warum sie so heißen. Vom Cembalo bekommt der Morgen seinen Silberschein.

Durch die vielen kleinen Handgriffe tagsüber verändert sich der Atelierraum. Aus diesem heimatlichen Trost beginnt ein Zuhause zu entstehen, das ich in dieser Weise noch nie hatte. Arbeit und Leben verbindet sich hier auf eine selbstverständliche Weise.

Nun begreife ich das Altern als eine Erinnerungsaufgabe. Es ist der letzte Block, den es zu gießen gilt, dicht, schwer und unverrückbar. Damit habe ich auf Rolle 6 begonnen.

Im Gehäuse

Kleinigkeiten umher räumen im Atelier, genussvoll Stapelhölzer einer Holzlieferung fürs Startorante einsammeln, Nachrichten hören, Kaffee kochen, Bach hören mit Glenn Gould. Ich genieße diese ruhigen Tagesanfänge, Pflanzen gießen und auf der „Box On Demand“ sitzend, beginnen zu schreiben in meinem Gehäuse.

Architekturmuseumsprojekt für nächstes Jahr und Ausstellung für dieses Jahr besprochen. Habe da noch etwas Kreativität zu entwickeln.

Sonnenstrahlenmomente zwischen dem Vorbeizug der lockeren Wolken erinnern mich an die Kanaren.

Ich schneide eine Birne und denke an ihren Satz: Ein Birnchen ist gesund und gibt Kraft…

In meinem Raum entdecke ich die Konzentration wieder, finde hoffentlich zurück in die Produktion.

Pommeranzen

Gewitter am Morgen vor dem Küchentisch über den Dachverschachtelungen in der Skyline. Fernes Grollen der Starts am Flughafen jetzt.

In der Satteltasche befindet sich eine Regenhose. Ich bin wettergerüstet nicht erst seit ich Rad fahre.

Zusichkommen, ein Vorgang in den Tagen des Alleinseins im Atelier, auf die Erinnerungen starrend, auf Glück.

Fremde Zitrusfrüchte am Mainufer, Pommereanzen vielleicht. Sie duften nun in Körben im Atelier, ziehen Weinfliegen an und erinnern mit ihrem Geruch an La Palma, an die Zeit der Reisen.

Es sind warme Oktobertage. Ich baue Pflanzkübel mit Auszubildenden, verdiene mir etwas Geld zu dem wenigen, das ich nun brauche.

Was kann kommen im Winter, wenn der Frost den Boden aufbricht, eisglatt und hart, Traumfiguren sich spiegeln in der frühen Dunkelheit.

Renaissancezeichnungen

Sonntagnachmittag in der Herbstsonne die auf mein rechtes Ohr scheint vor dem Rolltor des Ateliers an einem Stehtisch schreibe ich.

Für Maj auf dem Feldbett etwas Schlaf, etwas Kaffee.

Im Städelmuseum sahen wir Zeichnungen der italienischen Renaissance.  Die Linienführung ist oft schnell und auf der Suche nach Lösungen, nach Komposition.

Im Cafe ein Blick auf die sich verändernde Skyline.

Habe ein großes Ruhebedürfnis, will eher wenig mit Menschen zusammenkommen. Andreas ist da eine Ausnahme, auch Anne. Ansonsten will ich alleine meinen Gedanken nachgehen.

Ich habe Arbeitsstunden in der Wohnung von Maj, denen ich nicht konsequent genug nachgehe. Darunter leidet die Arbeit im Netz.

Brennexperiment

Direkt vom Weinstand aus fuhr Anne gestern nach Berlin zurück.

Im Atelier warte ich jetzt auf Andreas, auf ein Gespräch mit ihm. Er möchte wissen, was genau passiert ist. Mir ist das Gespräch mit dem Freund sehr wichtig.

Auf der Hobelbank liegen die Ergebnisse unseres gestrigen Brennexperimentes. Die Tonsplitter sind recht hart, haben sich rot verfärbt, sind aber in der Hitze explodiert. So sind wir mit den Hindemithkindern zu einem Teilerfolg gekommen. Maj meint, dass wir einen Vorbrand benötigen, der sämtliche Flüssigkeit verdampfen lässt. Erst dann können die Brocken heiß gemacht werden. Als nächstes sollte für diese Aktionen genügend Holz gesammelt werden. Auf dem Gelände wird es bald Mangelware…

Muss ich wissen, was mit mir geschieht?

Sonate für Violine und Klavier von Ravel von einer alten russischen Platte aus dem Jahr 1980. Die Komposition ist von 1927. Auf dem Umschlag eine Flusslandschaft von Alfred Sisley.

Nur auf den ersten Blick die richtige Wahl.

Besser wäre ein Max Ernst gewesen.

Muss ich wissen, was genau mit mir geschieht?

Reicht es nicht, es produktiv zu machen?

Projekte in der Zukunft stehen noch etwas in den Sternen. Hätte Lust auf mehr Rückzug, auf mehr Zeit für mich.

Schallplatten, Messe, Familien

In meiner Wohnung, dem Atelier am Morgen. Sie ist nicht so gut für den Winter gerüstet.

Langer Nachmittag mit Anne im Atelier und danach kamen Maj und Julia dazu. Wir hörten die Schallplatten von Gitta.

Auf der Buchmesse am Stand des Architekturmuseums und Treffen mit Anne zum Bier. Sie erzählte von ihren Agentinnen, sehr aufgeräumt und happy.

Am Abend familiäres Kuchenbacken der Kinder…

Ausladend

Es laufen ein paar Bilder von Angkor Wat auf dem Bildschirm. Körperliche Erinnerungen an das Erklimmen der Tempeltürme im Dschungelklima. Regengüsse und Hitze.

Ich bekomme keinen Weiteren Text für die Adlerarbeit zustande. Es fehlt mir die Konzentration mich kurz zu fassen. Alles wird ausladend und verbindet sich mit allem. Zu viele Ideen.

Viele kleinere Veränderungen im Atelier, Lichtsituationen oder andere Arrangements.

Anne ist in einem sechzig Minuten verspäteten Zug unterwegs zu uns und zur Buchmesse.

Neustart am Hang

Die Fotoanzeige des Rechners zeigt die Bilder vom gestrigen Hanggang an. Im Vergleich zu den sanft gestalteten Schwüngen von vorher, hat die streckenweise schwer verwüstete Landschaft nun etwas Apokalyptisches. Manch der großen künstlichen Gesträuche sind von den Waldmaschinen regelrecht zermalmt worden, manche sind nur zur Hälfte stehen geblieben und die andere liegt klein gehackt in den Boden gedrückt daneben. Manchmal sind aber auch die Bäume sauber aus der Installation herausgeschnitten, ohne dass ansonsten viel zerstört wurde.

Die sich nun stellende Herausforderung ist eine große Aufgabe, die sich mir beim gestrigen Bergangehen als unlösbar darstellte. Beim Hinabgehen war das schon anders.

Neben meinen Aufzeichnungen hier im Atelier beschäftige ich mich mit den Zeichenassistenten. Ich justiere an ihnen herum und versuche neue Zeichenmaterialien und neue Strukturen. Sie kommen mir wie Erscheinungen von Gedichten vor.

Wenn ich in den Regalen und in den dort aufbewahrten Kartons stöbere, finde ich Basteleien von der Anne, als sie noch ein Kind war. Das ist rührend und wertvoll.  Alles jetzt hier beisammen.

Zeichenassistenten

Der verbummelte Nachmittag gestern brachte immerhin eine Ausstellungsidee hervor, die mit den Zeichnungsassistenten zutun hat. Wir sind dabei neue Zeichenmaschinen zu erfinden, die vom Wind angetrieben werden. Die können beispielsweise aus Plastikflaschen bestehen, die mit einer Tinte gefüllt sind, die durch ein enges Röhrchen, das mit Schaumstoff gefüllt ist fließt. Die Windschreiber sollen lyrische Konstruktionen sein, zeichnende Skulpturen, deren Blätter ausgestellt werden. Ein gespanntes Drahtseil ist die Hängestrecke für eine Reihe dieser Geschöpfe, die zum Eingang der Ausstellung führt.

Heute habe ich mir ein Herz gefasst und bin mit Maj in den Taunus gefahren, um die Zerstörungen auf dem Pfad am Hang zu besichtigen. Wie erwartet erstreckte sich das Chaos über die unteren zwei Drittel des Weges. Beim Hinaufsteigen kam mir die Veränderung heftiger vor, als ich es erwartet hatte. Viele der Bauten waren einfach nicht mehr da, zerschlagen von umgestürzten Bäumen oder vom Transport der Stämme geschleift. Beim Hinabgehen begannen wir den Pfad wieder erkennbar zu machen und erworben uns so die Erkenntnis, dass die Arbeit mit einer neuen Konzeption machbar sein wird. Als Zeichen dafür errichteten wir ein neues Rondell aus frisch abgeschlagenen Fichtenasthyperbeln unten am Anfang des Pfades. Somit hat eine neue Phase begonnen, die nun auch wieder Spaß machen kann.

Leicht produzieren

Die Sonne sitzt jetzt am Morgen hinter lockeren Nebelbänken und leuchtet als blassblaue Scheibe. Nun wird es stetig kälter werden.

Nur langsam finde ich in neue Morgenrituale hier im Atelier.

Zwischen meinen künstlichen Gesträuchen draußen vor den Rolltoren, fühlen sich die Vögel wohl. Graue Rotschwänze, Meisen und Sperlinge suchen zwischen den Ästen Schutz. Im kleinen Unterholz wohnen mittlerweile drei Eidechsengenerationen. Jetzt, während der letzten warmen Tage, habe ich das Gefühl, dass sie, aufgeladen vom Sommer, besonders flink sind.

Das Atelier schweigt lichtdurchtränkt. Ich möchte hier wieder mehr produzieren. Die letzte größere Arbeit, waren die hundert Blätter mit den Fundstücken aus dem Adler. Erst nach einiger Suche konnte ich den Karton finden, in dem ich sie nun als Ausgangspunkt für die weitere Arbeit aufhebe. Wenn ich es hinbekomme, in derselben Leichtigkeit zu arbeiten, wie mir das mit diesen Blättern gelungen ist, dann komme ich auch mit anderen Materialitäten schnell zurecht.

Jetzt hat die Sonne den Nebel vertrieben. Ein warmer Mittag steht an. Ich werde mir hier etwas kochen.

Gewürze

Eine dieser neuen Glühbirnen macht mir ein seelenloses Licht auf meinem Schreibtisch. Hinter einem Folienvorhang auf der gegenüberliegenden Atelierseite, mit Taschen, in denen sich Postkarten, Fotos und Gegenstände meiner Suche befinden, hängt ein Spiegel, der dieses Licht zwischen allen Gegenständen der Zeit hervor zurückwirft.

Ich höre aus „TIME OUT OF MIND“ den Song „STANDING IN THE DOORWAY“, unendlich traurig, mich aber nicht mehr zu Tränen rührend.

Wieder am Abend auf meiner Box sitzend, suche ich meinen Rücken gerade zu halten vor der Heizung. Etwas treibt mich gegen die Einknickbewegung meiner Wirbelsäule.

Ein Einkaufstag heute im Bahnhofsviertel. Wir suchten indische Geschäfte, in denen wir Lebensmittel und insbesondere Gewürze kaufen wollten. Unsere Küche soll eine Bereicherung erfahren, wozu ein Arsenal an Gerüchen und Geschmäckern gehört, das wir gleich am Nachmittag ausprobierten.

Dann noch in der Kleinmarkthalle, in der wir Anja-Katharina trafen. Das war wohltuend. Es war schön, sie zu treffen, mit ihr zu reden…

Der Zeichenassistent ruht

Am Morgen wieder diese wunderbare Sonne von der Seite auf meinen Atelierschreibtisch. Ich genieße nun die Vormittage hier inmitten meiner Arbeit. Stück für Stück wird der Raum etwas wohnlicher. Er wird besser aufgeräumt, gepflegt und wird als das behandelt, was er nun ist: mein Rückzugs- und Lebensraum.

Gleich nach meiner Ankunft zeichnete ich an Rolle 6. Ich möchte die Figur mit der Sonne von unten weiter verdichten.

Draußen habe ich zwar den Zeichenassistenten wieder aufgestellt, aber er arbeitet mangels Wind nicht. Seine Gänsefedern ruhen still, bewegen das Dreiecksgittergestell nicht, das ansonsten über eine Schnur den Stift mit seinem Gewicht führt.

Mein Bild von Menschen in direkter Umgebung ist neu beleuchtet. Ein Kontinuum ist zerfallen,Verlässlichkeit dahin. Die Reaktionen fallen polarisierend aus. Verunsicherungen, Rückzüge aber auch Hilfe und Zuspruch.

Auf der Apfelwiese

Wir wanderten gestern in der Nähe des Loreleyfelsens auf dem Rheinsteig. Etwas zu weit für einen Sonntagsausflug. Aber wir wurden mit schönen Blicken belohnt. Auf einer Apfelwiese schliefen wir in der Sonne einen erholsamen Schlaf. Danach in einer Blueskneipe ein deftiges Essen, gut für mein arg reduziertes Gewicht.

Die sich in Auflösung befindliche Welt meiner letzten fünfundzwanzig Jahre, die ich selber verursacht habe, verursacht ein Schweigen in mir. So viele Bezüge sterben, auch wenn böse Geister ausgetrieben werden.

Majs Geburtstag. Am kommenden Freitag möchten wir ein Fest feiern, hier im Atelier. Sie hat einige Leute dazu eingeladen.

Am Abend noch ein paar Worte über das wertvolle miteinander Sprechen am Tisch. Ein wenig Wein dazu, Müdigkeit von den steilen Aufstiegen des Vormittags. Dankbar für Schlaf.

Hinwendung

Ist es ein Zeichen, wenn der Himmel am Sonntagmorgen über den grauen Dächern brennt? Und wenn ja, wofür?

Im Stadtlabor lernte ich Angela Janelli kennen, die Nachfolgerin von Wolf von Wolzogen. Wir sprachen über meine Entwürfe zum Gastarbeiterdenkmal und über den ersten Preis, den ich beim entsprechenden Wettbewerb gewonnen hatte. Vielleicht fügen wir die Entwürfe für die Frankenallee und den für den Bahnhofsvorplatz in eine Ausstellung ein, die im Gallus stattfinden soll…

Es gibt also in gewisser Weise eine erneute Hinwendung zur Stadt – allerdings in der Abhängigkeit zur eigenen retrospektiven Arbeit. Das sichert mir mehr Abstand zur Politik, schützt mich.

Franz Konter besuchte mich mit seiner Frau. Ein sehr nettes Paar. Bei einem Besuch bei ihm, sah ich seine Zeichnungen mit Vergnügen und Übereinstimmungstendenzen, die sich nun, auch wegen unseres gleichen Alters, wieder fortsetzten.

Bewegen in der Stadt

Mit dem Fahrrad in die Stadt. Man kann gut am Mainufer entlang zu den Ausgangspunkten gelangen, von denen man Expeditionen in die Stadt starten kann. Ähnlich wie in Bangkok mit den Booten des öffentlichen Stadtverkehrs.

Das Historische Museum veranstaltet ein Stadtlabor im Gallusviertel. Dazu bin ich eingeladen worden. Ich gehe dort hin, etwas skeptisch widerstrebend nach den Erfahrungen der letzten Jahre.

Im Atelier höre ich Schallplatten. Beim retrospektiven Zeichnen schmerzt der rechte Daumen, eine Atrose.

Alte Platten

Gershwins Klavierkonzert im seitlichen Atelierlicht vom Plattenspieler. Gestern Abend Kurt Weill und alte Bluesplatten. Es sind Schätze der Erinnerung.

Eine Zeichnung vom Juni 2000 habe ich gescannt und ausgedruckt, um sie unter das Transparentpapier der Rolle 6 zu legen. Zuvor hatte ich eine Umrisszeichnung einer Felsgravur aus Twyfelfontein mit dem Gitarristen aus meiner Rock`n Roll Serie übereinander gelegt. Die weit ausschreitende folgende Figur bekam nun das Sonnensymbol von unten in den Schritt: Sonne von unten. Ich bin über die ersten Schritte, das retrospektive Vorhaben zu beginnen sehr froh. Eine erste neue Kombination nach dem Umzug. Sie zeigt an, dass nun die Produktion wieder anläuft.

Vor dem Rolltor wird von den Auszubildenden gegärtnert. Endlich kommt Grün auf den Beton. Demnächst wollen wir Hochbeete bauen, in denen Gemüse wachsen soll. Samen der vielen Blumen werden auf der Wiese verstreut.

Schon am Morgen bin ich ins Atelier gekommen, fühle mich wohl damit. Das Leben hier hat sich sehr verändert. Durch die Änderungen, hat sich auch der Arbeitsrhythmus variiert. Das Tagebuch hier zu machen, ist sinnvoll, weil es sich mit dem anderen bildnerischen Material besser verbinden kann.

Neue Plätze für alte Dinge

Erstmals sitze ich nun am Morgen im aufgeräumten Atelier. Gern gehe ich hier in Ruhe meinen Gedanken nach, die von dem durchsetzt sind, was in den letzten Monaten geschehen ist. Gerne würde ich gründlich darüber reden.

All die Dinge, die nun neu im Atelier stehen erinnern mich an die Umgebungen von denen ich sie hierher transportiert habe, an Klänge Gerüche und Empfindungen.

Die Sonne kommt von der Seite durch die Rolltore herein. Alles erscheint mir wie ein Provisorium, was zu meiner Stimmung passt. Die Kombination von Werkstatt und Lebensort macht manches einfacher. Auch das lange Alleinsein läutert und lässt eine intensive Beschäftigung mit der Vergangenheit zu.

Ich werde mich nun wieder an Rolle 6 setzen und dort versuchen retrospektiv zu arbeiten. Würde gerne zunächst im Jahr Zweitausend beginnen, dem Jahr, in dem die Farbe in die Tagebuchzeichnungen Einzug gehalten hat. Aber nicht die Farbe interessiert mich da, sondern die Erfindungen von Figurenszenen, die es sich lohnt näher zu betrachten.

Farbspiel über den Dächern

Es gelingt mir nicht, die Kraft dafür aufzubringen, um an den Hang zu gehen und die Zerstörungen dort zu begutachten, die die Forstwirtschaft auf meinem Weg hinterlassen hat.

Das morgendliche Farbspiel über den Dächern bei einer leichten westlichen Luftbewegung. Flugzeuge wie Fische.

Nachdem die Restkartons im Atelier ausgepackt sind, stehen noch Nester von Allerei herum, das noch keinen Aufbewahrungsort gefunden hat. Das wird heute noch verstaut.

Maj hat mir die Haare geschnitten, dass ich auch irgendwann so einen Strubbelkopf haben werde, wie sie. Strukturen eines gemeinsamen Lebens, manchmal Kaffee für die vierzehnjährige J..

Ich möchte in eine neue Arbeitsphase eintreten, die sich schon eine Weile etablieren will und sich noch mehr mit meiner Vergangenheit beschäftigt, mit der Aufarbeitung meines eigenen Lebens.

Gewicht der Vergangenheit

Im Trauzimmer des Frankfurter Römers hängt ein riesiger Ölschinken mit einer ungereinigten, romantischen Malerei. Ich schaute ihn mir während einer Trauung an. Unter den befreundeten Familien des Brautpaares befand sich auch Francesco Zannotti aus Capo di Ponte im Valle Camonica. Er war einer der ersten, auf dessen Herkunft sich das Projekt TRIXEL PLANET bezog. Heute noch erinnert das Figürchen des speerschwingenden Reiters, das aus der Fotografie einer Felsgravur entstand daran.

Nur noch drei halbgefüllte Kartons stehen nun im Atelierraum. Licht am Ende des Tunnels. Alle anderen sind ausgeräumt oder wanderten direkt in das große Regal hinter dem Bild.

Dort im Atelier kann nun bald wieder die Produktion beginnen, die mich am Leben erhält. Diese Kontinuität hilft in Umbruchzeiten. Manchmal weicht das übermäßige Gewicht der vergangenen Zeit etwas zurück. Das Ist eine Erholung.

Langsam sehen

Im Städel mittelalterliche Malerei. Wir beschäftigten uns ausgiebig mit einzelnen Werken und sahen uns deswegen nur einige Bilder an. Es ist ein Genuss, die einzelnen Exemplare gründlich kennen zu lernen und sie auf diese Weise gewissermaßen in Besitz zu nehmen.

Über den grauen Dächern ist es windiger geworden. Die geschlossene Wolkendecke wird schnell von Nordwesten über sie hinweg gezogen.

Eine Menge Reisebücher verstauten wir auf den unteren Brettern des großen Regals. Sie erinnern an die unzähligen Reisen, die wir unternommen haben.

An ernsthafte Arbeit, außer der Tagebucharbeit ist derzeit nicht zu denken. Ein Projekt, die älteren Tagebuchzeichnungen in Malereien aufleben zu lassen, die Motive miteinander zu kombinieren, beginnt nun schon innerhalb der täglichen Collagen. Ich muss erst einmal schauen, ob sich eine solche Arbeitsweise bewähren kann. Es wäre eine Art retrospektives Arbeiten. Solche Projekte werden manchmal gefördert. Vielleicht sollte ich mich darum bemühen.

Fotos

In die Masten eines Nachbargebäudes des Ateliers schlug ein Blitz ein. Das Licht und der akustische Schlag waren kaum versetzt. Die dazugehörigenRegenfälle durchtränkten die baufälligen Baracken, überfluteten den Platz vor dem Rolltor und wässerten das Gärtchen. Die Erde, die sich an einigen Stellen angesammelt hat, wird von Wurzeln zusammengehalten. Immer mal setze ich ein paar Unkräuter, die ich aus den Töpfen gezogen habe dazu, pflanze auch schon mal ein Bäumchen hinzu oder einen winzigen Strauch, damit sich immer mehr Leben etablieren kann.

In den Sammelsurien der Kartons entdeckte ich tolle Fotos aus der Malsaalzeit in Heidelberg  und von Uschi Obermaier und Keith. Die Fundstücke, Erinnerungen und Bilder werden nun neue Plätze bekommen. Vieles wandert natürlich wieder in der Finsternis der Kartons.

Heute ist Sonntag und somit kein Ateliertag. Wir versuchen diesen Tag frei zu halten, um uns nicht zu überfordern. Das Räumen, Eintauchen in die Vergangenheit und Ankommen in der Gegenwart unserer Umgebung sind anstrengend genug.

Stunden um Stunden

Langsam wird der Kartonstapel kleiner. Ich sitze am großen Schreibtisch und kann ziemlich luxuriös Ravels „Daphnis et Cloé“ hören, was ich in den letzten Tagen schon öfter getan hatte. Manche der Chorpartien erinnern mich an Philip Glass, dessen Doppelportrait mit mir nun auch hier im Atelier hängt.

Die Truhe aus dem Projekt „Box on Demand“, das ich an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach gemacht hatte, dient mir nun als Sitzplatz hinter meinem Schreibtisch.

Immer wieder stehe ich auf, um irgendwelche Bücher in das neue Regal zu räumen. Es ist schon fast voll, und ich merke, dass ich bald wieder anbauen muss.

Maj war gestern mit ihrer Freundin Anke hier. Sie kochten, schwätzten und waren einfach mit da. Das war sehr angenehm. Maj ist sehr fleißig darum bemüht, dass das Atelier zu einem wohnlicheren Ort wird. Dafür Räumt und putzt sie und macht daraus auch einen Raum für sich.

Am Abend haben wir das Sindlinger Straßenfest vorbereitet, was mit Bierkästen schleppen zutun hatte.

Nach unserem Abendbrot saßen wir im Park auf dem Mäuerchen vor der Skyline, um Zeit mit erzählen zu verbringen. Stunde um Stunde tun wir das.

Neuer Raum

Das Küchenfenster steht weit offen, damit die Bilderworte über die Dächer fliegen können. Hochnebel zieht von Südwesten heran und färbt sich unten apricotfarben ein – ein Fruchthimmel.

Zu einem Geldtermin bin ich mit dem Fahrrad am Ufer entlang gefahren, die Freiheit dieser Bewegung genießend. Auf dem Rückweg schaute ich noch kurz im Architekturmuseum vorbei und besprach die nächsten Arbeitschritte in Richtung des nächsten Jahres. Ich möchte nun die 3-D-Plotterarbeit beginnen.

Im Atelier sind nun die Leitern für das neue Regal zusammengebaut. Gleich will ich los, um es aufzustellen.

Beim Malen gestern Abend war deutlich zu spüren, dass wir wieder mehr platz brauchen. Die Kartons in der Mitte des Ateliers müssen endlich ausgeräumt werden.

Mit den Hindemithkindern muss ich neue Verhaltensregeln verabreden, weil nun mein Grafikschrank und viele persönliche Dinge im Atelier sind. Vielleicht wird es mit mehr Platz möglich, die Arbeitsfläche in einem Teil des Raumes zu konzentrieren.

Abendhimmel

Manchmal weicht die Finsternis von Schuld und Verantwortung vor einem Abendhimmel.

„Things Have Changed“ höre ich in meiner Tagebuchhöhle, während die täglichen Collagen auf dem Bildschirm flimmern.

Zuvor stellte ich die Leitern fertig, die zum Regal gehören, mit dem ich meinen Grafikschrank, mein Gesellenstück einbauen werde. Darin lagern die Zeichnungen aus den vergangenen Jahrzehnten, mit denen ich tief in meine Vergangenheit eintauchen kann, um mich ihrem Grund zu nähern.

Denselben Effekt hat das Regal mit den Tagebüchern, die nun griffbereit und geordnet zur Benutzung bereit stehen. Aus ihnen habe ich heute wieder eine Zeichnung von vor genau zehn Jahren in die heutige Collage eingeflochten.

Regale

Wie ein zu schnell gereister Indianer warte ich auf meine Seele und darauf, was sie mitbringen mag.

Im Gegenzug zum „Waldherzenbild“, das in meinem ehemaligen Wohnzimmerhängen blieb, habe ich um ein Exemplar aus der Sammlung der indischen Glöckchen gebeten, das eher wie eine bezahnte Schelle aussieht und einen silbrigen, vielstimmigen Klang besitzt. Sie hängt nun an der Architektenlampe über meinem Schreibtisch in der Tagebuchnische meines Ateliers. Wenn ich sie anschlage erinnere ich mich.

Während der Suche nach dem Verbleib meiner Seele stieß ich auf zehn Jahre alte Tagebuchzeichnungen. Eines dieser Motive flocht ich in die heutige Collage ein.

Den Regalbau versuchte ich gestern mit einer Oberfräse, die die Schlitze für die Sprossen der Leitern fräste, den Arbeitsvorgang zu beschleunigen. Ob mir das wirklich gelang, wird sich zeigen, wenn ich die Leitern zusammenbaue. Das Schaffen von Stauraum ist derzeit die wichtigste Aufgabe, die Raum schaffen soll für die Wiederaufnahme der Produktion.

Hinter mir steht nun ein Regal voller Tagebücher. Es sind über hundert. Sie stärken mir meinen gebeugten Rücken.

Maj hat mir ein Fahrrad geschenkt. Es ermöglicht die Bewegungsart, die in mir ein anderes Lebensgefühl hervorruft, wie die elektrische Gitarre.

Struktur zurück

Im Atelier setzte ich die neu entstandene Computerecke in Gang und begann die Scans der vergangenen vier Wochen nachzuholen. Währenddessen konnte ich die Texte noch mal lesen, die die vielen Veränderungen in dieser Zeit bezeugen.

Durch die Tagebucharbeit im Atelier stellt sich ein neues Gefühl für die Arbeit hier ein. Es ist möglich, während des Scannens Musik zu hören. Ich habe auch das deutliche Gefühl, dass diese Arbeit eher hierher gehört, wo sie sich mit den anderen Dingen eher verbinden kann. Atelierarbeit und Tagebucharbeit gehören zusammen und befeuern sich gegenseitig.

Die mechanischen Arbeiten führen mich in die Struktur zurück, in der ich vor den Veränderungen, die mich einen Monat sprachlos werden ließen, meine Kontinuität behalten hatte. Nun will ich sie versuchen fortzuführen.

Mails von Anne und Vinzenz, die zu Besuch kommen wollen. Vinzenz möchte mir bei meinem Umzug helfen, der am Sonnabend stattfindet.

Mit Maj male ich weiter am großen Bild. Wir tasten uns vorsichtig und langsam voran, wissen bisher nicht so recht, in welcher Weise wir noch eine weitere grundsätzliche Spannung aufbauen können. Wir arbeiten nun fast jeden Abend daran, mehr als es mich wirklich interessiert. Für mich ist die ganze Sache eher eine Fingerübung. Viel mehr zieht es mich zu den Transparentpapierarbeiten, was aber gleichzeitig auch schwieriger ist. Heute begegneten sich auf Rolle 6 eine Giraffenfelsgravur aus Twyfelfontein und ein Stück Rock`n Rollsequenz vom April dieses Jahres.

Warme Mäntel

Von der Holzterrasse eures Restaurants habt ihr noch mal Mauersegler schwärmen sehen, die vielleicht auf der Durchreise nach Afrika waren. Ein später Sommergruß.

Ihr habt die Mäntel auf dem großen Bild deutlicher hervorgehoben, die Umrisse gestrafft und die wichtigen Teile des Bildes als Lasurmalerei aufgefasst. Die Konsequenzen dessen lösten einen Qualitätssprung auf dem Großformat aus, der beruhigend wirkt. Der Winter rückt näher, warme Sachen und Farben werden gebraucht.

Vom Adressaten deines „Adlerangebotes“ hast du ein sehr positives Feedback bekommen. Die Beschäftigung mit der künstlerischen Dokumentation der Restaurierung des alten Gebäudes rückt also näher.

Sehr mitgefreut hat sich Maj, die großen Anteil an der Formulierung der Konzeption hat. Nun seid ihr also ein Team! Ihr könnt euch Freitagvormittag gemeinsam um die Baustelle oder andere Dinge kümmern, und du würdest dir noch einen anderen halben Tag dafür reservieren. Aber warten wir mal den offiziellen Zuschlag ab.

Bis dahin könntest du dich intensiver um den 3-D-Plotter kümmern und um Projekte, die mit der entsprechenden Software möglich wären. Die Schattenboxen könntest du damit erweitern, wie auch das „Adlerprojekt“. Ihr spracht außerdem über gebrannten Lehm, in dem noch das Stroh steckte, über indische Götterfiguren usw… Es würden sich viele Möglichkeiten ergeben, sich auszutoben und sich zu konzentrieren.

Licht und Wachstum

Gehen im trüben Morgen. Die Dämmerung macht kaum genügend Licht für deine Handschrift. Es muss woanders herkommen, von einer anderen Sonne.

In der feuchten Wärme scheinen sich die Insekten merklich zu vergrößern. Ihr fangt an den Abenden große Nachtfalter und entlasst sie nach draußen ins weitere Wachstum der tropischen Nächte.

Ein tiefer Graben teilt nun schon lange den Park drüben im neuen Viertel. Das wird ein Tunnel für die Untergrundbahn, die ganz in unserer Nähe eine Station haben wird. Abendspaziergang dort.

Bilder von Kometen 67/P in den Fernsehnachrichten und in den Zeitungen. Seine skulpturale Form wird im kommenden Jahr, wenn er näher an die Sonne gelangt, einen Schweif bilden. Das soll nun mit der Sonde Rosetta aus nächster Nähe beobachtet werden. Glückliche Männer sieht man bei der ESA in Darmstadt, die einen gewaltigen Forschungsschritt gegangen sind.

Am Hang gestern mit Carola. Sie forscht derzeit über Christa Wolf. Ihr gingt entspannt durch die bedrohlichen Zeichen der Forstarbeiter, die aber mit ihrem Zerstörungswerk noch nicht begonnen haben. Deine Perspektive für die weitere Gestaltung dieses Raumes ist durch die anstehenden Baumfällarbeiten eingeschränkt.

Du versuchst die Benutzung eines 3-D-Plotters mit dem Architekturmuseum anzumoderieren. Der nächste Schritt wäre allerdings, dem Hinweis von Nora auf das Fraunhoferinstitut nachzugehen, um dort in einer Werkstatt erst mal Erfahrungen zu sammeln.

You Make Me Feel Like

Nach sechsmilliarden Kilometern schwenkt die Esa – Sonde Rosetta in die Umlaufbahn des Kometen 67 P. Diese Dimension lässt alles, was sich um dich herum ereignet auf die Größe von nicht mal einem Korn schrumpfen.

Du hörst „You Make Me Feel Like“ von Aretha Franklin und weißt gleichzeitig, dass es nichts gewaltigeres gibt als solche Songs, als diesen Song.

Du pendelst zwischen diesen Welten, nimmst ab, bist aufgerieben und fühlst dich, wie du selbst.

Kaum kommst du in deinem T-Shirt an diesem kühlen Morgen ins Schwitzen, denkst während des Gehens zurück an die lange Theaterzeit, die noch anhält. Arbeit, Erfahrungen, Glück und Ärger, Oberfläche und wirkliche Tiefe. Du stellst dir ihr Ende vor.

Die Beschreibung des Lichtes von diesem Schreibtisch aus lässt deinen Blick an jedem Morgen bis in den hintersten Winkel des sichtbaren Raumes wandern. Alles dicht von Laub, kein Horizont sichtbar. Du fragst Dich, wie du endlich wieder zum Zeichnen zurückkehren kannst.

Spät im Atelier angekommen hast du gelesen anstatt zu malen, hast das Handwaschbecken gründlich gereinigt, anstatt an der Rolle 6 weiter zu arbeiten, hast auf die Sonne gewartet, um dich endlich ausruhen zu können, fragst nicht weiter, gehst auf die Umlaufbahn des Kometen und summst „You Make Me Feel Like“.

Verbleibende Zeit

Zurück von einer vielstündigen Wanderung mit Andreas durch den Odenwald. Ihr spracht beim Gehen viel, legtet über sechzehn Kilometer zurück.

Die Gespräche drehten sich um die Zeit, die euch noch verbleibt und wie ihr sie gestalten wollt. Welche Wünsche sind übrig geblieben und wie könnt ihr sie noch erfüllen. Dieser Rest muss erst einmal formuliert werden. Du genießt es, mit einem alten Freund über diese Dinge reden zu können.

Es gibt diese lasierend farbigen Ringe auf den dunklen flächen der Malerei. Sie wecken eine Zuversicht. Das Atelier muss dir mehr Heimat werden. Vielleicht benötigt es etwas mehr Behaglichkeit, für den Winter einen schönen Platz an einer Heizung, gutes Licht zum Eintauchen in die Welt der Zeichnungen auf Transparentpapier, Möglichkeiten zum Kaffeekochen, zum Schreiben, zum Telefonieren, zum Ausruhen, zum Musikmachen und zum Konzentrieren.

Von einem mittelalterlichen Burgfried aus hattet ihr einen weiten Blick über den Odenwald hinaus. Ihr schautet sehr lange in die wellige Landschaft.

Verschiedene Arbeitsdinge liegen etwas brach, weil viele Leute im Urlaub sind. Etwas gehemmt bist du aber auch durch deine neuen Zweifel an dem, wie du die verbleibenden Dinge angehen sollst.

Motorsägen

Hellgrün leuchtet das Laub auf, das von einer tief stehenden Sonne von Osten her angestrahlt wird. Baumschneider sind an einem der Ahorne, die vor dem Cafe stehen. Widerwillig schieben sie die Tische und Stühle beiseite, Männer mit Bierbäuchen und sicheren langsamen Bewegungen.

Überraschenderweise überfiel dich nach deinem Morgengang eine tief sitzende Melancholie, die du kaum genauer beschreiben kannst. Es ist, als zöge sich die Leichtigkeit zurück, zugunsten eines Gewichtes, von dem du dich nur schwer befreien kannst. Plötzlich kommt die die Malerei banal vor, Farben werden dir egal, und die Fugen zwischen den Pflastersteinen werden unendlich tief.

Drei Stunden Malerei am Nachmittag im Atelier. Es passiert nichts spektakuläres, die Flächen werden dichter und kleinteiliger, und du beginnst mit dem Lasieren, was dir aber jetzt plötzlich ganz egal ist.

Die Baumschneider beginnen die Äste zu kappen. Sie verlieren keine Zeit und arbeiten präzise. Große Stücke Holz fallen herab mit viel Grün daran. Das kannst du kaum anschauen, die Motorsägen schmerzend in den Ohren.  Es ist als führen sie  in dein eigenes Leben.

Allein am Küchentisch

Gitarre alleine im Atelier. Mehr Flexibilität bei den Musikzeiten! Zeitstrukturen verändern sich. Ich hätte gerne mehr Raum für Malerei. Es gibt kein Fernsehen mehr. Vieles strukturiert sich neu. Dreh- und Angelpunkt wird zunehmend das Atelier.

Etwas fürchte ich mich vor dem Winter, der in gut drei Monaten beginnt.

Jetzt vor dem morgendlichen Gang sitzt du am Küchentisch, alleine mit der tickenden Uhr und deinem Tinnitus.

Morgen eine Wanderung mit meinem Freund Andreas, lange geplant und jährlich wiederholt.

Es ist, als wäre eine Slowmotionkamera zwischen mich und dem Loop – Geschehen draußen auf der Straße aufgestellt. Wieder der „rüstige“ Gestikulierer in seinen kurzen Hosen vor dem Cafe, in dem die Stühle gerückt werden. Wieder und wieder dieselben Figuren, deren Aufzählung einem Mantra gleicht.

Du machst am frühen Sonntagmorgen Geräusche und störst mit deiner Arbeit, deiner Unruhe. Aber du wirst leichter und beweglicher und auch klarer im Kopf, willst eigentlich malen, wartest aber auf das Frühstück.

Heute Nachmittag aber, drei Stunden im Atelier. Ein Sonntagsfest. Abends ins Kino…

Die große Malerei

Noch in der Nachtdunkelheit Kaffee am Küchentisch. Die Wanduhr zerhackt die Zeit, zerstückelt den weichen langsamen Fluss des Verrinnens.

Mit Alexander und den Hindemithkinderchen gestern der letzte Tag der Workshopwoche. Die Teilnehmer wollen mehr, am liebsten noch eine Woche dranhängen. Durch die Ferien hindurch haben sie die Möglichkeit, dich an jedem Freitagnachmittag zu besuchen. Das muss erst einmal reichen.

Das Ende der Ferienworkshops ging über in die große Malerei, die ihr nun langsam weiter entwickelt. Der Hintergrund wird nun, wie schon überlegt mit einbezogen, indem lasierende Kreise die Übergänge und die Räume weiter hinten mit den anderen Flächen zusammenbringen.

Die Blätter an den Alleenbäumen sehen angegriffen aus – ein älterer Mann, der mit seinem Rollator unterwegs ist, setzt sich im Gespräch mit einem anderen ähnlichen Alters auf die dafür vorgesehene Fläche des Gefährts. Sein Gegenüber gestikuliert in kurzen Hosen, schnell Stand- und Spielbein wechselnd. Das spielt sich vor dem Pavillon ab, wo sich gerade drei sehr unterschiedliche Damen an einem aufgeklappten weißen Auto treffen. Sie sind sommerlich gekleidet und begutachten, so vorhanden, ihren Schmuck. Eine von ihnen trägt ihn ganz in Grün – sehr schön. Aber sie fahren noch nicht los. Reden vielleicht noch über ihre Reiseroute, oder warten noch auf weitere Damen. Das erschließt sich aus ihren Gesten nicht.

Du bist dabei, dich an deine morgendlichen Runden zu gewöhnen, an die befreiende Kraft und das Glück der Verausgabung. Es baut sich in dir ein neuer Humor auf – so eine Art neue Freude…

Ihr malt einfach weiter…

Das Konzert „think Bach“, das im Rahmen des Rheingau Musikfestivals stattfand, war in drei Teile gegliedert. Im Zentrum standen die Bachinterpretationen des Pianisten Martin Stadtfeld. Seine Einspielung der Goldbergvariationen steht denen von Glenn Gould aus dem Jahr Neunzehnhundertfünfundfünfzig nahe. Sein Spiel strotzt noch von jugendlicher Energie. Goulds spätere Aufnahmen favorisierst du allerdings.

Diese hörtet ihr gestern während der Malerei am großen Bild ohne Titel.

Nun beginnt die Musik eher von dieser Seite her Einfluss zu nehmen. Ihr überlegtet, so langsam den Hintergrund mit einzubeziehen. Das soll mit Lasuren geschehen, die wir vorsichtig in Kreisform aufbringen. In dieser Weise könnte das ganze große Gebilde langsam aus dem Hintergrund nach vorne wachsen. Bislang tendiert die Malerei zu einer fröhlichen Grundstimmung, während sich die Nachrichten rundherum durch kulturzerstörerische Praktiken und religiös verbrämte Kriminalität verdüstern. Ihr malt einfach weiter…

Die Hindemithkinderchen lieferten sich weitere stundenlange Basteleien. Wenn sie nach einer Anlaufphase etwas für sich gefunden haben, bleiben sie lange bei ihren Werkstücken, raspeln hobeln und sägen daran herum. Wenn das fertig geworden ist, was ihren Vorstellungen entspricht, kommen sie meistens gleich zur nächsten Idee. Große Fechtszenen auf dem Freigelände.

Die Museumsboxen sind schon lange fertig. Du wirst gefragt, ob du die ganzen Ferien über da bist und bist nun so eine Anlaufstelle geworden.

Raumdefinitionen

Es sieht so aus, als sei der Regen nun vorerst vorbei. Oft fiel er warm und sanft auf dich. Du hast es genossen auf Teves in den lichtdurchflossenen Raum zu schauen und gleichzeitig in den Pfützen auf dem Beton die Tropfenringe zu sehen. Zusammen mit den neuen Farbwahrnehmungen ändert sich auch der Blick auf die Dinge in der direkten Umgebung. Du willst das alles neu in deine Arbeit einfließen lassen können, willst den „quecksilbrigen“ Sound finden, der die Transparenz der Dinge transportieren kann.

„Bildbeschreibung“ – die Gleichzeitigkeit der Geschichte, die auf einem Bild abläuft. Die Schichten komprimieren Einzelzustände, die zusammen gegossen mehr Interpretationsmöglichkeiten zulassen, indem sie sich immer neu und anders verbinden lassen.

Mit Alexander und den Hindemithkindern gestern auf dem Glauberg, einer spektakulären keltischen Ausgrabungsstätte unweit der Stadt inmitten einer verspielten Vulkanlandschaft. Eine nette museumspädagogische Führung unter dem Aspekt „Kunst“ durch das kleine, feine Museum. Zuvor ein Gang über das seit sechs Jahrtausenden besiedelte Hochplateau mit Eichen und Buchen, die bestiegen werden mussten.

Die morgendlichen Gänge verändern sich gerade, teilen sich in Phasen unterschiedlicher Beanspruchung. Es gesellen sich zum freien, weiten Ausschreiten andere, äußerlich kleinere Bewegungsmuster, die nicht weniger schweißtreibend sind. Unterwegs an Sportgeräten gibt es genügend Angebote, die zu Variationen der Abläufe inspirieren. Wie beim neuen Farbensehen, werden dir andere Areale der Wahrnehmung bewusst. Raum definiert sich wieder neu, wie zwischen den Farben und Sounds. Eine Kontinuität dessen sollte sich weiter auf die Arbeit auswirken.

Weiße Flecken

Ein Gewitterwagen rollt über die hochsommerlichen, aufgeheizten Landschaften, über das Flimmern der Sonnenaufgänge, die die Horizonte in Bewegung bringen.

Am Hang donnerte es mittags, als Du mit Alexander und den Hindemithkindern unterwegs warst. Moos wurde gesammelt und große Holzstücken. Im unteren Bereich wurde ein Abzweig, ein neues Stück Weg von einer unbekannten Person geschaffen, das von der Mountainbikespur wegführt. Der Pfad entstand nach deiner Methode, zunächst alles Material zur Seite zu räumen. Um diesem neuen Teil etwas mehr Geltung zu verschaffen, errichtetet ihr an seinem Verlauf einen neuen Bau. Im weiteren Verlauf eures Ganges, saßt ihr irgendwann an der Kristallgrube und redetet über Bestattungen.

Bei der Farbarbeit erschließen sich immer neue Areale. Die gesammelten Erfahrungen werden sichtbar. Gut zu spüren ist, wie entlegenere Tönungen aufeinander treffen, deren Zusammenklang du vorher nicht wahrnehmen konntest. Somit ist die Malerei nur die Aufzeichnung der Reisen, die du durch Farben und Licht unternimmst. Und gleichzeitig überrascht dich, wie viele weiße Flecken es noch auf diesen Landkarten gibt, deren Erforschung noch aussteht.

Dehnst Du diese Erfahrungen in den Raum, so würden sich zwischen Farbflächen, die aufeinander ausgerichtet sind, Spannungen ergeben, deren aufgefüllte Volumina der Ort der Farboper sind. Ein großes Violett trifft auf ein kleines Gelb. Entsprechend werden die zugeordneten Sounds auf einander projiziert. Das führt wieder zu Kandinsky.