Inflation

Mein Blick auf die Möglichkeiten der Gestaltung des Altarensembles weitet sich. Durch die Experimente treten auch weitere inhaltliche Herangehensweisen hinzu. Dieser Zusammenhang führt zu einer Inflation realistischer Szenarien. Ein Mittel dagegen ist die Reduktion der getesteten und vermischten Gestaltungsweisen, zugunsten einer verknappten Komposition.

Gestern schnitt ich vier Sperrholzformate zu, schliff sie, lackierte sie und schliff sie, um Formate der Linienverdichtung per Federzeichnung zu übertragen. 4 bis 5 zusammenhängende Splitter, die alle einzelne Nummern tragen, übertrug ich auf jeweils eine Fläche. Ich hatte mir eigentlich mehr vorgenommen, musste aber wieder feststellen, dass die Arbeitsschritte länger dauern, als ich dachte. Trotzdem gilt es nun, möglichst viele Transparentpapierbögen mit den Strukturen der Dornenkronensequenz zu zeichnen, die ich dann nach Neckargemünd mitnehmen und direkt auf die Objekte übertragen kann. Weitgehend kann ich hier schon die Stellen auswählen, wo sie sinnvoll eingefügt werden sollten.

Heute möchte ich unter anderem probieren, ob ich mit dem Abtönkonzentrat, mit dem ich den Lack eingefärbt habe, so ähnlich arbeiten kann, wie in den Buchmalereien. Dabei geht es insbesondere um die Übertragung von Oberflächenstrukturen verschiedener Materialien. Das können auch solche sein, die ich vor Ort finde…

Handprints, Gravitation, IM

Durch die Anmeldung einer kunsthistorischen Gruppe der Uni Frankfurt, die sich für meine geografische Arbeit interessiert, kam ich wieder auf die Handprints, die ich gelaufen bin. Gleichzeitig fühle ich mich verpflichtet, etwas vorzubereiten und zu erzählen, was mit den Handprints Wien oder Frankfurt zutun hat. Auch die indischen Wanderungen haben alle ihre eigenen Geschichten.

Die Struktur- und Farbproben, die ich gestern für die Arche in Neckargemünd gemacht habe, sind zwar etwas schematisch geraten, aber lehrten mich schon einiges über den spielerischen Umgang von Farblasuren im Zusammenhang mit Tuschelinien. Ihre Verdichtung, die zum Fuß des Kreuzes zunimmt, kann auch durch die Farben innerhalb der Felder übernommen werden. Dieses Aufstehen gegen die Gravitation durchzieht dann einerseits die nach unten verdichtete Linienstruktur auf der großen Fläche und findet aber auch in den einzelnen Feldern eine Wiederholung durch die zum Boden hin zunehmende Farbdichte.

In einem sehr persönlichen Telefonat mit dem Stasi-Unterlagen-Archiv, ging es um die Möglichkeiten, den Klarnamen meines IM „Lutz Lange“, im Humboldt Forum zu veröffentlichen. Damit sie eine Verbindung von mir zu Heinz Werner herstellen können, sollten sie einen Forschungsantrag beim Archiv stellen. Etwas umständlich der Vorgang. Die Dame, mit der ich sprach, sah Rolle 10 in der Ausstellung „Hin und weg“.

Reduktion

Die Malereien blieben heute sparsam. Damit tat ich mir einen Gefallen, denn ich kann mich so besser auf die einzelnen Elemente besinnen, sie als das wahrnehmen, was sie sind: Abdrücke, gerade Linien, Schleifen, Umrisse und Verwischungen. Sie korrespondieren, aber erschlagen sich nicht gegenseitig. Manchmal erzeugen solche kurzen Konzentrationen stärkere Bilder als die lang anhaltenden, die sich gern in Ratlosigkeit verlieren.

Auch bei meinem Vortrag im Tibethaus sollte ich mich auf wenigere Elemente meiner Arbeit konzentrieren, die sich deutlich voneinander abheben. Bei den Linienverdichtungen auf der Suche nach den tausend Jahre alten Malvorgängen in den Räumen des Klosters Tabo, ist es wichtig, dass es sich immer nur um Annäherungen handeln kann. Am vorläufigen Ende stehen die unspektakulären Umrisse von Leerstellen zwischen den dichten, fast schwarzen Liniengesträuchen. Das Unterwegssein ist entscheidend – klingt banal, ist aber so!

Gedacht, geschrieben – getan: ich habe Sperrholzflächen zugeschnitten, geschliffen, farblos lackiert, geschliffen, lackiert und geschliffen. Dann übertrug ich die Tuschelinien der Strukturflächen der Dornenkronensequenz mit den Nummern 136, 154, 155, 164 und 165 erst mit einem weichen Bleistift auf Transparentpapier und dann per Abdruck auf die vorbereiteten Holzflächen. Die so vorgezeichneten Linien zog ich dann mit Feder und Tusche nach. Tiefschwarz und präzise stehen sie nun auf ihrem Untergrund. Heute will ich sie mit Farblasuren überarbeiten.

Farbproben

Mit den Farbproben, die ich gestern begonnen habe, entsteht nun mehr Klarheit, wie die Arbeit vor Ort vor sich gehen kann. Als ich meine Zögerlichkeit beim Einfärben des Lacks aufgegeben hatte, entstand die Farbkraft, die ich beim Übereinanderlegen der Schichten und dem Aufbau einer reichen, durchscheinenden Dunkelheit benötige. Die Proben, die ich auf den Hölzern aus dem Farbgeschäft anfertigte, fügte ich auch in die heutigen Collagen ein.

Bei der Kombination des wasserbasierten Lacks mit den Tuschfederzeichnungen, muss ich beim Übermalen der Linien etwas vorsichtig sein, weil sie sonst angelöst werden. Das aber kann ich auch nutzen, wenn ich zu starke Tuscheverdichtungen etwas zurücksetzen will.

Bis jetzt habe ich das alles mit Feder und Pinseln gemacht. Andere Strukturaufträge probierte ich noch nicht. Und natürlich überlege ich beim Betrachten der heutigen Buchmalereien, wie ihr Duktus auf eine Holzfläche übertragbar ist. Im nächsten Arbeitsschritt möchte ich Verdichtungen der Dornenkronensequenz, in ihren abgegrenzten Feldern auf Sperrholzplatten übertragen. Sie sollen in Farbschichten eingebettet sein.

Übertragung von Zwischenräumen

Das Stück, das wir vorgestern im Kammerspiel sahen, war enttäuschend. Der Briefwechsel von Ingeborg Bachmann und Max Frisch wurde lediglich wie eine private Beziehungskiste behandelt. Es gab keine Ausflüge in die Werke, die ja davon beeinflusst sind. Damit hätte man sicherlich eine Spannung aufbauen können, die den Abend strukturiert und weniger langweilig gemacht hätte. Die Schauspielerin und ihr Bühnenpartner, hatten allerdings den Applaus verdient, der reichlich gespendet wurde.

Die Löcher in den Lavasteinen bilden sich ab, indem ich die Steine mit Aquarellfarbe einstreiche, meine Hankante auf die unebene Fläche presse und die Struktur mit Druck auf das Papier übertrage. Die Ränder zeichne ich teilweise mit Farbstiften nach. Aus diesen umrandeten Zwischenräumen können dann Figuren entstehen. Diese werden oft überlagert und verwischt. So entstehen Schichten meiner Denkfragmente, bilden sich die spontanen Farberscheinungen, die vor dem Malen erscheinen, ab. Oft bin ich von den Handkantenabdrücken überrascht.

Auf dem großen Zeichentisch, der von Böcken, einer Holzplatte und der darauf liegenden Reliefform gebildet wird, steht das Material, mit dem ich heute beginnen will, Farbexperimente für das Altarensemble in Neckargemünd zu machen. Schon während des Zeichnens der Dornenkronensequenz hat sich eine Spannung aufgebaut, die dem nun folgenden Arbeitsgang galt. Ob alles funktionieren kann, wie ich mir es dachte oder ob neue Arbeitsschritte hinzukommen, und wie lange das alles dauern wird, kann ich noch nicht genau einschätzen.

Genugtuung

Im Farbenhaus Gallus ließ ich mich beraten, was die beste Materialkombination wäre, mit der ich das Altarensemble bearbeiten kann. Für meine Experimente kaufte ich einen Klarlack auf Wasserbasis mit Abtönkonzentraten. Damit werde ich am Montag die zweite Vorbereitungsphase beginnen. Mit geschliffenen Holzbrettchen, die ich schon teilweise lackiert habe probiere ich die Möglichkeiten aus.

Mein kleiner Vortrag in der Ausstellung „Hin und weg“ über Rolle 10 wirkt noch nach. Mit der Genugtuung, die Geschichte an die richtigen Leute adressiert zu haben, schließe ich das Kapitel nun ab. Es bleibt nur, Anke mit der Mitarbeiterin des Stasi-Unterlagen-Archivs, die mir den Klarnamen schickte zu verbinden. Dann schauen wir, wie sie damit im Humboldt Forum umgehen werden.

Am Abend sehen wir in den Kammerspielen eine Arbeit, die sich mit dem Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch beschäftigt. Nachmittags sahen wir das Interview „Die Wunde Woyzeck“ mit Heiner Müller. Uns wurde ganz warm ums Herz… Diese gelassene Freundlichkeit, mit der er sein Verhältnis zu Büchner erläutert, scheint es in den heutigen Diskursen nicht mehr zu geben. Das macht etwas wehmütig.

Berlin

Wir sahen die „Dreigroschenoper“ im Berliner Ensemble, dort wo sie vor knapp hundert Jahren uraufgeführt wurde und erlebten eine ernsthafte Arbeit, stimmig und leidenschaftlich. Das Personal auf der Bühne ist eine eigene Liga. Wir gingen beglückt zurück in das Hotel gleich in der Nähe.

Im Humboldt Forum traf ich Anke und Dominique, die gerade mit einer Führung beginnen wollten. Es handelte sich bei der Gruppe offensichtlich um ostberliner Menschen, unter denen auch ehemalige hauptamtliche Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit waren. Spontan fragten mich die beiden, ob ich Lust hätte, ein paar Worte zu meiner Arbeit zu sagen. Das tat ich mit Vergnügen und versuchte meine Wut und ihr zitterndes Denken, in eine Energie treffsicherer Präzision umzuwandeln. Ich fühlte die ruhige Kälte eines Scharfschützen, der mit Worten auf die Köpfe zielt.

Nun bin ich wieder am Zeichentisch, fort von der Enge der Arbeitssituationen unterwegs. Schnell finde ich meine Strukturen. Die Handkantenabdrücke mit Lavasteinstrukturen fördern das Malerische der Kleinformate in meinen Büchern. Das möchte ich in irgendeiner Weise auf die Farbbehandlung der Holzoberflächen des Altarensembles übertragen. Für diese Experimente kaufte ich mir gerade die ersten Materialien.

Dann kehrt Ruhe ein

Bislang bemühte ich mich Größenverhältnisse innerhalb der Collagen im Maßstab beizubehalten. Nur manchmal, wenn es um Strukturen ging, die entfernt von den Buchmalereien entstehen und einen Kontrast im Arbeitsfluss zeigen sollen, vergrößerte ich den Ausschnitt. Nun begann ich das auch mit den Malereien zu machen. Gestern und heute setzte ich in die dritte Collage jeweils einen duplizierten Ausschnitt der Farbflecken in den Hintergrund der neuen Schicht und vergrößerte ihn stark.

Wenn ich mir die weiteren Arbeitsschritte der Farbproben für das Altarensemble konkret vorstellen kann, auf Holztafeln und kleineren Transparentpapierformaten beispielsweise, festigt sich die Zeitplanung. Dann kehrt Ruhe ein.

Gestern beschäftigte ich mich etwas mit der Organisation der nächsten Wochen. Das Ideal der Entwicklung aller Experimente ohne jeden Termindruck, verführt zu einem Einsiedlerdasein, in dem es nur noch um die Weiterführung von immer neuen Varianten der verschiedenen Bildproduktionsweisen geht. Durch den Rückzug werden Begegnungen und Gespräche seltener. Das möchte ich nun etwas auflösen.

Schwimmen

Die Schichtung der Vorhaben verlangt nach einer strengeren Struktur, die durch den Kalender vorgegeben wird. Das Schwimmen in weiten, verabredungslosen Gewässern intensiviert bei mir Arbeitsvorgänge, lässt sie aber auch in epische Breiten wachsen. Eine Zeitbegrenzung kann auch zu einer notwendigen Destillation des gesammelten Materials führen.

Im Atelier beschäftigte ich mich am Morgen wieder mit dem Umdrucktechniken, die die Strukturen der Lavasteine in verschiedenfarbige Schichten in die Buchmalereien transportiert. Das Potential der Entwicklung von Farbklängen eröffnet weitere Möglichkeiten für die Arbeit in der Arche in Neckargemünd. Die farbigen Schichten, die sich mit den Verdichtungslinien aus Tusche verbinden sollen, werden in den einzelnen Feldern zwischen den Kerbschnitten entwickelt. Ihre Größe entspricht durchaus der, der Handballenabdrücke.

Jetzt ist es an der Zeit, die Termine zu machen, an denen ich vor Ort arbeiten werde. Die Materialien für die Linienübertragung auf die Holzflächen sind klar. Als nächstes geht es um die Beschaffenheit der Farben.

Ins Freie

Am Morgen fotografierte ich die Transparentpapierarbeiten meiner Schüler von gestern mit den Väterprojekt – Formen und den aufgeschlagenen Kunstbänden über Anselm Kiefer und Pablo Picasso. Trotz der Materialbegrenzung auf Tusche, Graphit und Transparentpapier, strahlen die Arbeiten Frische aus und helfen mir etwas ins Freie.

In den Buchmalereien war heute das Spiel zwischen den Oberflächen der Lavasteine und den Farben, mit denen ich sie abbildete, das wichtige Thema. Die lasierende Farbigkeit von Holzoberflächen, mit dieser Umdrucktechnik zu bereichern, kann als eine Möglichkeit bei der Behandlung der Altarobjekte hinzugezogen werden. Ich ziehe die Möglichkeit, diese Technik auf einzelnen Holztafeln in Verbindung mit den Tuschestrukturen auszuprobieren, in Betracht.

Eine kalte Sonne tritt hinter den Wolken hervor. Fast blaues Licht wird von den Spiegeln durch den Raum geschickt. Nur langsam löse ich mich von dem wochenlangen Zeichnen der Verdichtungen. Beim Zurückblättern im Tagebuch stellte ich fest, dass ich mit der Dornenkronensequenz am 6.12. begonnen habe. Vorgestern beendete ich sie. Die drei Transparentpapierstreifen hängen jetzt neben den drei Frottagen der Kerbschnitte des Kreuzes im Atelier.

Ende der Verdichtung

Mit der dritten Sequenz der Verdichtung der Kerbschnittlinien des Kreuzes, schloss ich gestern Abend diesen aufwendigen Arbeitsschritt für die Arche in Neckargemünd ab. Am Morgen räumte ich das Atelier auf und bereitete es für die Arbeit mit den Kindern vor. Die kamen auch pünktlich, lärmten zwei Stunden und entwickelten Bilder aus Frottagen, die sie von den Formen meines Väterprojektes machten. Weil die Arbeiten an die kubistischen Portraits von Picasso und die Materialcollagen von Anselm Kiefer erinnerten, zeigte ich ihnen Abbildungen davon. Erstaunlich schöne Ergebnisse.

Den Vortrag, den ich Im Tibethaus über Rolle 11 halten soll, könnte ich am Sonntag in Zug nach Berlin strukturieren. Blöd ist nur, dass ich den Streifen nicht zur Hand habe. Ich muss mich mit den Scans behelfen. Die Vernetzung der Projekte wird da eine bestimmende Rolle spielen. Das muss aber mit Bildern aus den verschiedenen Bereichen unterlegt werden.

Die morgendliche Frische, in der ich sonst Tagebuch schreibe, haben spätestens die Kinder auf ihren Heimweg mitgenommen. Aber die Buchmalereien, die ich am Nachmittag machte, sind an wenigen Stellen von ihnen beeinflusst. Ich freue mich auf etwas Beschaulichkeit morgen in meinem Atelier.

Flügelschlag

Die Verdichtung der Kerbschnittlinien vom rechten Querbalkenstück des Kreuzes, hat mehr Arbeit gemacht, als ich dachte. Die Dunkelheit intensiviert sich an dieser Stelle nach oben und nicht zum Boden hin, wie im Mittelteil. Diese Gegenbewegung lässt den Flügelschlag sichtbar werden. Diese Sequenzen mit der Berlinwanderung und den Tabolinien zu verbinden, werde ich für Neckargemünd beiseite stellen. Für die Altarobjekte wird das zu viel.

In den heutigen Buchmalereien trauten sich die Figuren wieder aus der Deckung. Es hilft nicht, sich vor den alten heraneilenden Gespenstern zu verstecken, und so tauchen kleine Kobolde eine Mantelmadonna und ein Ganescha auf. Boxen öffnen sich und lassen ein Materialgemisch frei, das sich auf verschiedene Weisen zusammensetzt.

Wenn ich heute die zweite Querbalkensequenz fertig habe, werde ich das Atelier aufräumen. Es beginnt dann die nächste Arbeitsphase, die mit den Verbindungen zwischen den Linienstrukturen und den darunter liegenden Farblasuren zutun haben wird. Außerdem kommen die Schüler aus ihren Ferien zurück!

Gummi

Kälte fällt aus einem klarblauen Himmel. Vor der Sonne, die bald über die Wohnblockbauten steigt und mein Atelier fluten wird, stehen nur Kondensstreifen. Endlich werden die Hibiskusblüten auf den Regalen und Gesimsen aufgehen. Das Material auf dem Zeichentisch bietet sich für neue Experimentalaufbauten an. Der Rhythmus der Morgenmalerei erlaubte keine Figuren. Er ist vom unfassbaren Politgebrüll angehalten, sie zu schützen, zu verbergen. Ich bin froh über meine Zeit in Freiheit, nach meiner Übersiedlung 1984.

Sogar gestern, am Sonntag, zeichnete ich weiter. Ich füllte die Splitter der Schlossseitensequenz des Kreuzes mit den Tuschelinien der Gesträuchschichten. Heute werde ich ganz unten ankommen. Dann verdichte ich noch die zwei Seiten des Querbalkens – und fertig erst mal!

In der Schirn Kunsthalle sahen wir die Ausstellung der italienischen Künstlerin Carol Rama. Trotz der Brüche in ihrem Werk, bleibt die unbedingte Ernsthaftigkeit der Arbeit immer anwesend. Mich erinnert das an ein selbstverständliches proletarisches Arbeitsethos, das ich während meiner Schichtarbeit im VEB Gummikombinat Thüringen, kennen gelernt habe. Auch die Fahrradschläuche, mit denen sie unterschiedliche Installationen schuf, gingen mir nahe. Ich kenne den Geruch der Herstellung von Gummi, die Industrieprägungen des Materials. Die meisten meiner männlichen Schulkameraden, die als Arbeiter in dieser Industrie blieben, sind tot.

Beschleunigung

Mit dem Musikhören und Malen beschleunigte sich die Arbeit. Ich konnte gar nicht aufhören zu den Steinen zu greifen, sie einzufärben und über den Umweg meiner Handkante, Abdrücke der Strukturen in die Formate zu setzen. Dann bremste ich ab, um zu schreiben.

Bei diesem Zusammenspiel denke ich an die Arbeit mit Susanne, der Musikerin. Wir haben uns auf Februar vertagt. Dann soll es um den Klang der schwingenden FES-Lamellen gehen und um den Zusammenhang zwischen Zeichnungsstreifen und Musik.

Ich denke dass ich am Montag mit dem Zeichnen der Schlossseitensequenz fertig werde. Im Querbalkenbereich, wo sich die Arme befinden, will ich noch eine Verdichtung rechts und links an den Außenseiten einfügen. Das geschieht, in dem ich die Rollen rückwärts aufrolle und das wenige Linienmaterial noch einmal durchzeichne.

Flacher Raum

Die geschichteten Materialien bilden in den Malereien einen flachen Raum verschiedener Zeithorizonte. Die Gewinnung der Pigmente trifft auf einen Vulkanausbruch währen der Entstehung von Fuerte Ventura. Die Oberflächenlinien meiner Handkante, die sich in den letzten sieben Jahren umgeformt haben, gehen eine Verbindung mit meinen Haar-Linien ein, deren Wachstum 2022 bis 2024 stattfand. All das presst sich zunächst auf die Millimeterbruchteile der Malereioberfläche. Aber die reflektierten Lichtwellen treten in den Raum und über meinen Sehnerv zurück zu den Synapsen, die neue Räume erschaffen.

Bis in den späten Abend verdichtete ich die Tuschelinien aus den Kerbschnitten der linken Seite des Altarkreuzes. Es ist als würde die Luft schwirren, sich nach unten hin zusammenpressen und die Atmosphären der Hinrichtungen durch die Zeiten hindurch aufnehmen. Die aufgebrauchte Angst weicht in die Materialisierung aus. Der Schmerz manifestiert sich im dichten Gesträuch.

Probeweise legte ich diese schweren Linien unter die Transparentpapierrolle 12. Es ergibt sich eine Reaktion mit den weicheren Umrissen der Buchmalereien, den Echos der Wanderung im Lustgarten und der Tabosequenz. Bei der Arbeit am Altarensemble unterstützen mich all diese Verbindungen. Das wird sich auch mit den Buchmalereien hin zur Beschäftigung mit dem Farbprogramm fortsetzen.

Gespräch mit Malereien

Es ist ein Gespräch, das ich mit den Malereien führe. Überraschungen entpuppen sich manchmal als störend und müssen repariert werden. Und aus dieser Korrektur entwickeln sich oft die tragenden Elemente der Komposition. Dann sage ich: „Ja gut – Ende!“. Mit den gezeichneten Umrissen der Buchmalereien will ich bald wieder auf Rolle 12 arbeiten, um sie mit den Dingen, die parallel im Atelier entstehen, zu verbinden. Das geschieht zwar schon innerhalb der Collagen, aber der Vorgang und die Ergebnisse sind anders, nicht so präzise.

Die Neckarsequenz des Kreuzes zeichnete ich gestern in 4 konzentrierten Stunden am Nachmittag fertig. Eigentlich hätte ich erst für morgen erwartet, mit den Linienverdichtungen am Boden anzukommen. So kann ich heute mit der Schlossseite beginnen. Erst zeichne ich die 2,6 Meter hohe Frottage mit Feder und Tusche auf einen Transparentpapierstreifen durch. Dann beginne ich die Zeichnung von oben zusammen zu rollen, um auf der gerundeten Rückseite alles durchzuzeichnen, was durch die Schichten durchscheint. Später kümmere ich mich dann um die lasierende, lichtbeständige Farbigkeit für die Objekte.

Am gestrigen Arbeitsende kamen mir Figurationen vor die Augen, die sich in den Liniengeflechten verbergen. Und ich frage mich, wie sinnvoll es sein kann, solche als kontrastierende Elemente an einigen Stellen einzufügen. Das würde eine weitere inhaltliche Schicht beleuchten und zu visuellen Entdeckungsreisen auffordern. Aber da bin ich schon wieder auf der didaktischen Spur, die ich nach dem Kraftfeld, das sehr stark darauf setzte, verlassen wollte. Eine Frage der Dosierung vielleicht.

Dichte

Ein Besuch von Franz zum Feierabend. Er spricht öfter von der Erkenntnis, dass er kein Maler sei, sondern eher Zeichner. Solche Zweifel gibt es auch bei mir, aber ich lasse gewähren, was womit entsteht, bin nicht so rigoros, wie mein Freund. So eine Begegnung hier im Atelier, macht mir klar, welche Ungestörtheit mich hier Tag für Tag umgibt. Das Verharren der Stille erzeugt eine zähe Kontinuität. Das Material wird lange gekocht, destilliert und wieder erhitzt, getrocknet, gepresst und in kleinen Mengen gesammelt.

Mit der Verdichtung der Neckarsequenz des Lindenkreuzes bin ich auf dem Transparentpapierstreifen bis auf einen Meter über der Standfläche hinab gekommen. Weil die Linienschichten nach unten hin zunehmen, nimmt die Geschwindigkeit, mit der ich vorankomme ab und die Dichte des Gesträuchs zu. Mit der gefühlten Verpflichtung, an den Sequenzen dran zu bleiben, fällt es mir schwer, den stetigen Fluss zu unterbrechen. Aber es gibt auch noch Rolle 12, deren Wachstum unterbrochen ist…

Bei den Buchmalereien lange ich gerade ziemlich tief in die Farbtöpfe. Auch wenn mich das skeptisch stimmt, lasse ich es zu. Nur ab und zu, wenn sich das Gelb zu sehr in den Vordergrund drängt, überlagere ich es mit einer Graulasur.

Mein IM Heinz Werner

Die Verdichtung der Kerbschnittlinien vom Lindenkreuz dauert seine Zeit. Und nur wenige der etwa 500 Felder, die mit dem Linienmaterial angefüllt sind, werden direkt auf der Holzfläche sichtbar sein. Inwiefern sich die Tabosequenz in diese Arbeitschritte einfügt, ist noch nicht klar. Deutlich ist aber, dass alles, was ich derzeit an Bildstrukturen mache, miteinander zutun hat. Dieser Prozess wird zu sehen sein.

Vor ein paar Tagen bekam ich die Klarnamenentschlüsselung meines IM „Lutz Lange“ von der Stasi-Unterlagen-Behörde geschickt. Meine Erinnerung, dass es sich dabei um Heinz Werner, meinem damaligen Mentor handelt, wurde bestätigt. Den Scan des Schreibens schicke ich nun an das Humboldt Forum. Damit wird die Arbeit an Rolle 10 vervollständigt, die immer noch neben dem „Lied von der Roten Fahne“ von Willi Sitte ausgestellt ist.

Die Präsentation von Rolle 11 im Tibethaus wird nun durch einen Vortrag ergänzt, den ich halten werde. Hier Im Atelier komme ich nicht dazu, eine Gliederung mit Bilddatei dafür herzustellen. Das mache ich an den Abenden zu Hause. Ein Termin für die Aktion muss auch noch gefunden werden.

Neckarseitensequenz

Mit den Farbfiguren, die von den Schnittflächen der Lavasteine auf meine Handkante und dann auf dem Papier landen, hatte ich in den letzten Tagen mehr Glück. Ich kann sie in Grenzen vervielfältigen und lasierend übereinander schichten. Wie ich diese Technik auf die Bearbeitung der Holzoberflächen der Altarobjekte übertragen kann, will ich probieren. Dabei spielen dann nicht die erstarrten Lavablasen, sondern die Kerbschnitte, die ich als junger Mann gemacht habe, die entscheidende, strukturierende Rolle.

Am Nachmittag möchte ich an der Verdichtung der Neckarseitensequenz weiter arbeiten, mich in die alten Linien versenken. In einer Ikonenausstellung im Museum für Angewandte Kunst, sah ich mir insbesondere die Behandlung schwarzer Beistriche an Gewandfalten und Figurenumschreibungen an. Meine Tuschelinien sind sehr fein. Ich hoffe, dass sie sich mit dem Farbuntergrund auf dem Lindenholz zu geschlossenen Klängen zusammenziehen. Auch damit lässt sich vorher gut experimentieren.

Die Präsentation von Rolle 11 im Tibethaus möchte ich in einen größeren Zusammenhang einbetten. Es sollen auch die Buchmalereien, die Collagen und deren Echos auf Transparentpapier deutlich werden. Das ist mittlerweile ein Zusammenhang, der sich über mindestens ein Jahrzehnt etabliert hat.

437

Gestern zeichnete ich die „Neckarseite“, also den rechten Teil des Kreuz-Triptychons auf eine neue Transparentpapierbahn. Von oben her begann ich schon mit dem Zusammenrollen und Verdichten des Linienmaterials, das die Kerbschnitte im Holz wiedergibt. Das wird nicht mehr so viel Arbeit werden, wie ich mit dem Mittelstück hatte. Die Nummerierung dieser Felder ergab die Zahl 437, also mehr als ich schätzte.

In den heutigen Buchmalereien wollte ich die glatten Sägeschnitte der Lavasteine mit Farbfiguren versehen, die ich über den Umweg meiner Handkante auf das Papier zu bringen gedachte. Es bildeten sich aber keine klaren Formen, wie ich vorhatte ab. Zu viele Schichten, wie die Hohlräume der Lava, die Farbfigur, die Handlinien und die Dynamik des Wassers, verhinderten das. Architekturumrisse stabilisierten die auseinander fließenden Kompositionen.

In der kommenden Woche werde ich mich mit der weiteren Verdichtung der Neckarseitensequenz, mit dem Zusammenspiel von diesen Strukturen mit den Berliner Wanderungslinientexten, der Tabosequenz und den Buchmalereiumrissen beschäftigen.

Motivwanderungen

Die Motivwanderungen innerhalb der Transparentpapierrollen, Buchmalereien, in den alten Holzschnitten und nun auch aktuell in der Dornenkronensequenz, weiteten sich immer auch über die Grenzen der Projekte hinweg aus. Vor allem die parallel laufenden Arbeitsreihen durchwirken sich deswegen. Das lässt sich nicht auf einen Vorsatz zurückführen, sondern eher auf die Unfähigkeit, an verschiedenen Vorhaben unabhängig voneinander zu arbeiten. Sogar meine Schüler sind angehalten, sich an die Materialien zu halten, die für mich gerade wichtig sind.

So geht es mir nun auch mit dem Vortrag, den ich im Tibethaus halten soll, der Beschäftigung mit den Altarobjekten, den Buchmalereien und der Fortführung von Rolle 12. Schon auf Rolle 11 gab es Verbindungen zwischen der Tabosequenz und den Textwanderungen in Berlin. Und somit kann ich bei der Präsentation in der Umgebung von Peter van Hams hoch auflösenden Tabo – Fotografien von meiner gegenwärtigen Arbeit ausgehen.

Heute startete ich zeitig in die Atelierarbeit. In den Buchmalereien ging ich wieder von Linien aus, die sich von gestern durch die Buchseiten gedrückt hatten. Die schraffierte ich stark mit mehreren Farbschichten, um dann noch weitere Holznadelgravuren hinein zu prägen. Dann folgte ein Handkantenabdruck mit Lavastrukturen…

Kontrastieren

Zwischen den Neubauten südwestlich vom Atelier, schien die Sonne in meinen kleinen, wilden Garten. Ich flocht aus ein paar Weidentrieben Ringe, fütterte die Vögel und goss die Pflanzen im Atelier. Weil ich unterwegs ebenfalls Buchmalereien mache und mein handschriftliches Tagebuch führe, fällt es nicht schwer, ins Atelier zurück zu kommen, mich an den Tisch zu setzten und weiter zu machen. Das gleiche Material hier und woanders auf dem Tisch.

Die Ergebnisse der Handabdrücke lasse ich in letzter Zeit öfter unüberarbeitet stehen. Die Muster der Lavasteine drucke ich mit Aquarellfarbe auf meine Handkante und drücke diese dann auf das Papier. So verbinden sich die Formen der erstarrten Lava mit meinen Handlinien. Die Strukturen gehen, wie selbstverständlich ineinander über. Nur, wenn das schwach und spannungslos erscheint, kommt es zu Umrissen oder harten Geraden, die das Geschehen kontrastieren.

Oft lese ich Gegenstände oder Figuren in die entstandenen Formen hinein. Und wenn das Geschehen zu banal wird, wehre ich mich mit Übermalungen. Aber es macht Spaß, die drei täglichen Formate als 3 zusammenhängende Szenen zu sehen, in denen dieselben Figuren auftauchen.