Übertragung der Struktur

Heute machte ich die Collagen bevor ich den handschriftlichen Tagebuchtext schrieb. Dadurch könnte ich diesen Vorgang reflektierend schreiben, lasse es aber, weil das digitale Collagieren und das schreibende Denken zu unterschiedliche Geschwindigkeiten haben.

Die Experimente mit dem Umdruckverfahren der Dornenkronensequenz auf Holz, liefen gestern ganz anders als gedacht. Die Übertragung der Struktur gelingt nicht überzeugend durch das Anlösen der Linien mit Schellack oder Spiritus. Die Ergebnisse sind zu weich und zu weit entfernt von dem Überlagerungsgesträuch.

Deswegen zeichnete ich die Linien mit einem sehr weichen Stift auf Transparentpapier durch und übertrug sie dann mit einem harten Stift durchpausend auf die Fläche. Diese feinen Striche kann ich dann mit Feder und Tusche konkretisieren, wo es passt und an anderen Stellen auslaufen lassen. Das sind zwei Arbeitsgänge mehr. Aber das Ergebnis überzeugt mich mehr.

Energieaustausch

Im Atelier ist es von der Sonne im kalten Morgendunst hell. Ich sehe meine Steine, Zeichnungen, Pflanzen und Objekte, höre meine Renaissancemusik und füttere die Meisen, Spatzen und das Rotkehlchen. Ich lasse mich von den ersten Strichen im Tagebuch in die Buchmalereien tragen, beobachte die Bewegungen der Stifte, Pinselspitzen, Farben und der rechten Hand. Komposition und Improvisation, Energieaustausch und deren Umwandlung in Bewegung und Farbtemperatur.

Am Nachmittag werde ich Zeit haben, die ersten notwendigen Experimente für den Tuschelinienumdruck zu machen. Das heißt, dass ich probieren will, wie genau sich die gezeichneten Tuschestrukturen abbilden, wenn ich sie mit Schellack oder Spiritus anlöse, auf eine andere Fläche lege, andrücke und vorsichtig wieder abziehe. In den Synaptischen Kartierungen habe ich das öfter gemacht, aber nicht mit dem Ziel einer möglichst vollständigen Abbildung.

Es können sich aber aus der Dornenkronensequenz auch Strukturen ergeben, die vom vorgegebenen Liniengeflecht abweichen, dennoch aber geeignet sind, um die Oberflächen der Objekte kontrastreicher zu gestalten und sie um eine weitere Deutungsschicht zu erweitern.

In den Splittern

In der Dornenkronensequenz kam ich bis an die letzten zwei Splitterreihen, am unteren Ende des Kreuzes, heran. Ein langer Tag mit der Tuschefeder. Den mittleren Streifen der Linienverdichtungen wollte ich noch in diesem Jahr fertig bekommen. Das schaffe ich nun auch. Die beiden anderen Streifen der Seitenflächen, kommen dann im Januar dran. Auch mit den Seitenflächen in der Tiefe des Objektes sollen Verdichtungssequenzen entstehen.

Vielleicht kann ich heute schon einige Felder auf Einzelblätter herauszeichnen und schauen, wie ich mit ihnen weiter verfahren kann. Es ist mein Ziel, dass jede einzelne Fläche diesen Gesamtprozess in sich trägt und auch ausstrahlt. Dann ist zu entscheiden, ob sich noch ein Arbeitsgang anschließen kann, der dem Scherbengericht folgt, das Teil des Väterprojektes war.

Die Buchmalereien beziehen einen Teil ihrer Spannung aus dem Auseinanderdriften und den Zusammenballungen der Elemente. Die Diagonalen weisen nach außen, sprengen den Zusammenhalt, der durch die Strukturen der Lava – Abdrücke, der Haare und Handballenlinien entsteht. Die Wiederholungen der Umrisse in verschiedenen Konstellationen entsprechen auch eher einer ordnenden Gravitation.

Verknüpfungen

Die Zeitökonomie geböte es, dass ich die Tagebucharbeit enger mit der Überarbeitung der Altarobjekte in Neckargemünd verknüpfe. Von der Behauptung der Farbstrukturen der Buchmalereien als Vorbereitung für die Arbeit auf den Holzflächen, bis zur Übertragung der Technik in der Praxis, ist es noch ein Stück Weg.

Heute vermischten sich die Hautfalten meines Handballens mit den Blasenstrukturen der Lavasteine. In der Arche ginge es nicht um eine Kopie dieser Techniken, sondern um eine Übersetzung. Der Blick soll den Schichtungen der verschiedenen Elemente in eine Tiefe folgen können. Das ist nicht flächendeckend gemeint, sondern nur für bestimmte Punkte des Ensembles.

Szenen in meinen Büchern verbinden sich zu Geschichten. Die Wiederholung von bestimmten Kerbschnittfragmenten an unterschiedlichen Stellen der Objekte, kann das Szenische der Malereien aufnehmen. Was erzählt uns die Wiederholung des Dornenkronenmusters auf der Vorderseite des Altartisches? Und das Licht, in das der aufsteigende Gekreuzigte strebt, sollte als weiteres wichtiges Element mehrfach auftauchen. Das Licht hat in der Vergangenheit die Farben ausgeblichen. Mit fachlicher Unterstützung will ich das für die kommende Zeit ausschließen.

Zerstückelt und neu

Ein paar Stunden verdichtete ich mit dem Überlagern der Tuschelinienschichten der Dornenkronensequenz. In den Collagen verbinde ich Splitter dieser Gesträuche mit den Farben der Buchmalereien. In diesen kleinen Formaten taste ich mich langsam an die Möglichkeiten heran, die Altarobjekte zu überarbeiten.

Die Frage nach dem Sinn der Erfindungen von Gechichtenfragmenten für die Buchmalereien, stellt sich nicht mehr, denn sie funktionieren vor allem für mich. Mir helfen sie, am nächsten Tag besser anknüpfen zu können. Gerade denke ich an Klostermalereien im Himalaja, die schwebend einzelne Organe zeigen. Die linke Figur der ersten Malerei, die auch in der Collage gut zu erkennen ist, erinnert mich daran.

Rotierende Zerstückelungswellen, die wie die Maischmühlen bei der Weinproduktion funktionieren, arbeiten die Figuren in 1 um, damit die sich in 2 wieder neu zusammensetzen können. Dort ordnen sie sich zu fröhlichen Farbkonglomeraten, die in ihrem Entstehen noch ohne Handlung sind. Dann aber in 3, kommen die Probebühnenkulissen dazu, die eine Handlung fordern. Verzweifelt wurschteln die neuen Figuren zwischen den Wänden herum, ohne ihren Text gelernt zu haben. Sie rufen ins Leere nach der Souffleuse.

Verstrickungen

In den heutigen gemalten Szenen bilden sich Verstrickungen ab. Zwischen den kommunizierenden Körpern übertragen sich Zustände. Euphorie und zurückgezogene Gleichgültigkeit neutralisieren sich. Türkisfarbene Pflanzen treiben aus Altrosasümpfen. Aus den Lavastrukturen, die heute wieder die Ausgangssituation bildeten, dehnt sich schnell Farbleben aus. Seine Vielfältigkeit würde ich gerne auf die Flächen der Altarobjekte übertragen.

Gestern zeichnete ich an der Dornenkronensequenz weiter. Die Verdichtung nach unten hin, ich bin bereits bei den Füßen des Gekreuzigten angelangt, muss nun anziehen. Die Dunkelheit muss zunehmen. Das bekomme ich aber hin. Vor Weihnachten ist noch genügend Zeit, um den mittleren Streifen fertig zu zeichnen.

In alten Fotos fand ich Entwürfe für das Kreuz. Varianten in Gips und Styropor. Letztere in Maßstab 1:1. Da ist deutlich diese naive Farbigkeit zu sehen, die nun glücklicherweise verblichen ist. Ein weiteres Kreuzigungsobjekt ist eine lebensgroße Christusfigur, die ich modelliert, abgeformt und in einem sehr stabilen Material abgegossen habe. Im Stück „Bauernsterben“ von Kroetz wurde heftig damit gespielt. Und dann gibt es noch ein Foto von mir, als Gekreuzigter liegend auf einem Prospekt nach Philip Otto Runge.

Insektenkönigin

Mit den Schülern spielte ich gestern Figurenfinden. Das motiviert sie sehr und die Gegenstände, in denen sie danach suchen, können ganz verschieden sein. Es waren Holzspäne, Liniengeflechte und abgeformte Reliefs. Sie fanden Frauenköpfe mit Feuerfrisuren, Fische, Buchstaben, Gürteltiere und abstrakte Muster. Sehr schöne Ergebnisse gab es bei der Bemalung der Holzspäne, die vom Aushöhlen des Baumstammes stammen. Draußen flochten sie die langen Triebe der Weide, die nun ganz ohne Blätter gut zu Ringen gebogen werden können. Es entsteht ein großer Lockenkopf im Gärtchen vor dem Atelier.

Alleine mit meinen Farben und Strukturen, bin ich froh, dem Vorweihnachtstrubel zu entkommen. Die Buchmalereien kann ich auseinander fliegen lassen, sie wieder miteinander verknüpfen und mit allen dreien zusammen eine Handlung erfinden. Die böse Maschine, die die Figuren in der 1. Malerei bedroht, wird in der 2. von einer freundlichen Insektenkönigin verscheucht. Sie gebiert ständig neue kleine Wesen, die in die 3. Malerei schweben. Dort treffen sie auf Pflanzen und fremde Atmosphären, in denen sich Gegenstände manifestieren und wieder in farbigen Wolken verfliegen.

Solche Farbigkeiten wünschte ich mir für die Oberflächenfelder des Altarensembles. Sie könnten der Untergrund für den Tuschestrukturdruck auf einigen der Flächen sein, die von den Kerbschnitten begrenzt sind.

Tiefe der Schichten

Im Frankfurt Lab sahen wir die Lecture Performance einer jungen Frau, deren Thema eine Regiehospitanz bei Oliver Reese im Berliner Ensemble war. Die patriarchalen Verhältnisse an deutschen Theatern, wie sie beklagt worden sind, sind bekannt und haben sich in den vierzig Jahren, in denen wir mit dieser Welt zutun haben, kaum geändert. Die Protagonistin nannte wütend die Namen, sagte aber eigentlich nichts, was allenthalben bekannt ist. Das eigentlich bemerkenswerte ist der Stillstand hinter der leuchtenden Dekoration.

Mit einer differenzierten Strichstärke modelliere ich im Gesträuch der Dornenkranzsequenz einen Raum. Die hell ausgesparten Kerbschnitte von der Holzoberfläche, werden in den fortlaufenden Runden des Zusammenrollens und Durchzeichnens, auch mit den schwach durchscheinenden Linien dünn durchkreuzt. Weil die kräftigen Striche in den Vordergrund rücken, entsteht die Tiefe der hintereinander gestaffelten Schichten. In einem weiteren Schritt werden in diesem Geflecht Figuren gefunden, die sich zunehmend dort verstecken. Das wäre eine Aufgabe für die Schüler, die nachher ins Atelier kommen.

Für die Buchmalereien benutzte ich heute, neben den Aquarellstiften, dem Farbkasten mit Pinseln und der Holzhaarnadel, einen glatt durchgeschnittenen Lavastein. Mit seinen Konturen stempelte ich Farbflecken, wodurch schwebende Körper entstanden. Gegen diese allzu bunte Rundheit setzte ich Geraden, die in verschiedenen Winkeln zueinander stehen und sich kreuzen.

Zeitstillstand

Gestern schaffte ich es, die Dornenkronensequenz in 5 Stunden auf etwa 20 Zentimeter Länge zu verdichten. Je weiter ich den Streifen weiterzeichne, desto konzentrierter wird die Struktur der Tuschelinien und umso langsamer komme ich voran. Es ist, als würde die Zeit auf einen Stillstand zulaufen, an dem sich die Ausdehnung des Universums umkehrt. Wenn sich der Zeitpfeil dann gedreht hat, läuft alles auf eine Singularität zu. Bei meiner Transparentpapierrolle ist das mit der absoluten Schwärze gleich zu setzten.

Mit der zunehmenden Dunkelheit zeichnen sich die Felder zwischen den Kerbschnitten im Dickicht deutlicher ab. Diese Splitter kann ich einzeln mit kräftigen Tuschelinien auf Transparentpapier herauszeichnen, um sie dann im Umdruckverfahren lasierend auf der entsprechenden Holzfläche zu platzieren. Das betrifft nur die Stellen, an denen ein größerer Kontrast benötigt wird. Das soll beispielsweise helfen, die Christusfigur etwas deutlicher hervorzuheben.

Ich merke, dass alles länger dauert, als ich dachte. Jetzt kann ich aber noch nicht einschätzen, ob ich letztlich mehr Zeit benötigen werde. Den Punkt der aufzufrischenden Farbigkeit habe ich auch noch nicht geklärt. Ich schwanke zwischen den Strukturen meiner Buchmalereien und denen der Glasfenster der Arche.

Geschichten

Eine kleine Ausstellung buddhistischer Skulpturen ist im Museum für Angewandte Kunst eingerichtet worden. Wir sahen sie gestern. Kleine einordnende Beschreibungen klärten über Entstehungszeit und Herkunft auf. Sie arbeiten offensichtlich häufiger mit dem Tibethaus zusammen. Einige Exponate stammten von dort.

Vorgestern sahen wir die Premiere eines Stückes über die Verstrickung von Rechtsradikalismus und Verfassungsschutz in den Kammerspielen des Schauspiels Frankfurt. Kaum Erkenntnisgewinn, dafür viel Wutgeheul und viel journalistisch oft aufbereitetes Material. All das zugeschnitten auf ein jüngeres Publikum, ging diese Revue an uns vorbei. Ziemlich grell und unerträglich.

Ich frage mich, ob nicht die Erfindung von Geschichten, die in den Buchmalereien vor sich gehen, diese Bilder schmälert. Sicherlich lassen sie sich ohne diese Texte weiter und reicher interpretieren. Eigene Geschichten sind dann leichter zu finden und erleichtern vielleicht sogar den Zugang und die Verbundenheit mit den Motiven. In den Collagen verbinden sie sich ja sowieso gestapelt mit den vorigen Arbeiten.

Energieumwandlungen

In den Buchmalereien habe ich gerade das Spiel von gestern fortgesetzt. Es gesellten sich weitere Figuren hinzu, bzw. verwandelten sich wegen der sich verändernden Atmosphäre. Es finden verschiedene Energieumwandlungen statt, die aus einer gewissen Ordnung in eine Unordnung wechseln. Magnetfelder um eine amorphe Masse wandeln sich in einem Inkubator in Wärme um, die ihre Strahlen konzentriert und in einen Nebel schickt. Das ist die zweite Szene von heute.

In der ersten spielen Stäbe die ordnende Rolle. Sie teilen, stützen und tragen. Man kann sich an ihnen verbrennen und bei intensivem Kontakt verdampfen. Es ist zu sehen, wie das vor sich geht. Da hält man sich doch lieber abseits in gemäßigter Atmosphäre, als Einzelgänger nicht dazugehörend.

In 3 herrscht Chaos, das durch einen Wind geordnet wird. Kalt schießen die Teilchen durcheinander und werden von einer schwachen Energie zusammengehalten. Der Wind aber weht nach rechts in die Zukunft, wo es wärmer wird. Aus dieser Wetterlage tritt eine Figur heraus, die die Wärme personifiziert und den Zeitpfeil in sich trägt.

Drei Szenen

Aus 3 Figurenkonstellationen der heutigen Buchmalereien entstanden 3 Szenen einer kleinen Geschichte. Der Einakter beginnt mit allen Personen, die aufeinander zu und voneinander weg streben, je nach dem, welche Ladung sie besitzen, positive oder negative. Ein Kind ist dabei, getragen auf halber Höhe, mal auf dem Rücken, mal von Stäben oder Energielinien der Gravitation gehalten. Falls sich die Szene in einem Innenraum abspielt, ist das am ehesten ein Labor, und die Darsteller sind Teilnehmer einer Versuchsreihe.

Das Experiment besteht darin, dass sie unterschiedlichen Atmosphären ausgesetzt werden. Es ist zu beobachten, wie sich dadurch ihre Konsistenz und Farbigkeit verändert. Manchmal bestehen sie nur noch aus einer durchscheinenden Hülle und ein andermal werden sie, weil sie keine Ummantelung mehr besitzen, verweht. Vielleicht fing die Geschichte aber schon gestern oder vorgestern an. Vielleicht läuft das Stück schon Jahre, und ich habe nur versäumt, es aufzuschreiben.

Durch das weiße Blatt, das ich in das Transparentpapier mit der fortlaufenden Tuschezeichnung der durchscheinenden Linien des Altarkreuzes der Arche, mit einrolle, bildet sich eine leichte Diskontinuität der sich wiederholenden Linien und deren Überlagerungen. Sichtbar ist das bisher nur für mich, den Eingeweihten. Das reicht auch erst einmal.

Verlangsamung

Gestern Nachmittag setzte ich das um, was ich mir zuvor überlegt hatte. Durch die Sperre der Durchsichtigkeit bis zu den unteren Schichten der Transparentpapierrolle der Dornenkronensequenz, verringerte sich das durchzuzeichnende Material. Der Prozess der Verdunklung durch das Gesträuch, wurde verlangsamt. Die Struktur bekommt allerdings etwas gleichförmig Mystisches. Außer der vorsichtigen Intensivierung, muss ich dem zunächst nichts entgegen setzen, denn es handelt sich lediglich um die Voraussetzung für die Bruchstücke, Scherben und Splitter, mit denen ich die Holzflächen gestalten werde.

Weil ich gestern ein gutes Stück der Vorarbeiten für die Arche-Objekte geschafft habe, treten nun auch wieder andere Vorhaben in mein Denken. Durch eine weitere Einladung ins Humboldtforum, erinnere ich mich an die Textgänge, die ich auf der Museumsinsel und auf dem Gustavsburgplatz machen wollte. Beide Projektbeschreibungen fanden kein Entgegenkommen. Deswegen will ich die Textwanderungen zunächst alleine unternehmen – im Frühjahr.

Die Ateliergemeinschaft, in der Sigi am Thor arbeitet sprach sich mehrheitlich gegen die Durchführung ihres YOU&EYE – Projektes dort an Ort und Stelle aus. Ich möchte mich für Sigi stark machen und hoffe, damit nicht alleine zu bleiben.

Auflockerung

Mit den durchgezeichneten Tuschelinien des mittleren Streifens des Lindenkreuzes aus der Arche, begann ich die Dornenkronen – Überlagerungssequenz. Ich rolle dabei, den Streifen von oben zusammen. Das Liniengeflecht verdichtet sich aber bereits im oberen Drittel so sehr, dass ich weiter unten eine zu große Dunkelheit befürchten muss. Somit werde ich bei der Weiterarbeit Bögen von weißem Papier mit einrollen, damit die geschichtete Struktur teilweise abgedeckt bleibt. Das lockert den Vorgang auf.

Wenn ich die gefüllten Umrisse auf Einzelblätter zeichne, um sie im Umdruckverfahren mit Schellack nutzen zu können, dürfen die Linien nicht zu eng beieinander liegen, sonst verschwimmen sie miteinander. Diese Ungewissheiten, die ich nur nach und nach aufdecken und lösen kann, schaffen zusätzlich etwas Unruhe.

Aber wenn ich mich auf meine Erfahrung verlasse, kann es gehen, wie bei den heutigen Buchmalereien, die ich etwas unambitioniert begann, nur mit der Maßgabe, dass sie nicht zu aufwendig werden sollten, denn ich muss den Workshop mit den Schülern noch vorbereiten. Aber dadurch sind sie locker und reizvoll geworden. Das sollte ich mir merken.

Wald

Wenn neben dem selbst auferlegten Produktionsprozess von außen weitere Aufgaben hinzukommen und keine verlässlichen, kontinuierlichen Arbeitsphasen möglich sind, wird es schwierig. Gestern zeichnete ich den ganzen mittleren Streifen der Kreuzfrottage auf einen weiteren Transparentpapierstreifen durch. Beim Zusammenrollen wurden schon die künftigen Verdichtungsstrukturen sichtbar.

Es ist, als würde das Gesträuch, von dem die Dornenkrone stammt, entstehen. Oder ein ganzer Wald, wie der nahe gelegene Hollmuth. Auf diese Verdichtungssequenz bin ich gespannt. Immer wieder drängt sich der Vergleich mit dem Väterprojekt und seinen Scherbengerichten auf.

Und den Zusammenhang der sakralen Objekte mit der weiterlaufenden Tagebucharbeit, will ich nicht aus dem Blick verlieren. Schon hatte ich Fragmente der Buchmalereien in den farbigen Feldern zwischen den Kerbschnitten vor Augen. Die Strukturen ähneln sich an manchen Stellen und bereichern sich.

Verbindungen

Von den Flächen zwischen den Linien der Dornenkrone auf dem Holzkreuz, Splitter mit dem Blut Christi, zeichnete ich gestern ein paar aneinander liegende, auf Rolle 12. Dort begann ich die gegenwärtigen Materialien miteinander zu verbinden. Das Thema Wanderungen und Sprache kann auch mit einfließen in die Arbeit an den Lindenholzobjekten der Arche.

Gestern besuchten wir die Ateliers in der Idsteiner Strasse. Außer zu Franz empfinde ich eine besondere Verbindung mit den Malereien von Ruth. Wir konnten mit ihr auch gut über ihre Arbeit sprechen. Bei Franz ist es besonders die Verbindung der Zeichnungen mit seiner Meditationspraxis, was uns interessiert.

Susanne, mit der ich kürzlich im Atelier musizierte, schickte mir ein Himmelsbild. Von ihrem Dach aus fotografierte sie den Ausschnitt über meinem Arbeitsraum. Es passt ganz gut zu dem, was ich gerade mache. Mit den Lamellen der Kehrmaschinen habe ich in letzter Zeit öfter mal probiert, verschiedene Töne zu erzeugen. Gerne würde ich das gemeinsam mit der Musikerin fortführen.

Sonntag

In einer Zoom Konferenz eines Kulturinstituts in der Nähe von Shimla, hielt Peter van Ham einen Vortrag über seinen neuen Bildband über Tabo. Danach gab es eine Fragestunde. Die Inder interessieren sich für sie europäischen Haltungen zu ihrem Buddhismus und stellen religionskulturell intime Fragen. Sie sind dabei warmherzig, freundlich und sehr persönlich. Ich bewundere Peter für seine Kraft, Ausdauer und für seine reiche Kenntnis der tibetisch-indischen Kultur.

Mit meinen Frottagen aus der Arche bin ich noch nicht weiter gekommen. Mir fehlt gerade etwas der Schwung. Ich weiß, dass der nächste Arbeitsschritt sehr aufwendig und belastend wird. Deswegen sammle ich mich noch etwas.

Es ist Sonntag. Ich krame im Gärtchen, füttere die Vögel und lasse meine Gedanken etwas treiben. Dabei denke ich an die Zukunft meines Ateliers. Ohne diesen Arbeitsraum könnte ich solche Projekte, die ich in den letzten Jahrzehnten gemacht habe, nicht verwirklichen. Aber wie lange meine Kraft noch für große Vorhaben reicht, weiß ich nicht.

Ökonomie

Ein erstes durchgezeichnetes Blatt habe ich gestern von den Frottagen aus Neckargemünd gemacht. Es handelt sich in erster Linie um die Dornenkrone des Gekreuzigten. So taste ich mich langsam heran. Beim betrachten des Berges von Arbeit, der zu überqueren ist, dachte ich daran, was unterwegs gebraucht wird und was nicht. Es gibt ein Zeitfenster bis Ende März und deswegen den Gedanken an Ökonomie.

Dabei ging mir die Arbeit am Väterprojekt durch den Kopf. Die Felder, die zwischen den geschnittenen Kerbschwüngen entstanden sind, erinnern mich an die Splitter der Scherbengerichte, die ich als Einzelblätter anfertigte und später zu dem Doppelportrait der Väter zusammensetzte. Allerdings war da keine Zeitbeschränkung vorhanden.

Die Erfahrung die ich damals während der viele Jahre andauernden Arbeit sammelte, soll mir nun zugute kommen. Ziel ist es, das Augenmerk schon jetzt auf das Wesentliche zu richten. Durch eine Reduktion der Scherben kann eine stärkere Konzentration erreicht werden. Der Arbeitsprozess wird es weisen.

Richtungen der Zeitpfeile

Schaue ich vom Dach des Kreuzes, das ich 1987 hergestellt habe, herab, ist es als blickte ich in die Vergangenheit. Unter den Füßen des Gekreuzigten sammelt sich die Finsternis der überlagerten Ereignisse, aus denen sich die Zeit zusammensetzt. Die Richtung des Zeitpfeils ist hier eindeutig, er zeigt nach oben über die Dornenkrone hinaus.

Nicht so eindeutig sind die Richtungen des Querbalkens. Normalerweise würde ich sagen, die Vergangenheit liegt auf der linken Seite. Die Verdichtungen beim Zusammenrollen des gezeichneten (geschehenen) Materials nehmen von rechts nach links zu. Mir widerstrebt allerdings der Gedanke dieser einseitigen Komposition, die ein Ungleichgewicht erzeugt. Wenn ich die Dunkelheit der Verdichtungen gleichmäßig verteilen will, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder ich rolle das Transparentpapier von der Mitte zu beiden Seiten nach außen, oder umgekehrt von außen zur Mitte hin. Dort würde dann das konzentrierte Geschehen nach unten abgelenkt.

Die Malereien beherbergen einen Streit. Die geschwungenen Formen der Verwischungen und deren Umrisse treten in Opposition zu den konstruktiven Balken und den Kulissenwänden. Irgendwann muss ich das für mich schlichten.

Chaosarchitektur

Die Buchmalereien vom Morgen trauen den langsam entstehenden Strukturen und dem, was aus ihnen wächst, nicht. Es sollte eine Struktur geschaffen werden, in der sich eine Geschichte entwickeln kann. Dies geschah mit der Architektur von Probenmarkierungen, wie sie bei Schauspielproben üblich sind und die Bühnendekoration für den Probenprozess bilden. Aber es entstand keine Ordnung für die Erzählung, sondern Chaos.

Gestern habe ich die drei zentralen Papierbahnen mit den Frottagen des Kreuzes aus der Arche im Atelier aufgehängt, damit ich die Arbeit der nächsten Wochen im Auge habe. Manch Partien der Kerbschnitte im Holz erinnern mich an Keilschrift. Die Linienverdichtungen werde ich, entsprechend der Richtungen der Holzbalken, waggerecht und senkrecht verfolgen. Entsprechend der Arbeitsweise auf den Transparentpapierrollen, überlagern sich die Strukturen dann quer und senkrecht. In der Mitte treffen sie sich. Die Schwünge der Linien weisen über das Format hinaus.

Auf Rolle 12 beschäftigte ich mich gestern mit dem ersten Buchmalereiumriss des Tages. Er ist nicht so stark vergrößert und fügt sich so besser in das Format, passt besser in die Höhe des Streifens. Aber eigentlich müsste ich diese Rolle beiseite legen und mich mit den Frottagen aus Neckargemünd beschäftigen.

Frottagen

Was ich mir gestern vorgenommen hatte, nämlich von allen Flächen meiner Objekte in der Arche in Neckargemünd, Frottagen herzustellen, habe ich nicht geschafft. Die Zeit von 12 bis 17 Uhr hat nicht gereicht. Überhaupt hat das Projekt etwas ausuferndes, was aber an mir und meinem Enthusiasmus liegt.

Zunächst fertigte ich die Frottagen von den Linien des Kreuzes an. Dann hatte ich ein Treffen mit den Auftraggebern. Währenddessen dachte ich beim Sprechen über die Arbeit daran, aus der Not eine Tugend zu machen, auf die Frottagen von Ambo und Altartisch zu verzichten und das Linienmaterial des Kreuzes auch für die Weitergestaltung dieser beiden Objekte zu nutzen. Auf diese Weise, würden zentrale Elemente des Kreuzes, wie Wundmale, Gesicht, Dornenkrone und Hände, fragmentarisch auch dort auftauchen. Das hätte zur Folge, dass das Ensemble, mit dem Verweis auf die Kreuzigung, noch mehr zusammenwachsen würde.

Ich hatte keine Zeit, mich mit der Architektur, den Glasfensterfarben und ihren Strukturen zu befassen. Auch den Glockenton hörte ich noch nicht. Das muss noch etwas warten bis zu einem nächsten Besuch. Es stellt sich heraus, dass ich die verbleibende Zeit bis Februar intensiv nutzen muss, um die Arbeit vor Ort vorzubereiten.

Meditation als Werkzeug

Es ist zu überlegen, welches Arbeitsmaterial mit nach Neckargemünd soll, um dort Frottagen an den aufrecht stehenden Objekten zu machen. Die Transparentpapierrolle muss irgendwie fixiert werden, damit ich mich ganz auf die Schraffur konzentrieren kann. Anderen Eventualitäten kann ich vielleicht mit der dortigen Werkstatt begegnen.

Neben diesem handwerklichen Herangehen, geht mir der gestalterische Prozess durch den Kopf. Es geht dabei um Verdichtung durch ein meditatives Zeichnen. Meditation ist also ein Werkzeug, ein Mittel zu Zweck. Die Frottagen sind dafür der erste Schritt. Mit ihnen transportiere ich das Material in mein Atelier, mit dem ich die Konzentration erreichen kann, mit der ich dann in die Arche zurückkehre.

Weitere praktische Vorgehensweisen gingen mir durch den Kopf. So birgt die Übertragung der verdichteten Tuschezeichnung auf den Holzkörper verschiedene Unsicherheiten. Beispielsweise kann ich die Tuschelinien mit Schellack anlösen, dann die Papierbahn auf die zu gestaltende Fläche legen, um die angelösten Motive, mit leichtem Druck zu übertragen. Beim Abziehen des anhaftenden Papiers, entsteht eine leicht verwischende, weichzeichnende Struktur. Das entschärft die Härte der Tuschelinien und schafft etwas Entfernung. Das kann ich vorher mit Experimenten im Atelier verfeinern.

Stahllamellen

Die Kraft am Morgen, die durch das turbulente Wochenende aufgebraucht war, kam wieder, als ich mich an meine Buchmalereien setzte. Den Klang der Glocken in Dillenburg noch im Ohr, deren einer Guss wir beiwohnten, und die nun eingeweiht wurden, sprang meine Seele voraus und ich hatte Mühe, ihren Bildinspirationen zu folgen. Klänge wuchsen und flogen farbig davon.

Ich denke an die Stahllamellen der Bürsten die unter den Straßenkehrmaschinen rotieren, manchmal verloren gehen, damit ich die aufsammeln und mit ihnen Musik machen kann. Außerdem könnte ich sie für die Papiergravuren innerhalb der Buchmalereien nutzen. Vielleicht lässt sich auf diese Weise Musik in die Malerei übertragen.

Auf die Atmosphäre morgen in der Arche, dem ökumenischen Gemeindezentrum in Neckargemünd, bin ich gespannt. Ich will sehen, welche Inspirationen dieser Raum für mich bereithält, Klang, Licht, Glasfarben und Glocken. Ich frage mich auch wie weit meine Objekte von mit entfernt sind, wie fremd sie mir erscheinen werden. Wahrscheinlich wächst der Wunsch, sie gründlich zu verändern. Die Arbeit wird sein, sie mir wieder anzuverwandeln.