Ausstellungen

Während ich gestern auf Vandad wartete, der die Arbeiten meiner Schüler für eine Ausstellung im Museum für Angewandte Kunst abholen wollte, saß ich im Garten, ordnete meinen Kalender und dachte über die Ausstellung in Berlin nach. Innerhalb des erinnerungskulturellen Zusammenhangs fühle ich mich grundsätzlich an der richtigen Stelle mit meinem Stasi DADA. Und sicherlich machte ich mir noch nicht gründlich genug klar, dass die unterschiedlichen Ansätze, die Geschichte des Ortes zu erkunden, ein großer Vorteil der Veranstaltung ist. Ich sollte genau zuhören, was die Ostalgiker zu sagen haben.

Von dem Theaterstück „Bau auf! Bau ab!“ gibt es einen Trailer im Netz. Ich schaue es mir am Freitag an, wenn die Eröffnung für das Publikum ist. Aus meinem Interview, das vor einem Jahr gemacht worden ist, werden dort Fragmente mit anderen Textteilen verwendet. Auch in einer Soundinstallation innerhalb der Ausstellung sind Teile davon zu hören.

Am Müttermantel habe ich gestern weiter gehauen. Öfter denke ich, dass ich diese Skulptur alleine mit den Händen, ohne Maschinen, nur mit Hohleisen und Klüpfel, nicht schaffen werde. Aber Lust auf eine Kettensäge habe ich nicht. Auch das Dechseleisen hat sich bislang nicht bewährt.

Vorsicht, Müttermantel

Zwischen den Blättern des Gärtchens hängen Muscheln, bewegen sich leicht im Licht der Fensterreflektionen. Das Grün zittert und wedelt, die Meisen pfeifen um die Wette, Insektenschatten folgen meinen Linien auf dem Papier. Im alten, braunen Laub, das den Boden bedeckt, tarnen sich ornamentale Nachtfalter vor den wachsamen Augen der Eidechsen, denen Schönheit egal ist.

Die Morgenmalereien fertigte ich vorsichtig an, schreibe langsam. Hinter den Augen wandern die Zählreime der Bluesstrophen hin und her. Wenn die Gitarre gestimmt ist, kann ich den Song „Der Rabe Ralf“ von Christian Morgenstern singen:

„Der Rabe Ralf,

will will huhu

dem niemand half,

still still du du

half sich allein am Rabenstein…“

Einer Hebamme erzählte ich von meiner Müttermantelskulptur. Sie verstand nicht, wie ich als Mann zu diesem Thema komme. Außerdem tat sich eine Dualität auf: die Schwere des Mantels ist die Last, die eine Mutter trägt oder die, die eine Mutter ist.

Chaos, Rabe und Raum

Ineinandergreifende Chaosstrukturen werden durch die Reaktionen aufeinander, zu einer ordnenden Kraft. Diese Vorgänge finden in den Buchmalereien und im Garten statt. Die Wirkungen von Gravitation, Geist und Verwesung ziehen Situationen nach sich, durch die Wesen, Erinnerungen oder Bühnenszenen entstehen.

Mit dem Inhalt der von den Schülern geöffneten Keksrolle, füttere ich einen kleinen Raben. Wir teilen uns die Plätzchen. Gestern schon bekam er Kuchen von mir, was seinen großen, alten Konkurrenten nicht verborgen blieb. Es bedarf einer Strategie, ihn zu bevorzugen, denn ich möchte ja „meinen“ Raben hier in meiner Nähe haben.

Die Gerüste der Nachbarbaustelle, südwestlich von unserem Gelände, weisen beängstigen weit in den Himmel. Im Winter wird das Areal völlig verschattet sein. Vielleicht ist das der Beginn seines Endes, das unsere AG 4.1 verhindern will. Räume freundlich und gut bespielbar zu gestalten, hängt nicht zuletzt an den Inhalten, für die die Leute stehen, die sie beleben.

Langzeitwirkung

Unter dem Blätterschirm des Gärtchens atmen die Lichtflecken in sanften Luftwirbeln. Nach der kühlen Nacht ist das Leben der Kleintiere noch nicht richtig erwacht. Zu Himmelfahrt heute, habe ich mir einen Gartentag geschenkt. Die Baustelle ist still, die Sonne scheint und die nächsten Verabredungen sind erst am späteren Nachmittag.

Besuchs- und Sitzungstermine strengen mich mehr an als früher. Gestern die Kuratorin der YOU&EYE Ausstellung im Museum für Angewandte Kunst und die Arbeitsgruppe (AG 4.1), die die Zukunft des Tevesgeländes in ihren Blick nehmen will. Nur die Geduld, mit der ich lange Strecken gehe, wird bei mir größer mit dem Alter.

Das Auflesen der Bonbonpapiere etc. auf meinen Wegen ins Atelier und zurück, also viermal am Tag, hinterlässt eine sichtbare Wirkung. Die sauber strukturierte Fläche zum Gehen und zum Schauen wird einladender. Die Menschen, die mit mir unterwegs sind, reagieren auf mein auffälliges und häufiges Tun. Aus unterschiedlichen Gründen könnten sie auch genervt sein. Für mich aber ist es ein erhebendes Gefühl, wie sich der Raum und das Verhalten in ihm verändert.

Lennie Tristano

Lennie Tristano – kein Gewässervergleich möglich, eher der einer Felsformation mit Geröllhalden und unterschiedlichen Gesteinsschichten. Sie werden durch das Gewicht manchmal zerquetscht, wie flexibles Material eines Zwischenaggregatzustandes, werden angehoben, aufgebrochen und von Frost und Regen abgetragen. Die Improvisation als Beben, Selbstbehauptung und Vision.

Mit seinen Improvisationen von 1946 bin ich am Morgen nicht zu ruhigen Bildern gekommen. Die Diagonalen verwerfen den wandernden Blick. In der ersten Malerei ließ ich sie weg und behielt an dieser Stelle eine ruhige Dualität.

Eine solche probierte ich auch, indem ich den Teil dieses Scans negativ einstellte. Den kopierte ich und fügte ihn deckungsgleich wieder in den unveränderten Scan ein. In dem Moment, wo ich die Negativschicht auf 50% Durchlässigkeit einstellte, verschwand sie in einem grauen Feld. Diese obere Schicht leicht verrückend, entsteht ein Reliefbild. Diese Technik kann ich für die Collagen der Zukunft nutzen.

Palestrina

Palestrina – seine Musik lässt sich mit einem See, geschützt zwischen Bergen, vergleichen. Er hat einige kleine Zuflüsse, Untiefen und aus ihm entspringt ein größerer Fluss, der die Klänge dem Ozean zuträgt.

Bewegungen, die heute am Vormittag auf dem Papier festgehalten wurden, sind von innen und von außen angestoßen. Die Wellen des Lichts und der Töne, der kosmischen Strahlung und der Vibrationen des Körperinneren. Figurendopplungen bilden Gegenklänge, die ein Gleichgewicht suchen.

Ich schaue auf die Malereien des Sommers 2009. Die Papiergravuren, die ich mit den hölzernen Haarnadeln gemacht habe, sind von Figuren überlagert, die mit Tusche gezeichnet wurden. Einem Mädchen aus der Hindemithschule zeigte ich die Malereien, die ich an ihrem Geburtstag, am 22.08. 2009 gemacht hatte und erzählte die Geschichte der Szenen. Sie war nur einmal bei mir, aber vielleicht merkt sie sich diesen Tag.

Monteverdi

Ein ruhiger Fluss mit Strömungen, Wirbeln und gekräuselten Flächen, die sich verschieben, aber eigene Felder auf der Wasserfläche bilden. Dieses Bild fällt mir ein, wenn ich Monteverdi höre. Mit dieser Musik stieg ich am Morgen in die Buchmalereien ein.

Rechts unten auf den heutigen Seiten, in der dritten Malerei, entstanden sich kreuzende, in das Papier gepresste Gewindegravuren. Zwischenschraffuren mit den Aquarellstiften differenzierten die Schichten. Durch die Feuchtigkeit des Handballens wurde die kompakte Farbfläche durchlässiger, und die folgenden Abdrücke in den anderen Formaten, blätterten noch einmal durchscheinender die Arbeitsgänge auf.

Indem die Buchmalereien so ihre eigene Entstehung erzählen, bilden sie aber außerdem eine Handlung ab, die aus den nicht technischen Voraussetzung eine Geschichte formt. Fragmentierte Figuren stehen einem kosmischen Geschehen gegenüber und folgen den Unschärfen der Vorgänge, deren immer wieder neue Konstellationen die Unendlichkeit andeuten. Dieser Prozess hält meine suchende Arbeit in Gang.

The Kinks

The Kinks – eine Hörreise in die Sechzigerjahre, in meine verzweifelt hoffnungslose Zeit im Gefängnis DDR. Nur die Musik konnte mich da rausholen! Nun bin ich schon länger in Freiheit als in dieser Gefangenschaft. Durch mein Gärtchen schleicht ein Fotograf mit seinem Kind, seinem geliebten Modell.

Gestern auf Rolle 11 versuchte ich den Umriss des Handballenabdrucks mit dem vorausgegangenen Material zu durchdringen. Das gelang mir nicht gut. Ich wollte dieses aggressive Gesträuch in die Struktur hineinzwingen. In der kommenden Woche mache ich einen erneuten Anlauf.

In der ersten Malerei von heute gibt es einen Abdruck meines Daumenballens. Die Liniengeflechte versuchte ich zu erweitern. Denselben Abdruck kann ich mehrmals hintereinander in unterschiedlichen Qualitäten machen. So komme ich in andere Dimensionen, Paralleluniversen, die die Hoffnungslosigkeit der Sechzigerjahre von der anderen Seite her verdoppeln und somit aufheben. Ich denke an Tanz, Malerei und Musik im Zusammenspiel.

Charaktere der Hand

Die Umrisse des Handkantenabdrucks der 2. Malerei vom 26.04. übertrug ich, stark vergrößert, auf einen Bogen Transparentpapier. Es handelt sich um ein stacheliges, zweidimensionales Gesträuch, um eine aggressive Sperre, die nicht durchdrungen werden will. Wenn ich sie auf Rolle 11 übertrage, wird sie aber dem Schicksal der Durchdringung und Verflechtung nicht entgehen.

Einen anderen Charakter besitzt der Abdruck des Daumenballens. Eine Arthrose, die ich mir dort durch Bildhauerei zugezogen habe, veränderte den Muskel, wodurch hier die Haut parallel laufende Faltenstrukturen bildet. Diese Linien laden zu ihrer Erweiterung und architektonischen Weiterverwendung ein. Dort wächst dann eine Architektur, wie in der 2. Malerei von heute.

Durch die Benutzung des Füllers als Zeichengerät, schleichen sich fragmentarische Figuren ein, die durch die angedeuteten Umrisse von Strukturfeldern entstehen. In die Verwischungen, die ich vor genau 10 Jahren in den Buchmalereien gemacht habe, zeichnete ich schon damals konstruktive, gerade Linien, deren Ursprung auch in den Handabdrücken zu finden ist.

Übergänge und Wandlungen

Die Linien meiner rechten Hand, insbesondere die der Handkante und des Daumenballens, mit denen ich Farbabdrücke mache, bilden nicht nur verschiedenen Richtungen ab, sondern tragen auch eigene Stimmungen in sich. Das tritt zutage, wenn ich die Kompositionen mit den Stiften erweitere, verdeutliche und dadurch unterschiedlich dynamische Tendenzen abbilde. Diese Energie kann sich in tänzerische Bewegung wandeln oder sich in Schichten ablagern.

Andererseits kann ich mit ihnen Verbindungen zu anderen Dimensionen eingehen, wie den Tabolinien, Architekturen aufbauen, aber auch Zeiträume auf Rolle 11 erkunden. Lassen sich auch die Tabolinien tanzen? Haben die Tanzfeste in den Vorhöfen der Klöster im Himalaja etwas mit den Übergangslinien im Durchgang zum Gebetsraum, die den Eintritt in eine andere Dimension anzeigen, zutun?

Viele dieser Gestaltungen und Möglichkeiten befinden sich in den heutigen Malereien. Sie lassen sich erweitern, kombinieren, fragmentieren und als Umrisse auf Rolle 11 übertragen. Während des Schreibens zeichnete ich an den Motiven mit dem Füller weiter. Der Übergang vom Schreiben zum Zeichnen und zurück war fließend und selbstverständlich.