Tanzreigen

20 neue Tanzfiguren sind in der vergangenen Woche auf Rolle 12 auf einem zusammenhängenden Fries entstanden. Zwischen ihnen befinden sich neue Räume. Die will ich in der kommenden Woche duplizieren und mit dem Tanzfriesmaterial füllen um neue Figuren entstehen zu lassen. Dann aber ist das Undertainmentmaterial auf Transparentpapier ausgereizt.

flanskaun gindrum kasstlaf

difftsalar klapribrü nebsator

klimfres drewingat kliesertuf

blofdesigur widerflom orsankler

schrutraver sirtancfar

Das passt zu den Buchmalereien.

Mit den Tanzlinien muss ich einen weiteren Schritt in ein anderes Material machen. Dazu ist eine nochmalige Konzentration notwendig. Es geht um die Möglichkeit, eine Stilisierung des Ganzen zu erreichen, ein Fazit zu ziehen das alles zusammenfasst. Mir geht da ein Relieffries durch den Kopf, dessen Module bewegte Konturen aufweisen. Die Reihenfolge dieser Figuren einhaltend, kann aber immer die erste an das Ende gesetzt werden. Ein Reigen der Tanzfiguren entsteht.

Ins Blaue

Die Collagen verdichten sich zu immer unübersichtlicheren Landschaften mit Tuschetanzkörpern drinnen. Sie schweben zwischen den Kulissen, wie transparente Stabfiguren. Sie werfen aber keine Schatten, bleiben opak schwarz-weiß, obwohl sie auf Transparentpapier gezeichnet sind. Aus den Buchmalereien ragen oft Stäbe, die, wenn sie nach unten zeigen, zu solchen Spielfiguren hinter einem Tuch gehören könnten.

Die Schüler beschäftigten sich mit der Vergegenständlichung ihrer, zunächst abstrakten, Frottagen. Jeder bekam einen 6 Meter langen Transparentpapierstreifen, auf dem er das gefundene Material zu Szenen zusammenstellen kann. Wir fassten ins Auge, die Figurationen mit kurzen Texten zu verbinden, damit sich eine Bildergeschichte entwickeln kann. Sie arbeiteten lange konzentriert mit. An einem Punkt werden sich ihre Erzählungen mit den Schicksalen der Väter verbinden, aus denen die Strukturen stammen.

Danach zeichnete ich auf Rolle 12 weiter. Und während ich nicht aufhören kann, die neuen Umrisse mit den alten vorausgegangenen Strukturen zu füllen, frage ich mich die ganze Zeit, wo das noch hinführen soll. Der Vorgang kann nur durch eine Wendung eine Perspektive bekommen, in einer anderen Qualität. Bis dahin aber arbeite ich einfach weiter ins Blaue.

Polarität

Das ganze Tanzmaterial, das sich in der letzten Zeit noch weiter verdichtet hat, bietet eine kompakte Basis für eine Arbeit, die das alles konzentriert auf den Punkt bringt. Es bildet das Forschungszwischenergebnis für eine spätere Weiterentwicklung durch andere Akteure. Dieses Angebot in eine praktikable Form zu gießen, kann ein entscheidender Ansatz sein.

Das bereite ich schon seit einiger Zeit mit meinen Schülern vor, indem sie mit meinen Reliefformen arbeiten, Frottagen machen und eigene Geschichten damit entwickeln.

An dem Fries der Tanzfiguren arbeitete ich gestern den ganzen Tag weiter. Die Endlosigkeit der fortlaufenden Varianten von Verschachtelungen führen in eine Polarität zwischen Verzagtheit und Neugier, was mit dem Material noch möglich ist. Momentan steuert es auf einen modularen Relieffries hin, der verschieden zusammengesetzt werden kann und somit eine produktive Fortführung möglich macht.

Langsamkeit

Das Eigenleben der Transparentpapierfiguren wird komplexer. Innerhalb ihrer Umrisse überlagern sich mehrere Tanzfragmente aus der Wiederholung des Rapports. Nach unten hin fransen die Körper aus, als könnten sie schweben und brauchten die schweren Gehwerkzeuge nicht mehr. Das Zeichnen fühlt sich eher wie ein Schreiben an, ohne die Feder abzusetzen entstehen Geflechte, die weniger an Gesträuche als an die Strukturen der Lavasteine erinnern, die ich in die Buchmalereien drucke.

Nur langsame Veränderungen reihen sich in der Abfolge der Malereien in den Tagebüchern aneinander. Seit Jahren kommt es zu keinem Bruch. Und innerhalb eines Buches gibt es manchmal kaum sichtbare Entwicklungen. Aber das tägliche Interesse an Neuentwicklungen treibt die Zusammenspiele der stets anderen Strukturvariationen, wie in einem chemischen Experimentalaufbau an.

Die sich überlagernden Parallelgravuren der Gewindegänge meiner Schraube aus Kaza treffen auf die wirbelnden Linien der Holzhaarnadel, gehen in einander über oder stoßen sich ab. Die Verwischungen brechen wie Unwetter in das trockene Wachstum ein, ziehen die Farben zusammen und beruhigen das Geschehen gleichzeitig auf wenigen Quadratzentimetern.

Wendung

Mit kleinen, vorsichtigen Schritten entwickeln sich die Transparentpapierfiguren in der Hoffnung auf eine Zäsur weiter. Dann kann eine Wendung eintreten, unscheinbar und dennoch für den Arbeitsvorgang wichtig. So etwas passiert gerade innerhalb der Collagen durch die Vervielfältigung und Spiegelung ausgeschnittener Elemente. Das schafft eine barockbühnenartige Landschaftsstaffelung hintereinander gelagerter Horizonte, die einen zunehmenden Fernblick suggerieren.

Das Bildmaterial driftet über den Rahmen hinaus, verschwindet dann abgeschnitten. Deswegen vergrößerte ich in anderen Dateien den Rahmen und es entsteht dadurch eine neue Reihe von entgrenzten Collagen. Diese Ausdehnung des Formats kann zu einer Wendung führen.

Die Tanzfiguren, die als solche nur noch schwer erkennbar sind, fanden gestern keinen Eingang in die Collagen. Dafür stehen sie heute verloren in den verschachtelten Landschaften herum.

Gestalten und Landschaften

Die vielen Figuren, die die Schülerinnen aus den Frottagen der Väterportraitformen gefunden haben, können auf einem Transparentpapierstreifen zu einer Geschichte mit Textsplittern geordnet werden. So ist es möglich Erzählungsrollen zusammen zu stellen. Langsam kann ich dann auf dieser Grundlage in das DIKTATUREN – Thema einschwenken, spielerisch mit flapsigen Kommentaren einer Moralinsäure entgegenwirkend.

Zwischen den Außenlinien von Figuren aus der Undertainment-Linie wuchsen neue Tanzgestalten, die den Ballettzusammenhang langsam lösen. Dazu passen die Vaganteneichenworte, die mit Schriftschablonen des toten Schreinermeisters Roos aus einem 197 Worte umfassenden und wachsenden Text, unter die Figuren auf Rolle 12 gelangten. Vielleicht können die unverständlichen Worte durch ihren Rhythmus und melodische Färbungen etwas von ihrer Herkunft verraten, wodurch eine fremd-sinnhafte Struktur erschlossen werden könnte.

Der Beginn der Buchmalereien wird oft durch die Linien inspiriert, die sich von den Malereien 2 und 3 des Vortages auf die Seiten von heute durchgedrückt haben. In dieser Kontinuität ändern die räumlichen Lagen der Gravuren und Schraffuren die vorausgegangenen Richtungen etwas ab und lassen daraus neue Gestalten und Landschaften entstehen. Nur, wenn ich ein neues Buch beginne, wird dieser Vorgang unterbrochen.

Notizbuch

Ein weiteres Notizbuch neben dem Tagebuch erweitert die Möglichkeit, Themen, die in Zukunft eine Rolle spielen sollen, zu entwickeln und sie voneinander abzugrenzen. Bei der Arbeit mit den Jugendlichen schien DIKTATUREN schon auf, verfing aber noch nicht, weil der Beginn der zeichnerischen Arbeit so spannend war, dass alles andere unwichtig wurde. Dennoch lassen die verhaltenen Reaktionen darauf schließen, welche Relevanz das Thema bis jetzt für sie hat.

Immer öfter falle ich in den alten Zeichenrhythmus des Gesträuchs von 1977. Und vielleicht sind ja Haltungen und Empfindungen von damals durch die Bewegungen des Körpers wieder abrufbar. Das stellte sich schon ab und zu bei den Buchmalereien ein.

Der Kontakt mit den Künstlerinnen aus den verschiedenen Sparten ist sehr erfrischend. Sie werden eigene Haltungen und Erfahrungen auf den Tisch bringen. So kann es sein, dass wir mit den unterschiedlichen Perspektiven zu etwas Neuem kommen. Das ist die Hoffnung.

So kann es weitergehen

Stetig wächst der Schatz der Baumwörter. Bis jetzt kommt er ohne eine Ordnung aus. Es gibt keine Bilder, die den Klängen der fremden Worte zugeordnet sind. Er ist nur für sich selbst da – sich selbst genug, sagt man. Das im tiefen Raum verzweigte Wurzelwerk funkt in die Geflechte meines Körpers, was es weiß: fleugramb knerrfliem. So fleut, fliemt, grambt und knerrt es in meinem Kopf herum, ganz befreit.

In den Buchmalereien treten ähnliche Vorgänge in die Bilderentstehungen ein. Am nahesten sind sich die Wort- und Bildgestaltungen, die gut auch ohne einander auskommen, wenn keine gegenständlichen Anmutungen auftreten. Die Linien fliemen und gramben, wie die Farbwirbel und die Gravuren der Gewindegänge knerren. Annie Nowak könnte so etwas sicher gut sprechen.

Die Schülerinnen sahen gestern meinen Frottagen, Tuschzeichnungen und Schellackverläufen bei einer Vorführung zu. Je länger das dauerte, umso mehr Lust bekamen sie, selber damit beginnen zu können. Sie waren 2 Stunden produktiv bei der Sache, stachelten sich gegenseitig an und lachten viel. So kann es weitergehen.

Wortschlamm

Die frühen Erinnerungen an das Zeichnen, sind rhythmische Bewegungen der rechten Hand und des dazugehörigen Armes. Das geht bis in den Körper und in eine leichte Anspannung der Bauchmuskeln, wenn es zu den Schraffuren kommt, die ein Gesträuch nachempfinden. In Gotha fand eine Begegnung von mir, als jungen Menschen, mit dem Künstler Kurt W. Streubel statt. Das heißt, dass ich ihm einfach spontan besuchte, ein paar Zeichnungen von mir auf den Tisch legte und ihn fragte, wie ich weitermachen soll. Und er sagte zu mir: Setz dich vor ein Gesträuch, zeichne es von vorn bis hinten durch und finde damit zu deinem Stil. Das tat ich dann auch auf freiem Feld, neben den Gleisen der Thüringer Waldbahn, vor einem kahlen, dichten Strauch. Und gehe ich jetzt mit den Farbstiften in die Buchmalereien, spüre ich diesen Gestus noch, den ich 1977 fand.

Im Übrigen war dieser Streubel ein freier, aufrichtiger Künstler, der sich von den offiziellen Kulturvertretern der DDR – „Diktatur der Arbeiterklasse“ nichts vorschreiben ließ. Im Gegenteil, denn seine Arbeit und Haltung gegenüber dem sozialistischen Realismus, war eine Provokation. Auch diese Standhaftigkeit war mir Vorbild.

Und die Eiche sprach: stekjerwin kendekrumb larkschrau beftrull. Auf der laubbedeckten Wiese unter der großen Baumkrone, deren Durchmesser ich auf über 30 Meter schätze, entsteht ein Pfad über dem ähnlich ausgedehnten Wurzelwerk zwischen dem Wortschlamm.

Fragen finden

Oben aus der ersten Buchmalerei schauen ein paar Flamingos heraus. Abdrücke meines Lieblingslavasteines gaben ihre Gestalt vor. Er hält noch viele andere Wesen in sich bereit, die nach und nach die Szenen bespielen werden. Solche setzen sich auch auf Rolle 12 fort. Dort aber entspringen sie der Undertainment-Linie, die auf William Forsythe zurückgeht oder auf meine Begegnung mit seinen Räumen.

Manchmal hat es den Anschein, als wollten die Figuren aus der Enge der Transparentpapierrolle heraus, um greifbarer materialisiert weiterspielen zu können. Aber alle dreidimensionalen Ausformungen, häufen Material an. So bleibt es bei den Schichten der aufgerollten Zeichnungen.

Der Fragenkatalog zu DIKTATUREN entwickelt sich in einem kleinen Notizbuch, das ich in Ladakh tibetischen Flüchtlingen abgekauft habe. Diese Entwicklung kreist auch um mein Verhalten in der Diktatur, aus dem heutigen Blickwinkel. Ich stoße auf eine intensive Beschäftigung der Musikforschung mit dem Thema. Gleichzeitig kommt es gehäuft zu Begegnungen mit Künstlerinnen, die sich mit diesen Fragen beschäftigen. Gestern besuchte mich eine Rapperin mit russischem Hintergrund, die mir eine eigene Komposition mit einem beeindruckenden Video zeigte.

Fragen suchen

Für einen DIKTATUREN – Fragenkatalog, muss ich mich hinsetzen, nachdenken, um ihn dann schriftlich entwickeln zu können. Oder auch im Gehen denken, schreiben dabei ist aber schwieriger. Das soll am Nachmittag in dem kleinen Zimmer an der Frankenallee geschehen, mit dem Balkon zu den Baumkronen hin, das mit Schritten hin und her durchmessen werden kann, mit den sich langsam verändernden Fragen auf dem kleinen, alten Klappschreibtisch. Vielleicht ist die Entwicklung dieser Fragen auch nicht wirklich abschließbar, und es geht immer weiter damit, sodass sich auf diese Weise der Hauptstrang der Arbeit entwickelt: Fragen suchen…

William Forsythe bekam den Theaterpreis „Faust“ für eine Choreografie, die er in Hamburg mit einem klassischen Tanzensemble erarbeitet hat. Darüber freue ich mich sehr!

Auf Rolle 12 sind gestern in den neuen Zwischenräumen der alten, aber neu geordneten Umrisse der Undertainment-Linie, neue Tanzfiguren entstanden. Sie sind etwas zerfleddert, wenig kompakt und offen für die Weiterarbeit mit ihnen. Aber die Eiche sagte: wekunban naldres klatremäd wuambeg wefstraul stekjerdwin.

Gespräch mit Annie Nowak

Beim Gespräch mit Annie Nowak ist klar geworden, dass es bei den DIKTATUREN – Interviews in Zukunft eine feste Fragenstruktur geben muss. Die Unterhaltung gestern, in der Kantine des Theaters lief etwas sporadisch an einigen Übereinstimmungen der Lebens- und Arbeitshaltungen entlang. Die schnelle Offenheit, mit der wir uns begegnen konnten, ist ein hoffnungsvoller Wechsel auf künftige Gespräche.

Meiner Fragestellung nach den Gemeinsamkeiten der Entwicklung von künstlerischen Werkzeugen, bin ich dadurch näher gekommen, dass sich weitere differenziertere Themen begannen herauszubilden. Mit einer strukturierteren Herangehensweise, die Ausdauer benötigt, werden wir den Antworten näher kommen.

Ein Text der serbischen Autorin Iva Brdar, von Alida Bremer übersetzt, ist die Voraussetzung für einen Soloabend den Annie Nowak in der Box, einer kleinen Spielstätte im Schauspiel, im Januar zur Deutschen Erstaufführung bringen wird. Über diesen Gegenstand könnten wir in ein tieferes Gespräch über unsere Arbeit eintauchen.

Ins Kraut

Vor dem Transport der frostempfindlichen Pflanzen aus dem Gärtchen ins Atelier, schneide ich einige etwas zurück. Mancher Hibiskus und Wolfsmilchgewächse schossen ins Kraut und müssen eingedämmt werden. Das ist im Atelier, auf den Tischen, an den Scheiben der Rolltore, auch eine Platzfrage. Die Emotionen meiner Buchmalereien schießen auch ins Kraut. Beschneiden kann ich sie dann in den Collagen. Bei dieser etwas brutalen Tätigkeit blitzen die Gewaltpotentiale auf.

Nach den Tuschezeichnungen auf Rolle 11, den neuen Verknüpfungen und Umrissen sehne ich mich geradezu. Aber in der vergangenen Woche war zu viel Ablenkung. Meinen Schülern möchte ich auch Transparentpapierrollen geben, damit sie ähnliche Erfahrungen, wie ich machen können.

Die Arbeit an dem großen Holzstamm überfordert sie etwas. Sie würden lieber kleinere Holzteile bearbeiten. Da muss ich sie enttäuschen. Sie sollen an dieser großen, endlos scheinenden Arbeit bleiben, die vielleicht erst Gruppen nach ihnen fertig machen werden. Ansonsten können sie zurück zum Transparentpapier.

Test

Die Morgenmalereien sind der denkbar beste Beginn eines Arbeitstages. Dann folgt die Verständigung mit der Vaganteneiche auf dem Weg ins Atelier. Keine Sprachverwirrung, sondern Einklang:

trämwerold begisaf

Acht junge Männer aus der Hindemithschule besuchten mein Atelier für einen ersten Testworkshop. Sie testeten mich, ich testete sie. Was kann man sich erzählen, fragen und wie ist der Umgang? Das war recht freundlich und locker. So kann es mit uns gehen im kommenden halben Jahr. Zuvor installierte ich das Väterportrait mit seinen 16 Tafeln so, dass wir es beim Arbeiten immer im Blick haben. Sie sollen schauen, wenn sie mit den Formen Frottagen machen, wo sie sich gerade im Bild befinden. Sie erkennen die Figuren in ihren Gesträuchen, die auf dem Transparentpapier entstehen. Und dann steigen wir in die DIKTATUREN ein. Am kommenden Donnerstag kommen die jungen Frauen.

Die Collagen von 2019 stellte ich mir als Bildschirmhintergrund ein. Sie schaffen eine etwas veränderte Produktionsatmosphäre. Jede Minute ein anderes Bild vergangener Interessenlagen. Das inspiriert und macht zumeist gute Laune.

In Zungen reden

eibelpol erwegersperst

wugemlu slausfedo

geumtufl tremwärold

Im Römer, unter den vielen kaiserlichen Augenpaaren, erzählte ich Nulf, dem Pfarrer der Friedenskirche auf der Frankenallee, von meinen Begegnungen mit der Eiche. Wir sprächen in Zungen, meinte er. Im Kaisersaal trifft man viele Leute, mit denen man mal zutun hatte. Die vielen älter gewordenen Gesichter und die Sprachlosigkeit, verdeutlichen die eigene Rückzugstendenz. Es wurde auch wieder über TIXEL PLANET auf der Frankenallee gesprochen…

Abends kam es noch zur Einrichtung oder Hängung der ersten 4 von 16 Reliefplatten des Väterportraits im Atelier. Möglichst bevor die Schüler heute kommen, soll es fertig installiert sein. Auf der Schwalbacher Strasse fragten mich 4 Schülerinnen, ob ich der Frank sei. Sie wollen in der nächsten Woche ins Atelier zu YOU&EYE kommen. Kichernde Teenager – das kann was werden!

Willentlich

Willentlich sollten die kleinen Buchmalereigeschichten an diesem Morgen aus ineinander greifenden Schwüngen entwickelt werden. Sie münden in klare Akzente, wie Wendungen, Geraden und Parallelen. Umrisse entstanden, die zu Figürlichem tendieren. Auch dies, ein Wunsch, der nur zu einem Drittel erfüllt wird, denn die anderen, körperlichen Dynamiken übernehmen irgendwann die Oberhand. Diese Beobachtungen der Vorgänge sind ein Schritt zu ihrer Kontrolle. So wird auch das Unkontrollierte erst mit der Durchführung einer vagen, kurzfristigen Planung freigegeben.

Nachher bin ich zu einer Ehrung von Winni Becker, der lange Jahre das Gallustheater geleitet hat, in den Römer eingeladen. Er möchte in seiner Dankesrede auf das Frankenalleeprojekt TRIXEL PLANET eingehen, das konservative Kräfte in der Stadtverwaltung verhindert haben.

Auf Rolle 12 geht es mit den Tanzfiguren nicht so voran, wie es sein sollte. Termine, oft mitten am Tag, verhindern das. Gestern eine Reise – Gesundheits – Beratung in unserer Hausarztpraxis, heute die Verleihung der Ehrenplakette im Römer und morgen kommen Schüler ins Atelier. Immerhin wird schönes Wetter sein und wir können draußen die Brombeeren zurückschneiden.

Eichensingsang

Auf Rolle 12 brachte ich 5 Figuren, die aus der Undertainment – Tanzlinie entstanden sind, in eine neue Reihenfolge. Dadurch sind neue spannungsvolle Zwischenräume entstanden, die lineare Anhaltspunkte für neue Tanzelemente bieten. Die Reihenfolge ist nicht beliebig, sondern folgt der Schrittkombination: 1-3-2-4-6. Weil die Zeichnungen auf den Einzelblättern nummeriert sind, lassen sich nun Zahlenfolgen finden, die eine große Variationsmöglichkeit der 40 Figuren ergeben.

Schon war ich versucht, den Eichensingsang der neuen Baumwörter aus den letzten Tagen unter die Reihung zu schreiben:

struslam munfarli ugeldrant

arlundirat terginzmam splidergur

frichsent gsemgreblot gälschass

demurflosar

Auch die Buchmalereien erscheinen mir mitunter, wie schriftliche Aufzeichnungen. Sie beschreiben Zustände, die auftreten, wenn die Anforderungen einer gelungenen Komposition Impulse in das Hirn senden. Ausweichmanöver gebogener Strichbündel vor den geradlinigen Rechthaberparallelen und die Verknüpfung der Suchpunkte, beginnen Szenen zu skizzieren. Die Handlinien mit Steinabdrücken kombiniert, geben dann wieder Orientierung.

Lernschritte

In den Tagen außerhalb des Ateliers relativiert sich das dortige aktuelle Geschehen, wird unwichtiger und profaner. Andere Figuren, wie die der Undertainment-Linie, rücken wieder mehr in den Vordergrund. Ihre geschärften Charaktere sind für eine Weiterarbeit geeignet.

Wie sonst nie, entsteht diesmal jetzt schon ein Bild von der Ausstellung am Ende von YOU&EYE. In der Flucht eines Raumes im Museum für angewandte Kunst hängt das Väterportrait. Von ihm ausgehend laufen an den Wänden rechts und links Streifen der Frottagen der Schüler nach vorne. Ihr Bezug zum Relief und zu DIKTATUREN wird deutlich. Aber freilich ist diese Vorwegnahme unzulässig und stünde der Entwicklung ganz anderer Bilder im Weg.

Sandy Gabrowska-Lis arbeitet wie an einem Gegenbild der von Diktaturen und deren Nachwirkungen gebeutelten Künstlerin, das in meinem Kopf herumgeistert. Bei dieser Begegnung handelt es sich um einen Lernschritt im DIKTATUREN – Projekt. Über das Tagebuch hinaus sollte es Aufzeichnungen geben, die Gespräche und Haltungen festhalten. Eine Sammlung entsteht aus Texten, Fotografien, Abbildungen von Kunstwerken, Partituren und choreografischen Aufzeichnungen.

Gespräche

Besuch der polnischen Künstlerin Sandy, die mir Judith vorgestellt hatte, im Atelier. Ein schönes Gespräch, während sie eine Naht eines Kunstwerkes auftrennte. Sie brachte einen Milchtee (Herbata) mit. Ihre künstlerische Position ist mir in meinem näheren Bekanntenkreis noch nicht untergekommen.

Eine Liste von DIKTATUREN – Aktivitäten bekam das Kulturamt gestern. Einerseits gibt es eine Bewegung in die Breite durch vielfältige Kontakte. Es kristallisieren sich aber auch Konzentrationspunkte heraus, wie die Vaganteneiche und das Väterportrait.

Es ist damit zu rechnen, dass sich künstlerisch arbeitende Menschen gegen meine Kategorisierung wehren, ihre Arbeitsprägung ablegen und in eine alles bestimmende Eigenständigkeit treten wollen. Deswegen sind die Gespräche so wichtig.

Väterportrait DIKTATUREN

Aus einer erneuten Betrachtung des Väterportraits, das aus 16 recheckigen Teilen bestehend am Boden lag, um es den Schülern zu zeigen, die mich gestern besuchten, trat der Gedanke auf, dieser Arbeit in Diktaturen eine zentrale Rolle zuzuweisen. Die Leute, die Frottagen von den Oberflächen der Reliefformen machen, begeben sich so in die Geschichte der zwei Männer, die in Deutschland lebten. Im Faschismus und in der „Diktatur des Proletariats“.

Die Schicht der Tanzzeichnungen von mir setzt einen konträren Kommentar über das Ganze. Die Bedrohung der Oscar Fizner ausgesetzt war, als Mitglied der Fahrenden Zünfte, muss existentiell gewesen sein. Ich bringe ihn zusammen mit der Vaganteneiche… Über die harten Strukturen der Reliefformen kann man nun die weichen Tanzlinien laufen lassen.

Mit der Schauspielerin Annie Nowak bin ich demnächst in der Theaterkantine verabredet. Dort möchte ich mehr von ihrem Theaterprojekt erfahren. Es kann der Zugang sein zu einer Zusammenarbeit mit DIKTATUREN. Und vom Quartiersmanagement kam eine Einladung zu einer Reihe von Kunstereignissen. Da würde ich auch mit diesem Thema auftreten.

Wärme fehlt

Ein kurzes Gespräch mit Annie Nowak über DIKTATUREN nach einer Podiumsveranstaltung im Haus am Dom. Für gründlicheren Meinungsaustausch wird es ein Treffen geben. Demnächst gibt es einen Soloabend mit ihr in der Box des Schauspiels. Vielleicht ergeben sich da weitere Anknüpfungspunkte zum Projekt. Langsam entwickelt sich das Vorhaben mit den Leuten, die ich anspreche und im Meinungsaustausch bin.

Eine ganze Reihe von neuen Tanzfiguren bildet die Situation des vergangenen Workshops ab. Sie sind noch nicht in den Collagen enthalten. Die Farbigkeiten der neuen Scans der Buchmalereien sind noch nicht so, wie zuvor. Die Wärme fehlt.

In diesem Jahr sind die Schüler, die mit mir im Atelier Arbeiten werden älter. Sie sind schon erwachsene Menschen, ruhig, gepflegt und zivilisiert. Sie sahen das Väterportrait und hörten meine Erläuterungen zu meinen aktuellen Projekten. Die Arbeiten, die sie bei mir machen werden sind ja nicht bunt und vielleicht für sie nicht auf den ersten Blick attraktiv. Das löst sich erst später ein.

Kaum Brüche

Die Kontinuität der Buchmalereien führt nur zu langsamen Veränderungen. Es treten kaum Brüche auf. Die Neugier, lange Zeit auseinander liegende Formate nebeneinander zu sehen, führt zu den Sprüngen, die im Alltäglichen nicht auftreten.

Mein tägliches Gespräch mit der Vaganteneiche entwickelt sich zu einem Ritual. Es behauptet ein Grund für meine Existenz zu sein, wie auch das Tagebuch mit täglich 3 Malereien und die daraus entstehenden Collagen. Aber es ist umgekehrt:

frambotlin

halzraugeun

vonesirel

tolenpo

Es sind Szenen, die sich über dem Wurzelwerk abgespielt haben. An den Feuern zwischen den Wagen fielen die Worte in die Erde. Der nächste Regen nahm sie mit in die Tiefe, bis zur nächsten undurchlässigen Schicht. Dort flossen sie mit den Produktionsgiften der Tevesfabrik zusammen und veränderten sich dadurch.

Langsame Fortschritte

Die hochgesteckten Erwartungen an den Ballettabend haben sich nicht ganz erfüllt. Das liegt aber nicht an der Produktion, sondern an meiner Annahme, dass meine Rezeption des Abends wegen unserer Ballettworkshopteilnahme viel intensiver ausfallen würde. Das war nicht der Fall. Allerdings handelte es sich um ein sehr schönes Stück, wunderbar getanzt. So setze ich nun ganz auf die Entwicklung der neuen Tanzfiguren in meiner zeichnerischen Arbeit und werde die Tanzlinien dafür nutzen.

Durch die abstrakten Texte, die der Baum „spricht“, kommt es zu anderen Arbeitsebenen. Die offene und fast inhaltslose Struktur steht in starkem Kontrast zu der geschichtlich-politischen Intension. Ähnlich wie meine Wanderungen zwischen den imaginierten Baracken des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers, die vom GPS aufgezeichnet und von mir weiterverarbeitet wurden, sind die „Baumgesänge“ eine rein emotionale Hinwendung an das Schicksal der Fahrenden unter dem Nationalsozialismus.

Mit den neuen digitalen Werkzeugen, die meinen alten Rechner ablösen, versuche ich die Abbildungen der Buchmalereien, die mit einem neuen Scanner aufgenommen wurden, mit anderen Programmen zu bearbeiten. Das gelingt so leidlich und macht nur langsame Fortschritte.

Eine Seite des Dialogs

mirschgult brumfra

kojatensi zantreb

gujerden moklanarm

kaldremin warfam

kommt von der Baumseite in unseren Dialog. Ein kleines Kind beobachtete mich neugierig und ich versuchte ihm zu erklären, was passiert. Die Mutter jedenfalls hat es verstanden.

Wespen bauen in meinen umgestülpten Blumentöpfen im Gärtchen schöne Nester. Ich nehme sie im Spätherbst, wenn sie ausgezogen sind heraus und baue mit ihnen kleine Skulpturen. Gestern kam ich endlich wieder zum Zeichnen. Zunächst nahm ich mir die Frottagenstreifen vor und versah sie mit Zeichnungen im Stil der Tanzlinien. Dann überlagerte ich die aktuelle Tanzlinie mit derselben versetzt, um neue Figuren zu bekommen.

Am Abend gehen wir ins Ballett und sehen die Choreografie, mit deren Entstehungselementen wir uns im Workshop befasst hatten. Ich freue mich auf dieses Stück, wie selten auf einen Theaterabend. Er wird in dem Raum im Bockenheimer Depot stattfinden, in dem auch wir getanzt haben.