Tänzerisch

Die Begegnungen auf der großen Tanzfläche im Bockenheimer Depot mit den begeisterten Leuten darauf, wirken noch nach. Die gemeinsame Erkundung des Raumes mit den eigenen und den Bewegungen der anderen, das körperliche Zusammenspiel bei der Erfindung von Tanzfiguren und Aktionen, setzen bei mir eine zeichnerische Energie frei. Sie wird angespornt von den Bewegungslinien im Raum und den Verbindungen im sich bewegenden Körper.

Wenn dieser Pfad über die Tanzlinien hinausweist, dann stellt sich die Verbindung mit den Buchmalereien ein und geht zurück zu den Synaptischen Kartierungen. Schon beim Tag der offenen Tür auf Teves West, habe ich mit Besuchern Frottagen und Schellackverläufe hergestellt, die in diese Richtung gehen. Meine eigenen Arbeiten kann ich nun mit Tusche und Feder weiter tänzerisch bearbeiten.

In der Schirn Kunsthalle, die während der Renovierung in ein altes Industriegebäude umgezogen ist, sahen wir gestern die Retrospektive von Suzanne Duchamp. Dies ist ein Werk, das wenig homogen von DADA zu Realismus und wieder in die Abstraktion schwingt. Es gibt sehr schöne Bilder aus den Zwanzigerjahren und im Spätwerk.

MORNING DANCE AT NIGHT

MORNING DANCE AT NIGHT heißt eine Ballettveranstaltung im Bockenheimer Depot. Manuel, unser Tanzlehrer, führte uns durch den vierstündigen Abend, an dem wir alle miteinander und mit Profis von der Company tanzen konnten. Und gleich stellt sich für mich die Frage, wie sich diese Bewegungen meines Körpers mit den anderen auf die zeichnerische Arbeit auswirken.

Eine Tänzerin beschäftigte sich mit einem Lichtkreis, der von einer ruhenden Discokugel an die hintere Wand geworfen wurde und leicht hin und her schwang. Wir bewegten uns mit diesem Lichtfleck, in den wir auch noch unsere Schatten projizierten. Dann nahmen wir ihn in unsere Hände und transportierten das Licht in die Mitte der Bühne.

Am Nachmittag war Alexander im Atelier, um mit mir eine Schautafel für Teves West Ideen herzustellen. Nebenbei erzählte er mir von einer jungen Iranischen Autorin, die mal Schülerin der Hindemithschule war. Ich erzählte ihm von DIKTATUREN und er möchte einen Kontakt herstellen. Die Mail an Annie Nowak vom Schauspiel ist auch endlich angekommen.

Besuche

blütthep

kalper

eralmurs

wegrok

Das lese ich den Leuten vor, die in mein Atelier kommen, um zu fragen, was ich mache. Dabei entwickeln sich weitere Verknüpfungen zu anderen Gestaltungsräumen, und die Besuche werden so zu einem kreativen Akt.

Am Rande des YOU&EYE Treffens sprach ich mit einer Kollegin über DIKTATUREN. Sie erzählte mir von ihrer Mutter, die in der Sowjetunion Schönschrift lernte. Das taten sie mit Zeilenblättern, die neben den unterschiedlichen Buchstabenhöhen auch schräge Linien für die gleichmäßige Ausrichtung der Buchstaben hatten. An solche Schönschreibhefte kann ich mich auch erinnern.

Die Buchmalereien beendete ich heute vorzeitig. So „unfertig“ sind sie durchlässiger, und die feinen Strukturen des Handballens und ihre Vermischung mit den anderen Linien, treten deutlicher hervor. Die Collagen, die auseinander hervorgehen, montierte ich erstmals in eine Animation mit Überblendungen. Dadurch wird der Vorgang der Schichtung deutlich.

Gespräch mit meiner Freundin

Nur langsam entwickelt sich der neue Rechner mit anderen Programmen zu einem Werkzeug, das die Blog – Arbeit erleichtert. Das ganze Wochenende ging mit diesem Kennenlernen vorüber. Eine Lust auf Bildhauerei entsteht dadurch. Und das Herumhocken in der Wohnung bremst die Kreativität. Eine Art von Fremdheit kommt auf.

Vertraut ist das Alleinsein im Atelier. Es führt in die tiefen Schichten des Zeichnens, das in den letzten Tagen zu kurz gekommen ist. Auf dem Weg zu meinen Bildertischen begegne ich meiner Freundin, der Eiche, die auf den Gustavsburgplatz auf mich wartet. Bisher ging es bei unseren Treffen um mein Zuhören. Aber ich kann ihr auch erzählen.

Ein erstes YOU&EYE Treffen findet heute in der Hindemithschule statt. Für die Vorbereitung der Arbeit mit den Jugendlichen steht eine weitere Aufräumaktion an. Wir arbeiten mit den Väterportrait – Reliefformen zum Thema Diktaturen.

Raum im Baum

Ein neuer Scanner steht auf dem Tisch. Die Beschäftigung mit ihm dauerte gestern den ganzen Nachmittag. Und auf dem neuen Rechner befinden sich andere Bildbearbeitungsprogramme, die die Arbeit mit den Scans und Collagen verändern werden. Das ist unbequem aber spannend. Die Bilder werden sich dadurch verwandeln.

In den Bäumen des Gartens hinter unserem Haus sitzen drei Ringeltauben, eine Familie. Ihre Sitzplätze bilden die Ecken eines Raumes, eines schrägen Dreiecks zwischen den Ästen. In dem Nachbarbaum springt ein Eichhörnchen umher. Es hinterlässt eine wilde, verschlungene Linie in der Krone.

Die Morgenmalereien entstehen von alleine. Sie führen ein Eigenleben und sind fern davon, irgendwas abbilden zu wollen. Gestern fotografierte eine alte Dame meine Ateliertür, worauf ich sie zur selben hereinbat, um ihr meine Tanzlinien zu zeigen. Sie fotografiert Stadträume, die von der Natur zurückerobert werden. Meine Eiche besetzt einen großen Raum auf dem Gustavsburgplatz und füllt ihn auch mit ihren Worten:

kroffel

livar

wugene

So soll es nicht bleiben

Neben der Vervollständigung, d.h. Verdichtung der Tanzlinienfiguren, werden nun weitere neue Ballettformationen auf Rolle 12 entstehen. Die Linie wird dafür noch ein weiteres Mal durchgezeichnet. Und eine neue Tanzlinie soll aus der ferneren Erinnerung, aus der die Choreografien vielleicht deutlicher und einfacher hervortraten, entstehen. Eine Hilfszeichnung zur Rekapitulation wäre gut.

In den Collagen haben die Tuschzeichnungen einen harten Auftritt. Sie drängen aus der Trennungslinie, die quer über die Buchmalereien verläuft, kontraststark hervor und sprengen so den angelegten Farbklang. So soll es nicht bleiben. Sie müssen besser eingebunden werden.

meunar

tuplof

schlossen sich an die anderen Worte der Baumgesänge an. Die Verbindung dieses Textes mit der Tanzlinie ist noch nicht vollzogen. Irgendetwas sperrt sich. Es braucht noch mehr Zeit.

Fliegende Lieder

bluim

halemku

olleimu

fronkrumins

So singt der Baum. Was ich verstehe ist auch von den Tanzbewegungen, die in meinem Körper schlummern, gefärbt. Die Schwingungen der Silben, der Rhythmus der Schritte, die Richtungen der Gänge und der Klang des Raumes. Die Entstehung neuer Tanzfiguren erfolgt leicht aber mit Nachdruck und anhaltend konzentriert. Der Rückzug in die Raumerinnerung des Körpers hilft dabei.

Das Interesse an den Baumtexten existiert also parallel zur Erforschung des Raumes, den sie umschreiben. Erst bilden die Worte Linien, verflechten sich dann zu einem Netz, das Figuren bildet und umhüllt. Ein Wind wirbelt die Asche der ermordeten Fahrenden zu wandernden Wesen in der Landschaft auf.

Sie bevölkern auch meine Collagen, schieben sich zwischen die Buchmalereien, deren abstraktes Wesen sich nicht fernhalten kann von diesen Manifestationen der fliegenden Lieder.

Vom Bewegen her

Der vorerst letzte Ballettworkshop fand gestern Abend im Frankfurt LAB statt. Den Mitstreitern zeigte ich zwei Streifen meiner Tanzlinien. Zuerst die einzelne, durchgehende Linie und dann die Überlagerungen. Es war ihnen gleich klar, was das mit ihrer choreografischen und tänzerischen Praxis zutun hat.

Von innen, also vom sich selbst Bewegen her, hat der Tanz, im Gegensatz zum Zuschauen, ein weitaus größeres Potential für die bildkünstlerische Arbeit. Die Bewegung des eigenen Körpers löst eine viel größere Verbundenheit zu ihrer Form aus, als lediglich der Blick darauf. Durch die Zeichnung wird die Äußerung ergänzt und erweitert. Spannend wird es, wenn die zeichnerischen Liniengeflechte auf die Bewegungen zurückwirken.

Somit unterstützt die fortwährende Beschäftigung mit der körperlichen Umschreibung von Räumen, die Entwicklung der zeichnerisch-malerischen Strukturen. – Und was sagt der Baum? Der sprach:

„begonal

velium

pergeif

gesprind“.

Tabolinien | Tanzlinien | Baumgesänge

Neue Verdichtungen sind mit den Tanzlinien auf einzelnen Transparentpapierstreifen und auf Rolle 12 entstanden. Noch engmaschiger wird das Netz, wenn das Tuschelinienmaterial im Rückrollvorgang auf die äußere Schicht des zusammengerollten und durchscheinenden Papiers durchgezeichnet wird. Dies ist gleichzeitig ein rückwärts gerichteter Gang in die Zeit. So, wie die Tanzfiguren erinnert und wiederholt wurden, geschieht es nun in den Zeichnungen.

Dass daraus neue Figuren entstehen, die sich aus den verschiedenen Fragmenten zusammenschließen, setzt einen weiteren anders gearteten Arbeitsschritt voraus, der auf Rolle 11 schon einmal stattgefunden hat und somit zu besichtigen ist. Heute beim Ballettworkshop können sich die Leute, die gemeinsam die Choreografie entwickelt haben, zwei dieser gezeichneten Streifen anschauen.

Als nächstes sollen die Reste der Tabolinien auf Rolle 12 eine Verbindung mit der getanzten Struktur eingehen. Und der Baum sang:

sulpar

laholep

eflesan

lerlizur.

Auch diese Schriftlinien sind potentielle Verstärker der Tanzarbeit.

Arturo Ui

Wir sahen eine sehr schöne Premiere von „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“ im Schauspiel Frankfurt. Ein grandios gefährlicher Hauptdarsteller, ein liebevoll expressionistisch gemaltes Filmset-Bühnenbild und eine sehr gelungene Regie. Projektionen und offene Szenen wechselten sich, wodurch das Ganze zu einem vielschichtigen Vexierspiel wurde. Mit Annie Nowack gibt es nun eine Übereinkunft zu einer Verabredung zum Gespräch über DIKTATUREN.

In Pirmasens hängen nun die Reliefs, die ich für Volkers Wohnung gemacht habe. Sie passen besser rein, als ich dachte. Wir brachten sie mit dem Auto hin. Eine relativ lange Fahrt. Das Hängen war noch einmal eine Kompositionsarbeit.

Es gibt auch einen Zusammenhang zwischen den Reliefs und den Collagen, die ich fast täglich mache. In beiden Arbeitssträngen befindet sich die Tanzlinie, die sich quer durch die Formate bewegt und eine Schnittlinie bildet, durch deren Spalt in die Vergangenheit geschaut werden kann. Im Regen an die Vaganteneiche gelehnt, lauschte ich, durch die Risse in der Rinde, auch in die vergangenen Zeiten zurück.

Tanzlinie aus dem Kopf

Aus dem Kopf ist eine Tanzlinie entstanden. Der Vorgang unterscheidet sich grundsätzlich vom Zeichnen einer solchen „Abwicklung“ vor dem Bühnengeschehen. Die Linie kommt von innen, aus dem Erinnern der Bewegungen. Diese neue Sichtweise ist dem Ballettworkshop zu verdanken.

An der Vaganteneiche entsteht ein besonderer Ort. Zu ihrem Fuß stehen kleine Holzzylinder mit aufgesteckten Federn, die wie Skulpturen von brennenden Kerzen aussehen. Auch aus der Rinde wachsen Federn, Muscheln und Steine an Fäden. Daneben bei Gusti fand gestern eine schöne Lesung aus einem Band Kurzgeschichten von Emeli Glaser, mit dem Titel „Rahnsdorf Ripper“ statt.

Im Raum steht die Möglichkeit, die Tanzlinie zu wiederholen oder vielmehr zu variieren. Die Ausweitung dieser Arbeit kann in Richtung der Baumgesänge gehen. Ein schwingender Wortweg aus:

vokapilur

flerago

kerfedi

asingrop

nenwox.

Singende Farben

Rolle 11 ist fertig oder voll. Ein paar Ausläufer der Tanzlinie führten zum Ende des 50 m langen Transparentpapierstreifens. Diese Figurationen traten auch in den gestrigen Collagen auf. Die Rolle 12 wurde schon im Tibethaus, während der Präsentation der sehr unterschiedlichen Arbeiten von Peter van Ham und meiner, begonnen, mit zeichnerischen Objekten, die sich aus den Tabolinien ergeben haben. Nun ist das nicht so einfach fortzusetzen – abwarten also.

In der Tevesrunde kam gestern das Projekt DIKTATUREN zur Sprache. Durch eine Kooperation mit dem Internationalen Bund soll es hier „verortet“ werden. Helga Roos erzählte auf der Straße, von den Fahrenden Leuten, die in den Dreißigerjahren vom Gustavsburgplatz aus auf einen viel kleineren Platz umgesiedelt und später in die Konzentrationslager deportiert wurden.

Heute singen die Farben in den Buchmalereien, rhythmisiert durch die parallel laufenden, eingeprägten Linien der Kazaschraube, die sich in verschiedenen Winkeln zu einer Kreuzschraffur schichten. Dazu kamen Abdrücke des Steinwachstums. Auf vielen topografischen Inseln der Stadt tritt die Buchmesse auf, auch bei Gusti neben dem Vagantenbaum, mit einer Lesung.

Baumbesuche Tanzlinien

Ineinander fließen

die Baumbesuche:

uschtlen suskem

tinnis

lambirba kowuler

und die Tanzlinien im Frankfurt LAB mit meiner Umschreibung eines Quadrats. Ich warte immer noch auf ein Video von den Choreografien. Könnte aber eine solche Linie auch aus dem Kopf zeichnen und sie mit den Baumgesängen verbinden, eine getanzte Zeile.

Das Väterprojekt besteht aus 16 Reliefformen. Mit ihnen möchte ich mich mit den Schülern den DIKTATUREN nähern. Die zwei Portraits, ineinander gearbeitet, zeigen zwei Menschen aus Diktaturen: Meinen Vater und meinen Großvater. Nun bin ich gespannt, wie die jungen Menschen aus Migrantenfamilien auf dieses Thema reagieren, die ich langsam an diesen Stoff heranführen will.

Und als Ersatz für die ausfallenden Workshops während unserer Indienreise, werden wir einen Projekttag auf dem Gustavsburgplatz machen. Vielleicht kann eine Bank um die Vaganteneiche gebaut werden.

Sprechzeit – Gehzeit – Zeichen

Auf einem neuen, größeren Bildschirm überraschen die älteren Arbeiten. Die Malereien beispielsweise zum Musikstück „Where“ von David Morrow erscheinen intensiv und dicht, wie auch die jüngeren Raumunternehmungen mit ihren Spuren auf den Transparentpapierrollen. Dort stapeln sich „skriptografische Schichten“.

Die Versenkung die die Malereien am Morgen erschaffen eine anhaltende Spannung. Sie reicht bis in den Nachmittag. Das entstandene Material besitzt eine Gravitation, die Verdichtungen in den Collagen schafft. Halbbewusste Farben und Abdruckstrukturen zeigen Zeitabläufe: den Wuchs der Rinde des Vagantenbaumes, den Gewindeschnitt der Schraube aus Kaza im Himalaja und die erstarrten Gasblasen der Lavasteine, die den Korallenskeletten ähneln. Schnitte öffnen den Blick in die Zeit.

Die Abbildung der gewachsenen Musterlagen lässt sich mit der Suchfunktion der Website erkunden. Und der Baum spricht sehr alte Worte oder solche, die erst in der Zukunft ein Bild zugewiesen bekommen. Sprechzeit – Gehzeit – Zeichen.

Heilige Bäume

In Indien befinden sich allenthalben Bäume am Wegesrand, zu deren Füßen Scherben oder Bruchstücke von sakralen Gegenständen liegen. Sie wurden also nicht weggeworfen, sondern dort gelagert. Im Netz waren auf Anhieb keine Bilder davon zu finden. Vielleicht gibt es auch eine spezielle Bezeichnung dafür. Oft befindet sich ein kleiner hinduistischer Schrein daneben und die Äste sind manchmal mit Bädern geschmückt. Der Vagantenbaum könnte einen ähnlichen Charakter bekommen. Schon sein Federschmuck in Augenhöhe zum Zentrum des Platzes hin, hat etwas Heiliges:

gurdanwed muswirbul samlisarb flükrei

Im Archäologischen Museum sahen wir die Ausstellung „Archäologie der Gedanken“ von der Künstlerin Dagmar Schuldt. Sie übermalt Landkarten mit Schellack, untersucht Erinnerungsorte und installierte ein Stelenfeld mit Stempeln in das Foyer, mit denen man eine eigene Karte gestalten konnte. Die Art, wie sie mit Schellackschichten umgeht, erinnerte mich an meine Arbeit und inspiriert sie auch.

Die Buchmalereien verharren noch etwas im Wochenendschlaf. Die fehlende Tanzlinie führt nun wieder zu weniger extremen Querformaten. Und bei der Herstellung der Collagen tritt erneut eine größere Freiheit auf.

Das Spiel vom Schweben

Im Kammerspiel sahen wir gestern die Premiere des Stückes „Das Spiel vom Schweben“ von Anja Hilling. Dort wird die Erziehung des Kindes eines Ehepaars von einer künstlichen Intelligenz namens Kali unterstützt. Das findet im ersten Teil statt. Der zweite, der Monolog des Kindes Emilia, genannt Miko, bildet die Brücke zum dritten, der Widerbegegnung der Eltern nach langer Zeit. Es handelt sich nicht um einen Text einer fortlaufenden Handlung, ebenso ist die Inszenierung eher bruchstückhaft. Sie ist nicht dafür da, den Text verständlicher zu machen, wie es sich unsere Freundin Shirin Sotjitrawalla im Deutschlandfunk gewünscht hatte. Die Rätsel einer solchen Arbeit sind für mich genau richtig und produktiv.

Gestern kam ein Vertragsentwurf für YOU&EYE. Somit habe ich nun wieder Planungssicherheit und möchte DIKTATUREN mit dem Väterprojekt und dem Vagantenthema an dieser Stelle verbinden. Das ist eine neue Sache, die neue Bewegungen auslöst.

Die Tanzlinie habe ich heute in den Buchmalereien weggelassen. Lediglich in den Collagen habe ich diesen Schnitt an einer imaginären Linie entlang gemacht und noch die Federzeichnungen von gestern auf Rolle 11 eingefügt.

Zwischenraumnetze

Auf Rolle 11 wiederholen sich die Zwischenraumnetze mit den Umrissen von neuen Figurenfragmenten noch einmal. Bei dieser Wiederholung geht es um die Möglichkeit, beim Durchzeichnen im Rückrollmodus neue Anordnungen und Zwischenräume zu finden, die im Anschluss, im nächsten Schritt, in den Vordergrund gerückt werden können.

Und wegen des figuralen Zeichnens mit Tusche auf der Transparentpapierrolle, schleichen sich nun auch ebensolche Elemente in die Buchmalereien ein. Sie ließen sich ohne weiteres auf Rolle 11 übertragen und in den Verlauf einfügen, wie auch die Worte des Baumes:

hinkaugelnis duwerdop blisuramtra tieben.

Mit Figuren entstehen auch wieder Geschichten oder Gesänge in den Malereien. Sie tragen einfach ein erzählerisches Element in sich. Die Collagen bekommen durch die Federzeichnungen wieder einen anderen Charakter. Der landschaftsartige Spalt der Tanzlinien schafft Auftrittsmöglichkeiten, riesig aus den Bergen hervor oder als Flugwesen, die aus den Wolken hervorbrechen.

Farbgeschwindigkeit

In der Nacht sind aus den Bewegungen der Choreografien, die in meinem Körper abgespeichert sind, imaginierte Tanzlinien entstanden. Nach den letzten Ausläufern der vorhergegangenen Tanzlinie, entstanden gestern weitere Verdichtungen aus den Zwischenräumen der Figuren auf Rolle 11. Dort wabern die Sekundärnetze. Wenn die Videos des letzten Ballettsaal – Workshops angekommen sind, können die neuen Tanzlinien entstehen und sich damit verbinden.

In den Buchmalereien erscheinen intensive Farbigkeiten, denen mehr Beachtung geschenkt werden kann, weil sie ein Eigenleben entwickeln. Es werden unterschiedliche Geschwindigkeiten der Bewegungen angezeigt, die sie durchlaufen. Sanft, schnell, ruppig und langsam können sie sich auch neutralisieren. Ein graugrünes Gelb kommt fast zum Stillstand. Es bleibt stehen, spricht vor sich hin, fischt die Worte aus der Luft oder fängt die Eichenblätter mit den Gedichten auf.

Die Federzeichnungen, die gestern entstanden sind, haben wieder Eingang in die Collagen gefunden. Die Schnitte und Durchblicke an den Tanzlinien entlang, haben eine eigene, in sich geschlossene, Struktur entwickelt, die von den Tuschelinien wieder aufgebrochen wird. Diese tägliche Materialität in den Tagebüchern, lehnt sich glücklich gegen die digitale Flut der Säuglingshirne mit Weltwissen.

Wortmarken

Beim Workshop im Ballettsaal der Dresden Frankfurt Dance Company, sollten wir unsere eigenen choreografischen Erfindungen vertiefen, sie einer kleinen Gruppe von 5 Leuten vermitteln, um sie dann zu zeigen. Weil ich keine Modern- oder Jazzdance Erfahrungen habe, griff ich auf meine räumlich zeichnerische Beschäftigung mit Tanz zurück. Als zentrale Figur setzte ich das Quadrat in den Mittelpunkt, das es mit dem eigenen Körper und dessen Bewegung abzubilden gilt. Währenddessen zeigen die Gelenke die Eckpunkte an, durch die wir uns auf der Außenlinie der geometrischen Figur fortbewegten. Das war leicht zu erklären und meine 4 Mitstreiterinnen konnten es schnell umsetzen. Jetzt müsste ich nur noch die Worte des Baumes einfügen:

ungslen plittwark komarsre rarmuf

mefkrat speikrum lemulaf

kreilmartula stiffel

Einhundertsieben Worte aus ebenso vielen Besuchen haben sich bislang unter dem Baum manifestiert. Die Silben und Leerzeichen ergeben die Anzahl der Schritte, die ich mit diesem Text rund um die Eiche gehen kann. Wegmarken im GPS System können Worte zugeordnet werden (Wortmarken), die den Text auf den gelaufenen Linien einordnen können. Oder die Linien bestehen dann aus den Worten.

Schnell zunichte

Von einer Dachterrasse des Heidelberger Theaters sahen wir auf den Garten des Institutes für Jüdische Studien. Wir bekamen einmal im Jahr das Laubhüttenfest mit, waren neugierig, was dort stattfindet. Micha Brumlik, der damalige Chef der Einrichtung, feierte mit seinen Mitarbeiterinnen in grüner Architektur. Wir lernten uns erst in Frankfurt richtig kennen.

Und das Gedenken an das terroristische Massaker, bei dem über tausend Israelis vor zwei Jahren von der Hamas getötet worden sind, fällt nun auf diesen Feiertag. Wie kann man ihn dann begehen? Ich werde das Maya fragen.

In meinem Gärtchen ist die geflochtene Weide, unser lebendiges Kunstwerk, einem Grünschnitt zum Opfer gefallen. Alle Äste, die ich zum Ringflechten wachsen gelassen hatte, sind abgeschnitten, darüber hinaus auch bereits geflochtenes Material. Ignoranz steht den langwierigen künstlerischen Vorgängen und Überlegungen gegenüber und macht sie schnell zunichte.

Liederfarben Tanzgesang

In einem Traum war ich auf einem indischen Markt unterwegs, wo ich einen magischen Armreifen kaufte. Damit er funktioniert, brauchte ich aber eine App. Diese füllte mein Telefon bis zur Funktionsunfähigkeit.

lupodam gmingran lokfrem sprankui chelwor ungslen – das sind die Worte, die mir der Baum in den letzten Tagen flüsterte. Holz aus Verpackungsmaterial der Baustelle sammelt sich vor meinem Atelier für den Bau einer Rundbank um seinen Stamm, die ich mit Lolek zimmern möchte.

Sind die Tanzlinien in den Buchmalereien mehrfarbig, deuten sie damit unterschiedliche Bewegungsgeschwindigkeiten an. Worte gehen durch die Landschaft, streifen um die Bäume, bleiben an einem Ast hängen und werden von Wind weiter getragen. Der Schall ihrer Buchstaben verwirbelt sich dabei, erzeugt Schwingungen, die als Liederfarben bei mir ankommen. Wegworte der Vaganten, der Tanzgesang für diesen Platz.

„Guten Morgen ihr Schönen“

Gestern sah ich in dem Dokumentarfilm „Guten Morgen ihr Schönen“, über Frauenschicksale in der DDR, meine Kommilitonin Gabriele Stötzer von der Pädagogischen Hochschule Erfurt. Sie hat unsere Unterschriftenaktionen gegen die Ausbürgerung von Biermann und die Exmatrikulation eines Mitstudenten, aus politischen Gründen, bis zum Ende getragen. Das brachte ihr Haftjahre und Folter, aber auch Solidarität ein. Ich habe mich beizeiten aus der Hochschule und aus der DDR entfernt, ich musste da raus.

Es gibt noch Druckstöcke aus dieser Zeit, Holzschnitte, Radierungen. Das ist mein Grundmaterial für DIKTATUREN. Mit Jessica Beebone sprach ich gerade darüber, wie mich das Amt unterstützen kann. Ein schönes Gespräch, bei dem ich ein Interesse spürte. Auch der spartenübergreifende Aspekt und die Längerfristigkeit der Arbeit, waren Thema.

Die Kälte im Atelier hindert mich am Arbeiten. Deswegen war ich gestern Nachmittag auch nicht dort. Ich müsste dringend aufräumen, damit ich mich wieder bewegen kann. Dann steht endlich die Weiterentwicklung der Materialien auf den Transparentpapierrollen auf dem Programm.

Zeitbewegungsraum

werlambus tavigrem dreumelum kiegrei

Heute wird die Vaganteneiche vom Grünflächenamt geschnitten. Es gibt ein paar trockene Äste, die herunter fallen könnten. Mit dem GPS sprach ich gehend vom Stamm aus auf der Wiese die Worte des Baumes. Für die Rundbank um den Stamm bekommen wir, Lolek und ich, Holz von der Baustelle.

Gestern Abend ging es in einem Tanzworkshop der Dresden Frankfurt Dance Company um Improvisation und Kooperation im Raum. Mir geht es um den Raum, der durch Bewegung entsteht. Aus diesem klaren Interesse kann ich choreografische Ideen entwickeln, die die Suche nach den Zusammenhängen offen legen können. Gestern war der erste Abend, denen noch drei folgen. All das korrespondiert mit meiner Arbeit in den Buchmalereien, den Collagen und auf den Transparentpapierrollen.

Seit etwa 10 Tagen haben sich die Figuren aus den Buchmalereien verabschiedet. Offensichtlich entwickelt sich ein anderes Interesse. Die Durchblicke durch die Risse der Tanzlinien in den Collagen, schaffen einen farbigen, mehrdimensionalen, neuen Zeitbewegungsraum.