Ufer | Martyrien

Am südlichen Mainufer, zwischen Städel und dem, dem Westhafen gegenüberliegendem Weg am Fluss, unternahm ich alleine einen Sonntagsspaziergang. Zum Pier des hohen Kohlekraftwerkes hin breitet sich mit dem Hafeneingang eine große Wasserfläche aus. Von dort aus geht in der leichten Wendung des Flusses derzeit die Sonne, im Verlauf der weiten westlichen Fliessrichtung, unter. Ein ähnlicher Effekt, wie in Varanasi, wo er einen heiligen Ort stiftete. Selbst breite Stufen gibt es dort am Main, die in das Wasser führen. Paare gehen spazieren, Männer unterhalten sich oder Frauen zu dritt, Familien machen Picknick auf Bänken und ich gehe mittendrin meiner Neugier nach.

Eine Sportgruppe, die die Stadt als Ertüchtigungsparcour entdeckt hat, kroch die Stufen von der Friedensbrücke bis zum Wasser im Liegestütz hinab, um dort dann, teilweise in voller Montur in den Main zu springen. Zäh, hart und flink stellten sie die Volksgesundheit zur Schau. Windhunde aus Kruppstahl und Leder, etwas widerlich das Ganze, militant, geistlos und brüllend laut.

Mein Kontrastprogramm waren dann die Säle der Alten Meister im Städel, in denen ich mir insbesondere die wenigen frühmittelalterlichen Werke ansah. Ihre Reduziertheit auf wenige wichtige Elemente, die dann aber fein ausgearbeitet neben den eher kanonisch-gleichförmigen Landschaften, Architekturen oder Kleidern stehen, kommen modernen Sichtweisen nahe, oder können als gegenwärtige, adäquate Gestaltungsformen gelten. Mir kam in den Sinn, vor Ort Kompositionslinien zu skizzieren. Allgegenwärtig, die brutalen christlichen Martyrien.

Sonntäglich aber ruhte die Arbeit gestern. Lediglich die Tagebücher verlangten nach ihrer Kontinuität.