Schauen

Auf dem flachen Dach des niedrigen Nachbargebäudes kann ich von unserem Balkon aus die aneinander auffliegenden Tänze der Ringeltauben beobachten. Ihre lauten begleitenden Gesänge werden von den rundum stehenden Häuserwänden zurückgeworfen. Ein akustischer Raum im leisen Ostersonnabendmorgen. Aus dem klaren Himmel trifft Sonnenschein auf mein Gesicht. Dazu Hummeln und Amseln – wie auf dem Land.

Im Tal der Kleinen Wisper wanderten wir dreieinhalb Stunden durch den Rheingau. Vom Schiefer, den wir allenthalben in Felsformationen ansteigen sahen, sind die gebauten alten Kerne der Dörfer, die wir berührten geprägt. Gesäumt sind sie von atemberaubend schönen Wiesenschwüngen, über die das Frühlingslicht heranrauscht.

Beim langen ruhigen Schauen auf ein solches Dorf kam mir in den Sinn, dass manche Familien vielleicht schon seit Jahrhunderten dort ansässig sind. Vielleicht gibt es genauso alte Fehden, deren Gründe schon längst verwischt sind.

Am Bach flüchtete eine Hirschkuh vor uns und Schmetterlinge, die vor uns aufflogen, begleiteten uns jeweils ein Stück des Weges, manchmal gegen den Wind trudelnd. Rote Admirale, Pfauenaugen, Zitronenfalter, Kohlweißlinge und andere deren kleine Flügel orange- und cremefarben eingeteilt sind. Noch fällt es uns leicht in drei Stunden etwa zwölf Kilometer und die paar hundert Höhenmeter zu laufen.

An einem kleinen Angelsee rasteten wir und sahen zwischen den Wasserläufern kleine Fischchen springen, wie im Sommer.