Nähzeug | Sturm | Selbstportrait

Langer Spaziergang gestern über die Baustellen des neu entstehenden Stadtteiles. Sonntäglich leblose Geschäfte, wenige Menschen, viel Wind.

Von der karierten Manschette eines meiner Winterhemden riss mir ein Knopf ab. Den hob ihn gleich auf, steckte ihn in die Brusttasche und nahm mir mein Nähzeug. Es befindet sich in einer kleinen dunkelroten Metallschachtel, die sich wiederum in einer Schublade befindet, die zum Schreibtisch gehört, der in der hinteren Nische des Ateliers steht. Die zwei Zwirnsterne, die Nadel, Sicherheitsnadel und die Knöpfe stammen vom Ganpati Guesthouse, in dem wir direkt neben dem Hauptghat in Varanasi wohnten. Kürzlich druckte ich ein Foto von dort aus und eine Visitenkarte dieses Hotels liegt hier auch noch irgendwo herum.

Das Grundgeräusch dieses Montagmorgens, zwischen den sehsüchtigen Sirenen der Rangierloks und dem Flughafendonner, rührt von dem Sturm her, der in den kahlen Baumkronen faucht. Manchmal neigt sich die große Pappel auf dem westlichen Nachbargrundstück so bedrohlich, dass ich glaube, dass sie das nicht mehr lange, ohne zu stürzen, aushalten wird. Wenn uns dieses Material auf das Gelände fällt, wird es wieder viel Bildhauerarbeit geben.

Heute aber geht es um leichteres Material. Ich werde mein Portrait mit Tusche und Feder auf das Transparentpapier der Rolle 6 übertragen. Zunächst will ich eine freiere Variante ausprobieren, um dann, wie beim vorigen, zu einer strengeren zu kommen.