Just in case

Berlin, Schöneberg, im Westen der Stadt (crossing my fingers just in case). Eine von Künstlern angenehm eingerichtete kleine Wohnung. Polaroids eines von beiden, die schon auf einer Documenta hingen.

Aus den Wäldern um Kassel stiegen Nebel, weiß und wunderbar – dann das Flachland mit Windrädern. Die Strecke führt an Stendal vorbei und nicht an Brandenburg, meiner Geburtsstadt. Meine Erinnerungen, dass wir dicht an ihr vorbeigefahren sind, war also eine Täuschung. Einzig eine andere Streckenführung könnte meine falsche Erinnerung rehabilitieren: Braunschweig – Magdeburg – Brandenburg – Potsdam… Die Elbe floss zum Überlaufen durch die Auenlandschaft, immer kleine Buchten durchstrudelnd. In der grauen Dämmerung um den Hauptbahnhof, die schon kurz nach Vier einzusetzen schien, dachte ich mit Lokalstolz an die Frankfurter Skyline.

Am Abend in der Schaubühne Molières „Tartuffe“ in einer Inszenierung von Thalheimer, der auch schon einige Male am Frankfurter Schauspiel Gastarbeiten gemacht hatte. Von den Schauspielern erkannte ich Judith Engel und Lars Eidinger. Das Bühnenbild bestand aus einem hochgesetzten quadratischen Guckkasten aus Goldpigmentplatten. Zunächst dachte ich, dass die Schauspieler, durch eine leichte Schräglage ihrer Körper, eine Neigung des Raumes im Uhrzeigersinn vortäuschten. Dann aber gab es heftigere Bewegungen des Kastens, die anzeigten, dass er sich wie eine Waschmaschinentrommel drehen kann. Das tat er dann später auch und wirbelte die Szenerie mit samt den Schauspielern gehörig durcheinander. Abgesehen davon, dass sich das mit dem Stück gut zusammen tat, waren insbesondere die anfänglichen kleineren Schräglagen in der Lage, einem ein wenig Schwindel einzuflößen. Die Spielweise war einerseits durch seelische und körperliche Behinderungen der Figuren stilisiert und auch überzogen. Das sichtbare Bedürfnis der Spieler, die „Sau raus zu lassen“, wurde vom Regisseur in einer Weise begrenzt, dass es mir nie zu viel wurde. Ein vergnüglicher Abend mit hervorragenden Darstellern auf sehr hohem artistischem Niveau.