Ausgrabung | Kreislinien | Nebel

Es war kühl gestern am Hang, so um die zehn Grad. Gewitter zogen mit Hagel vorüber, und dann schien gleich wieder die Sonne auf das feuchte frische Gras, das dann zu dampfen begann. Am Fuß einer der Figuren hatte ich begonnen Steine unter einer dünnen Humus- und Moosschicht frei zu räumen. Manchmal merkt man beim Gehen unter den Füßen einen wackeligen, etwas spröden Untergrund, der nach Geröll klingt. In diesem Raum von etwa dreißig mal dreißig Metern, nahm ich mir eine Stelle vor und begann sie auszugraben, um die Steine an die Oberfläche zu bringen. Nun frage ich mich, ob diese Strukturen Ergebnisse natürlicher Erosionsvorgänge sind oder menschengemachte Kulturreste. Ein Rest von Zweifel bleibt, der mich nun zum Ausgräber werden lässt. Es steht mir ja frei zu graben, das Material ans Licht zu bringen, weil es niemanden interessiert.

Menschen, die den Wald durchstreifen nimmt man in den Augenwinkeln als dunkle, aufrechte, längliche Silhouetten wahr. Das Hirn formt sie zu dem, was es kennt und vergleichbar ist, zu Menschenbildern. Gestern hatte ich das Gefühl, am Rand meines Wahrnehmungshorizontes öfter Menschen zu sehen, die wie ich unterwegs sind. Bei diesem Wetter ist das nur äußerst selten der Fall. Ich konnte eigentlich sicher sein, dass ich alleine war. Durch Schwenken des Kopfes in Richtung dieser Wahrnehmung, stellte ich jedes Mal fest, dass es sich dabei um die Figuren handelte, die ich selber neben die Bäume gestellt hatte. Sie bevölkern den Raum und lassen das Gefühl entstehen, nicht alleine zu sein. Oberhalb des zweiten Querweges, dort wo jemand den „Kreuzstein“ von Vinzenz umfunktioniert hatte, entsteht ein neuer Platz, der lose von Figuren umstanden ist. In seiner Mitte allerdings steht ein Stein, der dem Platz einen Zusammenhalt bietet. Den oberen Abschluss des Weges bildet wieder ein Platz, in dessen Mitte ein eher unscheinbarer Stein steht. Das Gras um ihn herum habe ich in einem Radius von etwa zwei Metern zu einer Spirale gelegt. Ich glaube nun zu wissen, wie die Kreise bei Richard Long entstanden sind. Sie entstehen von selbst. Der tastende Blick umschreibt sie von einem Standpunkt aus. Schon der Mittelpunkt beschreibt diese Kreislinie.